A 466 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 11|
14. März 2014KARL DER GROSSE
Begegnungen auf Schritt und Tritt
Mehrere Ausstellungen in Aachen widmen sich dem Wirken Karls, dem höfischen Leben sowie der Kultur und machen den Herrscher als Ahnherrn der europäischen Einigung sichtbar.
N
un ist der gute Mann schon eine ganze Weile tot, doch Ruhe findet er nicht – schon gar nicht, wenn der Kalender ein Jubi- läum anzeigt. Vor 1 200 Jahren, am 28. Januar 814, ist in Aachen Karl der Große gestorben. Seine soforti- ge Beisetzung in der Pfalzkapelle, dem heutigen Dom, war ein cleve- rer Schachzug, über den man sich in der Stadt bis heute freut.„Ohne die Gebeine von Karl, die im Dom liegen, gäbe es Aachen nicht“, erfährt man bei einer Stadt- führung. Reliquien waren eben die Sehenswürdigkeiten vergangener Ta- ge. Nur so konnte sich rund um den Pfalzbezirk mit dem Dom ein blü- hendes Gemeinwesen entwickeln.
Wer durch die Stadt spaziert, wird Karl auf Schritt und Tritt begegnen.
Im Rathaus, das auf dem Fundament der Königshalle des Herrschers steht, begrüßt eine Fußmatte mit Karl-Antlitz den Betrachter. Den Krönungssaal schmücken Fresken aus dem 19. Jahrhundert, auf denen Karls Leben idealisiert wird, sowie die Reichskleinodien.
In der Printenhochburg Van den Daele wird ein Modell mit Karl- Porträt gezeigt. So steht der Fran- kenkönig auch für diese Aachener
Spezialität Modell, die fast so alt ist wie er selbst. Dabei weiß man gar nicht genau, wie Karl ausgesehen hat. Die überlebensgroße Brunnen- figur vor dem Rathaus ist auch nur eine Annäherung. Wenn aber im Frühling 500 etwa ein Meter kleine, rote und gelbe Karl-Figuren des Künstlers Ottmar Hörl auf dem zwischen Dom und Rathaus gelege- nen Katschhof aufmarschieren, dann haben diese kaum noch etwas mit dem Original gemein. Der Kai- ser hatte die Größe, die seiner Macht entsprach: Mindestens 1,90 Meter soll er groß gewesen sein.
Mehr als ein PR-Gag ist dagegen die Eröffnung des Centre Charle- magne, dem Informations- und Ausstellungszentrum am Katsch- hof. Hier wird ab Juni eine der drei parallel laufenden Ausstellungen im Karlsjahr zu sehen sein. Der Dom hat schon seit ein paar Jahren sein Infozentrum in einem schicken Neubau. Die Ausstellungen wid- men sich dem Wirken Karls, dem höfischen Leben sowie der Kultur und sollen den Herrscher über ein Reich, das sich von der Elbe bis zum Ebro erstreckte, auch als Ahn- herrn der europäischen Einigung sichtbar machen.
Aachen versteht sich als Europa- stadt. Grenzüberschreitende Ko- operationen unterstreichen das. Seit 1950 wird jährlich der Internationa- le Karlspreis für besondere Ver- dienste um die Einigung Europas verliehen. Aber warum war Karls Wahl überhaupt auf diesen Ort ge- fallen, der dann seine Lieblings- pfalz werden sollte? Die heißen Quellen, die schon Kelten und Rö- mer geschätzt hatten, gaben den Ausschlag. Ihr Wasser tat dem Herrscher gut und war vielleicht so- gar das Geheimnis seines für die damalige Zeit ungewöhnlich langen Lebens von 66 Jahren. Den Besu- chern der Stadt wird rund um den von Karl Friedrich Schinkel erbau- ten Elisenbrunnen ein fauliger Ge- ruch in die Nase steigen: schwefel- haltiges Thermalwasser, das einst den ausgezeichneten Ruf Aachens als Kurort begründete.
Auch die Reliquien erfüllen im- mer noch ihren Zweck. Neben den Gebeinen Karls werden in der Chorhalle des Doms, deren Fertig- stellung sich in diesem Jahr zum 600. Mal jährt, noch weitere Reli- quien aufbewahrt: die Windeln Je- su, das Lendentuch Christi, das Kleid Marias sowie das Enthaup- tungstuch Johannes des Täufers.
Alle sieben Jahre werden sie im Ju- ni im Rahmen der zehntägigen
„Heiligtumsfahrt“ der Öffentlich-
keit präsentiert.
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Ulrich Traub
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Aachen Tourismus, Friedrich-Wilhelm-Platz, 52062 Aachen; www.aachen-tourist.de, Telefon: 0241 1802960●
Route Charlemagne: Stadtrundgang auf den Spuren des Kaisers●
Ausstellungen: „Karls Kunst“, „Verlorene Schätze“und „Orte der Macht“; alle vom 20. Juni bis 21. September;
www.karldergrosse2014.de
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Heiligtumsfahrt: 20. bis 29. JuniINFORMATIONEN
Der Hof vor dem Haupteingang zum Kaiserdom in der Aachener In- nenstadt. Damit der Dom nicht zugebaut werden kann, stellt die Stadt ihren Kern unter Schutz.
Foto: dpa