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Neither Prisoners nor Soldiers nor Free Men: Identitätsbezüge in der Irischen Brigade, 1914–1918

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Academic year: 2022

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Marie Käbel

Neither Prisoners nor Soldiers nor Free Men

Identitätsbezüge in der Irischen Brigade, 1914–1918

Lehrgebiet Geschichte der Europäischen Moderne Masterarbeit

Fakultät für

Kultur- und

Sozialwissen-

schaften

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Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften

Historisches Institut: Lehrgebiet Geschichte der Europäischen Moderne Studiengang: M.A. Geschichte Europas

Wintersemester 2020/21

Neither Prisoners nor Soldiers nor Free Men

Identitätsbezüge in der Irischen Brigade, 1914-1918

M

ASTERARBEIT

Marie Käbel, M.A.

Betreuer: Prof. Dr. Wolfgang Kruse Abgabetermin: 10.02.2021

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1 EINLEITUNG ... S. 4 2 SOLDAT UND IDENTITÄT ... S.9 2.1 Identität in der Weltkriegsforschung ... S. 9

2.1.1 Neue Militärgeschichte ... S. 9 2.1.2 Identitätskonflikte als Kriegserfahrung ... S. 12 2.2 Zur Konstruktion von Identität ... S. 16 2.2.1 Identität als semiotischer Prozess ... S. 17 2.2.2 Zusammensetzung der Selbstidentität ... S. 18 2.2.3 Identitätskontrastierung ... S. 19 2.3 Aufbau und Ziele der vorliegenden Studie ... S. 20 2.3.1 Verfügbarkeit von Primärliteratur ... S. 20 2.3.2 Methodische Grenzen ... S. 22 2.3.3 Forschungsfragen und Vorgehensweise ... S. 24 3 DIE IRISCHE BRIGADE ... S. 27 3.1 Der Irlandkonflikt im frühen 20. Jahrhundert ... S. 27 3.1.1 Nationalisten, Unionisten und die Irische Frage ... S. 27 3.1.2 Joining the Colours – Iren in der britischen Armee ... S. 33 3.2 Rekrutierungskampagnen und -ergebnisse ... S. 36 3.2.1 Taktik und Maßnahmen ... S. 42 3.2.2 Faktoren des Misserfolgs ... S. 48 3.3 Die Irische Brigade im Querschnitt ... S. 51 3.4 Stationen und Statusänderungen ... S. 53 3.4.1 Prisoners: Internierung in Limburg und Wünsdorf ... S. 53 3.4.2 Soldiers: Militärisches Training in Zossen ... S. 55 3.4.3 Free Men: Als Zivilisten in Danzig-Troyl ... S. 57 4 IDENTITÄTSBEZÜGE IN DER IRISCHEN BRIGADE ... S.60 4.1 Nationale Identitätsbezüge ... S. 61

4.1.1 Individuelle Konstituierungsmechanismen ... S. 61 4.1.2 Strukturelle Muster ... S. 64 4.1.3 Signifikante Identifikationsfaktoren und Leitgedanken .... S. 66 4.1.3.1 Kill the swine! – Verrat und Martyrium ... S. 67 4.1.3.2 The scum of Ireland – innerirische Abgrenzung ... S. 68 4.2 Militärische Identitätsbezüge ... S. 70

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4.2.2 Strukturelle Muster ... S. 73 4.2.3 Signifikante Identifikationsfaktoren und Leitgedanken .... S. 74 4.2.3.1 With harp and shamrock – die Brigadeuniform ... S. 75 4.2.3.2 Fianna Fáil – Patrick Holohans Beisetzung ... S. 77 4.2.4 Konkurrierende Identitätsbezüge ... S. 79 4.3 Kulturelle und religiöse Identitätsbezüge ... S. 80 4.3.1 Individuelle Konstituierungsmechanismen ... S. 81 4.3.2 Strukturelle Muster ... S. 83 4.3.3 Signifikante Identifikationsfaktoren und Leitgedanken .... S. 84 4.3.3.1 As was Wolfe Tone – historische Legitimation ... S. 84 4.3.3.2 Viva la, the New Brigade – Musik und Rebellion .... S. 86 4.4 Ergebnisse ... S. 88 5 ZUSAMMENFASSUNG ... S. 91 LITERATUR- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Primärliteratur ... S. 94 Sekundärliteratur ... S. 96 Abbildungen ... S. 98 ANHÄNGE

A: Liste der Brigademitglieder ... S. 99 B: Identitätsmatrizen (CD-ROM) ... S. 101 Casement, Roger ... S. 101 Crotty, Thomas ... S. 111 Keogh, Michael ... S. 115 Maede, Maurice ... S. 126 Monteith, Robert ... S. 129 Quinlisk, Timothy ... S. 136 Zerhusen, Joseph ... S. 142

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1 E

INLEITUNG

„Mein Pat ist kein Landesfeind – die Iren stehen auf Seiten Deutschlands so gut wie die Türken und die Bulgaren – “

„So! Warum kämpfen sie denn dann nicht draußen, wie es sich gehört, sondern lungern hier egalweg herum?! Entweder sind sie Gefangene, schön, dann ist der Krieg für sie aus. Aber dann gehören sie gefälligst hinter Stacheldraht wie ihre Kollegen in Wüns- dorf. Oder sie sind Soldaten und frei: dann haben sie hier nichts zu schaffen, sondern gehören in den Schützengraben!“1

In ihrem 1933 veröffentlichten historischen Lokalroman Kamerad von der Irischen Brigade erzählt die brandenburgische Schriftstellerin Ilse Leutz unter dem Pseudonym J. L. Harrison die fiktive Liebesgeschichte zwischen einer Anwohnerin Zossens und einem Soldaten aus Roger Casements Freiwilligeneinheit für die Unabhängigkeit Ir- lands im Ersten Weltkrieg. Diese Einheit, die Irische Brigade, dient hierbei als lose historische Vorlagelage, um die herum sich ein Geflecht aus bis zum Kitsch reichender romantischer Narration und nationalistisch geprägter Mythisierung webt. Leutz be- schreibt einen ideologisch eingeschworenen Verbund junger Männer, denen die Be- freiung Irlands aus der imperialistischen Hegemonialherrschaft Großbritanniens das höchste Ziel sei – eine Darstellung, die sich auf Grundlage der überlieferten Ego-Do- kumente in dieser Absolutheit als deutlich überzogen bewerten lassen muss. Trotz die- ser allgegenwärtigen Hyperbolik bietet das Werk an einigen Stellen erstaunlich akku- rate Einblicke in die externe Wahrnehmung der Brigade. Der Tenor ist in diesen Passa- gen meist ähnlich: Die Zugehörigkeit der Soldaten zu bestimmten Gruppen – im vor- liegenden Buchauszug Soldaten und Kriegsgefangene – wird von außenstehenden Per- sonen nicht nur kritisch hinterfragt, sondern bisweilen vollständig negiert. Dieses Nar- rativ findet sich in seinen Grundzügen jedoch nicht nur in der Prosa wieder, sondern auch in historischen Quellen. Joseph Zerhusen etwa, deutscher Übersetzer der Irischen Brigade, beschrieb seine ehemaligen Weggefährten viele Jahrzehnte später wie folgt:

These men did not fit in within the general rules. They were neither fish nor flesh, neither prisoners nor soldiers nor free men and yet they were all of this.2

Die Mitglieder der Brigade selbst mögen diese eher negativ konnotierten äußeren Zu- schreibungen freilich anders gesehen haben. Wie genau – wie sie sich selbst wahrnah- men, ihre eigene Identität konstruierten sowie reflektierten und mit konkurrierenden Fremdzuschreibungen umgingen – wird im Mittelpunkt der vorliegenden Masterarbeit stehen. Doch zunächst drängt sich die Frage auf, wer diese Männer eigentlich waren.

1 J. L. Harrison, Kamerad von der Irischen Brigade, Berlin-Schöneberg 1933, S. 76.

2Joseph Zerhusen zitiert nach:Justin Dolan Stover, The Afterlife of Roger Casement’s Irish Brigade, 1916-1922, in: Breac. A Digital Journal of Irish Studies (2019).

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Bei der Irischen Brigade handelte es sich um einen von zahlreichen Versuchen der beteiligten Kriegsparteien, die ethnopolitischen Verwerfungen, die der Erste Welt- krieg auf der europäischen Staatenlandkarte auslöste, militärisch nutzbar zu machen.

Bereits in den Jahrzehnten vor dem Kriegsausbruch sahen Vielvölkerstaaten und Im- perien ihre innerstaatliche Kohäsion durch die seit Mitte des 19. Jahrhunderts erstar- kenden emanzipatorischen Nationalbewegungen bedroht – Konfliktherde, die zwar mit dem Beginn des Krieges und der damit verbundenen allgemeinen Kriegsbegeiste- rung vorerst an Eruptionspotential verloren, im Hintergrund jedoch latent weiter- schwelten. Als sich bereits nach wenigen Kriegswochen im Spätsommer 1914 ab- zeichnete, dass sich der avisierte Bewegungskrieg in einen Stellungskrieg zu wandeln drohte, wandten sich die Mittel- und Entente-Mächte gleichermaßen alternativen Tak- tiken der Kriegsführung zu und entwickelten im Rahmen dessen Revolutionierungs-, Insurrektions- bzw. Insurgierungsprogramme. All diese Termini bezeichnen dasselbe Grundprinzip, nämlich die proaktive Unterstützung nationalistisch-separatistischer Bewegungen im Hoheitsgebiet des Gegners und somit die kriegsstrategische Instru- mentalisierung besagter schwelender Konfliktherde. Für das deutsche Kaiserreich war diese Ergänzung zur herkömmlichen Kriegsführung besonders wichtig, hatte sich mit dem unerwarteten Kriegseintritt Großbritanniens doch das Kräfteverhältnis zu Guns- ten der Triple-Entente verschoben3. Das Revolutionierungsprogramm richtete sich je- doch nicht nur gegen Großbritannien, sondern auch gegen Russland und Frankreich und sollte zum einen politische Unruhen in den gegnerischen Territorien erzeugen, um somit Truppen von den kontinentalen Kriegsschauplätzen abzuziehen, sowie zum an- deren den Gegnern die Rekrutierung in diesen Gebieten erschweren4.

Die Gelegenheit, auch Irland in die gegen das Empire gerichteten Insurrekti- onsbemühungen einzubeziehen, ergab sich für das Kaiserreich, als seine diplomati- schen Vertreter im Juli 1914 in Washington von Mitgliedern des Clan na Gael, einem radikalen irisch-republikanischen Verband in den Vereinigten Staaten, hinsichtlich ei- ner gemeinsamen Zusammenarbeit angesprochen wurden. Die Iro-Amerikaner des Clan na Gael ersuchten das Kaiserreich dabei um materielle und personelle Militärun- terstützung für einen Aufstand in Irland5. Die Deutschen sahen in der Kooperation

3 Herfried Münkler, Spiel mit dem Feuer. Die „Politik der revolutionären Infektion“ im Ersten Weltkrieg, in: Man- fred Sapper (Hrsg.), Totentanz, Berlin 2014, S. 109-126, hier: S. 109.

4 Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht. Die Kriegspolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/1918, Düsseldorf 1967, S. 109.

5 Reinhard R. Doerries, Prelude to the Easter Rising. Sir Roger Casement in Imperial Germany, London/Portland 2000, S. 3.

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wiederrum eine Möglichkeit, neben den schon benannten allgemeinen Zielen des Re- volutionsprogramms, den mit dem Angriff auf das neutrale, katholische Belgien erlit- tenen Imageschaden durch die Unterstützung einer anderen aufstrebenden katholi- schen Nation vor den Augen der Welt – allen voran derer Amerikas – zu kompensie- ren6. Als Vertreter der irischen Unabhängigkeitsbewegung wurde schließlich im Ok- tober 1914 Sir Roger Casement, ein ehemaliger britischer Diplomat und Unterstützer der paramilitärischen Irish Volunteers, mit folgenden vier Zielsetzungen nach Berlin entsandt: 1) die Rekrutierung einer Irischen Brigade in den deutschen Kriegsgefange- nenlagern, 2) eine wohlwollende Deklaration für die irische Unabhängigkeit seitens des Kaiserreichs, 3) die Akquise deutscher militärischer Unterstützung für einen Auf- stand in Irland und 4) die staatlich gelenkte Verbreitung pro-irischer Propaganda in Deutschland7. Während die Forderungen nach einer wohlwollenden Deklaration und der Verbreitung pro-irischer Propaganda in zufriedenstellenden Ergebnissen münde- ten, entpuppte sich die Rekrutierung von Kriegsgefangenen bereits nach kurzer Zeit als militärisches und propagandistisches Debakel, ließen sich doch nur 56 Männer für dieses Unternehmen gewinnen, die noch dazu nie die Gelegenheit erhalten sollten, ihre Waffen für Irland zu erheben. Hinsichtlich der militärischen Unterstützung für einen Aufstand in Irland ließen sich die deutschen Militärs lediglich auf die Bereitstellung von Waffen ein, verweigerten aufgrund des hohen Bedarfs an Humanressourcen für die Front allerdings die Entsendung von Soldaten und Offizieren. Durch eine Verket- tung verschiedener Umstände missglückte die Waffenlieferung für den geplanten Auf- stand jedoch. Als sich im April 1916 schließlich die Irish Volunteers und andere radi- kal-nationalistische Gruppierungen zum Osteraufstand erhoben, lagen die deutschen Waffen in einem versenkten Schiff auf dem Meeresgrund der Tralee Bay und Roger Casement befand sich in britischer Gefangenschaft, wo er wenige Monate später we- gen Hochverrats hingerichtet wurde.

Auch wenn dieses Kapitel der deutsch-irischen Beziehungen in vielen Stan- dardwerken der Weltkriegshistoriografie durchaus Erwähnung findet8, handelt es sich dabei zumeist lediglich um beiläufige Abhandlungen. Darüber hinaus gibt es einige

6 Christine Strotmann, The Revolutionary Program of the German Empire: The Case of Ireland, in: Gearoid Barry/Enrico Dal Lago/Roisin Healy (Hrsg.), Small Nations and Colonial Peripheries in World War I, Leiden 2016, S. 19-36, hier: S. 24.

7 Ebd., S. 23.

8 Zu nennen sind hier beispielsweise Fritz Fischers Griff nach der Weltmacht (1961), Herfried Münklers Der große Krieg (2014) und Jörn Leonards Die Büchse der Pandora (2014) in der deutschsprachigen Forschung sowie Kevin Johnstons Home or Away. The Great War and the Irish Revolution (2010) und Catriona Pennells A Kingdom United.

Popular Responses to the Outbreak oft he First World War in Britain and Ireland (2012) im englischsprachigen Raum.

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wenige Werke, die sich dezidierter mit der internationalen Rolle Irlands im Ersten Weltkrieg bzw. speziell mit den deutsch-irischen Beziehungen befassen. Einige der umfangreichsten Werke sind dabei The Irish Factor 1899-1919. Ireland’s Strategic and Diplomatic Importance for Foreign Powers von Jerome aan de Wiel aus dem Jahr 2008 sowie die Dissertationen von Wolfgang Hünseler9 (1978), Hans-Dieter Kluge10 (1995) und Joachim Fischer11 (1996). Auch unter den zahlreichen Casement-Biogra- fien im englischsprachigen Raum finden sich einige Werke, in denen seine Aktivitäten in Deutschland sehr ausführlich beleuchtet werden – allen voran The Lives of Roger Casement von Benjamin Reid aus dem Jahr 1976.

Stellt sich die Forschungslandschaft zu den deutsch-irischen Beziehungen während des Ersten Weltkrieges also bereits als überschaubares Feld dar, so ist die Irische Brigade vollends als historiografische Randnotiz der Geschichtswissenschaft zu bewerten. Mitte der 1990er-Jahre konstatierte Andreas Kratz, dass es keine detail- lierte Darstellung zur Brigade gäbe und es den vorhandenen Erwähnungen wiederum nicht gelänge, die Irische Brigade als paradigmatische Blaupause für die deutsch-iri- schen Beziehungen zu untersuchen12. Tatsächlich sind die in den letzten Jahrzehnten veröffentlichten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Irischen Brigade an einer Hand abzuzählen – eine eigene Monografie fehlt bis heute sogar gänzlich. Als Standardliteratur zur allgemeinen Geschichte der Irischen Brigade gelten die beiden Artikel von Joachim Lerchenmüller13 (1999) und Andreas Roth14 (1995) sowie die äußerst akribischen Ausführungen zur Brigade in Reids bereits erwähnter Casement- Biografie. Einen ersten Vorstoß zur Erforschung der Irischen Brigade unter spezifi- scheren Fragestellungen leistete Justin Stover im Jahr 2016, der in seinem Artikel The Afterlife of Roger Casement’s Irish Brigade, 1916-1922 erstmalig Aspekte der Identi- tät der Brigademitglieder beleuchtete. Sein Fokus lag auf der Frage, inwieweit Identi- tätsverwerfungen die Effizienz und die historische Bedeutung der Irischen Brigade be- einflusst haben. In der Quintessenz kam er dabei zu dem Schluss, dass die im Kontrast zu vergleichbaren Insurrektionseinheiten als eher gering zu bewertende moralische

9 Wolfgang Hünseler, Die irische Bürgerkriegsgefahr im Kalkül der deutschen Großbritannienpolitik in der Ju- likrise 1914, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen (1982, Ausgabe 2), S. 35-44.

10 Hans-Dieter Kluge, Irland in der deutschen Geschichtswissenschaft, Politik und Propaganda vor 1914 und im Ersten Weltkrieg, Frankfurt/Bern/New York 1985.

11 Joachim Fischer, Das Deutschlandbild der Iren 1890-1939: Geschichte. Form. Funktion, Heidelberg 2000.

12 Andreas Kratz, Die Mission Joseph Mary Plunketts im Deutschen Reich I915 und ihre Bedeutung für den Oster- aufstand 1916, in: Historische Mitteilungen (1995, Band 2), S. 202-220, hier: S. 203.

13 Joachim Lerchenmueller, »The Wretched Lot«. A Brief History of the Irish Brigade in Germany 1914-1919, in:

Gisela Holfter/Joachim Lerchenmueller (Hrsg.): Yearbook of the Centre for Irish-German Studies 1998/99, Lime- rick 1999, S. 95-113.

14 Andreas Roth, ‘The German soldier is not tactful': Sir Roger Casement and the Irish Brigade in Germany during the First World War, in: Irish Sword (1995, Ausgabe XIX), S. 313-332.

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und ideologische Kohäsion der Brigade ein ausschlaggebendes Kriterium für ihr Scheitern als militärische Einheit war.

Anders als in der bisherigen Historiografie zur Irischen Brigade wird es in der vorliegenden Masterarbeit nicht vorrangig darum gehen, die Geschichte der Einheit zu rekonstruieren oder ihre Wirkmächtigkeit im historischen Kontext zu bewerten – dies haben die benannten Autoren schließlich bereits mit großer Akribie getan. Stattdessen sollen im Sinne der Neuen Militärgeschichte und mithilfe interdisziplinärer Zugänge die militärischen Strukturen auf das Individuum heruntergebrochen werden. Das Ziel liegt somit darin, einen Schritt von der Brigade als militärische Einheit zurückzutreten und stattdessen zu untersuchen, wie sich Identität auf der Ebene ihrer Mitglieder kon- stituierte und wie sie die ihnen zugeschriebenen Fremdattributionen in ihre eigene Identität inkorporierten bzw. ablehnten. Damit soll zum einen die bis dato überschau- bare Forschung zur Irischen Brigade um eine neue Perspektive erweitert werden und zum anderen sollen wichtige Desiderata aus dem Bereich der Identitätsforschung zum Ersten Weltkrieg (siehe Kapitel 2.1.2) in Augenschein genommen werden.

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2 S

OLDAT UND

I

DENTITÄT

Um den in der Einleitung aufgeworfenen Fragen nach Identitätsbezügen unter den Sol- daten der Irischen Brigade im Ersten Weltkrieg nachgehen zu können, müssen zu- nächst die Themenaspekte fachlich und historiografisch kontextualisiert, der methodi- sche Rahmen definiert, die Grenzen des Quellmaterials erkannt und Forschungsfragen aufgestellt werden. Diesen Punkten widmet sich das folgende Kapitel.

2.1 Identität in der Weltkriegsforschung

Wenn in der vorliegenden Arbeit von Identität gesprochen wird, ist niemals die Iden- tität als eine in Stein gemeißelte Begrifflichkeit gemeint, denn von einer solchen Uni- versaldefinition ist die Forschung weit entfernt. Abgeleitet vom lateinischen idem (dasselbe) verbergen sich hinter dem Begriff Identität vielmehr zahlreiche in verschie- denen Wissenschaftsdisziplinen entwickelte und operationalisierte Konzepte, die in Perspektive und Fragestellung bisweilen multiplexe Variationen aufweisen können.

Über Paradigmenwechsel, wie die Öffnung für die Soziologie in den 1960er- und den cultural turn in den 1990er-Jahren, gelangten diese vielfältigen Identitätskonzepte in die Geschichtswissenschaft, wo sie – nicht zuletzt von der sogenannten Neuen Mili- tärgeschichte – seitdem auch zur Erforschung des Ersten Weltkriegs herangezogen werden.

2.1.1 Neue Militärgeschichte

Obwohl sich die Militärgeschichte schon lange parallel zur allgemeinen Geschichts- wissenschaft mit dem Ersten Weltkrieg befasste, wurde sie jedoch erst mit ihrer me- thodischen Erweiterung in den 1990er-Jahren zu einem festen Bestandteil der univer- sitären Forschung und zu einer Subdisziplin der Geschichtswissenschaft im Allgemei- nen. Vor dieser Inkorporation betrachtete die universitäre Geschichtswissenschaft den Ersten Weltkrieg lange Zeit vor allem aus einer rein politikgeschichtlichen Perspek- tive, bevor diese in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts durch sozialgeschichtli- che Fragestellungen und Methoden ergänzt bzw. teilweise abgelöst wurde. Im Mittel- punkt stand nun das Verhältnis zwischen Krieg und Gesellschaft, das durch die ge- schichtswissenschaftliche Nutzbarmachung soziologischer Theoriebildung erstmals in

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empirischen Studien untersucht werden konnte15. Da in diesem hauptsächlich auf Em- pirie fußende Forschungsansatz das einzelne Individuum bisweilen jedoch vollständig aus dem Fokus zu gleiten drohte, entwickelte sich in den späten 1970er-Jahren gewis- sermaßen als Antwort auf die Sozialgeschichte die sogenannte Alltagsgeschichte, in deren Mittelpunkt nun die alltägliche Lebenswirklichkeit des Individuums stand16.

Mit etwas zeitlichem Versatz entwickelte sich analog dazu nach 1945 auch die Militärgeschichte inhaltlich und methodologisch weiter. Zuvor war sie unter den Be- griffen Kriegs- bzw. Wehrgeschichte vor allem – aber nicht ausschließlich – ein insti- tutionalisiertes Mittel zum Zweck gewesen. Die applikatorische Kriegsgeschichte17 des Kaiserreichs lag in der alleinigen Deutungshoheit des Generalstabs und diente zur Erziehung und Ausbildung der Soldaten. Das Erkenntnisinteresse verengte sich vor- nehmlich auf die Nutzbarmachung der Erfahrungen der Vergangenheit für zukünftige Kriege. Einzelne als Militärgeschichte im heutigen Sinne zu verstehende Forschungs- ansätze gab es zwar auch zu dieser Zeit bereits, diese stießen jedoch weder in der Ge- neralstabsforschung noch in der universitär verwalteten allgemeinen Geschichtswis- senschaft auf signifikante Resonanz18. Unter einem ähnlichen Duktus wie die Kriegs- geschichte operierte auch die Wehrgeschichte der Zwischenkriegs- sowie der NS-Zeit, indem sie als Instrument zur „Steigerung der geistigen Wehrkraft des deutschen Vol- kes“19 und somit zur Militarisierung der Zivilgesellschaft eingesetzt wurde. Auch nach 1945 verblieb die Militärhistoriografie zunächst weiterhin in den Händen der militär- institutionellen Forschung. Diese versuchte jedoch über das Ablegen der applikatori- schen und die Adaption der historisch-kritischen Perspektive Anschluss an die allge- meine Geschichtswissenschaft zu finden. Dieser Brückenschlag, der sich nicht zuletzt auch in der neuen Selbstbezeichnung Militärgeschichte manifestierte20, gelang in den 1970er-Jahren über den Theorie- und Methodenkanon der Sozialgeschichte21, bevor sich die Militärgeschichte über die Adaption der Alltagsgeschichte schließlich in den 1990er-Jahren unter den Begriffen Neue Militärgeschichte oder Militärgeschichte in der Erweiterung als Subdisziplin der universitär verwaltenden Geschichtswissenschaft etablieren konnte.

15 Wolfgang Kruse, Wie sich der Blick auf den Krieg verändert, https://www.wissenschaft.de/magazin/weitere- themen/wie-sich-der-blick-auf-den-krieg-veraendert/, 2014.

16 Thomas Kühne/Benjamin Ziemann, Militärgeschichte in der Erweiterung. Konjunkturen, Interpretationen, Kon- zepte, in: Thomas Kühne/Benjamin Ziemann (Hrsg.), Was ist Militärgeschichte?, Paderborn 2000, S. 9-46, hier: S.

14.

17 Bernhard R. Kroener, Militär, Staat und Gesellschaft im 20. Jahrhundert (1890-1990), München 2011, S. 52.

18Ebd., S. 51.

19 Ebd., S. 52.

20 Kühne/Ziemann, Was ist Militärgeschichte, S. 12.

21 Kroener, Militär, Staat und Gesellschaft, S. 59.

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Diese Erweiterung der traditionellen Militärgeschichte kann sich in ver- schiedenste Wissenschaftsdisziplinen erstrecken, doch besonders großes wissen- schaftliches Interesse zog die in der Folge des cultural turns vollzogene kulturge- schichtliche Erweiterung auf sich, denn sie lebt von:

[...] der beständigen Rückübersetzung von militärischen Strukturen in menschliche und unmenschliche Fallgeschichten, mithin [von] der Beleuchtung jenes Terrains, auf dem im wechselseitigen Bezug die national-kriegerische zur privaten, persönlichen Geschichte wird.22

Der Soldat wird somit als aktiv agierendes Individuum und „autonomer Akteur in syn- chronen historischen Zusammenhängen“23 verstanden und in einem Wirkungsgefüge mit den für seine militärische Akteursgruppe relevanten „Deutungs- und Wahrneh- mungsstrukturen, Welt- und Gesellschaftsbildern, Werte- und Orientierungsmus- tern“24 erforscht. Es geht also nicht nur darum, den Soldaten in den ihn umgebenen Strukturen zu beobachten, sondern auch zu hinterfragen und zu beleuchten, wie diese Strukturen durch die reale Kriegserfahrung der Soldaten bestätigt oder verändert wur- den25. Nicht zuletzt gilt dies auch für die Untersuchungskategorie der Identität.

Die Methodik der kulturhistorisch erweiterten Militärgeschichte konzentriert sich vor allem auf die Untersuchung sogenannter Ego-Dokumente, also all jener Quel- len, „in denen ein Mensch Auskunft über sich selbst gibt, unabhängig davon, ob dies freiwillig [...] oder durch andere Umstände bedingt geschieht.“26 Dies können unter anderem – wie in der vorliegenden Untersuchung – Briefe, Tagebücher oder persönli- che Erinnerungen sein. Solche Ego-Dokumente dürfen dabei jedoch nicht als Spiegel- bild der Kriegswirklichkeit und der soldatischen Weltwahrnehmung missverstanden werden, stellen sie doch in erster Linie immer die sprachliche Rekonstruktion einer subjektiven und bisweilen selektiven Wirklichkeit dar27. Weiterhin gilt es zu begrei- fen, dass diese sprachliche Rekonstruktion nicht nur bestimmte Erfahrungen und Sinn- gebungsmuster beschreibt, sondern auch gleichermaßen von ihnen geprägt ist. Die De- kodierung der individuellen Kriegserfahrungen findet in der kulturhistorisch erweiter- ten Neuen Militärgeschichte demnach nicht ausschließlich auf der textuellen, sondern

22 Bernd Ulrich, "Militärgeschichte von unten." Anmerkungen zu ihren Ursprüngen, Quellen und Perspektiven im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft (1996, 22. Jahrgang, Ausgabe 4: Militärgeschichte Heute), S.

473-503, hier: S. 474.

23 Kroener, Militär, Staat und Gesellschaft, S. 60.

24 Anne Lipp, Diskurs und Praxis. Militärgeschichte als Kulturgeschichte, in: Thomas Kühne/Benjamin Ziemann (Hrsg.), Was ist Militärgeschichte?, Paderborn 2000, S. 211-227, hier: S. 214.

25 Ebd.

26 Winfried Schulze, Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen für die Tagung "EGO-DOKUMENTE", in: Winfried Schulze (Hrsg.): Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996, S. 11-30, hier: S. 21.

27 Ulrich, Militärgeschichte von unten, S. 493.

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auch auf der metatextuellen Ebene statt. Ein methodisches Werkzeug, das es dem His- toriker ermöglicht, Dynamiken und Prozesse auch jenseits des Gesagten oder Ge- schriebenen untersuchen zu können.

2.1.2 Identitätskonflikte als Kriegserfahrung

Auch wenn es bereits in früheren Jahrzehnten Forschungsarbeiten gab, die Fragen zur Identität und zum Selbstverständnis der Soldaten des Ersten Weltkrieges in den Fokus nahmen28, ist besonders in den vergangenen zehn Jahren eine deutliche Phase der Pros- perität zu beobachten – sicher nicht zuletzt inspiriert durch die Anniversarien von Be- ginn und Ende des Erstes Weltkrieges. Ausdruck dessen sind unter anderem die auf historischen Fachtagungen basierenden Sammelbände Nations, Identities and the First World War. Shifting Loyalties to the Fatherland29 und Minderheiten-Soldaten. Ethni- zität und Identität in den Armeen des Ersten Weltkriegs30 aus dem Jahr 2018.

Anhand verschiedener nationaler bzw. ethnischer Gruppierungen, die entweder als Minderheit in einem Vielvölkerstaat oder unter imperialistischer Kolonialherr- schaft lebten, versuchen diese und andere Forschungsarbeiten zum einen darzustellen, ob und inwieweit sich Minderheiten-/Kolonialsoldaten in ihrer Loyalität, Kriegsbe- geisterung und militärischen Aufopferungsbereitschaft von Soldaten der Mehr- heitsethnie oder Titularnation unterscheiden und zum anderen, wie das nationale Selbstverständnis dieser Minderheiten oder Kolonialuntergebenen – also ihre eigene Nationalidentität – durch den Krieg und die Erfahrungen in ihren respektiven Korps beeinflusst und gegebenenfalls verändert wurde. Solche Untersuchungen liegen u. a.

für polnische und dänische Soldaten in der preußischen Armee31, italienische sowie

28 Zu erwähnen sind hier beispielweise Thomas P. Dooleys Werk Irishmen or English Soldiers (1995), das sich mit der Frage befasst, warum sich ein Großteil der irischen Soldaten in ihrer Loyalität zur britischen Armee nicht er- schüttern ließen, und verschiedene auf den 1989 von Bernd Ulrich und Angelika Tramitz veröffentlichten Kriegs- erinnerungen eines elsässischen Soldaten aufbauende Forschungsarbeiten, wie Wolfram Wettes Aufsatz Die unhe- roischen Kriegserinnerungen des Elsässer Bauern Dominik Richert (1998).

29 Nico Wouters/Laurence van Ypersele (Hrsg.), Nations, Identities and the First World War. Shifting Loyalties to the Fatherland, London 2018.

30 Oswald Überegger (Hrsg.), Minderheiten-Soldaten. Ethnizität und Identität in den Armeen des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2018.

31 Jens Boysen, Kriegserfahrung als nationale Identitätsstifterin? Ethnische Polen und Dänen als preußische Sol- daten, in: Oswald Überegger (Hrsg.), Minderheiten-Soldaten. Ethnizität und Identität in den Armeen des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2018, S. 69-83.; Alexander Watson, Fighting for Another Fatherland. The Polish Minority in the German Army, 1914-1918, in: The English Historical Review (Band CXXVI, Ausgabe 522, 2011), S. 1137–

1166.

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tschechische Soldaten im k.u.k.-Heer32, für ukrainische und estnische Soldaten in den russischen Reihen33, aber auch für irische Soldaten in der britischen Armee34 vor.

In der Quintessenz kommen die Forscher und Forscherinnen dabei zu folgenden zentralen Schlüssen: Erstens spielte die eigene Nationalidentität in der grundsätzli- chen Kriegsbereitschaft, wenn überhaupt, nur eine unterschwellige Rolle. Zwar gab es in einigen Gruppierungen die Tendenz, die bereitwillige Kriegsunterstützung für den Hegemonialstaat als politisches Pfand für eine spätere nationale Unabhängigkeit zu betrachten, wie zum Beispiel bei einigen irisch-nationalistischen und polnisch-natio- nalistischen Strömungen, doch in den meisten Fällen waren Pflichtgefühl, Kriegsbe- geisterung oder auch die Sorge um die Sicherheit der eigenen Heimat, hier im regional- geografischen Sinne, ausschlaggebend für die Kriegsmotivation. Im letztgenannten Falle ergab sich die Loyalität zur übergeordneten Nation also vor allem aus der Ab- grenzung zu einem gemeinsamen Feind, der entweder die geografische Heimat oder aber die mit ihr verbundenen Traditionen und Wertesysteme gefährdete. Diese „demo- nization of the enemy“35 war demnach ein äußerst wichtiges Instrument zur Schaffung von Primäridentifikation mit der Hegemonial- bzw. Titularnation:

States therefore had to offer their populations a project that was aligned with their own aspirations. [...] socio-economic and military mobilization was remarkably successful all in all but collapsed at the moment everyday reality became too far removed from the project the state was trying to sell.36

Gerade in Bezug auf die oftmals unter massiven politisch-sozialen Benachteiligungen leidenden Minderheiten und Kolonialbevölkerungen war das geteilte Feindbild oft der einzige gemeinsame Nenner „to sell the project“. Den deutschen Überfall auf Belgien stilisierten die Briten in ihrer auf Irland abgerichteten Propaganda zum Beispiel als gezielte Übergriffigkeit gegen eine kleine katholische Nation und somit im übertrage- nen Sinne gegen alle kleinen katholischen Nationen. Die religiöse Identität der katho- lischen Iren konnte auf diese Weise in eine, laut Alexander Watson37 für die Kriegs-

32 Andrea di Michele, »Italiani d’Austria«. Italienischsprachige Soldaten der Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg, in: Oswald Überegger (Hrsg.), Minderheiten-Soldaten. Ethnizität und Identität in den Armeen des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2018, S. 45-68.

33 Reinhard Nachtigal, Gab es ein Minderheitenproblem in der Zarenarmee im Ersten Weltkrieg?, in: Oswald Über- egger (Hrsg.), Minderheiten-Soldaten. Ethnizität und Identität in den Armeen des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2018, S. 119-158.

34 Christoph Jahr, England’s difficulty is Ireland’s opportunity. Die Iren im britischen Heer des Ersten Weltkriegs und das Problem multipler Loyalitäten, in: Oswald Überegger (Hrsg.), Minderheiten-Soldaten. Ethnizität und Iden- tität in den Armeen des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2018, S. 103-118.; Emmanuel Destenay, The impact of poli- tical unrest in Ireland on Irish soldiers in the British army, 1914–18: a re-evaluation, in: Irish Historical Studies (Ausgabe 42, 161, 2018), S. 50-63.

35 John Horne, Patriotism and the Enemy: Political Identity as a Weapon, in:Nico Wouters/Laurence van Ypersele (Hrsg.), Nations, Identities and the First World War. Shifting Loyalties to the Fatherland, London 2018, S. 17-38, hier: S. 21.

36 Nico Wouters/Laurence van Ypersele, Introduction, in: Nico Wouters/Laurence van Ypersele (Hrsg.), Nations, Identities and the First World War. Shifting Loyalties to the Fatherland, London 2018, S. 1-13, hier: S. 5.

37 Watson, Fighting For Another Fatherland, S. 1165.

(15)

und Einsatzbereitschaft als essentiell zu bewertende, Primäridentifikation mit der Ti- tularnation umgedeutet werden. Zweitens zeigen die Untersuchungen, dass den Min- derheiten- und Kolonialsoldaten seitens der Heeresführungen oftmals mit einer grund- sätzlichen Skepsis hinsichtlich ihrer Loyalität und Aufopferungsbereitschaft begegnet wurde, was sich bisweilen auch in Repressalien gegen die Soldaten niederschlagen konnte. Verschiedene Untersuchungen der Desertationsraten und Auswertungen mili- tärischer Berichte zeigen jedoch, dass diese Befürchtungen in den meisten Fälle unbe- gründet waren und sich die Soldaten aus heteronomen Staatsgebieten im Fronteinsatz kaum von ihren Kameraden unterschieden. Dies zeigt sich auch in den Untersuchun- gen zu verschiedenen internationalen Insurrektionsbemühungen. Die Versuche, aus den Reihen der Kriegsgefangenen Soldaten für den Kampf gegen die gegnerische He- gemonialmacht zu gewinnen, zeigten in numerischer Hinsicht nur selten nennenswerte Erfolge. Obwohl die eigene nationale Identität für die Leistungsbereitschaft der Front- soldaten also zumeist nicht von vordergründiger Bedeutung war, zeigen die Studien – drittens – nichtsdestotrotz, dass der Krieg in vielen Fällen einen Katalysator für Nati- onalisierungsprozesse darstellte. Beispielsweise ist der schnelle politische Aufstieg der radikal irisch-republikanischen Partei Sinn Fein in den letzten Kriegsjahren unter an- derem darauf zurückzuführen, dass das Empire aufgrund der hohen Verlustzahlen an der Front die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht in Irland in Erwägung zog. In vielen überseeischen Gebieten, wie zum Beispiel Australien, beschleunigte sich der Nationalisierungsprozess wiederum, weil man sich durch die Kriegsteilnahme den Eu- ropäern nun als mindestens ebenbürtig sah und der eigenen Herkunft damit eine höhere Bedeutung beimaß38.

Ihren theoretischen Ausgangspunkt finden die meisten dieser Forschungsarbei- ten in verschiedenen Nationalismustheorien – wie etwa die des triadic nexus von Ro- gers Brubaker, in deren Zentrum das Beziehungsdreieck zwischen nationaler Minder- heit, Titularnation und dem externen Heimatland steht, oder das Phasenmodell von Miroslav Hroch, in dem schematisch dargestellt wird, wie sich unter Fremdherrschaft stehende Gruppierungen von der politischen Idee bis zur eigenen Nationsbildung emanzipieren. Vereinfacht gesagt wird Identität hier fast immer als nationale oder re- gionale Bezugskategorie verstanden, bei der sich das Individuum in einer Erwartungs- dichotomie zwischen der Titularnation und der nationalen Emanzipation der eigenen

38 Daniel Marc Segesser, Heralding a new society, and venerating the English King: Australische, neuseeländische und indische Soldaten in Gallipoli und an der Westfront, in: Oswald Überegger (Hrsg.), Minderheiten-Soldaten.

Ethnizität und Identität in den Armeen des Ersten Weltkriegs, Paderborn 2018, S. 159-175, hier: S. 172.

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ethnischen, kulturellen oder sprachlichen Bezugsgruppierung wiederfindet. Unter- sucht wird, ob und wie sich Primär- und Sekundäridentifikation des Individuums ver- schieben, wenn an einem der beiden Pole des ihn umgebenen Feldes Spannung erzeugt wird – sei es auf Seiten der Titularnation, z. B. durch misstrauisches Verhalten gegen- über Minderheitensoldaten, oder auf Seiten der nationalen Emanzipation, z. B. durch Umgarnung für die Bildung von Insurrektionseinheiten wie der Irischen Brigade.

Methodisch variieren die Zugriffe von sozialwissenschaftlichen Ansätzen wie der empirischen Untersuchung von Desertationsquoten in unterschiedlichen nationa- len Gruppierungen bis zu hin zur kulturwissenschaftlich geprägten Auswertung von Feldpostbriefen. Gemein ist diesen Forschungsansätzen jedoch, dass sie Identität in erster Linie als Faktor in einer multidimensionalen Gleichung, als Gradmesser für Lo- yalität und militärische Leistungsbereitschaft verstehen und untersuchen. Gemein ist ihnen außerdem, dass Insurrektionsprogramme als Versuch der militärischen Nutzbar- machung von hybriden Identitätsfragmentierungen zwar immer wieder angesprochen werden, jedoch kaum eine wissenschaftliche Auseinandersetzung dezidiert hinsicht- lich derjenigen stattfindet, die sich der Loyalität zur Hegemonial- bzw. Titularnational verweigert haben. Dies offenbart sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass es in der ge- schichtswissenschaftlichen Fachsprache weder im deutschen noch im englischen Sprachraum einen anerkannten Terminus für militärische Einheiten aus nationalen Minderheiten oder Kolonialregionen gibt, die sich von den Gegnern für den Kampf gegen ihre Titularnation oder das ihnen übergeordnete Imperium haben gewinnen las- sen. Justin Stover39 unternimmt den Versuch, diese Truppen unter dem Begriff cultu- ral armies zu subsumieren; in den meisten anderen Darstellungen greift man jedoch auf die individuellen Eigenbezeichnungen der Einheiten (z. B. Casements Irische Bri- gade oder die Blaue Armee polnischer Soldaten unter französischer Kriegsgefangen- schaft) zurück, ohne einen Dachterminus zu definieren und zu etablieren40.

Desiderata liegen in der identitätsbezogenen militärhistorischen Forschung zum Ersten Weltkrieg demnach auf gleich zwei Gebieten vor. Zum einen mangelt es bisher an Untersuchungen, die Identität in Bezug auf Minderheiten und Kolonialun- tergebene nicht nur als feste Bezugsgröße in der Gleichung zwischen Individuum, He- gemonialnation und nationaler Emanzipation betrachten, sondern die aus diesem Be-

39 Justin Dolan Stover, The Afterlife of Roger Casement’s Irish Brigade, 1916-1922, in: Breac. A Digital Journal of Irish Studies (2019).

40 In der vorliegenden Arbeit werden besagte militärische Gruppen als Insurrektionseinheiten bezeichnet.

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ziehungsgefüge hervorgehenden multiplen Identitäten selbst, ihre Konstruktion, Rein- terpretation und Kommunikation durch das Individuum zum Objekt des Erkenntnisin- teresses machen. Zum anderen stehen im Mittelpunkt der bisherigen Studien vor allem die Soldaten, die während des Krieges entweder im Dienst der Titular-/Kolonialnation verblieben bzw. sich im Falle einer Desertation zumindest nicht aktiv gegen sie rich- teten. Die Soldaten, die sich im Rahmen gegnerischer Revolutionierungsprogramme wiederum rekrutieren ließen, stellen bisher kaum mehr als eine wissenschaftliche Randnotiz in der militärhistorischen Identitätsforschung zum Ersten Weltkrieg dar.

Mit der vorliegenden Studie soll daher ein wissenschaftlicher Brückenschlag unternommen werden, der den geschichtswissenschaftlichen Scheinwerfer zum einen auf die Mitglieder einer Insurrektionseinheit, nämlich der Irischen Brigade, richtet und Identität zum anderen in diesem Kontext nicht nur als kollektive Bezugskategorie, son- dern als individuelles Konstrukt aus multiplen Identitätsfragmenten versteht und un- tersucht.

2.2 Zur Konstruktion von Identität

Um Identität nicht nur als Faktor, sondern als eigenständiges historisches Untersu- chungsobjekt betrachten zu können, bedarf es zunächst einer Absteckung des theore- tischen Rahmens. Identitätstheorien gibt es zahlreiche aus den verschiedensten wis- senschaftlichen Disziplinen, die sich je nach Perspektive mehr oder weniger gut für militärhistorischer Forschungsfragen adaptieren lassen:

So wird aus einer psychologischen Perspektive die Bedeutung von Selbstbildern erklärt, aus philosophischer Betrachtungsweise die Relevanz von Fremdheit für das Eigene be- tont, aus pädagogischer Sicht die Entwicklungsmöglichkeiten von Identität betrachtet, aus sozialwissenschaftlichem Blickwinkel die sozialen Voraussetzungen für Identitäts- konzepte rekonstruiert oder vor dem Hintergrund der Kulturwissenschaften der symboli- sche oder auch der machtspezifische Zusammenhang von Identitätsmustern und Lebens- lagen analysiert.41

Selbst der Versuch, nur aus einer einzigen dieser Disziplinen alle relevanten Identi- tätstheorien vorzustellen und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit für die Neue Militär- geschichte zu analysieren, würde für sich schon ein eigenes wissenschaftstheoretisches Forschungsvorhaben darstellen, weswegen der Fokus im Folgenden dezidiert auf die für die vorliegende Studie zu Identitätsbezügen in der Irischen Brigade relevante The- oriebildung gelegt wird.

41 Jörg Zirfas, Identität in der Moderne, in: Bejamin Jörissen/Jörg Zirfas (Hrsg.), Schlüsselwerke der Identitätsfor- schung, Wiesbaden 2010, S. 9-17. hier: S. 9.

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2.2.1 Identität als semiotischer Prozess

Diese Untersuchung adaptiert ihr Verständnis von Identität aus dem Theoriekanon der linguistischen Diskursanalyse, deren Grundannahme darin besteht, dass Identität in einem semiotischen Prozess – dem Diskurs – konstituiert, verändert, ausgelebt und bestätigt wird.42

Identität wird demnach nicht einfach durch ein Individuum erworben, sondern sie ist vielmehr ein „outcome of socially conditioned semiotic work.“43 Das heißt also, dass Identität nicht als stabile soziale oder psychologische Größe verstanden werden darf, sondern dass sie von den Akteuren performativ konstituiert und von außen dis- kursiv anerkannt werden muss.44 Ferner postuliert der Soziolinguist Jan Blommaert45 die Annahme, dass die Möglichkeiten zur Identitätskonstruktion eines Individuums auf ein bestimmtes, kontextbezogenes semiotisches Repertoire beschränkt sind, da Identitätskategorien an bestimmte Identitätsbildungsressourcen gebunden sein kön- nen: „The range of identities [...] depends on the range of available semiotic resources out of which recognisable identities can be constructed.“46 Damit betont er ein weiteres Mal, dass Identität in einem multilateralen Anerkennungsprozess, in dem sprachliche und außersprachliche Zeichen als Informationsträger für Identitätsbezüge dienen, kon- struiert und bestätigt wird.

Warum gerade dieser identitätstheoretische Ansatz für die vorliegende Studie eine praktikable Untersuchungsbasis darstellt, liegt auf der Hand: Statt Identität als festgelegte Kategorie zu betrachten, wie es im Falle der militärhistorischen Identitäts- forschung zum Ersten Weltkrieg oftmals angewandt wird, bietet der semiotische An- satz die Möglichkeit einer „fine-grained analysis of how people practically identify themselves and others, and how they do so through the deployment of whatever means they have at their disposal“47. Auch wenn sich die linguistische Diskursanalyse in ihrer Untersuchung von Identität auf sprachliche Äußerungen beschränkt, bietet der Kern- gedanke des semiotisches Repertoires auch die Möglichkeit, außersprachliche Zei- chen, wie zum Bespiel Rituale oder Kleidung, in die Analyse mit einfließen zu lassen

42 Felicity Rash, German Images of the Self and the Other. Nationalist, Colonialist and Anti-Semitic Discourse 1871–1918, London 2012, S. 21.

43 Jan Blommaert, Discourse. A Critical Introduction, Cambridge 2005, S. 205.

44 Ebd.

45 Ebd., S. 207.

46 Ebd., S. 208.

47 Ebd., S. 210.

(19)

und stellt somit ein wertvolles Instrument zur Untersuchung von Konstruktion, Rein- terpretation und Kommunikation der vielseitigen, teilweise konkurrierenden Identi- tätsbezüge unter den Mitgliedern der Irischen Brigade dar.

2.2.2 Zusammensetzung der Selbstidentität

Aufbauend auf diesem diskursanalytischen Verständnis von Identität als semiotischem Prozess, lässt sich der Identitätsbildungsprozess in drei Fragmentkategorien untertei- len, aus denen sich die Selbstidentität eines Individuums konstruiert: die Ego-Identität, die individualbezogene Identität und die systembezogene Identität. Diese Unterteilung basiert auf einem Modell von Wodak et al., das allerdings zusätzlich noch die Katego- rien der narrativen und der Nationalidentität kennt. Für das vorliegende Forschungs- vorhaben ist es jedoch sinnvoll, diese beiden Kategorien als Teil der drei erstgenannten zu betrachten, um Textfunde in den zu untersuchenden Ego-Dokumenten besser bün- deln und kontrastieren zu können.

Wie in Abbildung 1 sche- matisch dargestellt wird, handelt es sich bei den drei genannten Identitätsarten um eigenständige Zuschreibungsprozesse, die sich grundsätzlich darin unterschei- den, wer Objekt und wer Subjekt

des Identitätsbezugs ist, und aus denen sich die Selbstidentität eines Individuums frag- mentarisch zusammensetzt. Unter dem Begriff Ego-Identität versteht man dabei das subjektive Verständnis eines Individuums für seine eigene Situation und seine Indivi- dualität48. Es ist somit die einzige der benannten Identitätsformen, bei der Objekt und Subjekt des Identitätsbezugs übereinstimmen. Identität wird in diesem Falle also aus sich selbst heraus generiert. Weiterhin befähigt die Ego-Identität das Individuum dazu, soziale Rollen auszugestalten, die Erwartungen anderer an sich selbst zu interpretieren und das eigene Verhalten zu lenken.49 Im Gegensatz zur Ego-Identität wird die indi- vidualbezogene Identität – je nach Identitätstheorie auch als soziale oder persönliche Identität bezeichnet – nicht durch das Individuum selbst konstituiert, sondern durch Attribuierung von außen. Diese Attribuierungen umfassen soziale Charakteristika wie Geschlecht oder Klasse, Rollenerwartungen und Gruppenzuordnungen, welche nicht

48Ruth Wodak et al., The Discursive Construction of National Identity, Edinburgh 2009, S. 13.

49 Ebd.

Abb. 1: Konstruktion von Selbstidentität (eigene Darstellung).

(20)

zwangsweise mit den Identifikationen der Ego-Identität korrelieren müssen, oft jedoch vom Individuum anerkannt und übernommen werden.50 Ebenso konstituiert sich die systembezogene Identität – auch kollektive Identität genannt – durch äußere Attribu- tion. Das Objekt des Identitätsbezugs sind hierbei soziale Systeme wie Gruppen, Or- ganisationen und Kulturen; das Subjekt sind wiederum Individuen, die Aussagen über das soziale System treffen und seine kollektive Identität somit offenlegen und konsti- tuieren.51

Die klare Stärke dieses Modells besteht darin, dass sich einzelne Attributionen und Identitätsbezüge aus verschiedenen Richtungen lesen lassen. Daraus wird klar er- sichtlich, dass sich die Selbstidentität eines Individuums aus Überlappungen der drei Fragmentkategorien aber auch aus Überlagerungen innerhalb der Kategorien zusam- mensetzt und somit jede Selbstidentität im Grunde eine multiple bzw. hybride Iden- tität ist. Ferner macht das Modell deutlich, welche Konflikte sich innerhalb eines In- dividuums aufbauen können, wenn einzelne Identitätsbezüge in den verschiedenen Fragmentkategorien mit konkurrierenden Attributionen belegt werden. Am Beispiel der Irischen Brigade könnte ein solcher Identitätskonflikt wie folgt aussehen: In seiner Ego-Identität attribuiert sich das Individuum als Ire und als Soldat Irlands, von außen wird er jedoch als Brite gesehen und die Irische Brigade (als soziales System) als De- serteure beschrieben. Ego-Identität und individual- sowie systembezogene Identität können also in gewissen Fällen in kaum überbrückbaren Kontrasten zueinanderstehen.

Dies geschieht besonders dann, wenn einem Fragment überproportional viel Bedeu- tung beigemessen wird, sodass es die Selbstidentität des Individuums zu dominieren droht.

2.2.3 Identitätskontrastierung

Nachdem bisher konstatiert wurde, dass sich die Selbstidentität in einem semiotischen, also zeichenbasierten, Prozess aus verschiedenen intern und extern zugeschriebenen Identitätsfragmenten zusammensetzt, gilt es nun festzuhalten, dass Selbstidentität nicht im luftleeren Raum existieren kann, sondern Kontraste braucht, um wahrgenom- men zu werden.

Die diskursanalytische Grundannahme, dass Selbstidentität immer auch Fremdidentität als Kontrast benötigt, basiert laut der Sprachwissenschaftlerin Felicity

50 Ebd., S. 16.

51 Ebd.

(21)

Rash auf der Auffassung, dass der Mensch für jedwede Form von kognitiver Wahr- nehmung und Kontextualisierung Kontraste brauche und dies nicht zuletzt auch für Identitätsbezüge gelte: „One’s self-awareness and self-identity are only established cognitively when others are perceived and seen as different.“52 Dies geschieht, indem die Attribute eines anderen Individuums oder einer anderen Gruppe identifiziert und mit den eigenen Verhaltensweisen, Wertvorstellungen und Charakteristika abgegli- chen werden53. Erst vor diesem Hintergrund zeichnet sich die Selbstidentität wie in einem kognitiven Schattentheater klar umrissen ab. Dieser Kontrastierungsprozess birgt jedoch ein tiefes Konfliktpotential, das sich insbesondere für gezielte Manipula- tion als anfällig erweist. Indem einzelne Attribuierung der Fremdidentität überpropor- tional hervorgehoben werden, ist es lediglich „a small conceptual step from ‘otherness’

to enmity“54

Gerade bei der Erforschung soldatischer Identitäten in Kriegssituationen ist die Bewusstmachung dieses kognitiven Kontrastierungsprozesses von großer Bedeutung, denn wie schon in Kapitel 2.1.2 dargestellt wurde, war die bewusste propagandistische Stilisierung von Fremdidentität hin zu einem gemeinsamen Feindbild oft der einzig haltbare Faktor, um die Loyalität von Minderheiten- und Kolonialsoldaten zu gewähr- leisten.

2.3 Aufbau und Ziele der vorliegenden Studie

Im folgenden Kapitel soll dargestellt werden, welche Primärliteratur zur Irischen Bri- gade zur Verfügung steht, welche Forschungsfragen sich aus der Historiografie sowie der Theoriebildung zur Identitätskonstruktion ableiten und welche methodischen Grenzen sich möglicherweise ergeben könnten.

2.3.1 Verfügbarkeit von Primärliteratur

Wie bereits in Kapitel 2.1.1 dargestellt wurde, stellt die Untersuchung von Ego-Doku- menten einen zentralen methodischen Ausgangspunkt der modernen militärhistori- schen Forschung dar. Entsprechend liegen auch dieser Studie vorrangig Ego-Doku- mente zugrunde, die an einigen Stellen – vor allem für die Rekonstruktion der histori- schen Ereignisse und Abläufe – durch andere Quellengattungen ergänzt werden55.

52 Rash, German Images of the Self and the Other, S. 24.

53 Ebd.

54 Ebd., S. 25.

55 Eine detaillierte Auflistung der konsultierten und ausgewerteten Primärquellen kann dem Literaturverzeichnis entnommen werden.

(22)

Der quantitative Großteil des bekannten und verfügbaren Quellenmaterials sind Überrestquellen in Form von Briefen, Memoranda, Akten und behördlichen Kor- respondenzen, die deutscherseits vor allem im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA) und irischerseits im Archiv der National Library of Ireland (NLI) aufbewahrt werden. Doch auch in anderen, z. B. britischen und amerikanischen, Ar- chiven lassen sich Spuren der Brigade finden. Ein Teil dieser archivalischen Doku- mente wurde bereits in Quelleneditionen der breiten Öffentlichkeit zugänglich ge- macht, so etwa in Doerries‘ Prelude to the Easter Rising, in dem private und behörd- liche Korrespondenzen in Zusammenhang mit der Vorbereitung des Osteraufstandes 1916 zusammengetragen wurden56, und Mitchells Edition der von Roger Casement während seines Berlinaufenthalts verfassten Tagebücher One Bold Deed of Open Treason57. Eine besonders umfangreiche private Sammlung verschiedener Archivalien zur Geschichte der Irischen Brigade sowie zu nahezu jeder mit ihr in Verbindung ste- henden Person wurde von David Grant auf der Website www.irishbrigade.eu zusam- mengetragen. Leider fehlen in dieser Darstellung fast durchgehend genaue bibliogra- fische Angaben zur Herkunft der Informationen und Archivalien, sodass sie wissen- schaftlich nicht ohne Weiteres nutzbar ist58.

Neben diesen Überrestquellen sind auch einige wenige Traditionsquellen mit dediziertem Fokus auf die Irische Brigade für die Wissenschaft verfügbar. Dabei han- delt es sich zum einen um Augenzeugenberichte der beiden Brigadesoldaten Michael Keogh59 und Maurice Maede, die gegenüber dem Bureau of Military History (BMH)60 zu Protokoll gegeben wurden, sowie um ein Statement, das ein weiteres Mitglied, Mi- chael O’Toole, britischen Behörden gegenüber ablegte. Zum anderen liegen vom Bri- gadeführer Robert Monteith sowie den Soldaten Timothy Quinlisk und Michael Keogh publizierte Erinnerungen und von Übersetzer Joseph Zerhusen sowie Soldat Sean Ka- vanagh unpublizierte Memoiren vor, deren Manuskripte im NLI verwahrt werden. Er- wähnung findet die Brigade, zumindest als Randnotiz, zudem in zahlreichen weiteren

56 Reinhard R. Doerries, Prelude to the Easter Rising. Sir Roger Casement in Imperial Germany, London/Portland 2000.

57 Angus Mitchell, One Bold Deed of Open Treason. The Berlin Diary Of Roger Casement 1914-1916, Sallins 2016.

58 In einem privaten Austausch mit der Autorin dieser Arbeit gab Grant an, dass im NLI zudem noch „boxes of uncatalogued stuff“ zu den Aktivitäten Casements lagern würden.

59 Die Schreibweise des Nachnamens variiert zwischen Keogh, McKeogh und Kehoe. In der vorliegenden Arbeit wird unabhängig von den jeweils zugrundeliegenden Quellen der Name Keogh verwendet.

60 Das BMH nahm zwischen 1947 und 1957 insgesamt 1773 Augenzeugenberichte von Akteuren der irischen Un- abhängigkeitsbewegung aus den Jahren 1913 bis 1921 auf. Bis 2003 waren diese Berichte unter Verschluss. Mitt- lerweile sind sie fast vollständig digitalisiert auf http://www.militaryarchives.ie abrufbar.

(23)

Memoiren und Berichten, z. B. von Thomas St. John Gaffney, einem Vertrauten Case- ments, und Clan-na-Gael-Führer John Devoy.

2.3.2 Methodische Grenzen

Auch wenn der zugrundeliegende theoretische Rahmen und die Primärquellen entspre- chend der Anforderungen der vorliegenden Forschungsfragen (siehe Kapitel 2.3.3) ausgewählt wurden, ergeben sich dennoch methodische Grenzen, denen es sich wie in jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung gewahr zu werden gilt.

Besagte Grenzen ergeben sich zum einen aus den Primärquellen. Ein erster Problempunkt ist hierbei der zeitliche Abstand einiger Quelltexte zum historischen Geschehen. So stammt beispielsweise der Augenzeugenbericht Michael Keoghs zur Rolle Joseph Plunketts61 aus dem Jahr 1955 und wurde demnach 40 Jahre nach den eigentlichen Ereignissen verfasst. Dieser Abstand macht sich in den untersuchten Quellen nicht nur durch Ungenauigkeiten in der chronologischen Rekonstruktion (im Besonderen hinsichtlich der Authentizität wiedergegebener wörtlicher Rede), sondern teilweise auch durch Anachronismen bemerkbar. Ein zweiter Problempunkt ist die lü- ckenhafte Kontinuität des Quellenmaterials. Die meisten Quellen beziehen sich vor- nehmlich auf den Zeitraum bis zum Osteraufstand im April 1916. Über den sich an- schließenden Zeitraum bis zur Auflösung der Irischen Brigade im November 1918 bieten sie hingegen nur sehr wenig Aufschluss. Identitätsbezüge können somit nicht als kontinuierlicher Entwicklungsprozess über den gesamten Bestandszeitraum der Brigade verfolgt werden, sondern müssen als situative Momentaufnahmen verstanden werden. Drittens ergibt sich aus den Ego-Dokumenten kein repräsentativer Quer- schnitt der Irischen Brigade, da viele – wenn nicht sogar ein Großteil – der Mannschaft weder des Lesens noch des Schreibens mächtig waren, stehen der Forschung nur von den Brigademitgliedern textliche Überlieferungen zur Verfügung, die zumindest über eine grundlegende Schulbildung verfügten. Da nationalistische Ideen vor allem in Kreisen des Bildungsbürgertums kursierten, können also Bezüge zur Nationalidentität kaum als allgemeingültig für die Irische Brigade interpretiert werden. Schlussendlich muss auch die inhaltliche Authentizität einiger Quelltexte kritisch hinterfragt wer- den. Dies gilt im Besonderen für autobiografische Erinnerungen, die:

61 BMH WS 1092, Statement by Witness Michael J. Kehoe on Joseph Plunkett’s Visit to Germany, 1915, Irish Military Archives.

(24)

[...] bei aller zeittypischen Bindung im Kern immer ein Versuch [sind], das eigene Ich auszuleuchten, es in seiner Differenz zu anderen zu erkennen, seine Besonderheit im Strom der Zeit erkennbar zu machen.62

Dieses Charakteristikum zeigt sich in einem besonders pointierten Maße bei den Aus- führungen Michael Keoghs, über die Michael McDunphy, damaliger Direktor des BMH, in seinem Vorwort zu Keoghs Augenzeugenbericht konstatiert:

[...] his claims to importance, which he parades on every occasion, are regarded by those who have come into official contact with him as grossly exaggerated and completely un- reliable.63

Auch wenn vor allem die Memoiren hinsichtlich der historischen Ereignisrekonstruk- tion also immer mit einem gewissen kritischen Abstand betrachtet werden müssen, eröffnen sie jedoch für Fragen zur Identitätskonstruktion und -kommunikation gerade durch diese Verzerrungen dennoch aufschlussreiche Perspektiven auf der metatextu- ellen Ebene.

Ferner ergeben sich auch aus der gewählten diskursanalytischen Identitätsthe- orie Grenzen bzw. methodische Problempunkte für die Anwendbarkeit in der Neuen Militärgeschichte. Ein Teil der Selbstidentität eines Individuums konstituiert sich, wie bereits dargestellt wurde, aus den von außen zugeschriebenen Attribuierungen der in- dividualbezogenen Identität. Unternimmt man nun den Versuch, Identitätskonstruk- tion mithilfe von Ego-Dokumenten zu untersuchen, trifft man unweigerlich auf die Problematik der fehlenden externen Attribuierung bzw. ist man – sofern überhaupt Aussagen mit einem solchen Bezug aus den Dokumenten zu entnehmen sind – auf die Interpretation dieser externen Zuschreibung durch das Individuum beschränkt, welche an sich natürlich, wie alle Interpretationen, schon individuelle Wahrnehmungsfilter passiert hat. Diese Unschärfe kann jedoch methodisch dadurch abgefangen werden, indem dieser Filterungsprozess auf der Ebene der Ego-Identität bereits als identitäts- konstituierend verstanden wird, auch wenn keine gesicherten Rückschlüsse auf die Authentizität der beschriebenen Fremdattribution möglich sind. Ein Problem kann sich zudem auch aus der Frage nach der kollektiven Identität der Soldaten ergeben. Nach dem in der linguistischen Diskursanalyse vertretenen Verständnis wird die kollektive Identität eines sozialen Systems durch die Aussagen einzelner Individuen über besag- tes System konstituiert. Dies lässt in der Quintessenz jedoch eigentlich nur Schlüsse über die Beziehung zwischen dem jeweiligen Individuum und dem sozialen System als Abstraktum zu, gibt jedoch keine Auskünfte darüber, wie genau sich daraus ein gruppeninternes Wir-Gefühl, wie es besonders im militärischen Untersuchungskontext

62Schulze, Ego-Dokumente, S. 23.

63 BMH WS 1092, Kehoe on Joseph Plunkett’s Visit to Germany.

(25)

relevant ist, begründet. Die Wir-Identität – als kollektives Pendant zur Ego-Identität – lässt sich demnach nur über die Gesamtheit bzw. zumindest eine repräsentative Aus- wahl von Aussagen über das soziale System in ihren Grundzügen rekonstruieren. In Bezug auf die Irische Brigade zeichnet sich dies besonders schwierig, da die überlie- ferten Ego-Dokumente, wie bereits erwähnt, keinen repräsentativen sozialen Quer- schnitt der Brigade ergeben. Potentielle Bezüge zur kollektiven Identität der Irischen Brigade können folglich immer lediglich als individuelle Reinterpretation einer Wir- Identität verstanden werden.

2.3.3 Forschungsfragen und Vorgehensweise

Aus den vorangegangenen historiografischen, methodischen und identitätstheoreti- schen Überlegungen ergeben sich für die vorliegende Studie hinsichtlich Identitätsbe- zügen in der Irischen Brigade folgende Forschungsschwerpunkte und -fragen:

I. Konstituierung von Selbstidentität. Im Mittelpunkt dieses Forschungs- schwerpunkts steht die Frage, wie genau unter den Mitgliedern der Irischen Brigade und ihr nahestehenden Personen Selbstidentität konstruiert wird und welche Mecha- nismen sowie identitätskonstituierenden Faktoren dafür von den Individuen herange- zogen werden.

II. Konkurrierende Identitätsbezüge. Im Anschluss soll der Titel dieser Ar- beit, Neither Prisoners nor Soldiers nor Free Men, buchstäblich in den Fokus rücken.

Ziel ist es zu ermitteln, ob und an welchen Punkten sich für die Brigademitglieder aus der Divergenz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung Identitätspolaritäten bilde- ten und wie diese konkurrierenden Bezüge von den Männern wahrgenommen, inter- pretiert und verarbeitet wurden.

III. Identifizierungshierarchien. Der dritte Forschungsschwerpunkt widmet sich indes der Frage, welche Identitätsfragmente für die Brigademitglieder von signi- fikanterer Relevanz waren und ob sich diesbezüglich eine allgemeine Identifizierungs- hierarchie unter den Fragmenten erkennen lässt.

IV. Individuelle Spezifika. Bei allen drei Forschungsschwerpunkten geht es darum, mögliche gemeinsame Muster für die Brigade zu erkennen. Parallel dazu sollen jedoch auch immer bei allen Forschungsfragen individuelle sowie sozialgruppeninhä- rente Spezifika herausgearbeitet werden. Wo lassen sich innerhalb der Brigade Unter- schiede oder sogar Bruchlinien in der Identitätskonstruktion feststellen? Dieser Teil der Untersuchung soll gewissermaßen als Gegenprobe dazu beitragen, einer Überbe- wertung möglicher gemeinsamer Muster entgegenzuwirken.

(26)

Um diese Forschungsfragen systematisch beantworten zu können, werden für alle relevanten Personen, auf deren Ego-Dokumente sich diese Untersuchung stützt, sogenannte Identitätsmatrizen erstellt (siehe Anhang B). Bei diesem eigens für die vorliegende Studie entwickelten Hilfsmittel handelt es sich um eine Systematisierung von textlichen Belegstellen, die im Kern von den Ideen der Korpuslinguistik inspiriert ist und somit kein klassisches Werkzeug der Geschichtswissenschaft darstellt. Den- noch bietet sich mit der Identitätsmatrix ein vielseitiges und operationalisierbares Un- tersuchungsinstrument für die historische Forschung.

Wie Abbildung 2 zeigt, werden dabei auffällige Textstellen64 aus den Ego-Do- kumenten, die entwe-

der direkt oder indi- rekt Bezug auf Identi- tät und identitätskon- stituierende Faktoren nehmen, thematisch gruppiert und inner- halb dieses Feldes ge-

mäß der bereits in den vorherigen Kapiteln beschriebenen identitätstheoretischen Grundlage einer von vier möglichen Objekt-Subjekt-Konstellationen (im Folgenden als Bezugsfelder bezeichnet) zugeordnet. In der Identitätsmatrix eines revolutionären Nationalisten x könnte sich dies im Themenfeld „Irische Identität“ beispielweise wie folgt gestalten: Eine Aussage über den Kerngedanken des radikalen Nationalismus wäre eine Eigenaussage des Verfassers x mit Bezug auf seine Selbstidentität; eine Aus- sage über die Ulstermen wäre indes eine Aussage des Verfassers x mit Bezug auf eine sich ebenfalls im Themenfeld Irland bewegende Fremdidentität (hier der irische Uni- onismus). Bezieht sich Verfasser x hingegen auf einen britischen Zeitungartikel über die Irish Republican Brotherhood (IRB), so wäre dies wiederum eine Fremdaussage über die Selbstidentität von Verfasser x (davon ausgehend, dass der revolutionäre Na- tionalist sich mit der IRB identifiziert). Schreibt die Zeitung jedoch über John Redmond und seine Ideen, wäre dies aus Sicht des Verfassers x eine Fremdaussage über eine Fremdidentität (nämlich den irisch-konstitutionellen Nationalismus, mit dem sich Verfasser x nicht identifiziert). Bei Fremdaussagen darf jedoch nicht vergessen werden, dass diese – außer bei direkten und nachweislich korrekten Zitaten – immer

64 Diese Methode erhebt keinen Anspruch auf eine vollständige Aufspürung aller relevanten Textstellen, da Text- verständnis und -interpretation immer ein von subjektiven Wahrnehmungsfiltern geprägter Akt ist.

Abb. 2: Schema einer Identitätsmatrix (eigene Entwicklung).

(27)

bereits den Wahrnehmungsfilter des Verfassers durchlaufen haben (siehe Kapitel 2.3.2).

Die offensichtliche Krux der Identitätsmatrizen liegt natürlich darin, dass jeder Person aus der historischen Retrospektive eine Primäridentifikation (im Beispiel revo- lutionärer irischer Nationalist) zugeschrieben werden muss, um Textbelege den ent- sprechenden Bezugsfeldern zuordnen zu können, was eine eingehende vorherige Un- tersuchung der Ego-Dokumente voraussetzt und einen kritischen Umgang mit den Er- gebnissen fordert. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass die Auswahl der Textstellen für die Identitätsmatrix bereits eine Bewertung an das Quellmaterial durch den Historiker darstellt. Die Identitätsmatrizen sollten daher lediglich als methodisches Hilfsmittel zur Auswertung von Identitätsbezügen und zur Sichtbarmachung meta- so- wie extratextueller Konstituierungsmuster für die historische Identitätsforschung ver- standen werden, an denen sich zudem – ähnlich wie in linguistischen Korpora – zahl- reiche Untersuchungsvarianten durchführen lassen. Für diese Studie besonders inte- ressant sind die beiden in Abbildung 2 eingetragenen Varianten. In Darstellung A kön- nen Identitätskontrastierungen, die zum einen zum kognitiven Erfassen der Selbstiden- tität notwendig sind und zum anderen zur Etablierung von Feindbildern beitragen, sichtbar gemacht werden, während über einen Abgleich der in Rahmen B eingefassten Belegstellen wiederum durch diametrale Selbst- und Fremdwahrnehmung verursachte Identitätskonflikte bzw. Identitätspolaritäten untersucht werden können.

Die sich daraus ergebenden Konstruktionsmuster lassen sich in einem nächsten Schritt themenfeld- und personenübergreifend kontrastieren, um beispielsweise fest- stellen zu können, ob sich Nationalidentität über eine andere Bezugsfeldkonstellation konstituiert als beispielsweise militärische Statusidentität oder ob es einen Unterschied zwischen Offizieren und Mannschaften gibt, womit die Matrizen alle Anforderungen für die Beantwortung der angeführten Forschungsfragen erfüllen. Für die Irische Bri- gade können aufgrund der vergleichsweise geringen Anzahl an Ego-Dokumenten na- türlich nur Tendenzen ermittelt werden, welche jedoch einen Referenzrahmen für wei- tere Forschungsvorhaben darstellen und somit zur allgemeinen Theoriebildung der mi- litärhistorischen Identitätsforschung zum Ersten Weltkrieg beitragen können.

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