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Archiv "Charles Darwin: Der Anfang einer geistigen Reise" (01.05.2009)

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A888 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 18⏐⏐1. Mai 2009

K U LT U R

„Die Reise der ,Beagle‘ ist das bei Weitem bedeutungsvollste Ereig- nis in meinem Leben gewesen“, schreibt Charles Darwin in seinen Erinnerungen. 22 Jahre ist er jung, als er im Dezember 1831 an Bord des Vermessungsschiffs „Beagle“

England verlässt. Mit 27 kehrt er zurück. Was ist auf dieser Reise, der einzigen seines Lebens, mit ihm passiert? Wie hat sich ein jun- ger Mann ohne jede formale Aus- bildung während der fünf Jahre in einen Forscher verwandelt, der bald alle anderen hinter sich lassen wird?

Diesen Fragen geht der Physiker und Biologe Neffe nach, indem er auf Darwins Spuren um die Welt reist. Dabei führt er seinen eigenen Reisebericht parallel mit Darwins

„Fahrt der Beagle“.

Vor 175 Jahren ist diese Reise eine be- schwerliche Angele- genheit: Der junge Naturkundler ist see- krank, der erste er- sehnte Landgang auf Teneriffa fällt aus, weil die Besatzung wegen einer Chole- raepidemie in Eng- land das Schiff nicht verlassen darf. In Brasilien gerät Dar- win mit Kapitän FitzRoy in Streit, weil er die Sklaverei befürwortet. Beinahe hätte die Rei- se hier ein Ende gefunden. Die Insel Chiloé an der Westküste Südameri-

kas bietet Darwin und Neffe mehr als 300 Regentage im Jahr. Im Win- ter „könnte nur ein amphibisches Tier dieses Klima ertragen“, notiert Darwin, „singulär unsympathisch“

findet er das Wetter am Kap Hoorn.

Neffe erzählt anschaulich und spannend. Er beschreibt Darwins Vorläufer und die wesentlichen Ge- danken der Evolutionslehre und zeigt, wie diese sich im 20. Jahrhun- dert mit den Erkenntnissen der Ge- netik zur „Synthetischen Theorie“

verbindet. In den letzten Jahrzehnten entpuppt das Genom sich zuneh- mend als dynamisches System der Informationsverarbeitung. So wird deutlich, dass Darwins Fahrt den Anfang einer geistigen Reise bildet, die unser Selbstverständnis als Men- schen begründet. Ihr Ende ist derzeit nicht absehbar. Christof Goddemeier

Jürgen Neffe: Darwin.Das Abenteuer des Lebens.

C. Bertelsmann Verlag, München 2008, 528 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 22,95 Euro

CHARLES DARWIN

Der Anfang einer geistigen Reise

Der Titel ist offensichtlich eine Ent- gegnung auf Richard Dawkins’ „Das egoistische Gen“ aus dem Jahr 1976.

Damit ist das Buch vor allem eine Kampfansage an eine evolutionäre Biologie, die der Notwendigkeit im Reich des Lebendigen höchste Prio- rität einräumt: Demnach sind Gene die wahren Spieler der Evolution und unsere Körper lediglich von ihnen gebaute, vergängliche Vehikel, mit deren Hilfe sie ihr Fortbestehen si- chern. Natürliche Auslese berück- sichtigt in dieser Perspektive aus- schließlich das Interesse der Gene.

Dass Organismen oder gar deren So- zialverbände eigene Interessen ver- folgen könnten, wird kaum gesehen.

Die Einseitigkeit einer solchen Posi- tion zu kritisieren, ist legitim.

Anschaulich schildert Bauer die Ergebnisse der Genforschung in den letzten 50 Jahren. Doch er schildert sie durch eine ähnlich einseitige Bril- le wie Dawkins. Dessen Anpassungs- fundamentalismus pariert Bauer mit

den Begriffen „Kooperation, Kom- munikation und Kreativität“. Ähnlich wie Dawkins macht er Gene zu Sub- jekten der Evolution – hier sind sie selbstsüchtig, dort das Gegenteil:

kommunikativ und kreativ. Zwar re- det er nicht einem Kreationismus das Wort – Evolution ist für ihn nicht de- terminiert. Aber er hält sie für „ge- bahnt“ und damit nicht für zufällig.

Dabei scheint er unter Zufall blindes, regelloses Chaos zu verstehen. Zufall bezeichnet in der Biologie jedoch nicht determinierte Ereignisse, die mithilfe der Wahrscheinlichkeitsge- setze beschreibbar sind.

Stephen J. Goulds Annahme eines Wechsels zwischen kurzen Perioden intensiven Wandels und langen Zeiträumen ohne größere Verände- rungen führt Bauer als Beleg gegen das „zentrale darwinistische Dog- ma“ eines gleichmäßigen und konti- nuierlichen Verlaufs der Evolution ins Feld. Dabei stellt Goulds Modell die von Darwin postulierten Mecha-

nismen der Evolution gerade nicht infrage, sondern zeichnet allenfalls ein anderes Bild der Evolutionsge- schwindigkeit. Der Streit zwischen

„Gradualisten“ und „Punktualisten“

wird zusätzlich dadurch entschärft, dass die beiden Disziplinen ein je unterschiedliches Zeitverständnis haben. So kann für den Paläoontologen ein Punkt in der Evolution 50 Millio- nen Jahre umfassen; für den Genetiker ist das ein langer Zeitraum.

Fazit: Bauer liefert einen verständlich und flüssig ge- schriebenen Text über die Ergebnisse neuerer Genfor- schung. Doch statt einer Er- klärung, warum die von ihm präsentierten Daten ei- nen Abschied vom Darwi- nismus nahelegen sollen, polemisiert er. Wenn er Darwin in einer Fußnote „entgegen einer weithin vertretenen Auffas- sung“ leichthin als „Sozialdarwinis- ten“ bezeichnet, weil er sich kritisch zum Sozialstaat geäußert habe, wird er dem großen Naturforscher nicht gerecht. Christof Goddemeier

GENFORSCHUNG

Einseitige Schilderung

Joachim Bauer:

Das kooperative Gen.

Abschied vom Dar- winismus. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008, 223 Seiten, gebunden mit Schutz- umschlag, 19,95 Euro

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