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zu konnen. Bisher konnte nur C. Troll der Einladung fol gen und von Mitte Oktober bis Mitte November in Upp
sala und Stockholm die Literatur der Kriegsjahre studieren und Vortrage halten. Inzwischen sind vorlaufige Einladun
gen zu dem fiir 1948 geplanten Internationalen Geo graphenkongress in Lissabon an die Geographen der Welt, allerdings noch nicht an Deutsche und Osterreicher, ver sandt worden. Die Internationale Zusammenkunft in La Sarraz hat jedoch in einer einstimmig gefafiten Ent
schliefiung dringend empfohlen, zum Kongrefi in Lissa bon auch Deutsche und Osterreicher und beim Fehlen einer Zentralregierung in Deutschland Vertreter der vier Besatzungszonen einzuladen. Diese Empfehlung ist vor allem an die Union Geographique Internationale weiter geleitet worden. Von den friiheren Geographischen Ge sellschaften Deutschlands sind bisher nur die von Bremen, Hamburg, Hannover, Koln, Liibeck und Miinchen und
der Verein fiir Geographie und Statistik in Frankfurt wieder zugelassen worden, sie haben zum grofieren Teil
schon im Winter 46/47 bescheidene Vortragsprogramme zustande gebracht. Manchen Hochschulinstituten ist es trotz der unerhorten Schwierigkeit im Reiseverkehr und in der Verpflegung gelungen, mit Studentengruppen hoherer Semester wieder langere Lehrexkursionen in entferntere deutsche Landschaften auszufiihren, so von Hamburg nach Nordbayern, von Koln nach Mainfranken, von Bonn nach der Nordseekiiste und von Kiel in den Harz. Sehr grofien Schwierigkeiten begegnet der geographische Hochschul unterricht dagegen noch in der russischen Besatzungszone, wo nicht einmal unter Heranziehung der altesten eme
ritierten Fachkollegen (K. Hassert in Leipzig, O. Schliiter in Halle, N. Krebs in Berlin) eine ausreichende Besetzung der Lehrstiihle moglich war. Die Hochschulen sind jedoch neuestens sehr bemuht, jiingere Krafte aus den Westzonen nach dort zu ziehenr
Die Geographentagung in Bonn
Da noch keine der allgemeinen Organisationen der deut schen Geographie von den Militarregierungen lizensiert ist, konnte auch keine Organisation Trager der Bonner Tagung sein. Daher luden
die^ beiden gewahlten Ver trauensleute der Hochschulgeographie fiir die amerikanische und britische Zone, W. Credner und C. Troll ein. Es
gait zunachst, den Kreis der Hochschulgeographen wieder zu sammeln und die Fragen der geographischen Wissen schaft und der wissenschaftlichen Organisation zu be sprechen. Aufier den Hochschulgeographen wurden daher auch Vertreter anderer geographisch arbeitender Dienst
stellen und Unternehmungen und einzelne Schulgeographen der vier Zonen geladen. Durch die starke Beteiligung aus
alien vier Besatzungszonen kam eine Tagung zustande, die sich fast in die Reihe der deutschen Geographentage, deren letzter 1936 als 26. Geographentag in Jena statt gefunden hatte, stellen lafit. Dank des Engegenkommens von F. Diimmlers Verlag sollen die wissenschaftlichen Verhandlungen der Bonner Geographentagung demnachst
in einem Sonderheft der ?Erdkunde<< veroffentlicht werden, so dafi hier ein kurzer Bericht geniigt. Zum Ehrenvorsitzenden, prasumptiv auch fiir dien Verband der deutschen Hochschullehrer der Geographie, wurde Geheim rat A, Pbilippson-Bonn gewahlt, der leider durch seinen Gesundheitszustand an der personlichen /Teilnahme ver hindert war. Die organisatorischen Besprechungen galten Fragen des Hochschulnachwuchses, des Neudrucks von Lehrbuchern, dem Zeitschriftenwesen, Reiseerleichterungen
fur wissenschaftliche Lehrausfliige, der' Anbahnung inter nationaler Beziehungen, der Schulgeographie, vor allem dem gefahrdeten Geographieunterricht an hoheren Schulen
und den in den deutschen Landern und Zonen so ver schiedenartigen Lehrplanen, dem Stand der deutschen Kartographie, und dem grofien Werk der Kreislandes
kunden, die vom Amt fiir Landeskunde-Scheinfeld und von der Akademie fiir Raumforschung-Hannover bear beitet werden. Ein Antrag auf Wiederzulassung des Hoch
schullehrerverbandes in der britischen und amerikanischen Zone soil den ersten Schritt zur Wiedergewinnung einer Organisation der geographischen Wissenschaft bilden, wahrend eine ZuJassung schulgeographischer Verbande
iiber die Lander hinaus noch nicht fiir moglich gehalten
wurde. Im einzelnen berichteten E. Meynen iiber den Auf bau, die Arbeiten und Arbeitsplane des Amtes fiir Landes kunde, K. Frenzel iiber den Stand der Kartographie und die kartographischen Institute, H. Waldbaur iiber das neue Institut fiir Kartographie und Geomorphologie der Deutschen Wissenschaftsakademie (Leiter W. Behrmann), C. Rathjens sen. iiber das Weltwirtschaftsarchiv in Ham
burg, G. Wiist iiber das Institut fiir Meereskunde an der Universitat Kiel und dessen 1946 erworbenes Forschungs
schiff, M. Hannemann iiber Justus Perthes' Geographische Anstalt, die seit kurzem wieder iiber eine eigene Verlags lizenz verfiigt, A. Kolh iiber die Wenschow G. m. b. H.
in Miinchen und den vor der Vollendung stehenden Welt atlas fiir Volksschulen 1 :io 000 000, C. 7>o// iiber die Tagung in La Sarraz. Eine ganze Reihe von Entschliefiun
gen, -die spater mitgeteilt werden, wurden gefafit.
Die wissenschaftlichen Verhandlungen nahmen drei aus gedehnte Sitzungen ein. Die erste gait der physischen Geographie, wobei die klimatische Geomorphologie, und
zwar die fiir das heutige Antlitz Mitteleuropas so ent scheidende Periglazialmorphologie im Vordergrund stand.
C. Troll versuchte mit seinem Rahmenthema iiber die Typen der Solifluktion und die periglaziale Bodenab tragung (s. ds. Heft, S. 162) die klimatiischen Typen aller durch den Bodenfrost verursachten Abtragungserschei nungen iiber die Erde zu zeichnen. /. Biidel-Gottingen
gab von dieser Schau her eine physisch -
geographische Gliederung der Polargebiete, H, Po*er-Gottingen analy
sierte auf1 Grtund des gesamten Beobachtungsmaterials periglazialer Erscheinungen Mittel- und Westeuropas die klimatischen Bedingungen des Eiszeitalters, H. Lehmann Bonn teilte- diesbeziigliche Beobachtungen aus den Nieder landen mit. C. Rathjens jun.-Munchen und H. Lemhke Berlin behandelten Fragen der alpinen Geombrphologie, H. P/e^e-Heidelberg auf Spaltentektonik zuriickgehende
Formenmuster Sudnorwegens. Neuartige Fragestellungen verfolgten die beiden hydrographischen Schlufivortrage:
L. M6ller-Gottm%en legte Grundwasserkarten Nordwest deutschlands vor, die die Verteilung der Wasserharte, des Chlorgehalts und des Nitratgehalts im Zusammenhang mit der Gesteinszusammensetzung erkennen lassen, R.
Keller^-Bonn die an rheinischen Landschaften gewonne nen Erkenntnisse iiber Wasserverbrauch von Pflanzen kleid, Kulturland, Mensch und Industrie.
Mit dem aktuellsten Thema ?Der geographische Aspekt der Bodenreform und Produktionsplanung" eroffnete H. Niehaus-Bonn die kulturgeographische Sitzung. Er legte eine Karte der moglichen Neusiedlerstellen auf Grund der maximalen Vorschlagev fiir die Aufteilung der Grofibetriebe und gestaffelt nach den verschiedenen Ein
heitswerten des Bodens vor und zeigte, dafi die wichtig sten Aufsiedlelgebiete der britischen Zone Ostholstein und Siidhannover darstellen. Allerdings ergeben sich insge samt nur 33 000 Stellen, die umso weniger die Fliicht lingsfrage losen konnen, als nur ein Drittel dieses Landes zur Ansiedlung von Zuwanderern dienen kann, da zwei Drittel fiir das Ansetzen einheimischer Landarbeiter ver wandt werden miissen. Eine verniinftige Losung, die so wohl in der sozialen Auswirkung als auch im Produktions
erfolg am giinstigsten sei, sieht N. in der Kombination der Fliichtlingsansiedlung auf Grofigrundbesitz in Ver bindung mit der Landarbeitersiedlung auf dem bauer
lichen Sektor. Eine Losung des Fliichtlingsproblems ist
Berichte und kleine Mitteilungen 207
jedoch von dieser Seite nicht zu erreichen. Noch schwie riger stellen sich die Fragen fiir das deutsche Auswande rungsproblem dar, die N. Wilhelmy-Kiel behandelte, was allein schon ein Blick auf die Geschichte der deutschen Auswanderung in den Zeiten der Freiziigigkeit lehrt.
Wenn einmal das politische Problem, die Aufhebung des Auswanderungsverbotes gelost ist, hat die Geographie
immerhin fur die Lenkung der Auswanderung eine grofie Aufgabe zu erfiillen. Gerade die beiden Vortrage zeigten
aber klar, dafi nur noch zwei Losungsmoglichkeiten fiir die unhaltbare deutsche Gegenwartslage bestehen, die Wiedergewinnung der Ostgebiete oder die Forcierung von Industrie und Export. Drei grundsatzliche, vorziigliche formulierte Vortrage von H. Z?o&e&-Freiburg (Sozial geographie), P. Fickeler-Sicgcn (Religionsgeographie) und Th, Kraus-Koln (Landschaftsordnung als Ergebnis geisti
ger Krafte) liefien erkennen, dafi sich die Kulturgeographie aus dem einseitigen Naturkomplex endgiiltig gelost hat und ihre Stellung in den Geistes- und Sozialwissenschaf
ten findet. Kulturgeographische Einzelfragen und -erschei nungen besprachen H. Louis-Koln (Anatolien), H. Lauten
sach-Speyer (Heckenlandschaft), H. Mortensen-G6ttm%en
(Waldhufendorf) und ?. TfoeZ-Miinchen (Geographie in
der Sowjetunion).
Die 3. Sitzung war fiir eine ausfiihrliche Besprechung der vom Amt fiir Landeskunde angeregten, in Gemein
schaftsarbeit deutscher geographischer- Institute angefer tigten Karte der naturraumlichen Gliederung Deutsch lands vorgesehen. Die Diskussion wurde eingeleitet durch Vortrage von E. Otremba-Erlzngcn und K. H. Paffen
Bonn unter Vorlage der Obersichtskarte 1 : 50a 000 bzw.
der Karte des Mittel- und Niederrheingebietes 1 :200 000, wobei Otremba die allgemeinen Gesichtspunkte der Me
thodik, der Grofienordnung, der Namengebung und der praktischen Verwendung der Landschaftsgliederung fiir Statistik, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, Siedlungs und Landiesplanung darlegte, Paffen dagegen die induk
tive Betrachtungsweise landschaftsokologiseher Gliederung an rheinischen Beispielen vorfuhrte. Die Absicht, der naturraumlichen Gliederung noch die Gesichtspunkte der kulturlandschaftlichen Gliederung gegeniiber zu stellen
(Vortrage von W. H<*r?&e-Frankfurt und W. Christaller Jugenheim), konnten aus Zeitgrunden nur mehr teilweise ausgefuhrt werden. Im Ganzen zeigte die wissenschaft liche Aussprache die ungeheure Weite der geographischen Stoffgebiete, aber auch die Einheit dieser Wissenschaft in
ihrer Bezogenheit auf die gesamte Erdhulle. Die deutsche Geographie hat ihre Leistungsfahigkeit durch diese Tage audi in der Notlage der Gegenwart zweifellos erwiesen,
allerdings audi erkennen lassen, dafi sie sich der Forde rung ihres wissenschaftlichen Nachwuchses in der durch Kirieg und Politik gelichteten jungen Generation in den nachsten Jahren ganz besonders widmen mufi, wenn das Niveau gehalten werden soil.
Die zweitagigen wissenschaftlichen Exkursionen fiihrten am ersten Tage unter Fiihrung von C. Troll gemeinsam in die Nordeifel, wo in der Gegend von Mechernich nebeneinander drei gesteinsbedingte Landschaften, Bunt sandstein-Eifel, Kalk-Eifel und Schiefer-Eifel studiert wer den konnen. Die Landschaft der Sotenicher Kalkmulde bot vieiseitige Erscheinungen fiir geographische Beobach tung (Karsthydrographie, Steppenheidevegetation, dilu viale Kalktuff- und Hohenbildung, Ursiedlung, romische Wasserwirtschaft und neuzeitliche Eisenindustrie). Der
2. Exkursionstag gait wahlweise der Landschaft am Aus gang des Mittelrheintales zwischen Rodderberg und
Siebengebirge (Fiihrung H. Lehman^) oder der Stadt Koln (Fiihrung Th. Kraus). Wahrend der Rodderberg auf der
westlichen Rheinseite in vorziiglich auf geschlossenen Pro filen mit Wechsellagerung von Schottern, Tuff en und
Lossen die Geschichte eines diluvialen Vulkans auf zeigen lafit, bietet der Drachenfels auf der ostlichsten Seite den
Uberblick iiber das heroische, durch Philippson und Stickel
geomorphologisch, durch die Schule Waibels kulturland schaftlieh erschlossene Mittelrheintal. Alte Tradition, schwerste Kriegszerstorung und die Plane eines Neuauf baues der Metropole beiderseits des Niederrheins waren der Hintergrund fiir die stadtgeographische Fiihrung durch Koln.
? Anlafilich der Tagung wurden folgende Entschliefiungen
*von der Plenarversammlung gefafit:
?An die Unterrichtsministerien
Das deutsche Volk hat seine gegenwartige ungliick selige Lage zu einem grofien Teil der^ Tatsache zuzu schreiben, dafi es nicht nur in seiner Gesamtheit, sondern auch in seinen fuhrenden Kreisen eine viel zu geringe Kenntnis vom Ausland und seiner Mentalitat besafi.
Wenn dieser Zustand nicht verewigt werden soli und wenn die furchtbaren Folgen geographischer Unkenntnis kiinftig vermieden werden sollen, mufi die Geographie als die berufene Vermittlerin der Auslandskenntnis brei
tere Wirkungsmoglichkeiten an den deutschen Hoch schulen gewinnen als bisher. Aufierdem ist es notig, dafi die Hochschulgeographen den augenblicklich an sie gestell
ten Anforderungen seitens der Praxis weiterhin gerecht werden konnen, ohne dafi dadurch Lehre und Forschung
in nicht zu verantwor tender Weise in Verf all geraten.
Die deutschen Hochschulgeographen, die am 25.124.
August 1947 in Bonn aus alien Besatzungszonen zu ihrer ersten Nachkriegstagung zusammengekommen sind, wen den sich daher an die Regierungen der deutschen Lander und an die sonstigen in Frage kommenden Stellen mit folgenden Forderungen:
1. Die Breite der geographischen Forschung und Lehre (von der Physiogeographie bis zu samtlichen Zweigen der Anthropogeographie, von der Kenntnis Deutsch
lands bis zu der aller Erdteile) macht es unmoglich, dafi die Geographie auch weiterhin an vielen Uni versitaten nur durch eine einzige beamtete Professur vertreten wird. Wie es bei anderen akademischen Fachern gleichen Umfanges schon langst der Fall ist,
mufi auch die Geographie kiinftig an alien deut
schen Universitaten durch zwei beamtete Professor en vertreten sein, die sich in regionaler und sachlicher Differenzierung in die ungemein ausgedehnten Auf
gaben der Landerkunde und der allgemeinen Geo graphie teilen miissen.
2 An alien ubrigen wissenschaftlichen Hochschulen der deutschen Lander, also insbesondere den Technischen Hochschulen und den Handels- und Wirtschaftshoch
schulen mufi die Geographie, soweit es nicht schon der Fall ist, in Zukunft wenigstens durch einen Fachvertreter im Range eines Ordinarius vertreten werden.
3. Die Forderung des zur Zeit schwer bedrohten geo graphischen Nachwuchses bedarf besonderer Beach tung. Durch Neuschaffung einer genugenden Zahl ausreichend bezahlter Assistentenstellen und besonders Diatendozenturen zusammen mit der Aufrechterhal
tung der bisherigen Stellen mufi jungen, hoffnungs
vollen Kraften ein Anreiz gegeben werden, ohne
allzu grofie personliche Opfer sich der akademischen
Laufbahn zu widmen.
Nur durch Erfiillung dieser Forderungen kann er
reicht werden, dafi die deutsche Geographie nicht hoff
nungslos gegenuber der internationalen Geographie in Ruckstand kommt, zum Schaden des deutschen Volkes und der deutschen Wissenschaft."
208 Erdkunde Band 1
?An die Unterrichtsministerien
Die in Bonn zu einer Fachtagung versammelten deut schen Hochschullehrer der Geographie aus alien Be satzungszonen haben gemeinsam mit Vertretern der Schul geographie sich eingehend mit der Stellung der Erdkunde im Unterricht der hoheren Schulen beschaftigt und sind zu folgender Entschliefiung gekommen, die sie hiermit vorzulegen sich erlauben.
Die ungluckliche Lage, in die unser Volk durch die Ge schehnisse der letzten Jahrzehnte geraten ist, mufi mit darauf zuruckgeftihrt werden, dafi dem deutschen Volke, wie in seiner Gesamtheit so besonders auch in den fiih renden Kreisen, ein reales Wissen iiber die,Erde und ihre Volker, ihre wirtschaftlichen und geistigen Krafte gefehlt
hat. Nur so war es moglich, dafi das deutsche Volk irre geleitet und in blindem Vertrauen den Weg zum Ver derben beschritt.
Wenn wir heute beim Wiederaufbau im Erziehungs wesen einen grundlegenden Faktor erblicken, so sehen wir
im ausreichenden Einsatz der Erdkunde im Unterricht eines der Mittel, um die Erziehung unserer Jugend in die richtige Bahn zu lenken. Die Geographie hat in dieser Beziehung die Aufgabe, ausgehend von vertieftem Ver
standnis und richtiger Erkenntnis des Heimatlandes, ein Bild von der ganzen Erde und ihren Volkern zu geben.
Sie soil die Grundlage einer auf realem Wissen fufienden Weltvorstellung entstehen lassen, die das eigene Land und Volk als ein lebendiges Glied der Gemeinschaft aller Volker umfafit.
Trotz der geschilderten Lage und der Bedeutung, die gerade in unserer Zeit der Erdkunde im Unterricht zu kommt, fehlt es nicht an Bestrebungen, dieses wichtige Unterrichtsfach hinter andere in den Schatten treten zu
lassen oder gar seine bisherige Stellung zu mindern. Hier gegen erhebt die Vertretung der Hochschullehrer der Geo graphie gemeinsam mit alien Unterrichtenden des Faches entschiedenen Einspruch. Sie halt zur Erreichung des hohen Bildungszieles der Erdkunde fiir unbedingi not wendig :
1. Mindestens zwei Wochenstunden Erdkunde in alien Klassen.
2. Der Bedeutung der Erdkunde entsprechend, soli ihre voile Gleichberechtigung mit den anderen Vor ruckungsfachern zugebilligt werden, vor allem als
Priifungsfach schriftlich und miindlich im Abitur.
3. Der Erdkundeunterricht darf nur von fachlich ge bildeten Lehrkraften erteik werden, die von Zeit zu Zeit in Kursen und Exkursionen mit dem neuesten Stand der Wissenschaft vertraut gemacht werden sollten.
4 Wo zur Zeit solche Lehrkrafte noch nicht in ge nii-gender Zahl zur Verfugung stehen, sind Ausbil dungskurse fiir die mit dem Erdkundeunterricht Be auftragten unter Mitwirkung der Hochschulen ein zurichten.
5. Es ist anzustreben, dafi moglichst unverzuglich wissenschaftlich und padagogisch einwandfreie Unter richtsmittel (Lehrbiicher, Atlanten, Globen, Wand karten und Lichtbilder) in geniigender Zahl zur Ver fiigung gestellt werden.
6. Fiir den Unterricht in der Heimatkunde auf alien Stufen und zur Gewinnung allgemein geographischer Vorstellungen sind Lehrwanderungen unbedingt er
forderlich."
*
?An die Hauptvermessungsabteilungen
Die in Bonn tagenden Hochschullehrer fiir Geographie aus alien Besatzungszonen bitten die Hauptvermessungs abteilungen als Treuhanderin der amtlichen deutschen Kartographie fiir ihren Bereich,
1. die Reichskartenwerke gleichberechtigt neben den Grundkartenwerken zu pflegen und zu fordern, fort
zufiihren und weiterzuentwickeln,
2. der Geographie insbesondere bei Schaffung neuer Karten den unbedingt notwendigen Raum in der kartographischen Bearbeitung zu geben durch Zusam menarbeit mit der geographischen Wissenschaft, ihren
Instituten und Amtern (z, B. Amt fiir Landeskunde in Scheinfeld, Mf.) und durch Einstellung von kartographisch ausgebildeten Geographen, wie es im Reichsamt fiir Landesaufnahme der Fall war, wobei
insbesondere an die Berucksichtigung geomorpholo gischer und landeskundlicher Gesichtspunkte gedacht
ist,
3. dementspreehend in den Ausbildungsvorschriften fiir die Beamten des hoheren und des mittleren gehobenen vermessungstechnischen Dienstes Morphologie und Landeskunde von Deutschland als Prufungsfach ein zufuhren, um Verstandnis fiir Landformen, aber auch fiir die darzustellende Kulturlandschaft zu gewahr leisten."
Das Internationale Geographentreffen von La Sarraz Der Initiative der Schweizer Hochschulgeographen, ganz besonders der Vorbereitung durch die Herren F. Jaeger und W. Staub, und der Gastfreundschaft der greisen Schlofiherrin Mde. H. le Mandrot von Schlofi La Sarraz
ist es zu danken, dafi die erste internationale Zusammen kunft europaischer Geographen seit Kriegsende stattfinden konnte, die als ein gliickhafter Anfang fiir den Wieder aufbau der europaischen Zusammenarbeit auf geographi
schem Gebiete bezeichnet werden mufi. Zu ihrem Wort fiihrer hat sich der Genfer Geograph Ch. Burky gemacht, der, die Ressentiments der unseligen politischen und krie gerischen Vergangenheit iiberwindend, in seiner Be griifiung auch die grofie Tradition der deutschen Geo graphie wiirdigte und in seiner Schlufirede die Bedeutung der Geographie fiir den Aufbau einer kunftigen Welt friedensorganisation auf zeigte. Die n Teilnehmer, denen das Schlofi Unterkunft bieten konnte, setzten sich zu sammen aus fiinf Schweizer Geographen (Ch. Burky Genf, H. Gutersohn-Zurich, F. Jaeger-Basel, H. Onde Lausanne und W. Staub-Bern) und sechs Vertretern an
derer Lander (H. ifr?z/-Innsbruck, A. G. Ogilvie-Edm burgh, M. P^r^e-Grenoble, A. Sestini-?irenze, A. Toniolo Bologna und C. Troll-Bonn). Das kultivierte Milieu des
alten Schlosses, die Exkursionen in die nahere und weitere Umgebung bis Vallee de Joux und zur Dent de Vaulion
im Waadtlander Jura und der Geist der gegenseitigen Hochachtung unter alien Beteiligten liefien von Anfang an ein Einvernehmen von einer Herzlichkeit entstehen, wie es die Schweizer Gastgeber nicht zu traumen gewagt hatten. Hauptaufgabe der Aussprachen, die in franzosisch, deutsch, englisch und italienisch gefiihrt wurden, waren Berichte iiber die Entwicklung und die Fortschritte der Geographie in den einzelnen Landern wahrend der Kriegs
jahre und iiber die Bedurfnisse der Gegenwart. Die be sonders komplizierte Lage der deutschen "Wissenschaft seit 1933 und die grofien Schwierigkeiten, denen sie heute gegeniibersteht, fanden begreiflicherweise besonderes
Interesse. Aber auch wissenschaftliche Probleme, die den Teilnehmern freigestellt waren, wurden vorgetragen und diskutiert: Parde iiber die hydrographische Erforschung der franzosischen Alpen und die Fortschritte der fran zosischen Meteorologie, Troll iiber die Typen der Soli fluktion und die periglaziale Bodenabtragung, Toniolo iiber Klimaschwankungen und Jahresringe von Baumen in Italien, Kinzl iiber Gletscherscriwankungen in den Alpen und Anden und iiber den katastrophalen Ausbruch des Gletschersees Palcacocha in den Peruanischen Anden vom 13. Dezember 1941, Jaeger iiber die klimatischen Grenzen