FOKUS
Qdent 2019 | 3 [2] | 20–22 20
Fokus
Alles Narkose, oder was ...?
Welches sind die schwierigsten Patienten? Da gibt es unterschiedliche Meinungen, aber viele behaupten, es sind die kleinen Kinder. An den meisten Universitäten haben die Studenten kaum Kontakt mit dieser Patientenklientel. Als frischgebackener Assistenzzahnarzt bekommt man dann häufiger die Patienten, die dem Chef die Zeit rauben – also die Kinder. Aber was tun, wenn diese nicht mitmachen? In diesem Beitrag wird ein Überblick über Narkose und Sedie- rungsverfahren bei Kindern geboten.
ALLGEMEINANÄSTHESIE
Die Allgemeinanästhesie, auch als Vollnarkose bekannt, beschreibt einen pharmakologisch in- duzierten Schlafzustand, bei dem eine Behand- lung ohne Schmerzempfinden und Abwehrreak- tion möglich ist. Gerade sehr kleine Kinder mit großem Behandlungsbedarf oder unkooperative Kinder können nur unter Allgemeinanästhesie versorgt werden. Es gibt zwei medizinische In- dikationen für eine Narkosebehandlung:
• mangelnde Kooperativität oder
• nicht zu gewährleistende Schmerzaus- schaltung.
Beispielhaft zu nennen sind sehr kleine Kin- der mit großem Behandlungsbedarf z. B. bei ausgeprägter ECC (= Early Childhood Caries), MIH-Patienten (= Molaren-Inzisiven-Hypo- mineralisation), wenn durch Lokalanästhe- sie keine ausreichende Schmerzausschal- tung möglich ist, behinderte Patienten mit Sanierungsbedarf sowie Kinder mit akuten Schmerz- und Entzündungszuständen (Abb. 1 bis 3).
Achtung: Die Narkosebehandlung sollte als Option bei dringendem Be- handlungsbedarf in Erwägung gezogen und nicht als Möglichkeit zur Routine- versorgung genutzt werden. Bei grö- ßeren semikooperativen Kindern und Jugendlichen mit kleinem bis mittlerem Behandlungsbedarf (z. B. kleinere Fül- lungstherapien an Milchmolaren oder Fissurenversiegelungen) sollten weniger risikobehaftete Behandlungskonzepte erwogen werden.
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Das Abschätzen des individuellen Narkoseri- sikos, der Narkosetauglichkeit, die Betreuung der Allgemeinanästhesie im OP-Setting sowie die Nachsorge muss durch ein fachlich speziali- siertes Anästhesieteam gewährleistet werden.
Der Anästhesist muss Erfahrung im Bereich der Kinderanästhesie haben sowie das kom- plette Notfallmanagement beherrschen.
Ziel ist es, nach der Zahnsanierung in Nar- kose zu einem kindgerechten zahnärztlichen Alltag zurückzukehren. Außerdem sollte das Kind danach kariesfrei sein. Ein engmaschiges Recallsystem alle drei Monate und Prophylaxe- maßnahmen (regelmäßige Zahnreinigungen etc.) ermöglichen den Vertrauensaufbau zum zahnärztlichen Fachpersonal und können eine erneute Behandlung in Narkose vermeiden.
Bei bestätigter und dokumentierter Indika- tion werden die Kosten der Narkosebehandlung bis zu einem Alter von zwölf Jahren von der ge- setzlichen Krankenkasse übernommen.
SEDIERUNG
Als Alternative zur Narkosebehandlung gibt es die Möglichkeit, eine Behandlung unter Zu- hilfenahme anderer Sedierungsmaßnahmen zu realisieren. Diese sollen beruhigend und aktivitätsmindernd wirken, wobei keine Be-
wusstlosigkeit angestrebt ist. Unterschieden werden titrierbare von nicht titrierbaren Se- dativa (= Beruhigungsmittel). Zu den titrier- baren Sedativa gehören z. B. die intravenöse Sedierung mit Benzodiazepinen sowie die Lachgassedierung. Zu den nicht titrierbaren Sedativa zählen die oral verabreichten Ben- zodiazepine wie Midazolam. Ihr Einsatz sollte aufgrund der schlechten Steuerbarkeit der Sedierung und einer möglichen atemdepres- siven Wirkung besonders bei kleinen Kindern immer unter Überwachung durch ein geschul- tes Anästhesieteam erfolgen, da im Notfall das Gegenmittel (Antidot) intravenös verabreicht werden muss.
L ACHGAS
In unserer Praxis wird diese titrierbare Se- dierungsmethode angewandt (Abb. 4). Die Lachgassedierung bietet die Option einer gut steuerbaren und kurzwirksamen inhalativen Sedierung. Durch die anxiolytische und ent- spannende Wirkung ermöglicht sie es, Kinder und Jugendliche mit leichter bis mäßiger Be- handlungsangst sowie ungeduldige oder trotzi- ge Patienten zu versorgen. Behandlungserfolge finden sich z. B. auch bei geistig behinderten Patienten, ausgeprägtem Würgereiz und Ein-
Abb. 1 ECC: Bei diesem Befund sollte eine Behandlung in Allgemeinanästhesie geplant werden.
Abb. 2 OP-Setting zur Behandlung in Vollnarkose.
Abb. 3 Die weit verbreitete Struk- turstörung MIH: hier besonders ausgeprägt.
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griffen die Kinder aufgrund der Behandlungs- dauer überfordern würden.
Die grundlegende Kooperativität des Kin- des, sich selbständig auf den Behandlungsstuhl zu setzen und die Nasenmaske bei freier Na- senatmung zu akzeptieren, ist Voraussetzung
für eine erfolgreiche Sedierung. Über die Nasenmaske wird dabei ein indi-
viduell dosierbares Lach- gas-Sauerstoff-Gemisch inhalativ verabreicht. Der Patient bleibt dauerhaft wach und ansprechbar, das Zeitgefühl ist herabgesetzt und die Schmerzwahrneh- mung leicht gesenkt.
Achtung: Eine Lokalanästhesie in dem zu behandelnden Bereich ist trotz Lachgassedierung weiterhin notwendig.
Die verbale Verhaltensführung durch das Be- handlungsteam kann die Wirksamkeit der Se- dierung positiv unterstützen. Die Lachgasan- wendung ist aufgrund des schnellen An- und Abflutens sowie fehlender Metabolisierung ne- benwirkungsarm, sehr selten können Übelkeit oder Schwindel auftreten.
Die Durchführung von Lachgassedierungen sollte durch geschultes und zertifiziertes zahn- ärztliches Fachpersonal erfolgen. Hierfür ist eine praktische und theoretische Weiterbildung nötig. Die Behandlungsunterstützung mit Lach- gas ist keine Leistung der gesetzlichen Kran- kenkassen, die Kosten müssen selbst getragen werden.
FAZIT
Die gute Verträglichkeit und risikoarme Sedie- rung mit Lachgas bietet gerade in der Kinder- und Jugendzahnheilkunde eine gute Alternative zu herkömmlichen Sedierungsverfahren und der Allgemeinanästhesie.
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Abb. 4 Behandlungssetting für eine Lachgassedierung.
REBECCA OTTO
Zahnärztin
E-Mail: otto@kinderzahnaerztin-otto.com
ENKEN ZIEGS Zahnärztin BEIDE
Kinderzahnarztpraxis, Jena