„Ja, auch ich wünsche mir, genü- gend Zeit zum Abschied zu ha- ben“, schreibt H. Christof Müller- Busch in seinem im August 2012 erschienenen Buch über Palliativ- medizin und Ethik des Sterbens.
Vielleicht gelingt es, so hofft er für sich und die Bleibenden, im Ab- schied Erinnerung zu finden, die dann für die Zukunft ein kostbarer Schatz wird. Müller-Busch selbst, bis 2008 Leitender Arzt am Ge- meinschaftskrankenhaus Havelhö- he sowie Past-Präsident der Deut- schen Gesellschaft für Palliativme- dizin, hat, so schreibt er, „von Ster- benskranken und Sterbenden in dieser Hinsicht viel gelernt“. Er bewahre diesen Schatz mit großer Sorgfalt.
Der persönliche Ton des Arztes, der an einigen Stellen bereitwillig Einsichten in sein Privatleben er- laubt, verdeutlicht, worum es Mül- ler-Busch geht: Das vorliegende Buch ist ein Resümee seiner Erfah- rungen im Umgang mit Sterbenden
„sowie der Gedanken und Erkennt- nisse, die mich zu der Überzeugung gebracht haben, dass durch die ,Wiederentdeckung’ des palliativen Gedankens in der Medizin ein wichtiger Schritt geleistet wurde, dem Thema Sterben und Tod in der Gesellschaft wieder einen höheren Stellenwert zukommen zu lassen – besonders auch im Hinblick auf die Bestimmung eines würdigen Sterbens“. Explizit wendet er sich an Angehörige und Begleiter schwerstkranker Menschen, aber auch an Studierende und Pflegende, die sich vielleicht zum ersten Mal mit einer Sterbesituation professio- nell konfrontiert sehen. Insofern verwundert es nicht, dass sich die Lektüre gelegentlich wie eine Lehr- rede gestaltet, auch wenn Müller- Busch den Anspruch auf ein Lehr- buch, das alle Aspekte des Themas behandelt, nicht verfolgt.
In 14 Kapiteln eröffnet der Pal- liativmediziner einen breiten Dis- kurs, der aktuelle Fakten darstellt und bei dem es nicht nur um die Frage geht: Was nutzt dem Patien- ten, und was will er? Im Respekt PALLIATIVMEDIZIN
Abschied braucht Zeit
vor Autonomie, dem Recht des Schwächeren und der Dominanz des Stärkeren stellt sich auch die Frage: Kann das, was der Arzt tun möchte, gegebenenfalls mehr scha-
den als nutzen? Verantwortung in der Palliativmedizin bedeutet, Schaden und eine Verschlechterung der Lebensqualität zu vermeiden.
Stets sollten die Werte und Vorstel- lungen der Menschen, um die es geht, der Schwerstkranken und Sterbenden, berücksichtigt werden.
Müller-Busch plädiert dafür, die Lebensqualität der Patienten in der letzten Lebenszeit zu fördern und ihnen die Möglichkeit für einen würdigen Tod zu geben. Schmerz- therapie, Angstlinderung, Trost und Beistand für die Sterbenden und ih- re Angehörigen gehören für den Autor ebenso zu einem guten Tod wie dem Tod Raum und Zeit zu ge- ben. „Ich habe im Laufe der vielen Jahre in der Begleitung Sterbender gelernt, auf Zeichen zu achten, die den Beginn eines guten Sterbens ankündigen. Diese Zeichen möchte ich auch in mir finden, wenn die Zeit gekommen ist.“ Ulrike Hempel H. Christof Müller-Busch: Abschied braucht
Zeit. Palliativmedizin und Ethik des Sterbens.
Suhrkamp, Berlin 2012, 295 Seiten, kartoniert, 10 Euro
Deutsches Ärzteblatt