Immer mehr Psychotherapie
für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Corona-Pandemie verschärft die Situation
BARMER Arztreport 2021
Datengrundlage
• Daten von 9,13 Millionen Versicherten der BARMER
• Anteil von 12,5 Prozent aller GKV-Versicherten
• Anteil von 10,9 Prozent der Bevölkerung in Deutschland
• Anteil von 13,0 Prozent der Bevölkerung in Schleswig-Holstein (≈ 370.000 BARMER-Versicherte)
Schwerpunktthema:
Psychotherapie für Kinder und Jugendliche (bis 24 Jahre)
• Entwicklung im Zeitraum 2009 bis 2019
• Daten zu mehr als 1,6 Mio. jungen Menschen bundesweit, allein in Schleswig-Holstein rund 78.000 Versicherte unter 25 Jahren
(Geschlechts- und altersstandardisierte Ergebnisse – Hochrechnung auf die Bevölkerung)
Begriffserklärung Psychotherapie
Psychotherapie im erweiterten Sinne Psychotherapie im engeren Sinne
• Richtlinientherapien
• probatorische Sitzungen
• psychotherapeutische Sprechstunden
• psychotherapeutische Akutbehandlungen Ausschließlich Richtlinientherapien
Ambulante Psychotherapien
• regelmäßige Einzel- bzw.
Gruppengespräche zwischen Patienten und Therapeuten
• bestimmte Gesprächsdauer
• über einen längeren Zeitraum
Seit vier Jahren (4/2017) erleichterter Zugang zur Psychotherapie;
Ziele:
• Frühzeitige Abklärung, ob und welche psycho- therapeutische Behandlung notwendig ist
• Verkürzung der Wartezeit für Erstbehandlung
Versorgungsstruktur in Schleswig-Holstein:
Trend: Anzahl Therapeuten hat zugenommen
(Quelle: Bundesarztregister, BARMER-Abrechnungsdaten)
87
52
86 82
0 20 40 60 80 100
Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie (FG 60) Psychotherapeutisch tätiger Arzt (FG 61)
Anzahl ärztliche Therapeuten 2013 vs 2019
2013 2019 446
97 570
148 0
100 200 300 400 500 600
Psychologischer Psychotherapeut
(FG 68) Kinder- und Jugendlichen- Psychotherapeut (FG 69)
Anzahl nichtärztliche Therapeuten 2013 vs 2019
2013 2019
Anteil betroffener Kinder in S-H: 2009 bis 2019
Im Zeitraum von elf Jahren erhielt etwa jedes/r 10. Kind/Jugendliche mindestens eine kurzzeitige Psychotherapie
(Quelle: Arztreport, S. 133) 11.125 12.446 12.837 13.930 14.749 15.514 15.308 15.963
19.039
22.198 23.889
6.465 6.991 7.065 7.732 8.129 8.429 8.706 8.991 9.173 9.306 9.347
2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (0-24 Jahre) mit Psychotherapie in Schleswig-Holstein
Anzahl mit Psychotherapie im erweiterten Sinne Anzahl mit Richtlinientherapie
1,61 %
3,45 %
Bundesweit (Vergleich):
Anstieg um 104 Prozent binnen elf Jahren Betroffene in Schleswig-Holstein (2019):
• Rund 23.900 erhielten Psychotherapie im erweiterten Sinne
• rund 9.400 davon erhielten eine Richtlinientherapie
Schleswig-Holstein:
Betroffenenanzahl binnen elf Jahren mehr als verdoppelt (+115 Prozent!)
Reform der Psychotherapie-Richtlinie
Anteil betroffener Kinder im Ländervergleich
Zunahme in allen Bundesländern Unterschiede zwischen den Ländern verringern sich.
Steigerungsraten besonders hoch in Ländern, die besonders großen Abstand zum
Bundesschnitt hatten.
Anteil Betroffener im Bundesdurchschnitt:
2009: 2,30 Prozent
2019: 4,13 Prozent
Steigerung: +104 Prozent
Anteil betroffener Kinder in S-H: 2018 / 2019 / 2020
Halbjahresvergleich: Inanspruchnahme (nur) Richtlinientherapie
7.058 7.248
7.847
6.600 6.800 7.000 7.200 7.400 7.600 7.800 8.000
1. Halbjahr 2018 1. Halbjahr 2019 1. Halbjahr 2020
Halbjahresvergleich
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene (0-24 Jahre) mit Richtlinientherapie in Schleswig-Holstein
Halbjahresvergleich 2019/2020:
Anstieg mehr als verdreifacht (!) gegenüber Vorjahr (Corona?!)
Inanspruchnahme von
„klassischen“ Psychotherapie- Leistungen
(ohne Psychotherapeutische-/Akutsprechstunde)
Anzahl betroffener Kinder in S-H nach Geschlecht
Im Alter von 8 bis 12 sind etwa 5 bis 6 Prozent betroffen
Ab 14 Jahren sind vorwiegend Mädchen in Therapie;
Altersgipfel: 19 Jahre Vor Eintritt der Pubertät deutlich höhere
Behandlungsraten bei Jungs;
Altersgipfel: 12 Jahre
Mehr Mädchen als Jungen in psychotherapeutischer Behandlung (erweiterte PT)
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Anzahl der Kinder und Jugendlichen in Schleswig-Holstein mit Psychotherapie im erweiterten Sinne
nach Geschlecht und Alter
männlich weiblich
Gründe für Psychotherapie bei Kindern & Jugendlichen
Schwere Belastungen / Anpassungsstörungen
häufigster Anlass für Richtlinientherapie; Durchschnittsalter: 15 -17 Jahre
außergewöhnlich belastendes Lebensereignis
besondere Veränderung im Leben
andauernden, unangenehmen Umstände
Hervorgerufen durch: Mobbing / Cybermobbing / Trauerfall / Trennung / Flucht / Misserfolgserlebnis u. ä.
Depressionen
sind zweithäufigster Grund; Durchschnittsalter: 18 - 19 Jahre
Betreffen vorrangig ältere Jugendliche, Frauen häufiger als Männer
Emotionale Störungen im Kindesalter
sind dritthäufigster Anlass, überwiegend um elf Jahre dokumentiert
Überängstlichkeit, Trennungsangst, schwerwiegende Milieuschäden, Entbehrung, Liebesentzug, Isolation
5 Jahre nach Therapiebeginn: 35,3 Prozent
Behandlungsverläufe ambulanter Psychotherapien
stationär 1 Jahr vor Therapiebeginn: 10 %
bzw. ambulant im Krankenhaus: 17 % Therapieabschluss ≤ 1 Jahr: 41 Prozent
≤ 5 Jahre: 83 Prozent 5 Jahre nach Therapiebeginn: 21 Prozent 5 Jahre vor Therapiebeginn: 12,4 Prozent
5 Jahre vor Therapiebeginn: 7,7 Prozent
Psychopharmaka
Hinweise auf Behandlung psych. Leiden in Abrechnungsdaten
Krankenhaus Therapiedauer
Therapiestart
Prävention & Vorsorge
BARMER unterstützt Projekte zur Psychischen Gesundheit
Online-Portal FIDEO - Stark gegen Depression
• Diskussionsforum Depression e.V.
für Jugendliche ab 14 Jahren
• Seit 2010 von der BARMER über die Selbsthilfeförderung finanziert
MindMatters – Schulprogramm
• Programm zur Verbesserung der psychischen Gesundheit an Schulen
• MindMatters Module und Fortbildungsangebote werden Schulen und Multiplikatoren kostenfrei
zur Verfügung gestellt. Informationen unter:
www.barmer.de/g100181, www.mindmatters-schule.de
Gezielte Hilfen der BARMER für betroffene Kinder
BARMER unterstützt Projekte zur Psychischen Gesundheit
Krisenchat.de – BARMER kooperiert mit Start-up
• kostenfreies Angebot für junge Menschen unter 25.
• 24/7, Krisenberatung per Chat mit Therapeutinnen, Psychologen, Pädagoginnen und Ärzten.
• Bis heute über 5.000 Beratungen, Tendenz steigend Kinder und Jugendprogramm (KJP) der BARMER
• mehrere Extra-Vorsorgeuntersuchungen (U10/U11/J2)
• Die teilnehmenden Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte achteten gezielt auf psychische Auffälligkeiten der jungen Menschen.
• Bundesweit mehr als 580.000 / Schleswig-Holstein mehr als 24.000 Kinder und Jugendliche eingeschrieben
Themen-Special Psychische Gesundheit auf BARMER Homepage:
www.barmer.de/s000012
Resümee
• Psychotherapie ist in den vergangenen elf Jahren deutlich häufiger geworden, Corona verstärkt die Problematik
• Mehr betroffene Kinder und Jugendliche, aber auch mehr TherapeutInnen
• Diagnosen: Schwere Belastungen / Anpassungsstörungen / Depressionen / emotionale Störungen im Kindesalter
Auslöser: u. a. Mobbing , Cybermobbing / Hass im Netz
• Positiv: Erleichterter Zugang zu psychotherapeutischer Erst-Versorgung:
Akut- und psychotherapeutische Sprechstunde (Reform 2017)
Forderungen
Alarmsignale bei Kindern und Jugendlichen rechtzeitig erkennen und handeln,
bevor es zu spät ist Ziel: Leidensweg der Kinder und Jugendlichen verkürzen!
1. Prävention in pädagogischen Einrichtungen stärken
Hilfsangebote noch bekannter machen / für Auslöser sensibilisieren (Mobbing)
Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche sichtbar, erlebbar machen
Projektarbeit an Schulen stärken - Nutzen der präventiven Hilfsangebote in der pädagogischen Arbeit in Schulen (MindMatters o. ä., Projektunterricht, beginnend in Grundschule bis Ausbildung)
2.
Stärkung der interdisziplinären Netzwerke
Eltern, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte sowie ärztliche und psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten müssen im Sinne der Betroffenen noch stärker zusammenarbeiten.