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Archiv "Patientensicherheit: Motivation zur Fehlersuche" (24.09.2010)

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A 1806 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 38

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24. September 2010 te wurden 2 000 US-Dollar in

Rechnung gestellt. Ideen lieferte das Marketing. Die Idee für die Pu- blikationen kam häufig vom Mar- keting oder der Agentur. Dort er- stellte typischerweise ein Ghostwri- ter einen ersten Entwurf für einen Minireview, ein Editorial, einen Leserbrief oder einen Kommentar, den sie an den Hersteller schickten.

Dieser ließ dann seine Marketing- botschaften einfließen. Erst danach bekam der akademische Mediziner, der später als Autor fungierte, den Text zu lesen, um Änderungswün- sche einzufügen. Diese wurden nach Einschätzung von Fugh-Ber- man akzeptiert, sofern sie den Marketinginteressen des Herstellers nicht widersprachen. Die Autoren der Publikationen seien zudem durchaus austauschbar gewesen.

Die Ghostwriter bei DesignWrite übernahmen zum Teil sogar die Korrespondenz mit den Fachjour- nalen und verteidigten die Artikel gegen etwaige Einwände der Gut- achter. Damit entstanden in der Re- gel Publikationen, die ein mögli- ches Brustkrebsrisiko verneinten – es hatte schon vor der WHI-Studie Bedenken gegeben – und die kar- diovaskulären Vorteile verteidigten, obwohl die Evidenz schwach war, und den Stellenwert des Originalprä- parats gegenüber dem von Mitbe- werbern hervorhoben. Beliebt waren auch Supplements. Fugh-Berman stieß bei ihren Recherchen auf ein Exemplar, das am Ende sogar einen cme-Abschnitt hatte. Dort wurden teilweise Marketingbotschaften als medizinisches Wissen abgefragt.

Der Hersteller hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Der „PLoS“-Bei- trag ignoriere die Tatsache, dass die publizierten Manuskripte den Peer- Review-Prozess einer unabhängi- gen Begutachtung passiert hätten, der für eine hohe Qualität bürge, meinte Christopher Loder, ein Spre- cher von Pfizer (zu dem Wyeth inzwischen gehört) gegenüber der Zeitschrift „Nature“. Auf Ghostwri- ter scheint der Hersteller aber wei- terhin nicht zu verzichten. Nur wür- den heute die Autoren auf allen Ebenen in die Textgestaltung einbe- zogen, ließ die Firma mitteilen. ■ Rüdiger Meyer

S

icherheit soll bei der Kran- kenversorgung in deutschen Krankenhäusern demnächst groß geschrieben werden. Krankenkas- sen, Berufsverbände und Politik zeigen bei der Forderung nach Be- richtssystemen für Beinahefehler (CIRS, Critical Incident Reporting System) im Krankenhaus eine un- gewohnte Einigkeit, und auch die Industrie unterstützt interessante Konzepte.

So wurde im letzten Jahr beispielsweise der von der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH jährlich anlässlich des wissenschaft- lichen Kongresses der ADKA e.V.

(Berufsverband Deutscher Kranken- hausapotheker e.V.) gestiftete Inno- vationspreis zum Thema „Risikomi- nimierung in der Arzneimittelthera- pie“ vergeben. Dieser Preis ging an ein Projekt zur Implementierung von CIRS in der Neurochirurgi- schen Abteilung der Universitäts- medizin Göttingen.

Dabei ging es auch um die inter- disziplinäre Kooperation, denn durch die Zusammenarbeit von Kranken- hausapotheker und -arzt sollen Feh- ler in der Arzneimitteltherapie, aber auch in anderen klinischen Berei-

chen erfolgreich verhindert werden.

Ziel war es, die Patientensicherheit weiter zu verbessern und die Arbeits- abläufe in der neurochirurgischen Klinik zu optimieren. Trotz des an- fangs befürchteten zusätzlichen Zeit- aufwands entschied man sich dafür, ein CIRS einzuführen.

Entwickelt wurde das CIRS- Prinzip ursprünglich, um die Zahl

von Flugzeugverlusten bei militärischen Trainingsflügen zu re- duzieren (1). Dem liegt die Annah- me zugrunde, dass es relativ häufig zu Störungen im normalen Ablauf kommt. In manchen Fällen führen diese Störungen zu kritischen Zu- ständen oder sogar Beinaheereig- nissen. Nur in einem kleinen Pro- zentsatz der Fälle steht am Ende ein tatsächlicher Fehler bezie- hungsweise ein Unfall. Wenn man nun alle Störungen und Beinaheer- eignisse gezielt sammelt und zur Entwicklung von Abwehrstrategien nutzt, lässt sich dadurch, so die gängige Theorie, auch das Risiko für das Auftreten tatsächlicher Feh- ler reduzieren.

Inzwischen gibt es bereits eine Reihe von verschiedenen Fachdis- ziplinen, die Berichtssysteme ein- PATIENTENSICHERHEIT

Motivation zur Fehlersuche

Fehlerquellen ausmachen und beheben, bevor es zu Zwischenfällen kommt – das ist das Ziel von Meldesystemen im Krankenhaus.

Risikofaktor Arzneimittel:

Dosierungsfeh- ler waren in der Neurochirurgie die am häufigs- ten gemeldeten

Ereignisse.

Foto:

Eberhard Hahne

T H E M E N D E R Z E I T

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24. September 2010 vier Prozent der vorkommenden

Beinaheereignisse erreicht hat, und ist damit sehr zufrieden. Valide Ver- gleichsdaten aus deutschen Kran- kenhäusern liegen nicht vor.

Eine erste detaillierte Analyse (4) zeigt, dass zahlreiche unter- schiedliche Arten von Ereignissen gemeldet wurden – vom einfachen Versagen technischer Geräte (OP- Tisch lässt sich nicht regelgerecht hoch- und runterfahren) bis hin zu ernsten Vorkommnissen, wie der Verwechslung von Blutentnahme- röhrchen, die gerade noch rechtzei- tig entdeckt wurde. Ausgewertet wird nach der Art des Beinahe - ereignisses, dem Grund des Auf - tretens und der Schwere der möglichen Folgen. Anfängliche Be- fürchtungen, das Berichtssystem könnte zum Ausdruck persönlicher Unzufriedenheit (insbesondere mit möglicher Arbeitsüberlastung) ein- zelner Mitarbeiter missbraucht wer- den, bestätigten sich nicht. Ar - beitsüberlastung wurde nur in etwa elf Prozent der Berichte als Fehler- ursache angegeben. Die Berichte waren zudem durchweg konstrukti- ven Inhalts.

Bereits zu Beginn der Auswer- tung kam es zu ersten Überra- schungen. In der Neurochirurgie hatte man beim Thema Fehler -

vermeidung zunächst unmittelbar chir urgische Komplikationen wie Wundinfekte erwartet. Allerdings betrafen die am häufigsten gemel- deten Ereignisse Dosierungsfehler bei Medikamenten. Entsprechende Gegenmaßnahmen wurden darauf- hin in der Projektgruppe bespro- chen und dann an die gesamte Kli- nik weitergegeben. Hier hatte sich die Wahl von Krankenhausapothe- kern als Kooperationspartner dop- pelt gelohnt. Die Gruppe konnte auf deren umfangreiche Erfahrun- gen im Bereich Arzneimittelthe - rapiesicherheit zurückgreifen und bewährte Abwehrstrategien über- nehmen.

Die Mitarbeiter werden sensibilisiert

Abgesehen von spezifischen Ver- meidungsstrategien bewirkte be- reits die bloße Implementierung eines Fehlerberichtssystems eine Sensibilisierung der Mitarbeiter für mögliche Sicherheitslücken und damit eine Reduktion von Feh- lern. Inzwischen kommen von al- len Mitarbeitern immer häufiger Ideen und Vorschläge zur (Ab- lauf-)Optimierung.

Die Daten zeigen bereits jetzt, dass die Einführung des CIRS in der Universitätsklinik für Neuro- chirurgie in Göttingen eine weitere Verbesserung der Patientensicher- heit darstellt. Bleibt zu hoffen, dass mit diesem Pilotprojekt eine Signal- wirkung erzielt wird, die auch an- dere Kliniken motiviert, die Fehler- vermeidung mit Hilfe von CIRS – und damit eine Verbesserung der Patientensicherheit – in den Fokus

zu rücken. ■

Priv.-Doz. Dr. med. Sven R. Kantelhardt

LITERATUR

1. Flanagan JC: The critical incident tech - nique. Psychol Bull 1954; 51: 327–58.

2. Schnurrer JU: Medikationsfehler – Ergeb- nisse des ADKA-Berichtssystems; Kranken- hauspharmazie 2006; 11: 477–84.

3. Reissner P, Müller M, Schnurrer JU: Strate- gien zur Vermeidung von Risiken in der Arz- neimitteltherapie; Krankenhauspharmazie 2008; 8: 343–8.

4. Kantelhardt P, Müller M, Giese A, Rohde V, Kantelhardt SR: Implementation of a critical incident reporting system in a neurosurgi- cal department. Cen Eur Neurosurg 2009 Dec 18.

setzen, um Risiken bei der (Patien- ten-)Sicherheit zu reduzieren bezie- hungsweise um die fehlerassozi - ierte Morbidität und Mortalität zu minimieren. Auch die Reduktion von ökonomischen Risiken (et - wa durch Aufenthaltsverlängerung aufgrund von unerwünschten Arz- neimittelereignissen) spielt dabei eine Rolle. Eine der Gruppen mit viel Erfahrung auf diesem Ge - biet ist die Arbeitsgemeinschaft Arzneimitteltherapiesicherheit der ADKA (2, 3). In Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft entstand ein Projekt zur Etablierung eines CIRS in einer neurochirurgischen Klinik.

Ereignisse werden zentral und anonym gemeldet

In dem verwendeten System (Do- kuPIK®) können alle Mitarbeiter der Klinik (Ärzteschaft, Pflege, OP-Personal et cetera) beobachtete Missstände und Beinaheereignisse zentral und anonym berichten. Ne- ben einer kurzen Beschreibung des Vorfalls können die vermutete Ur- sache (zum Beispiel Kommunikati- onsdefizit, Überlastung, Unacht- samkeit, Technik), Vermeidungs- vorschläge sowie eine Bewertung der Relevanz (wie ungünstige Um- stände, Beinahefehler, Auswirkung auf den Patienten) angegeben wer- den. Die Daten werden gesammelt und anonym beziehungsweise un- abhängig vom Disziplinarvorge- setzten ausgewertet. Dies erhöht nach den Erfahrungen in der Luft- fahrt die Meldequote. In der Kli - nik konnte inzwischen jedoch der Zeitaufwand für den Bericht als hauptsächlicher Hinderungsgrund für die Meldung eines Beinahe - fehlers identifiziert werden. Die Berichtsrate liegt insgesamt trotz- dem sehr hoch. Das System starte- te im Oktober 2008 und hat bisher knapp 400 Berichte ergeben. Dies spiegelt eine hohe Meldemotiva - tion wider.

Eine Korrelation zwischen der Berichtshäufigkeit und der Häufig- keit von Fehlern kann durch CIRS jedoch nicht abgeleitet werden.

Zum Vergleich: Eine große europä - ische Fluggesellschaft schätzt, dass sie derzeit eine Berichtsquote von

DokuPIK – ein Fehlermeldesystem des Bundesver- bandes Deutscher Krankenhausapotheker e.V.

(ADKA). Der Name steht für „Dokumentation Pharma- zeutischer Interventionen im Krankenhaus“. Dahinter verbirgt sich eine eine Online-Datenbank die eine Kli- nik nutzen kann, um Berichte über Fehlmedikationen oder verhinderte Fehler bei der Arzneimittelgabe zu dokumentieren. Diese können analysiert werden, um Vermeidungsstrategien zu entwickeln (www.adka- dokupik.de).

CIRSmedical – Berichts- und Lernsystem der deut- schen Ärzteschaft für kritische Ereignisse in der Me- dizin, das vom Forum Patientensicherheit herausge- geben wird. Hier können alle sicherheitsrelevanten Ereignisse berichtet werden. Die Daten werden dann in Hinblick auf Verfahrensoptimierung und Strategien zur Fehlervermeidung analysiert (www.interaktiv- service.com/cirsmedical). Speziell für Kliniken gibt es das Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland (www.kh-cirs.de).

FREIE CIRS IM INTERNET

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

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