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8. Bundesrepublik und DDR

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tenbewegung der «Weißen Rose» 1943 – durch die politische Polizei relativ leicht unterdrückt werden konnte, kam der mi li­

tä rische Widerstand am 20. Juli 1944 der Ermordung des Dik­

tators und der Übernahme der Herrschaft im Reich nahe, schei­

terte aber an mangelnder Unterstützung durch die militärische Hierarchie. Insgesamt kämpften Militär und weite Teile der Be­

völkerung – teils im Glauben an die Propaganda des Regimes, teils unter Zwang, teils aus Furcht vor Sanktionen für die be­

gangenen Verbrechen – in einer längst aussichtslos gewordenen Lage so lange weiter, bis Deutschland vollständig besetzt war.

8. Bundesrepublik und DDR

Diskussionen zwischen Großbritannien, den USA und der Sow­

jetunion über eine Neuordnung Deutschlands und Europas hatten bereits während des Krieges begonnen. Nach zwei zer­

störerischen Kriegen, die maßgeblich durch deutschen Ex pan­

sionsdrang ausgelöst worden waren, bestand ein Konsens darü­

ber, dass Mitteleuropa grundsätzlich neu geordnet und die Fehler des Friedensschlusses von Versailles, der Deutschlands ökonomisches und militärisches Potential nicht dauerhaft ver­

mindert hatte, vermieden werden mussten.

Im Februar 1945 war eine Aufteilung Deutschlands sowie Berlins in vier Besatzungszonen vereinbart worden. Allerdings hatten die Allliierten nicht damit gerechnet, dass sich die Kämpfe bis zur völligen Eroberung Deutschlands hinziehen würden, so dass sie die gesamte Verwaltung des Staates und die Organisation der Versorgung des Landes würden übernehmen müssen.

Im August 1945 beschlossen die drei Siegermächte vorbehalt­

lich der Unterzeichnung eines endgültigen Friedensvertrags die Verkleinerung des deutschen Staatsgebietes. Neben der ohnehin ausgemachten Rückgabe Elsass­ Lothringens an Frankreich und der Wiederherstellung Österreichs wurden die vormals zum

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Deutschen Reich gehörigen Gebiete östlich der Oder­ Neiße­

Linie Polen unterstellt, die verbleibenden Teile Ostpreußens der Sowjetunion übergeben. Damit waren implizit die Ausweisung der deutschen Bevölkerung aus diesen Regionen und ihre Um­

siedlung in die Besatzungszonen verbunden. Bereits der Vor­

marsch der Roten Armee hatte Fluchtbewegungen von Deut­

schen nach Westen ausgelöst; die Bevölkerungsverschiebung setzte sich nach dem Friedensschluss durch Vertreibungen aus nun polnischen Gebieten sowie aus der Tschechoslowakei fort.

Die Feststellung der Kriegsschuld sollte durch von den Alli­

ierten geführte Prozesse gegen die Hauptverantwortlichen für den Krieg und seine Verbrechen in Politik, Militär, Polizei, SS, Wirtschaft, Justiz und Medizin, sofern diese noch lebten und gefunden werden konnten, zweifelsfrei erfolgen. Diese Prozesse fanden zwischen 1945 und 1949 in Nürnberg statt. Die politi­

schen Strukturen Deutschlands sollten im Sinne einer Demokra­

tisierung und Dezentralisierung von Staat und Wirtschaft neu­

gestaltet werden; ein Kernpunkt war die Auflösung Preußens 1947 und die Aufteilung des Staatsgebietes auf Länder vergleich­

barer Größe. Anhänger des NS­ Regimes sollten aus wichtigen Posten entfernt, politische, religiöse und rassische Diskriminie­

rung beendet werden. Die Wirtschaft war auf die Befriedigung des zivilen Bedarfs der Bevölkerung umzustellen; noch funk­

tionsfähige Anlagen zur militärischen Produktion konnten als Anzahlung auf festzulegende Reparationen demontiert werden.

Das von den Alliierten geteilte Ziel war somit eine direkte und mediale Konfrontation der deutschen Bevölkerung mit den Verbrechen der NS­ Diktatur und der Totalität der Niederlage, um ein Wiederaufleben faschistischer Tendenzen und erneute Großmachtpläne zu unterbinden. Allerdings setzten die Alllier­

ten – gemäß ihrer historischen Erfahrung mit Deutschland, aber auch gemäß ihrer Interpretation der NS­ Diktatur – unterschied­

liche Schwerpunkte. Für die Sowjetunion stand, gemäß dem Verständnis des Nationalsozialismus als extremer Variante einer spezifisch deutschen Mischung aus Kapitalismus und Feu­

dalismus, die Neuordnung der Besitzverhältnisse im Vorder­

grund, die mit der Bodenreform in der sowjetischen Besat zungs­

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zone begonnen wurde. Für Frankreich dominierten strategische Überlegungen. Für die USA und Großbritannien standen, mit im Detail unterschiedlichen Schwerpunkten, die Herstellung eines politischen Pluralismus und die Erziehung der Bevölke­

rung zur Demokratie im Mittelpunkt, was den raschen Aufbau einer pluralistischen Medienlandschaft und die Organisation repräsentativer Institutionen voraussetzte.

Bereits im Sommer und Herbst 1945 formierte sich in allen Besatzungszonen ein neues Parteiensystem, zunächst mit Blick auf Wahlen auf kommunaler und Länderebene. Auf der Linken knüpften SPD und KPD  – die keiner Kollaboration mit dem NS­ Regime verdächtigt werden konnten – an Weimarer Tradi­

tionen an. Das Erbe des Zentrums sowie christlich motivierter, protestantischer bürgerlicher Milieus trat die CDU an, während mit der FDP (in Südwestdeutschland ursprünglich: DVP) eine Partei entstand, die anfangs liberale mit stark nationalliberalen Positionen verband. Einige kleinere Parteien mit eher regiona­

lem Bezug versuchten, an nationalkonservative Positionen an­

zuknüpfen. In Bayern verlief die Entwicklung des Parteiensys­

tems insofern anders, als mit der CSU und der konservativeren Bayernpartei zwei starke, aber regional auf Bayern begrenzte politische Kräfte entstanden.

Von dieser noch gemeinsamen Grundlage ausgehend verlief die Entwicklung politischer und ökonomischer Strukturen in den Besatzungszonen aber durchaus unterschiedlich. In der Sowjetischen Besatzungszone kam es auf Druck der Militärad­

ministration im April 1946 zur Vereinigung von KPD und SPD zu einer «Sozialistischen Einheitspartei», die an die Tradition der «Volksfront» gegen den «Faschismus» zwischen 1941 und 1945 anknüpfen sollte. Der erhoffte politische Erfolg bei den ersten Wahlen blieb jedoch aus; um trotzdem die Dominanz der SED sicherzustellen, wurden die anderen Parteien als «Block­

parteien» in eine Einheitsliste integriert, die bei künftigen Wah­

len die einzige Option darstellte. Parallel erfolgte der Aufbau einer kasernierten Polizei, welche neben den sowjetischen Be­

sat zungstruppen die Durchsetzung der staatlichen Politik garan­

tieren sollte. Am 7. Oktober 1949 wurde eine Verfassung der

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«Deutschen Demokratischen Republik» mit prinzipiell gesamt­

deutschem Anspruch in Kraft gesetzt. Nachdem die Westmächte das – in seiner Ernsthaftigkeit umstrittene – Angebot einer Wie­

dervereinigung und Neutralisierung Deutschlands 1952 abge­

lehnt hatten, entwickelte sich die DDR zu einer zentralistisch regierten sozialistischen Republik. Innerhalb der DDR blieb allerdings (West­)Berlin als Insel bestehen; Versuche der Sowjet­

union, die anderen drei Alliierten durch eine Blockade zum Ab­

zug zu bewegen, scheiterten 1948/49 an der Entschlossenheit der west lichen Alliierten, die Versorgung ihrer Teile Berlins auf dem Luftweg sicherzustellen. In der Folge blieb Berlin durch Land­ und Luftkorridore aus den britischen und amerikani­

schen Zonen erreichbar.

Die Länder der DDR wurden 1952 zugunsten einer staat­

lichen Zentralverwaltung faktisch abgeschafft, die Grenze zwi­

schen der DDR und der Bundesrepublik abgesperrt, private Be­

triebe und Bauernhöfe in mehreren Schüben in Volkseigene Betriebe beziehungsweise Landwirtschaftliche Produktionsge­

nossenschaften umgewandelt, der Marxismus­ Leninismus als intellektuelle Grundlage des Staates zum Pflichtfach an Schulen und Hochschulen, kirchliche Aktivitäten stark behindert, die Integration der Bevölkerung in Parteiorganisationen wie die Freie Deutsche Jugend stark gefördert. Die DDR wurde in die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Strukturen des Ost­

blocks integriert; in diesem Rahmen wurde 1956 mit der Na­

tionalen Volksarmee auch die Wiederbewaffnung der DDR ein­

geleitet, die sich zunehmend als neuer Staat verstand, der seine Verbindungen zur deutschen Vergangenheit durch den Über­

gang zum Sozialismus gekappt und daher keine Verpflichtungen gegenüber westlichen Kriegsopfern zu erfüllen hatte.

Wirtschaftlich erlebte die DDR ein starkes Wachstum, das aber – gemäß dem Prinzip, den Aufbau der industriellen Infra­

struktur, die stark unter den Demontagen der unmittelbaren Nachkriegszeit gelitten hatte, über die Befriedigung von Kon­

sumbedürfnissen zu stellen – langsamer als im Westen Folgen für die Entspannung der Wohnungssituation, die Erweiterung des Angebots von Konsumgütern und die Hebung des Lebens­

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standards zeitigte. Dagegen betonte die DDR vor allem seit den 1980 er Jahren ihr umfassendes soziales Netz, das Phänomene wie verbreitete Arbeitslosigkeit verhinderte, während Ein­

kommens­ und Vermögensunterschiede begrenzt waren. In den 1980 er Jahren erweiterte sie die politische Identifikation mit dem Staat auch stärker um die Identifikation mit der preußi­

schen Geschichte.

In den westlichen Besatzungszonen entstand dagegen eine Kon kurrenz der Parteien. Bei den ersten Wahlen auf Landes­

ebene, die zwischen 1946 und 1947 stattfanden, waren CDU und SPD in allen Ländern stark vertreten, die FPD/DVP vor allem in Hamburg, Bremen und im Südwesten. Regional stark waren die Deutsche Partei (in Hannover) bzw. die Bayernpartei;

die KPD konnte keine Bedeutung erringen. Entsprechend den Parteiprogrammen sowohl der CDU als auch der SPD waren viele Landesverfassungen gegenüber Elementen staatlicher Wirt­

schaftsregulierung offen. Am 8. Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat (ein aus Vertretern der Landesparlamente zusammengesetztes westdeutsches Parlament) ein «Grundge­

setz» für die Bundesrepublik Deutschland, das eine bedeutende administrative Rolle der Länder und eine eher indirekte Rolle des Bundes vorsah; trotzdem wurde es vom bayerischen Land­

tag als zu weitgehender Eingriff in die Rechte der Länder abge­

lehnt, seine Gültigkeit für Bayern aber dennoch anerkannt.

Das Grundgesetz reagierte in gänzlich anderer Weise auf die Erfahrungen des Nationalsozialismus als die kommunistische Ordnung der DDR. Die Formulierung der Grundrechte zielte nun nicht mehr, wie noch in der Weimarer Republik, auf «Deut­

sche», sondern orientierte sich an der «Würde des Menschen»

und stellte Grundsätze in den Mittelpunkt, die unabhängig vom Wandel politischer Mehrheitsverhältnisse respektiert werden sollten. Die Verfassung bemühte sich um die Garantie eines in­

ternen politischen Pluralismus zwischen Bund und Ländern und übertrug die Kontrolle über Polizei, Schul­ und Hochschul­

wesen den Ländern. Die Rolle des Bundespräsidenten wurde geschwächt, die des Bundeskanzlers dagegen gestärkt. Die Blockadepolitik der letzten Parlamente der Weimarer Republik

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sollte durch ein konstruktives Misstrauensvotum ausgeschlos­

sen werden, das nur die Ablösung einer Regierung durch eine andere erlaubte, die über eine parlamentarische Mehrheit ver­

fügte. Elemente der direkten Demokratie wie landesweite Volksentscheide wurden als potentielle Destabilisierung des poli ti schen Systems ebenso abgelehnt wie die Direktwahl von Bun despräsident oder Bundeskanzler; intern demokratisch or­

ganisierte Parteien sollten tagespolitische Emotionen in eine konstruktive Politik transformieren helfen. Um den Erfolg von Parteien mit einem breit anschlussfähigen Programm zu fördern und so verlässliche parlamentarische Mehrheiten sicherzustel­

len, wurden eine Kombination aus Personen­ und Listenwahl sowie eine Mindeststimmenzahl von 5 % für den Einzug in den Bundestag ebenso vorgesehen wie die Möglichkeit des Parteien­

verbots, das 1950 gegen die neonationalsozialistische Sozialis­

tische Reichspartei und 1952 gegen die KPD angewandt wurde.

Politisch wurde der Bund zunächst von der CDU dominiert, die für die ersten 20 Jahre der Republik den Bundeskanzler stellte:

zunächst bis 1963 Konrad Adenauer (1876 – 1967), sodann bis 1966 Ludwig Erhard (1897 – 1977) und bis 1969 Kurt Georg Kiesinger (1904 – 1988).

Der Anspruch, die politische und rechtliche Nachfolge des Deutschen Reichs anzutreten, schlug sich in der Verleihung staatsbürgerlicher Rechte an alle Deutschen, die in den Grenzen des Deutschen Reichs von 1937 gelebt hatten, nieder; er wurde in der Folge auf ganz Osteuropa erweitert, zielte nun aber auf die zeitlich unbefristete Ermöglichung des Umzugs in den deut­

schen Staat, nicht auf die Begründung einer möglichen Expan­

sion.

Bereits 1952 wurde in Verhandlungen in London ein Plan zur Abzahlung der deutschen Auslandsschulden aus den Repa ra­

tionsverpflichtungen des Ersten Weltkriegs und der im Verlauf des Zweiten Weltkriegs entstandenen Verbindlichkeiten des Deutschen Reichs vereinbart, wobei die Rückzahlung eines Teils auf die Zeit nach einer Wiedervereinigung vertagt wurde.

1953 einigte sich die Bundesrepublik auf eine Entschädigungs­

leistung für die Verbrechen des Nationalsozialismus in Höhe

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von 3 Milliarden DM an Israel und 450 Millionen DM für die Jewish Claims Conference, die jeweils in Raten beglichen wer­

den sollten; die individuelle Entschädigung von Opfern des NS­ Regimes, die noch oder wieder in Deutschland lebten, oder die Rückgabe von enteignetem oder unter Zwang verkauftem Be­

sitz erfolgten allerdings zögerlich oder gar nicht. Ein Versuch zur Regulierung von Ansprüchen von Opfern in der Sowjet­

union oder dem Ostblock wurde vor dem Hintergrund des Kal­

ten Krieges nicht unternommen, sondern in der Praxis ebenfalls auf die Zeit nach der Wiedervereinigung vertagt.

Die sich zunehmend als souverän verstehende und zur Integ­

ration in das westliche Bündnis bekennende Bundesrepublik dokumentierte ihre außenpolitische Orientierung durch die Integration in internationale Organisationen, welche die Ent­

stehung ökonomischer Konflikte zwischen den Staaten West­

europas bereits im Ansatz verhindern sollten. 1952 wurde die Bun desrepublik Teil der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die die gemeinsame Verwaltung der Montanindustrie in Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden und Luxem­

burg übernahm. 1957 folgte die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Auch für die westeuropäische und nordatlantische Sicherheitspolitik wurde die Bundesrepublik trotz ihres zunächst eingeschränkten militärischen Potentials ein wichtiger Partner, 1954 durch die Aufnahme in die West­

europäische Union als regionale Verteidigungsgemeinschaft, 1955 durch die Aufnahme in die NATO und die Wiedereinfüh­

rung der allgemeinen Wehrpflicht. Damit verband sich eine zunächst unwahrscheinliche, im Laufe der Zeit aber immer in­

tensivere Annäherung zwischen der Bundesrepublik und Frank­

reich, die bald neben wirtschaftlichen Kooperationen auch kul­

turelle Bindungen und politische Koordination umfasste.

Wirtschaftspolitisch setzte die Bundesrepublik auf eine «so­

ziale Marktwirtschaft», die eine im Prinzip liberal­ kapitalistische Wirtschaftsordnung in Verbindung mit dem Ausgleich mög­

licher Ungleichgewichte anstrebte, der durch ein umfassendes System sozialer Sicherungen, Partizipation von Arbeitnehmern an der Unternehmensführung und regulierende Eingriffe des

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Staates erfolgen sollte. Eine erste Grundlage bildete die erfolg­

reiche Währungsreform im Juni 1948, die eine nach Vertrags­

typen, Personen und Institutionen differenzierte Umrechnung der durch die Kriegsinflation entwerteten Reichsmark in D­ Mark vornahm, für die ein fester Wechselkurs zum US­ Dollar von zunächst 1,00 $ zu DM 3,33 gelten sollte, der allerdings in der Folge mehrfach durch Aufwertungen der Mark angepasst wurde. Die Währungsreform bildete, neben den Krediten des Marshallplans, eine Grundlage für das rasche Ende von Ratio­

nierungsmaßnahmen und den Aufschwung der westdeutschen Wirtschaft, die sich auf die Herstellung von Konsumgütern und den Export von technisch anspruchsvollen Waren wie Automo­

bilen konzentrierte. Der rasch wachsende Bedarf an Arbeits­

kräften wurde seit den 1950 er Jahren durch die gesteuerte, auf eine kurze individuelle Aufenthaltsdauer ausgelegte Zuwande­

rung von «Gastarbeitern» befriedigt, die zunächst vorwiegend aus Italien, später aus weiteren Ländern Europas und Nordafri­

kas sowie der Türkei angeworben wurden.

Seit den frühen 1970 er Jahren trübte sich die ökonomische Perspektive durch die Ölkrisen ein. Zwar kam es nicht zu einem Abbruch des Wirtschaftswachstums, das sich lediglich verlang­

samte. Auch die soziale Mobilität blieb – nicht zuletzt durch die starke Expansion des Hochschulwesens – hoch. Allerdings kam es durch den Niedergang der Kohle­ und Stahlindustrie und der wachsenden Konkurrenz durch günstigere Produktionsstand­

orte im Verlauf der 1970 er und 1980 er Jahre zu intensiveren Diskussionen über mögliche Krisen des «Rheinischen Kapita­

lismus», die Leistungsfähigkeit und Kosten der Sozialsysteme, den Anstieg von Armut, die negativen ökologischen Folgen der industriellen Wirtschaftsweise und die Bewältigung eines wirt­

schaftlichen Strukturwandels, dessen sichtbarstes Symptom der allmähliche Niedergang des Kohlebergbaus und der Stahlindus­

trie darstellte. Damit verband sich eine Verschiebung des rela­

tiven ökonomischen Gewichts der Länder von den bisherigen Kern gebieten der Industrialisierung in Nordrhein­ Westfalen und im (bis 1956 getrennt verwalteten) Saarland hin zu den bis­

her eher ländlich geprägten, aber für die Ansiedlung neuer Tech­

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nologien, vor allem der Automobilherstellung, offenen Länder im Süden. Weniger auffällig war zunächst, dass sich die Bundes­

republik durch die Folgen des Anwerbestopps für «Gastarbei­

ter» von 1973 und die Erweiterung der Europäischen Wirt­

schaftsgemeinschaft auf Länder wie Spanien und Portugal zu einem Einwanderungsland gewandelt hatte, ohne dass daraus politische Konsequenzen gezogen worden wären.

Unmittelbar nach Kriegsende war noch nicht klar, ob sich die Bundesrepublik oder die DDR als das erfolgreichere Modell er­

weisen würde. Ob die soziale Marktwirtschaft oder der Sozia­

lismus ökonomisch effizienter waren, war angesichts der durch die Weltwirtschaftskrise demonstrierten Anfälligkeit des Kapi­

talismus für systemische Krisen und der rasanten Moderni­

sierung der Sowjetunion in den 1930 er Jahren offen. Auch eine eindeutige militärische Überlegenheit des «Westens» war im Koreakrieg (1950–1953) nicht evident.

Der Abstand zwischen DDR und Bundesrepublik vergrößerte sich allerdings rasch. Am 17. Juni 1953 signalisierte eine Pro­

testbewegung in der DDR verbreitete Unzufriedenheit in der Be völkerung angesichts politischer Zentralisierung, steigender Arbeitsbelastung und vergleichsweise geringerer Konsummög­

lichkeiten; sie wurde militärisch unterdrückt. Da es nicht gelang, die Auswanderung aus der DDR einzudämmen, reagierte die Regierung unter Walter Ulbricht (1893 – 1973) im August 1961 mit dem Bau einer Mauer durch und um Berlin sowie dem wei­

teren Ausbau der Grenzbefestigungen; dazu kam die immer in­

tensivere interne Überwachung der Bevölkerung durch das Mi­

nisterium für Staatssicherheit und seine inoffiziellen Mitarbeiter.

Im Vergleich dazu war die innere Legitimität der Bundesrepu­

blik kaum angefochten, obgleich dort die Sorge vor kommunis­

tischer Unterwanderung phasenweise erheblich war. Unmittel­

bar nach der Gründung war der Kurs der «Westintegration»

umstritten, da er zunächst auf die Perspektive einer politischen Einheit Deutschlands verzichtete. 1950 gründete sich der «Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten» als Partei, die vor allem in Schleswig­ Holstein große Erfolge hatte und eine öko­

nomische Besserstellung von Vertriebenen im Westen und An­

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strengungen zur Rückgewinnung der verlorenen Gebiete im Os­

ten forderte, allerdings 1961 nach dem Wechsel prominenter Mitglieder in die CDU in der Bedeutungslosigkeit versank.

Ab Mitte der 1960 er Jahre wuchsen in linken Milieus der Bundesrepublik sowie an Universitäten Bedenken gegen einen sich scheinbar abzeichnenden autoritären Kurs. Dabei verband sich kulturelle Kritik an dem konservativen Klima der Adenauer­

Jahre mit grundsätzlichen Bedenken gegenüber der Integration der Bundesrepublik in «imperialistische» Strukturen, der Prä­

senz zahlreicher, teilweise prominenter ehemaliger NSDAP­ Mit­

glieder in Ministerien und anderen Schlüsselpositionen und den Intentionen, die den 1963 diskutierten Notstandsgesetzen un­

terstellt wurden. Dazu kam der Einzug der rechtsradikalen NPD in Landesparlamente zwischen 1966 und 1968. Durch das wei­

terhin bei 21 Jahren liegende Wahlalter und die in ihren Augen verkrusteten Parteistrukturen sahen sich Teile der Studentenbe­

wegung in der Rolle einer außerparlamentarischen Opposition, die über Demonstrationen und Flugschriften sowie Protest ak­

tionen unterschiedlicher Art Einfluss zu erringen hoffte. Einige wenige Angehörige dieser Bewegungen entschlossen sich zu dem Versuch, gewaltsam eine Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik herbeizuführen, vor allem die Rote­ Armee­ Fraktion, die in mehreren «Genera­

tionen» zwischen 1970 und ihrer Selbstauflösung 1998 immer wieder Anschläge durchführte und dabei im Laufe der Zeit Ver­

bindungen zu palästinensischen Terrororganisationen sowie zur Staatssicherheit der DDR knüpfte. Ihre Aktionen konnten die politische Stabilität aber ebenso wenig substantiell bedrohen wie die Existenz gewaltbereiter Rechtsradikaler, die ebenfalls vereinzelte Terroranschläge verübten.

Die zentrale politische Folge des Aufbruchs der 1960 er Jahre war die Wahl der ersten Bundesregierung ohne Beteiligung der CDU 1969. Die sozialliberale Koalition aus SPD und FDP unter Willy Brandt (1913 – 1992) nahm eine ganze Reihe innenpoli­

tischer Reformen in Angriff, unter anderem die Legalisierung der Homosexualität, die substantielle Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Ehe­ und Familienrecht oder die Ab­

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