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Nachteilsausgleich im Studium

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Academic year: 2022

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Nachteilsausgleich im Studium

Universität Leipzig

Veranstaltung am 30. September 2019

Referentin:

Linda Baasch Kanzlerin

Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

(2)

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Inhaltsverzeichnis

I. Rechtsgrundlagen ... 3

Gesetzliche Grundlagen ... 3

1. Normenpyramide im Hochschulrecht ... 3

2. Grundgesetz ... 4

II. Nachteilsausgleich ... 11

1. Einleitung ... 12

2. Begriff und Definition „Behinderung“ ... 12

3. Ziele und Grundvoraussetzungen des Nachteilsausgleichs ... 15

4. Körperliche und andere ,,technische“ Beeinträchtigungen ... 16

5. Das Leistungsbild prägende Dauerleiden ... 17

6. Vorübergehende Beeinträchtigungen psychischer Natur ... 18

(3)

3

Nachteilsausgleich im Studium

I. Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Grundlagen

1) Normenpyramide im Hochschulrecht

europäisches Recht

Grundgesetz

Sonstige Bundesgesetze, Bundesrecht

HRG

UN-Behindertenkonvention

Verwaltungsverfahrensgesetz

Landesgesetze Sachsens

Hochschulgesetz: Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz

Sächsisches Hochschulzulassungsgesetz

Verwaltungsverfahrensgesetz für den Freistaat Sachsen

Recht der Universität Leipzig

Grundordnung

Immatrikulationsordnung

Rahmenordnungen

Studienordnungen

Prüfungsordnungen

Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Meteorologie an der Universität Leipzig

(4)

4 2) Grundgesetz

Art 20 GG

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der

vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vorrang des Gesetzes

Behörden müssen, wenn es für einen Bereich Gesetze gibt, diese beachten.

Beispiel:

§ 31 Rahmenstudien- und -prüfungsordnung, Studienordnungen, Prüfungsordnungen BerlHG

(1) Die Hochschule erlässt eine Rahmenstudien- und -prüfungsordnung. …

(2) Vorbehalt des Gesetzes

In der Hochschulverwaltung nehmen wir regelmäßig Handlungen vor, die in die Rechte der Betroffenen eingreifen.

Beispiel:

Exmatrikulation nach endgültigem Nichtbestehen.

oder:

(5)

5

§ 23 Exmatrikulation (Immatrikulationsordnung)

(4) Ein Student ist zu exmatrikulieren, wenn er 1. im gewählten Studiengang eine Vor-, Zwischen- oder Abschlussprüfung endgültig nicht bestanden hat und nicht rechtmäßig in einem anderen Studiengang immatrikuliert ist,

Nur wenn ein Gesetz es erlaubt, ist die Einschränkung von Grundrechten zulässig.

Kein Eingriff in grundgesetzlich geschützte Rechte ohne gesetzliche Grundlage.

Wesentlichkeitstheorie und Parlamentsvorbehalt:

Wesentliches muss der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeIn. Hieraus ergibt sich:

 Wesentliches: Parlament, z.B. Hochschulgesetz trifft Regelungen zum Hochschulzugang

 Weniger Wesentliches: Rechtssetzung der Hochschule, z.B. Studienordnung trifft Regelung zu der Zahl der Prüfer*innen bei der mündlichen

Abschlussprüfung

 Unwesentliches: Die Verwaltung bestimmt Zeit und Ort der mündlichen Prüfung

(6)

6 Grundgesetzlich geschützte Rechte:

(a) Berufsfreiheit, freie Wahl der Ausbildungsstätte

Art. 12 GG

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines

Gesetzes geregelt werden.

….

(b) allgemeine Handlungsfreiheit

Art. 2 GG

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(c) Grundsatz der Chancengleichheit, prüfungsrechtliches Fairnessgebot

Art. 3 GG

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(7)

7 (d) Grundrechtsschutz durch Verfahren

Die Grundrechte werden nicht isoliert garantiert, der Schutz der Grundrechte wird flankiert durch verfahrensrechtliche Regelungen. Die Verfahrensgrundsätze sichern die Grundrechte ab.

Exkurs:

lm (Hochschul-) Prüfungsrecht sind die Regelungen zum Verfahren von besonderer Bedeutung. Grund hierfür ist, dass viele Entscheidungen im Prüfungsrecht nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind. Das Stichwort hierzu lautet ,,Bewertungsspielraum“.

Die Erfahrungen und Erwartungen der Prüfer*innen fließen in die

Beurteilung der Leistung ein und können vom Gericht nur eingeschränkt kontrolliert werden. Der Prüfling sieht sich hier in einer Situation, in der die Gerichte nur eingeschränkt überprüfen können, ob seine Rechte verletzt sind. Umso wichtiger ist daher, dass das Prüfungsverfahren rechtskonform abläuft.

§ 46 Folgen von Verfahrens- und Formfehlern VwVfG

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

Erforderlich sind:

 Gesetzliche Grundlagen für Prüfungsverfahren

 Hochschulgesetze

 Prüfungsordnungen (Achtung: Wesentlichkeitstheorie)

Einhaltung der besonderen Pflichten der Verwaltung o Auskünfte

o Hinweise zur Stellung von Anträgen oder deren Berichtigung, Hinweise auf Irrtümer

(8)

8

§ 1 Anwendungsbereich Verwaltungsverfahrensgesetz (SächsVwVfG)

Für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Freistaates Sachsen und der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253), zuletzt geändert durch Artikel 7 § 3 des Gesetzes vom 12. September 1990 (BGBl. I S. 2002), in seiner jeweils geltenden Fassung entsprechend, soweit nicht etwas anderes bestimmt wird. § 61 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG gilt auch, wenn Vertragsschließender eine Behörde im Sinne des Satzes 1 ist.

§ 2 Ausnahmen vom Anwendungsbereich

(1) Für die Tätigkeit der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen sowie der Schulen, Hochschulen, Fachhochschulen, Volkshochschulen und der Staatlichen Studienakademie Sachsen bei

Versetzungs- und anderen Entscheidungen, die auf einer Leistungsbeurteilung beruhen, gelten nur die §§ 4 bis 13, 20 bis 27, 29 bis 38, 40 bis 52, 79, 80 und 96 VwVfG. (2) Für Berufungsverfahren im Hochschulbereich und an der Staatlichen Studienakademie Sachsen sind die §§ 28 und 39 VwVfG nicht anzuwenden. (3) Für die Tätigkeit des Mitteldeutschen Rundfunks gilt das

Verwaltungsverfahrensgesetz nicht.

§ 25 Beratung, Auskunft, frühe Öffentlichkeitsbeteiligung (VwVfG)

(1) Die Behörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese

offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

(2) Die Behörde erörtert, soweit erforderlich, bereits vor Stellung eines Antrags mit dem zukünftigen Antragsteller, welche Nachweise und Unterlagen von ihm zu erbringen sind und in welcher Weise das Verfahren beschleunigt werden kann.

Soweit es der Verfahrensbeschleunigung dient, soll sie dem Antragsteller nach Eingang des Antrags unverzüglich Auskunft über die voraussichtliche

Verfahrensdauer und die Vollständigkeit der Antragsunterlagen geben.

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9 Beispiel:

Ein ersichtlich fahriger Studierender berichtet von Problemen bzgl. seiner Gesundheit und seiner Familie. Bei ihm ist gerade eine hochgradige

Schwerhörigkeit diagnostiziert worden. Er ist zudem gerade Vater geworden, seine Partnerin kann sich aufgrund gesundheitlicher Schwierigkeiten nur eingeschränkt um den Säugling kümmern. Außerdem ist der alleinstehende betagte Vater des Studierenden schwer erkrankt, der Studierende pflegt ihn. Der Studierende möchte von einzelnen Prüfungsanmeldungen zurücktreten.

Hier ist ein Hinweis auf die Möglichkeit, einen Nachteilsausgleich wegen chronischer Erkrankung sowie auf die Möglichkeit eines individuellen Studienplans, eines Teilzeitstudiums oder die Beantragung eines Urlaubssemesters geboten.

§ 46 Folgen von Verfahrens- und Formfehlern VwVfG

Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

§ 30 Geheimhaltung (VwVfG)

Die Beteiligten haben Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden.

o Gleichbehandlung aller Prüflinge bzgl. des Nachteilsausgleichs

Beispiel:

Ein Studierender beantragt einen Nachteilsausgleich wegen Legasthenie, reicht die erforderlichen Nachweise einschließlich der gutachterlichen Empfehlung, die Schreibzeit um 25 % zu verlängern, ein. Er erhält den angestrebten

Nachteilsausgleich. Es folgen fünf weitere Studierende, alle mit nachgewiesener Legasthenie und gleicher gutachterlicher Stellungnahme (25%). Auch sie erhalten den erstrebten Nachteilsausgleich. Als der Siebte ebenfalls einen solchen

Nachteilsausgleich beantragt, wird es dem Prüfungsausschussvorsitzenden zu bunt. Bei völlig gleicher Situation er gewährt eine nur halb so lange

Schreibzeitverlängerung.

(10)

10 Der Siebte bemängelt zu Recht die Benachteiligung.

o Chancengleichheit, z.B. durch Nachteilsausgleich (dazu unten mehr)

Problem aus der Praxis:

Kollision der Grundrechte der Studierenden mit den Grundrechten der Professorin oder des Professors aus Art. 5 Abs. 3 GG:

Art. 5 GG

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Wie verhält sich die Lehrfreiheit des Professor oder der Professorin gem. Art. 5 Abs. 3 GG zu den Studien- und Prüfungsordnungen und dem darin

ausgewiesenen Stoff sowie den weiteren dort getroffenen Regelunge?

Die Lehrfreiheit des Professors oder der Professorin wird über Art. 5 Abs. 3 GG geschützt. Dies betrifft insbesondere Inhalt und Methode der Lehre. Die

Lehrfreiheit steht aber im wechselseitigen Bezug zu den Aufgaben der

Hochschule. Hier ist auch dem Recht der Studierenden auf eine ordnungsgemäße Ausbildung Rechnung zu tragen. Daher besteht eine Bindung des

Hochschullehrers bzw. der Hochschullehrerin an den in den Prüfungs- und Studienordnungen niedergelegten Gegenstand der Lehrveranstaltung und den Regelungen zum Nachteilsausgleich. Hochschullehrer*innen müssen die

Lehrveranstaltungen also so gestalten, dass damit ein ordnungsgemäßes Studium sowie eine Vorbereitung auf die Prüfung im Rahmen des sich aus der Studien- und Prüfungsordnung ergebenden Stoffes möglich sind.

Dies zu beachten ist eine Amtspflicht der Hochschullehrer*innen.

Angesichts der Bedeutung der über Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Lehrfreiheit ist aber der Vorrang der Eigeninitiative und der freiwilligen Selbstkoordination zu beachten. Erst dann, wenn keine einvernehmliche Lösung gemeinsam mit dem Hochschullehrer oder der Hochschullehrerin gefunden werden kann und es dadurch in Hinblick auf die Unterrichtung der Studierenden an einer Vermittlung des in der Studien- und Prüfungsordnung benannten Stoffes oder anderen vorgeschriebenen Leistungen (z.B. Gewährung des Nachteilsausgleichs) fehlt, kommt eine Weisung im Dienstverhältnis in Betracht.

(11)

11 Es ist daher unbedingt geboten, zunächst eine Lösung auf Gesprächsebene

anzustreben. Erst wenn dies trotz intensiverer Bemühungen nicht zum Erfolg geführt haben sollte, kommt eine innerdienstliche Weisung in Betracht.

(12)

12

II. Nachteilsausgleich

Behinderungen und chronische Erkrankungen: Nachteilsausgleich geboten?

1. Einleitung

Bei Prüfungen stellt sich die Frage, ob behinderten oder chronisch kranken Studierenden ein Nachteilsausgleich zu gewähren ist. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit. Ein Nachteilsausgleich ist dann zu gewähren, wenn dies aus Gründen der Chancengleichheit gegen über nicht-behinderten bzw. gesunden Prüflingen geboten ist.

Sinn und Ziel von Prüfungen ist festzustellen, ob Prüflinge über die erforderliche Befähigung verfügen. In der Praxis werfen körperliche Beeinträchtigungen einerseits sowie psychische Erkrankungen und psychische Behinderungen andererseits Fragen nach der richtigen prüfungsrechtlichen Folge auf.

2. Begriff und Definition „Behinderung“

Art. 3 GG

….

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

§ 2 Aufgaben (HRG)

Die Hochschulen wirken an der sozialen Förderung der Studierenden mit;

sie berücksichtigen die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Kindern. Sie tragen dafür Sorge, dass behinderte Studierende in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und die Angebote der Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können. Sie fördern in ihrem Bereich den Sport.

(13)

13

§ 16 Prüfungsordnungen

Hochschulprüfungen werden auf Grund von Prüfungsordnungen abgelegt, die der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Stelle bedürfen.

Prüfungsanforderung und -verfahren sind so zu gestalten, daß die Abschlußprüfung innerhalb der Regelstudienzeit vollständig abgelegt werden kann. Prüfungsordnungen müssen die Inanspruchnahme der Schutzfristen des § 3 des Mutterschutzgesetzes sowie der Fristen der landesrechtlichen Regelungen über die Elternzeit ermöglichen.

Prüfungsordnungen müssen die besonderen Belange behinderter

Studierender zur Wahrung ihrer Chancengleichheit berücksichtigen. Die Genehmigung einer Prüfungsordnung ist zu versagen, wenn sie eine mit § 11 oder § 19 unvereinbare Regelstudienzeit vorsieht. Die Genehmigung kann insbesondere versagt werden, wenn die Prüfungsordnung anderen Vorschriften über die Regelstudienzeit nicht entspricht. Die nach

Landesrecht zuständige Stelle kann die Änderung einer geltenden

Prüfungsordnung insbesondere verlangen, wenn diese den Anforderungen der Sätze 2 bis 6 nicht entspricht.

§ 5 Aufgaben (Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz)

(1) Die Hochschulen pflegen ihrem fachlichen Profil entsprechend Wissenschaft, Kunst und Bildung durch Forschung, Lehre und Studienangebote. Fachhochschulen dienen den angewandten

Wissenschaften und der angewandten Kunst und nehmen überwiegend praxisorientierte Lehr- und Forschungsaufgaben wahr.

(2) Die Hochschulen haben insbesondere folgende Aufgaben: Sie

1. bereiten ihrem fachlichen Profil entsprechend mit Studienangeboten auf berufliche Tätigkeiten im In- und Ausland vor und bieten berufsbegleitende und allgemeine wissenschaftliche Weiterbildung an,

2. fördern den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs, 3. fördern Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ihrer Mitglieder und Angehörigen,

(14)

14 4. fördern die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen,

Forschungseinrichtungen, Forschungsfördereinrichtungen, kulturellen Einrichtungen und der Wirtschaft,

5. unterstützen die Weiterbildung ihrer Mitglieder und Angehörigen, 6. beraten Studieninteressenten und Studenten über Studienangebote, Inhalt, Aufbau und Anforderungen eines Studiums,

7. beraten die Studenten in fachlichen und studienorganisatorischen Fragen,

8. fördern die studentische Selbsthilfe,

9. fördern den Wissens- und Technologietransfer,

10. fördern die internationale, insbesondere die europäische Zusammenarbeit im Hochschulbereich,

11. berücksichtigen bei ihren Entscheidungen soziale Belange der

Mitglieder und Angehörigen, fördern die kulturelle und sportliche Betätigung der Studenten, unterstützen Studenten mit Kindern, fördern die Integration ausländischer Studenten insbesondere durch sprachliche und fachliche Betreuung,

12. tragen dafür Sorge, dass Studenten mit Behinderung oder chronischer Krankheit in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und die Angebote der Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können, 13. nehmen die bibliothekarische Versorgung der Hochschule und darüber hinausgehende bibliothekarische Aufgaben wahr.

(3) Die Hochschulen wirken auf die Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern unter Beachtung geschlechtsspezifischer

Auswirkungen ihrer Entscheidungen hin.

(4) Weitere Aufgaben dürfen den Hochschulen nur übertragen werden, wenn sie mit den in Absatz 1 genannten zusammenhängen.

(5) Die Hochschulen können zur Erfüllung ihrer Aufgaben

zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit wird durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung geregelt.1

(15)

15 Artikel 1 (UN-Behindertenrechtskonvention)

Zweck

Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit

Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige

körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.

§ 2 Behinderung (Sächsisches Inklusionsgesetz)

Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft hindern können. Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

3. Ziele und Grundvoraussetzungen des Nachteilsausgleichs

Ziel ist, den bestehenden Nachteil auszugleichen und so die Chancengleichheit herzustellen. Chancengleichheit ist nicht zu verwechseln mit der Einräumung von Vorteilen, nein: Es geht um Ausgleich, um Kompensation. Mehr soll und darf nicht sein. Eine Überkompensation würde zu einer anderen Verletzung der

Chancengleichheit führen, nämlich bzgl. der anderen Prüflinge.

Liegt eine Behinderung oder chronische Erkrankung vor, ist zunächst

festzustellen, ob die Behinderung oder chronische Erkrankung geeignet ist, den Nachweis einer an sich vorhandenen Befähigung zu erschweren oder zu vereiteln.

Hier ist genau zu betrachten, was die nachzuweisende Befähigung ist. So geht es beispielsweise bei Opernsänger*innen um die Beherrschung der eigenen Stimme.

Bei Sekretären und Sekretärinnen zählt die absolut sichere Rechtschreibung zur Befähigung. Ist schon die Befähigung nicht vorhanden, darf es keinen

Nachteilsausgleich geben.

Weiter ist zu fragen, ob die Beeinträchtigung im späteren Beruf oder in der

weiteren Berufsausbildung durch Hilfsmittel ausgeglichen werden kann. Nur dann sind Maßnahmen zur Herstellung der Chancengleichheit geboten und die

(16)

16 Beeinträchtigungen in der Prüfung zu berücksichtigen. Ein Nachteilsausgleich muss in diesen Fällen gewährt werden. In Betracht kommt zum Beispiel bei einer Beeinträchtigung der Beweglichkeit der Hände eine Schreibverlängerung bei Klausuren. Die an sich vorhandene Befähigung kann der oder die Betroffene dann nachweisen, es wird mit der Schreibverlängerung die prüfungsrechtliche

Chancengleichheit verwirklicht.

Der Nachteilsausgleich kann immer nur die Folgen der Beeinträchtigung ausgleichen. Deshalb ist es wichtig, sich über die konkreten Folgen der

Beeinträchtigung klarzuwerden. Ein Beispiel: Wer blind ist, kann normale Texte nicht lesen und durch Lektüre verstehen. Das ist die Folge der Beeinträchtigung, hier setzt der Ausgleich an. Mit einer Assistenz, die dem Blinden vorliest, kann die Folge der Beeinträchtigung ausgeglichen werden. Die Beeinträchtigung selbst können wir nicht aus der Welt schaffen.

4. Körperliche und andere ,,technische“ Beeinträchtigungen

Körperliche Behinderung sind oft sichtbar und lassen auch den Laien vermuten, dass ein Nachteil im Studium und bei Prüfungen gegeben sein kann. Beispiele sind hier Rollstuhlfahrer*innen oder starke, mit Spezialbrillen versorgte

Sehbehinderungen.

Andere körperliche Behinderungen sind aber oftmals nicht sichtbar, etwa eine Schwerhörigkeit oder eine Behinderung im Bereich der inneren Organe. Bei diesen Erkrankungen ist es nicht offensichtlich, dass ein Nachteilsausgleich geboten ist. Hier ist sensibel vorzugehen und eine Lösung zu finden, die den Rechten der Betroffenen zur Geltung verhilft. Bestehen Unklarheiten, hilft ein Gespräch oft besser weiter als umfangreicher Schriftverkehr. Ebenfalls kann die Beauftragte für die Belange der Studierenden mit Behinderungen und chronischer Erkrankungen einbezogen werden und fachkundig weiterhelfen.

Zu dieser Kategorie der körperlichen oder „technischen“ Beeinträchtigungen gehört auch die Legasthenie: Bei einer Legasthenie ist die Lesegeschwindigkeit beeinträchtigt und die schriftliche Darlegung des Wissens erschwert. Soweit die Lese- und Schreibfähigkeiten nicht zu den mit der Prüfung zu ermittelnden Fähigkeiten gehört (das ist z.B. bei Sekretärinnen und Sekretären, aber nicht in den Ingenieurwissenschaften der Fall), ist ein Nachteilsausgleich zu gewähren.

Ein Prüfling, der unter Legasthenie leidet, hätte in einer rein mündlichen Prüfung die gleichen Chancen wie andere. Die Legasthenie führt nicht zu einer

Beeinträchtigung der Fähigkeit, den Sachverhalt zu erfassen, zu durchdringen und eine gedankliche Lösung zu erarbeiten. Bei der Umsetzung im Schriftlichen ist ein solcher Prüfling anderen gegenüber jedoch im Nachteil, er ist quasi technisch bei der Umsetzung des Schriftlichen beeinträchtigt (verwechseln von Buchstaben,

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17 Schwierigkeiten mit der Reihenfolge von Buchstaben etc.). Diese Schwierigkeiten gebieten, wie etwa eine mechanische Beeinträchtigung des Schreibens durch eine Behinderung der Hand, einen Nachteilsausgleich. Der Nachteil ist mit einer

Schreibzeitverlängerung zu kompensieren.

5. Das Leistungsbild prägende Dauerleiden

Anders sind Beeinträchtigungen zu beurteilen, die eine ,,generelle Einschränkung der Leistungsfähigkeit darstellen“. Als Beispiele für eine solche generelle

Einschränkung der Leistungsfähigkeit seien chronische Konzentrations- schwierigkeiten im Zuge eines Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms und sonstige chronische psychische Probleme genannt.

Die Abgrenzung ist hier schwierig – was schränkt generell ein und betrifft die Befähigung, was schränkt nur unter den konkreten Gegebenheiten ein und ist ausgleichsfähig?

Bei generellen Einschränkungen fehlt es an der Befähigung, die gerade

Gegenstand der Prüfung sein soll. Es gehört nämlich zum Inhalt von Prüfungen, dass der Prüfling eine Leistung erbringt, die sich unter anderem aus den Faktoren Wissen und geistiger Anstrengung in begrenzter Zeit zusammensetzt. Anders als bei ,,technischen“ Behinderungen des Nachweises einer vorhandenen

Befähigung, etwa durch eine Körperbehinderung, ist bei einem solchen das Leistungsbild prägendem Dauerleiden bereits ,,die gedankliche Erarbeitung" der Prüfungslösung beeinträchtigt. Es ist in diesen Fällen also nicht der Nachweis einer Befähigung erschwert, vielmehr liegt ein grundlegender Mangel der Befähigung vor, der das ,,normale“ Leistungsbild des Prüflings prägt.

Das Leistungsbild des Prüflings ist Gegenstand der Prüfung. Bei generellen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, bei denen die Einschränkungen eben nicht nur den Nachweis, sondern originär die Befähigung betreffen, ist daher kein Nachteilsausgleich geboten. Der prüfungsrechtliche Grundsatz der

Chancengleichheit (in Hinblick auf die Gesamtheit der Studierenden und

Absolventen) gebietet hier, trotz des Dauerleidens das Leistungsbild des Prüflings ohne Prüfungserleichterungen zu ermitteln.

Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (auch mit Hyperaktivität), ADS/ADHS ist ein das Leistungsbild prägendes Dauerleiden. Bei dieser Störung ist das gedankliche Erarbeiten der Lesung beeinträchtigt. Gerade dies ist aber die Leistung, die in der Prüfung ermittelt werden soll. Viel hängt hier vom Einzelfall ab. In Rechtsprechung und Literatur wird soweit ersichtlich bisher ein Anspruch auf Nachteilsausgleich nicht gesehen. Ob in Nachteilsausgleich zu gewähren ist oder nicht, hängt meines Erachtens von den konkreten Umständen ab. Besteht die Beeinträchtigung nach ärztlichem Attest in der Schwierigkeit, sich bei einer Klausur in einem

Gruppenraum konzentrieren zu können, könnte diese Beeinträchtigung durch eine reizärmere Prüfungssituation ausgeglichen werden.

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18 6. Vorübergehende Beeinträchtigungen psychischer Natur

Sollte lediglich eine akute, in voraussehbarer Zeit ausheilbare Erkrankung, die mit einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit, etwa Konzentrationsschwierigkeiten, einhergeht, vorliegen, so ist die prüfungsrechtlich richtige Reaktion nicht die Gewährung eines Nachteilsausgleichs. Es liegt vielmehr eine zum Rücktritt von der Prüfung berechtigende Prüfungsunfähigkeit vor. Der Fall liegt nicht anderes als bei einer zum Prüfungsrücktritt berechtigenden fieberhaften Grippe.

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