A 2262 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 46|
19. November 2010A K T U E L L
Die Behandlung hämatologischer Erkrankun- gen könnte sich in absehbarer Zeit erheblich verändern. Denn es ist gelungen, Fibroblasten der Haut in Vorläuferzellen des blutbildenden Gewebes zu verwandeln (Nature 2010; doi:
10.1038/nature09591). Versuchstiere entwi- ckelten ein menschliches Blutbild, ohne an Teratomen zu erkranken. Klinische Studien könnten bereits 2012 beginnen.
In den letzten Monaten war es zwei ande- ren Forschergruppen gelungen, die Fibroblas- ten in Neurone (Nature 2010; 463: 1035–41) oder Myokardzellen (Cell 201; 142; 375–86) zu verwandeln, ohne dabei den Umweg über die sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) zu gehen, der sich als um- ständlich und in der Ausbeute als ineffektiv er- wiesen hatte. Außerdem war die Notwendig- keit, bis zu vier Gene in die Zelle einzubringen,
mit einem erhöhten Risiko auf die Induktion von Tumoren einhergegangen.
Die Gruppe um Mick Bhatia von der McMaster-Universität in Hamilton im kanadi- schen Teilstaat Ontario musste zwar ebenfalls mittels Genfähre ein Fremdgen, das bereits vom Stammzellpionier Yamanaka verwendete OCT4, in die Fibroblasten einbringen. Der Um- weg über die iPS war jedoch nicht notwendig.
Unter Zugabe bestimmter Wachstumsfaktoren verwandelten sich die Fibroblasten direkt in hämatopoetische Zellen.
Diese exprimierten nicht nur das für diese Zellen charakteristische CD45-Antigen, sie waren auch in der Lage, sich in die Vorläufer- zellen von Granulozyten, Monozyten, Mega- karyozyten und Zellen der Erythropoese zu ver- wandeln und damit in alle Zelltypen des blut- bildenden Knochenmarkgewebes.
Die so induzierten Erythrozyten bildeten adulte Versionen des Hämoglobins, die zum Sauerstofftransport befähigt waren. Die Experi- mente seien sowohl mit den Fibroblasten jün- gerer als auch älterer Menschen gelungen, be- richten die Forscher, die bereits hämatopoeti- sche Stammzelltransplantationen bei Mäusen durchgeführt haben: Nach acht Wochen sollen die menschlichen Zellen ein Fünftel des blut- bildenden Gewebes der Maus ersetzt haben.
Sollte dies gelingen, könnten sich für die Hämatologie völlig neue Perspektiven eröffnen.
Sie reichen von der In-vitro-Produktion von Blutkonserven bis hin zu einer Ausweitung der hämatopoetischen Stammzellbehandlungen, für die nicht mehr mühevoll nach geeigneten Spendern gesucht werden müsste, da die kör- pereigenen Fibroblasten eine vollkommene HLA-Identität versprechen. rme
FIBROBLASTEN IN HÄMATOPOETISCHE ZELLEN UMGEWANDELT
Für ihre Ideen zur Entwicklung pa- tientennaher medizintechnischer Pro- dukte wurden im Rahmen des „Inno- vationswettbewerbs zur Förderung der Medizintechnik“ 15 Forscher- teams ausgezeichnet. Sie erhalten für ihre Projekte insgesamt circa 9,1 Millionen Euro vom Bundesminis- terium für Bildung und Forschung (BMBF). „Medizintechnik ist ein bedeutender Wachstumsmotor und eine der wichtigsten Zukunftsbran- chen unseres Landes. Ökonomisch erfolgreiche High techprodukte wer- den nicht zuletzt gebraucht, um Arbeitsplätze zu sichern“, sagte Hel- MEDIZINTECHNIK
9,1 Millionen Euro Förderung für Innovationen
ge Braun, parlamentarischer Staats- sekretär im BMBF. Der Ausbau der Medizintechnik ist ein Ziel der Hightechstrategie 2020 für Deutschland.
Zu den ausgezeichneten Ent- wicklungen zählen ein Test zur Er- kennung von gefährlichen Pilzin- fektionen, ein Herzklappenersatz aus Kunststoff, der mit körpereige- nen Zellen besiedelt wird, und ein technisches Verfahren, mit dem festsitzender Zahnersatz zur Be- handlung darunter liegender Zahn- substanz unbeschädigt entfernt wer-
den kann. KBr
Der Konsum von Alkohol, Canna- bis und Tabak fängt meist in der Pu- bertät an. Den ersten Rausch erle- ben Jugendliche nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Sucht- fragen (DHS) im Durchschnitt mit 13,8 Jahren. Fast 20 Prozent aller Kinder haben bereits vor dem 14.
Lebensjahr mindestens einmal Can- nabis geraucht. Mehr als 15 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen rauchen regelmäßig.
Eltern stehen dem Problem oft besorgt gegenüber und wünschen sich Unterstützung und Informatio- nen. Das hat eine Befragung im Rahmen des Bundesprojekts „el- tern.aktiv“ der DHS zusammen mit der Koordinierungsstelle Sucht des
Landschaftsverbands Westfalen-Lip- pe ergeben. Viele Eltern haben da- nach auch Hemmungen, professio- nelle Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Eltern.aktiv will dem entge- genwirken: Acht bundesweite Sucht- hilfeeinrichtungen und vier westfä - lische Jugendämter bieten Hilfe in Form von Einzelgesprächen, Infor-
mationsabenden und Gruppenan - geboten an. Kontaktmöglichkeiten unter www.dhs.de. Dort kann auch der Flyer „Rauschmittelkonsum im Jugendalter – Tipps für Eltern“ her - untergeladen werden. Flyer zum Auslegen in der Arztpraxis können unter der E-Mail-Adresse rummel
@dhs.de angefordert werden. pb
Kinder und Jugend liche unter-
schätzen die Gefahren von Rausch -
mitteln. Die Eltern fühlen sich hilflos.
Foto: ddp
JUGENDLICHE UND DROGEN