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disserta Verlag Aufnahme und Integration von Angehörigen in die Arbeit stationärer Pflegeeinrichtungen Beziehungsgestaltung durch Kommunikation

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Esther Siegel

disserta

Aufnahme und Integration von Angehörigen in die Arbeit

stationärer Pflegeeinrichtungen

Beziehungsgestaltung durch Kommunikation

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Siegel, Esther: Aufnahme und Integration von Angehörigen in die Arbeit stationärer Pflegeeinrichtungen. Beziehungsgestaltung durch Kommunikation. Hamburg, disserta Verlag, 2016

Buch-ISBN: 978-3-95935-218-5 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95935-219-2

Druck/Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2016 Covermotiv: © laurine45 – Fotolia.com

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Alle Rechte vorbehalten

© disserta Verlag, Imprint der Diplomica Verlag GmbH Hermannstal 119k, 22119 Hamburg

http://www.disserta-verlag.de, Hamburg 2016 Printed in Germany

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis ... 7

1 Einleitung ... 9

1.1 Ausgangslage ... 9

1.2 Zielsetzung ... 11

1.3 Aufbau der Untersuchung ... 11

2 Theoretische Grundlagen ... 13

2.1 Situation pflegender Angehöriger im häuslichen Umfeld ... 13

2.2 Entscheidung für die zukünftige Versorgungsform „Pflegeheim“ ... 14

2.3 Statuspassage „Einzug ins Pflegeheim“ ... 15

2.3.1 Adaption der Angehörigen an neue Versorgungsform ... 15

2.3.2 Konfliktbeladene Zeit – Besonderheiten der Kommunikation ... 16

2.3.3 Das Recht der Angehörigen, im Pflegeheim aufgenommen zu werden ... 18

2.3.4 Auswirkungen gelingender Aufnahme und Integration Angehöriger ... 19

2.4 Konzepte und Standards von Angehörigenarbeit und -beteiligung ... 21

2.5 Zuständigkeit für die Aufnahme und Integration von Angehörigen ... 24

2.6 Erfolgsfaktoren gelingender Angehörigenaufnahme und -integration ... 25

2.6.1 Grundhaltung von Mitarbeitern bezüglich Angehörigen ... 26

2.6.2 Mitarbeiterbewusstsein für den Auftrag zur Angehörigenarbeit ... 26

2.6.3 Höflichkeit und Engagement ... 27

2.6.4 Regelmäßige Information ... 27

2.6.5 Unterstützung der Angehörigen ... 27

2.6.6 Anerkennung und Wertschätzung gegenüber Angehörigen ... 28

2.7 Zwischenfazit I ... 28

2.8 Beziehungsgestaltung mit Angehörigen durch Kommunikation ... 30

2.8.1 Bedeutung der Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Angehörigen ... 30

2.8.2 Bestandsaufnahme: Gesprächstypen und Gesprächspartner ... 30

2.8.3 Gesprächstypen der Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Angehörigen ... 34

2.9 Zwischenfazit II ... 46

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3.1.1 Problemstellung und Forschungsfrage ... 48

3.1.2 Forschungsfeld ... 48

3.1.3 Forschungsmethode ... 49

3.2 Empirische Analyse des Datenmaterials ... 50

3.2.1 Kontakt- und Informationsgespräch ... 50

3.2.2 Aufnahmegespräch ... 72

4 Gesamtfazit ... 81

5 Literaturverzeichnis ... 85

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1 Einleitung

1.1 Ausgangslage

Es war im vergangenen Jahr an einem Dienstagmittag. Um 13.15 Uhr nahm ich, wie an jedem Tag, in einem der Wohnbereiche an der Übergabe von der Früh- zur Spätschicht teil. Die verantwortliche Pflegekraft gab relevante Informationen an die Spätschicht weiter. Als wir beim Bewohner A. angelangt waren, sagte die Pflegekraft: „Da müsste man Fr. L. (die Schwester des Bewohners) noch anrufen wegen…“. Kaum den Satz zu Ende gesprochen, entgegnete die angesprochene Pflegekraft der Spätschicht sehr bestimmt und unmissverständ- lich deutlich: „Ich ruf die Fr. L. nicht an.“ Die Pflegekraft der Vormittagsschicht fragte nach:

„Bist du nicht ‚grün‘ mit Fr. L.?“ Die Antwort war kopfschüttelnd: „Nicht mehr.“

Szenenwechsel: Einen Tag später erschien ich in einem anderen Wohnbereich wieder um 13.15 Uhr zur Übergabe. Die verantwortliche Pflegekraft informierte die anwesenden Mitarbeiter1 zur jeweiligen Bewohnersituation. Als es um Fr. G. ging, sagte die Pflegekraft:

„Fr. V. (Betreuerin) und der Enkel kommen heute Nachmittag.“ Im nächsten Moment rollten einige Pflegekräfte mit den Augen. Eine Pflegekraft fragte sofort besorgniserregt: „Hat Fr. G.

auch einen Pulli mit langen Ärmeln an, sonst ….?“ – Damit wollte die Pflegekraft einem unangenehmen Gespräch vorbeugen, zu dem es aus diesem Grunde bereits einige Tage zuvor mit der Betreuerin gekommen war.

Szenenwechsel: Wenige Wochen später bekomme ich zufällig das Magazin SENIOREN RATGEBER in die Hand, das die Apotheken für ihre Kunden auslegen. Ein Artikel ist dem Thema gewidmet: „Zunahme der Hausverbote in Pflegeheimen“. In ihm weist die Rechtsan- wältin der BIVA2 darauf hin, dass sich im Jahr 2013 etwa ein Dutzend Angehörige gemeldet haben, da ihnen von Pflegeheimen Hausverbot erteilt wurde. Weitere kamen dazu, denen ein Hausverbot angedroht wurde (vgl. Kempchen 2014).

Die beiden Szenen sowie die Meldung der BIVA zeigen auf, dass Beziehungen zwischen Angehörigen und Mitarbeitern stationärer Pflegeeinrichtungen spannungsreich und konfliktbe- laden sein können. Jedoch bilden sie nicht die gesamte Realität bezüglich des Miteinanders

1 Für einen leichteren Lesefluss wird immer die männliche Form verwendet, auch wenn der größere Anteil der Angehörigen, Bewohner und Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung weiblich ist.

2 Bundesinteressenvertretung der Nutzerinnen und Nutzer von Wohn- und Betreuungsangeboten im Alter und bei Behinderung e. V.

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zwischen Angehörigen von Bewohnern3 in Pflegeheimen und Mitarbeitern ab. Aus meinem beruflichen Alltag gibt es viele andere Beispiele für das Gegenteil: dass die Zusammenarbeit mit Angehörigen nicht von Konflikten und Schwierigkeiten, sondern von Offenheit und Vertrauen geprägt ist. Dennoch weisen obige Szenen und die Zahlen der BIVA darauf hin, dass die Begegnung und Kommunikation mit Angehörigen für Mitarbeiter durchaus zu den unange- nehmen Erfahrungen des Arbeitsalltages gehören können. So erzählt Woods (2009, S. 11), dass er im Zusammenhang mit seinen Studien viele Pflegeeinrichtungen besuchte, in denen Mitar- beiter äußerten: „Wir haben keine Probleme mit den Bewohnern, nur mit ihren Angehörigen.“

Nach Hoppe (1998, S. 64) sind Angehörige für Pflegekräfte oft die heimlichen Feinde, „weil sie zu wenig, zur falschen Zeit, mit der falschen Einstellung zu Besuch kommen, ihr moralisches Bündel den Pflegekräften übereignen, sie kontrollieren, alles besser wissen“.

Die Gründe für spannungsgeladene Begegnungen und konflikthafte Auseinandersetzungen sind sicher vielschichtig. Wenn man allerdings dem Satz des Philosophen Karl Jaspers zustimmt – ‚Alles, was wir sind, sind wir in Kommunikation‘ – dann kommen wir einem Faktor auf die Spur, der für das Miteinander zwischen Angehörigen und Mitarbeitern statio- närer Pflegeeinrichtungen mit ausschlaggebend ist: die Kommunikation (vgl. Rogall-Adam 2001, S. 12). Möglicherweise ist es der Faktor schlechthin, welcher die Zusammenarbeit positiv oder negativ beeinflusst.

Aus der Sicht von Tewes (vgl. Tewes 2010, S. VII) ist das Thema „Kommunikation im Gesundheitswesen“ zu wenig in Ausbildung und Studium verankert. Deshalb ist sie der Meinung, dass es im Blick auf ‚Gesprächsführung‘ noch ein deutliches Potential an Weiter- entwicklung und Förderung gibt. Kutscher (2007, S. XI), der das Deutsche Institut für Rhetorik gründete und sich auf das Kommunikationstraining im Gesundheitswesen speziali- sierte, schreibt im Vorwort einer seiner Publikationen: „Die Ausbildung und der Wissenstand deutscher Ärzte und Pflegekräfte sind hervorragend, aber aus den Schilderungen der Mitarbei- ter medizinischer Einrichtungen hört man immer öfter einen Hilferuf nach Unterstützung im Bereich Kommunikation heraus.“

In dem Moment, wo Angehörige und Mitarbeiter stationärer Pflegeeinrichtungen aufeinander- treffen, betreten sie einen gemeinsamen „Beziehungssraum“. Diesen gilt es zu gestalten.

Deshalb fällt den Mitarbeitern neben den speziellen Aufgaben ihrer Profession auch die Funktion des „Beziehungsmanagers“ zu. Um es in einem Vergleich auszudrücken: Der

3 Vgl. Fußnote 1.

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„Beziehungsmanager“ ist der Steuermann des „Beziehungsschiffes“. Er hat die Aufgabe dafür zu sorgen, dass das „Schiff“ nicht wild hin und her schlingert oder gar vom Kurs abkommt.

Dem „Beziehungsmanager“ fällt die Verantwortung zu, dass das „Beziehungsschiff“ einmal sicher im Hafen ankommt (vgl. ebd., S. 15). Eine Schlüsselqualifikation dafür ist Kommuni- kation, denn „Beziehungsarbeit ist professionelle Kommunikation“ (Tewes 2010, S. 24).

1.2 Zielsetzung

Weil Angehörigenarbeit Beziehungsarbeit und Beziehungsarbeit professionelle Kommunika- tion ist, widmet sich dieses Forschungsprojekt der Beziehungsgestaltung mit Angehörigen in stationären Pflegeeinrichtungen durch Kommunikation. Deshalb ist die forschungsleitende Frage, wie Mitarbeiter mit Angehörigen so kommunizieren können, dass deren Aufnahme und Integration in stationären Pflegeeinrichtungen (besser) gelingt. Dadurch will die Untersu- chung einen Beitrag leisten, um einerseits zu sensibilisieren für das Potential von Spannungen und Konflikten aufgrund von unprofessioneller Kommunikation. Andererseits hat diese Studie zum Ziel, die Chancen und positiven Auswirkungen professioneller Kommunikation in der Angehörigenarbeit aufzuzeigen. Die theoretischen Erkenntnisse und Ergebnisse der Untersuchung sollen dann als Grundlage für eine spätere Erstellung einer Schulungskonzepti- on dienen, um die Sprachkompetenz von Mitarbeitern in stationären Pflegeeinrichtungen zu fördern. Als Ziel ist weiter zu nennen, dass dieses Forschungsprojekt zur Weiterentwicklung konzeptioneller Angehörigenarbeit mithelfen soll.

1.3 Aufbau der Untersuchung

Damit die Aufnahme und Integration von Angehörigen in stationären Pflegeeinrichtungen gelingt, bedarf es nach der Einleitung in einem zweiten Teil zunächst einer Erfassung der Situation pflegender Angehöriger im häuslichen Umfeld. Anschließend wird die Statuspassa- ge „Einzug ins Pflegeheim“ in den Blick genommen, was sie für Angehörige mit sich bringt und welche Besonderheiten in der ersten Phase des Pflegeprozesses hinsichtlich der Kommu- nikation bei Angehörigen auftreten können. Im Anschluss werden Auswirkungen einer gelingenden Aufnahme und Integration von Angehörigen beleuchtet.

Nach diesen theoretischen Hintergründen richtet sich das Augenmerk auf bestehende Konzep- te und Standards, die in der Literatur beschrieben werden. Weiter wird die Frage der Zustän-

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digkeit für Angehörigenarbeit bearbeitet sowie (Miss-)Erfolgsfaktoren aufgezeigt. Von da ausgehend richtet sich im zweiten Teil der theoretischen Abhandlung der Blick auf den Ansatz „Beziehungsgestaltung mit Angehörigen durch Kommunikation“. In diesem Zusam- menhang erfolgt eine Bestandsaufnahme der Gesprächstypen und Gesprächspartner im Kontext „Pflegeheim“. Damit verbunden werden die einzelnen Gesprächsformen dargestellt, wie sie in der Literatur beschrieben werden und welche Chancen und Risiken sie aufweisen.

Ein drittes Kapitel hat eine qualitative Untersuchung zum Thema. Nach der Darstellung der Forschungsfrage, des Forschungsfeldes und der Forschungsmethode schließen sich zwei exemplarische Gesprächsanalysen an. Herausgearbeitet werden Auffälligkeiten des Kommu- nikationsverhaltens von Angehörigen und Mitarbeitern. Diese Erkenntnisse bilden dann die Grundlage für ein Kommunikationsverhalten von Mitarbeitern, das die Aufnahme und Integration von Angehörigen unterstützt und fördert.

Im Schlussteil werden die theoretischen Grundlagen und die Ergebnisse der Analyse zueinan- der in Beziehung gesetzt und daraus ein Gesamtfazit formuliert.

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2 Theoretische Grundlagen

Bevor der Frage nachgegangen werden kann, wie die Aufnahme und Integration von Angehö- rigen in der Arbeit stationärer Pflegeeinrichtungen gelingen kann, bedarf es eines Blicks auf die Angehörigen. Erforderlich ist eine Wahrnehmung der Situation, aus der sie herkommen und was der Wechsel zur neuen Versorgungsform des pflegebedürftigen Menschen für die Angehörigen bedeuten und mit welchen Herausforderungen dieser verbunden sein kann.

2.1 Situation pflegender Angehöriger im häuslichen Umfeld

Wenn Bernhardt (2007, S. 62) mit ihrer Behauptung Recht hat, dass „Pflegeheime […] in unserer Gesellschaft als die allerletzte Option, als ‚Abschiebebahnhof‘ [gelten], wenn die häusliche Versorgung versagt“, dann ist davon auszugehen, dass viele Menschen, die in ein Pflegeheim einziehen, davor zu Hause gepflegt und betreut wurden. So kommt auch Engel (2007, S. 76) zur Aussage, dass „[d]emenzkranke Menschen […] schon immer über die längste Zeit der Krank- heitsdauer zu Hause von Familienangehörigen versorgt und gepflegt [werden]“. Dafür sprechen auch die Ergebnisse einer Statistik. Sie besagt, dass im Dezember 2011 in Deutschland 2,5 Millionen Menschen im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) pflegebedürftig waren.

Davon wurden 70% zu Hause gepflegt (vgl. Statistisches Bundesamt 2013, S. 5).

George und George (2003, S. 149) weisen im Blick auf die Situation der pflegenden Angehö- rigen darauf hin, dass „die Vielschichtigkeit des Zusammenspiels von familiären Anforderun- gen und gesellschaftlichen Konventionen […] oft eine Zerreißprobe [bedeuten]“. In einer Studie konnte 2005 nachgewiesen werden, dass 83% der Hauptpflegepersonen das Belas- tungserleben als stark bis sehr stark empfinden (vgl. Schneekloth und Wahl, 2005, S. 86). Als noch größere Belastung wurde aber angegeben, wenn die pflegebedürftige Person zusätzlich eine psychische Veränderung aufwies, was meist im Zusammenhang mit einer dementiellen Erkrankung stand (vgl. ebd., S. 87).

Durch das Spannungsfeld der Pflege- und Betreuungssituation sind die Belastungen für die Angehörigen sehr vielschichtig. Sie lassen sich nach Engel (2007, S. 79-87) in fünf Dimensi- onen einteilen: 1. Psychische Belastung, 2. Soziale Belastung aufgrund von Gefühlen der Isolation, 3. Körperliche Anstrengungen und gesundheitliche Belastungen, 4. Zeitliche

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Belastung mit der Folge von Rollenkonflikten, 5. Finanzielle Sorgen.4 Dieses Belastungserle- ben kann mit signifikanten Auswirkungen bei den Angehörigen einhergehen. Dazu gehören psychische Erkrankungen (vor allem Depressionen), somatische Beeinträchtigungen, Restrik- tionen des sozialen Lebens sowie finanzielle Einbußen – etwa, wenn die Hauptpflegeperson ihre Berufstätigkeit zugunsten der Pflege einschränkt oder aufgibt (vgl. ebd., S. 92-95).

Allwicher (vgl. 2009, S. 78) führt als zwei weitere Auswirkungen des Belastungserlebens noch die Mortalität an sowie eine erhöhte Gewaltbereitschaft gegen Pflegebedürftige.

Viele Angehörige, die aufgrund einer Bewohneraufnahme zum Gesprächspartner für Mitar- beiter werden, kommen je nach „Pflegeintensität, Beziehungsqualität, eigener Konstitution und Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten“ (vgl. Bernhardt 2007, S. 21) mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Belastungserleben. Dies hat eine hohe Vulnerabilität zur Folge. Dafür braucht es von Seiten der Mitarbeitenden eine hohe Sensibilität, denn das bisherige Belastungserleben birgt in sich viel Konfliktpotential. Dieses kann eine gelingende Zusammenarbeit zwischen Angehörigen und Mitarbeitern unter Umständen behindern.

2.2 Entscheidung für die zukünftige Versorgungsform „Pflegeheim“

Wenn früher oder später eine häusliche Versorgung eines pflegebedürftigen Angehörigen nicht mehr möglich ist, muss eine alternative Versorgungsmöglichkeit in Betracht gezogen werden. In den meisten Fällen führt dies zur Entscheidung für den Umzug in eine Pflegeein- richtung – egal, ob die Weiterversorgung aufgrund eines akuten Ereignisses sofort gewähr- leistet sein muss oder ob die Option „Pflegeheim“ schon über einen längeren Zeitraum in der Überlegung war. Die Gründe, die zur Entscheidung für einen Umzug ins Pflegeheim führen, sind sehr vielfältig und stellen für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar.5 Oft geht die Entscheidungsfindung mit starken Emotionen einher. So weisen Fussek und Loerzer (2007, S. 133) darauf hin: „Das Eingeständnis, selbst am Ende der Kraft zu sein, die aufge- zehrt ist von der anstrengenden Pflege eines Angehörigen, fällt vielen außerordentlich schwer.

Angehörige, die schließlich aufgeben und ihnen nahestehende Menschen ins Heim bringen, fühlen sich oft als Versager“. Pflegende Angehörige geraten möglicherweise in ein extremes

4 Sie können hier nur erwähnt aber nicht ausführlich beschrieben werden.

5 Hier kann nicht im Detail darauf eingegangen, lediglich ein paar häufige Beweggründe können genannt werden: ausgebrannte, gesundheitlich angeschlagene Pflegepersonen; ein zunehmender Bedarf an Pflege beim Pflegebedürftigen, der nicht mehr von Pflegepersonen geleistet werden kann; Berufstätigkeit beider Ehepartner;

finanzielle Gründe (vgl. Mace und Rabins 2012, S. 347).

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Spannungsfeld. Sie bewegen sich zwischen Trauer und Schmerz, zwischen Hoffnung auf Erleichterung bzw. Entlastung und Schuldgefühlen (vgl. ebd., 2012, S. 348).

Ob die Aufnahme und Integration von Angehörigen gelingt, hängt meiner Ansicht nach auch davon ab, ob Mitarbeiter einer Pflegeeinrichtung diese möglichen Dynamiken und emotiona- len Instabilitäten bei den Angehörigen im Blick haben. Wenn das Verhalten und die Emotio- nen von Angehörigen eingeordnet und in Ansätzen nachvollzogen werden können, wird dies auch die Kommunikation und den Umgang mit Angehörigen positiv beeinflussen.

2.3 Statuspassage „Einzug ins Pflegeheim“

Mit dem Einzug eines pflegebedürftigen Menschen beginnt für ihn selber und für seine Angehöri- gen ein neuer Lebensabschnitt. Der Wechsel von der häuslichen Versorgung in den Kontext

„Pflegeheim“ verlangt den bisher pflegenden Angehörigen enorme Anpassungsleistungen ab.

2.3.1 Adaption der Angehörigen an neue Versorgungsform

Die Anpassung der Angehörigen an die neue Situation beschreibt Woods (2009, S. 27) in vier Phasen, die von ihnen durchlaufen werden. Sie resultieren aus dem Ergebnis einer qualitati- ven Studie aus Nordwales (vgl. Seddon et al. 2001, 2002). In ihr wurde untersucht, welche Erfahrungen Familien im ersten Jahr nach dem Einzug des pflegebedürftigen Angehörigen in einer Pflegeeinrichtung gemacht haben.

Die ersten Wochen nach dem Umzug ins Pflegeheim werden als erste Phase bezeichnet, eine Phase des Umbruchs (vgl. ebd., S. 31). In ihr müssen sich die Angehörigen an Abläufe und Strukturen einer Pflegeeinrichtung gewöhnen. Ihr persönlicher Alltag ist neu zu gestalten. Zudem stehen Angehörige vor der Herausforderung, in ihre neuen Rollen hineinzuwachsen (vgl. Bern- hardt 2007, S. 100). Engels und Pfeuffer (2009, S. 223) fassen die Umbruchsituation der Angehö- rigen zusammen, indem sie sagen, dass Angehörige sich in zwei Spannungsfeldern befinden: Zum einen in dem von Nähe und Distanz zum pflegebedürftigen Angehörigen, „zum andern im Spannungsfeld zwischen informeller Hilfe und professioneller Versorgung“.

Haben Angehörige diese Phase gut durchlaufen, zeigte sich der Übergang in eine zweite Phase. Sie kennzeichnete, dass Angehörige lernten, Vertrauen zu anderen Menschen zu fassen (vgl. Woods 2009, S. 33). Konnten Angehörige positive Erfahrungen mit Mitarbeitern der Pflegeeinrichtung machen, war der Boden bereitet für den Übergang in eine dritte Phase. Die

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Angehörigen wurden in der Begegnung mit Mitarbeitern selbstsicherer (vgl. ebd., S. 35). Es wurde mehr zu einem Miteinander auf Augenhöhe. Wenn dies gelang, bewegten sich – laut der Studie – viele Angehörige auf eine vierte Phase zu. In ihr richteten sich die Angehörigen nach und nach so ein, dass sie sich auch längerfristig mit der Situation „Versorgung des pflegebedürftigen Angehörigen“ arrangieren konnten.

Nach Woods (2009, S. 126) „gibt [es] keinen Zweifel daran, dass das, was Angehörige in der Übergangsphase von der häuslichen Versorgung zum Leben in einer Pflegeeinrichtung erleben, wesentlich dazu beiträgt, wie die Umstellung auf die neue Situation wahrgenommen wird, wie der Angehörige mit ihr umgeht und wie er sich an sie gewöhnt“. Das heißt für die Fragestellung dieser Untersuchung: Ob die Aufnahme und Integration von Angehörigen in der Arbeit stationärer Pflegeeinrichtungen gelingt, hängt davon ab, welche Erfahrungen Angehörige machen. Diese Erfahrungen können unterschiedlicher Art sein. Eine Erfahrung, die sich auf jeden Fall positiv auswirkt, beschreibt Wood, indem er sagt:

„Positive Beziehungen [zwischen Angehörigen und Mitarbeitern] beruhten in der Regel auf ge- genseitigem Respekt vor der Rolle des Anderen, vor seinen Verantwortungsbereichen sowie auf regelmäßig stattfindenden Gesprächen, auf Rücksprache und auf der Wahrnehmung von Angehö- rigen als Persönlichkeit“ (ebd., S. 39).

Daraus ist abzuleiten, dass der Umgang und die Kommunikation ein wesentlicher Faktor war, der die Beziehungsqualität positiv oder negativ beeinflusste. Deshalb stellt sich nun die Frage, welche Besonderheiten der Kommunikation sich bei Angehörigen in dieser Zeit der Adaption an die neue Versorgungsform zeigen.

2.3.2 Konfliktbeladene Zeit – Besonderheiten der Kommunikation

Wie unter 2.3.1 beschrieben, erfordert die Übergangsphase von der häuslichen zur stationären Versorgung für die Angehörigen eine Anpassung an eine neue Situation. Deshalb macht Gröning (2006, S. 31) darauf aufmerksam, dass „[g]rundsätzlich […] von Übergangskonflik- ten zwischen Heim und Familie auszugehen [ist], die in der Fremdheit der Situation und den entsprechenden Übertragungen begründet sind“. Weiter weist Gröning (ebd., S. 29) in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Familien sich mit einer Aufnahme ins Pflegeheim öffnen müssen. Damit werden bisherige Arten des Umgangs, des Beziehungsgefüges usw. öffentlich.

Dies kann einhergehen mit Schamgefühlen und Abwehrreaktionen in Form von Aggressivität, Angst, Übertragungen und Misstrauen (vgl. ebd., S. 29).

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Mitarbeitern muss deshalb bewusst sein, dass diese Reaktionen Auswirkungen auf die verbale und nonverbale Kommunikation haben können. Dadurch lassen sich auftretende Konflikte entschärfen, was voraussetzt, dass Mitarbeiter entsprechende Kompetenzen in der Gesprächs- führung erworben haben.

Eine weitere Ursache für die konfliktbeladene Zeit während des Umzugs und dem Einfinden in die neue Versorgungsform hat damit zu tun, dass Angehörige sich im Kontext „Pflege- heim“ zwischen unterschiedlichen Rollen bewegen und diese „einer erheblichen Belastung und Neuorganisation ausgesetzt [sind]“ (George und George 2003, S. 38). Angehörige bleiben Familienangehörige und Bezugspersonen des pflegebedürftigen Menschen. Als solche übernehmen sie aber auch teilweise oder ganz die Rolle des „Anwalts“ (vgl. Bernhardt 2007, S. 124). Dies führt dazu, dass manche Angehörige unentwegt das Gespräch mit Pflegekräften suchen und das gewünschte Handeln einfordern.6 Manchmal sehen sich Angehörige aufgrund ihrer bisherigen Pflegeaufgabe aber auch in der Rolle als die „Experten“ des pflegebedürfti- gen Angehörigen, was sie unter Umständen gegenüber Mitarbeitern mehr oder weniger deutlich kommunizieren. Daraus entwickelt sich möglicherweise ein „Gerangel“, ob der Angehörige oder der Mitarbeiter besser weiß, was dem pflegebedürftigen Menschen gut tut (vgl. Woods 2009, S. 61).

Wenn Mitarbeitern diese Problemlage nicht bekannt ist, kann dieses Kommunikationsverhal- ten der Angehörigen von Mitarbeitern (meist betrifft dies Pflegekräfte) als Angriff, als ein In- Frage-Stellen ihrer Kompetenz oder als Kontrolle empfunden werden (vgl. ebd., S. 125).

Daraus entwickelt sich unter Umständen eine destruktive Kommunikation, die eine vertrau- ensvolle Zusammenarbeit zwischen Angehörigen und Mitarbeitern beeinträchtigen kann.

Ein anderes Phänomen des Kommunikationsverhaltens der Angehörigen kann ein erhöhter Redebedarf sein. Seine Ursache liegt im Versuch, die (oft schon langjährige) Situation und das Erleben als pflegender Angehöriger zu verarbeiten (vgl. auch 2.8.3 Kontakt- und Informa- tionsgespräch sowie Aufnahmegespräch). Dieses Bedürfnis des Angehörigen gilt es ernst zu nehmen. Jedoch erfordert dieser Spagat zwischen dem Eingehen auf das Bedürfnis des Angehörigen sowie der Beachtung der meist knappen Ressource „Zeit“ bei Mitarbeitern eine hohe Sensibilität bezüglich der Kommunikation.

6 Hier sei darauf hingewiesen, dass Bernhardt neben diesem Verhalten von Angehörigen auch ein anderes erwähnt. Nicht wenige Angehörige meiden auch die Kritik und ständige Forderungen gegenüber den Mitarbei- tern. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Angehörige neben dem, was besser sein könnte hinsichtlich der Versorgung ihres Angehörigen, sehen, wie sich die Mitarbeiter für eine bestmögliche Versorgung einsetzen und sie teilweise auch strukturellen und rechtlichen Vorgaben unterliegen (vgl. ebd., S. 126).

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Was hinsichtlich des Kommunikationsverhaltens von Angehörigen noch zu nennen ist:

Manche Angehörige versuchen, ihre Angelegenheiten – wenn irgend möglich – mit einem oder zwei Ansprechpartnern zu regeln und so nach und nach eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Andere Angehörige ziehen keinen bestimmten Mitarbeiter vor und wenden sich mit ihren Anliegen an den Mitarbeiter, dem sie zum Zeitpunkt des Gesprächsbedarfs begeg- nen (vgl. Bernhardt 2007, S. 127).

2.3.3 Das Recht der Angehörigen, im Pflegeheim aufgenommen zu werden

Kramer macht darauf aufmerksam, dass Angehörigen in Pflegeeinrichtungen bis zum Ende der 80er-Jahre lediglich die Rolle als Besucher zugeschrieben wurde. Die Mitarbeiter haben dem Angehörigen im Pflegesetting eine zu vernachlässigende oder keine Bedeutung beige- messen. Aufgrund der konzeptionellen Veränderungen in Pflegeeinrichtungen in den 90er- Jahren wurden Angehörige von Mitarbeitern dann aber doch verstärkt als Partner gesehen, die mithelfen, eine individuelle und bestmögliche Versorgung des pflegebedürftigen Menschen zu gewährleisten (vgl. Kramer 2012, S. 35). „Aus dem dualen Beziehungssystem Bewoh- ner/Mitarbeiter [wurde] somit eine Triade zwischen Mitarbeiter, Bewohner und Angehöri- gem“ (ebd., S. 36).

Woods (2009, S. 28) betont in dem Zusammenhang: „Die Unterbringung in einer Pflegeein- richtung bedeutet nicht, dass damit die Betreuung und Versorgung [durch die Angehörigen]

beendet ist. […] Die Betreuung hört nicht auf. Sie ist anders“. Das bedeutet, Angehörige sind nach wie vor an der Versorgung des pflegebedürftigen Menschen beteiligt. Je größer der Pflege- und Betreuungsbedarf beim Bewohner ist, je ausgeprägter seine kommunikativen und geistigen Defizite sind, desto notwendiger wird sogar die Einbeziehung der Angehörigen (vgl.

Daneke 2010, S. 91). Deshalb haben Angehörige ein Recht, zusammen mit ihrem pflegebe- dürftigen Angehörigen in einer Einrichtung aufgenommen zu werden.7 Da Angehörige ein Bindeglied zwischen dem pflegebedürftigen Bewohner und den Mitarbeitern sind, muss die Aufnahme von Angehörigen Teil des Pflegeprozesses sein.

7 Neben dem Recht zur Aufnahme sei hier noch darauf verwiesen: Die Aufnahme von Angehörigen, die mittels der Kommunikation geschieht, steht nicht nur in der Beliebigkeit der Mitarbeiter. Sie ist in der Pflegetranspa- renzvereinbarung von GKV (Gesetzliche Kranken- und Pflegekassen-Vertretung) und MDS (Medizinicher Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V.) vorgeschrieben und wird bei der Qualitätsprüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) abgebfragt (GKV-Spitzenverband und MDS 2014, S. 52 und 89).

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Angehörige aufzunehmen heißt, sie nicht nur als „Anhängsel“ des Bewohners, sondern als einen wichtigen Partner in der Versorgung eines Bewohners zu sehen. Aufnahme bedeutet, einen Angehörigen nicht nur hinsichtlich seiner Möglichkeiten der Mitwirkung im Pflegepro- zess zu betrachten, sondern auch als „Mensch“ wahrzunehmen. Dies geschieht, wenn er mit seinen Fragen, Unsicherheiten, Bewältigungsstrategien und Empfindungen in der Begegnung mit Mitarbeitern auch „Raum hat“ und „sein darf“.

2.3.4 Auswirkungen gelingender Aufnahme und Integration Angehöriger

Wie unter 2.3.3 aufgezeigt, treten drei Parteien mit dem Einzug eines pflegebedürftigen Menschen in eine Pflegeeinrichtung miteinander in Beziehung: der pflegebedürftige Mensch, seine Angehörigen und die Mitarbeiter des Pflegeheimes. Da sie alle am Pflegeprozess beteiligt sind, kommt es zu Wechselwirkungen im Beziehungsgefüge, was das Pflegedreieck nach Woods (2009, S. 16) in Abbildung 1 veranschaulicht:

Abbildung 1: Wechselwirkung der Beziehungen im „Pflegedreieck“

Weil der Faktor „Angehörige“ die Beziehungsgestaltung zwischen allen drei Parteien beein- flusst, stellt sich die Frage, inwiefern sich eine gelingende Aufnahme und Integration von Angehörigen positiv auf alle Parteien und deren Miteinander auswirkt und dieses fördert.8 Kramer (2012, S. 297) ist in seiner Untersuchung der Frage nachgegangen, ob die Intensität der Integration von Angehörigen Auswirkungen auf deren Zufriedenheit bezüglich der verschiedenen Aufgabenfelder einer Pflegeeinrichtung hat. Die Untersuchung ergab: Es gibt einen signifikanten Zusammenhang (vgl. ebd., S. 298). Weiter sollte die Untersuchung darüber Auskunft geben, ob sich auch die Art der Kommunikation von Seiten der Mitarbeiter in der Zufriedenheit der Angehörigen niederschlägt (vgl. ebd.; S. 304). Auch hier kam

8 Die Auswirkungen sind sehr vielfältig. Deshalb können Sie im Rahmen dieser Untersuchung nur in Ansätzen aufgezeigt werden.

Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung Angehörige

Pflegebedürftiger Bewohner

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Kramer (ebd., S. 309) zu dem Ergebnis: Es ist ein „kausale[r] Zusammenhang zwischen der

»guten« Qualität des Kontakts zu Mitarbeitern und der Zufriedenheit von Angehörigen mit den wesentlichen Aufgabenfeldern der Versorgung und Betreuung im Pflegeheim“ festzustel- len. Die Folge davon ist: Wenn die Aufnahme und Integration von Angehörigen gelingt – was im engen Zusammenhang mit der Kommunikation steht – werden sich Angehörige weniger bei Mitarbeitern beschweren und von ihnen Verhaltens- oder Handlungsweisen einfordern.

Weiter ist davon auszugehen, dass zufriedene Angehörige wahrscheinlich häufiger in einem Pflegeheim zu sehen sind als unzufriedene. Wenn zufriedene Angehörige ihren Angehörigen besuchen, wirkt sich dies wiederum positiv auf die Beziehung zum pflegebedürftigen Ange- hörigen und sein Wohlbefinden aus.9 Ist der Angehörige mit den Aufgabenfeldern der Einrichtung unzufrieden und lässt den pflegebedürftigen Angehörigen daran teilhaben, wird auch aus diesem sehr schnell ein missgestimmter Bewohner. George und George (2003, S.

29) sprechen davon, dass „Angehörige als ‚Gesundmacher‘ und für die Lebensqualität des Patienten [oder des Bewohners] unverzichtbar sind“. Dies erfordert, dass Mitarbeiter alles dafür tun, damit sich Angehörige gut aufgenommen und integriert fühlen.

Eine weitere positive Auswirkung einer gelingenden Aufnahme und Integration von Angehö- rigen ist: Wenn sie erleben, dass sie nicht nur als Informationsgeber oder als Besucher gesehen, sondern als „Mensch“ mit seinen Unsicherheiten, Fragen und Empfindungen wahrgenommen und ernst genommen werden. Die Folge davon wird sein, dass aus verstande- nen Angehörigen verständnisvolle Angehörige werden (vgl. Daneke 2000, S. 17). Dies wiederum wirkt sich positiv auf die Mitarbeiter aus, indem sie sich (wenigstens in Ansätzen) von den Angehörigen verstanden fühlen und so dann zu verständnisvollen Mitarbeitern für die Angehörigen werden. Diese Wechselwirkung führt dazu, dass Mitarbeiter und Angehörige sich als Verbündete sehen und als solche gemeinsam das Ziel verfolgen, für eine bestmögli- che Lebensqualität des Bewohners zu sorgen. Und wenn es dem Bewohner gut geht, hat das wiederum einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden des Angehörigen und des Mitarbei- ters. Aufgrund der positiven Auswirkungen, die eine Aufnahme und Integration der Angehö- rigen auf die Bewohner und die Berufszufriedenheit der Mitarbeiter hat, sollte von Seiten der Mitarbeiter in die Einbeziehung der Angehörigen investiert werden.

9 Die Anwesenheit des Angehörigen bedeutet für den Bewohner den Erhalt einer gewissen Lebensqualität. Der Angehörige ist neben den vielen Abschieden und Verlusten, die der Wechsel ins Pflegeheim mit sich bringt, noch etwas, was aus dem bisherigen Leben geblieben und vertraut ist. Wenn diese Beziehung erhalten bleibt, kann beim Bewohner ein zusätzlicher Schmerz vermieden werden. Je mehr Angehörige anwesend sind, desto mehr erfährt der Bewohner Sicherheit und Kontinuität (vgl. IBAF 2004, S. 26).

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2.4 Konzepte und Standards von Angehörigenarbeit und -beteiligung

Dass das Thema „Angehörigenarbeit in stationären Pflegeeinrichtungen“ erst seit jüngster Vergangenheit in den Blick gerät, hat sich mir bei der Literaturrecherche im deutschsprachi- gen Raum gezeigt.10 Erste Veröffentlichungen zu dieser Thematik sind in den 80er- und 90er- Jahren zu finden, etwa bei Steiner-Hummel (1988) und Jülich (1986) sowie bei Röhlich- Spitzer (1988). Auch Hollenbeck et al. (1990) und Lind (1991) machten mit ihren Veröffent- lichungen die Angehörigenarbeit in Pflegeeinrichtungen zum Thema. Mit dem Verhältnis zwischen Angehörigen von Heimbewohnern und Mitarbeitern im Altenpflegeheim beschäf- tigte sich dann eine erste Studie von Kühnert (1991). Wie es um die Angehörigenarbeit in Heimen bestellt ist, erforschte Urlaub (1995) mit einer empirischen Untersuchung.

Aufgrund meiner Literaturrecherchen scheint mir dann aber ein deutlicher Entwicklungsprozess bezüglich der Angehörigenarbeit in der stationären Altenhilfe in Gang gekommen zu sein.

Möglicherweise war folgende Studie motivierend und richtungsweisend. In Verbindung mit dem Forschungsprojekt „Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Lebensführung in stationären Einrichtungen“ (MuG IV) , das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Auftrag gegeben wurde, führte das Institut für Sozialforschung und Gesell- schaftspolitik (ISG) eine empirische Teilstudie durch, bei der 500 Pflegeeinrichtungen untersucht wurden. Das Ziel war, die Mitwirkung von Angehörigen (und Freiwilligen) in stationären Pflegeeinrichtungen festzustellen (vgl. Engels und Pfeuffer 2009, S. 222). Aufgrund dieser Studie legte das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) im Jahr 2000 eine Analyse der stattfindenden Angehörigenarbeit vor, die erste, die einen repräsentativen Überblick zur Thematik Angehörigen- arbeit in Pflegeeinrichtungen gibt (vgl. Urlaub 2000, S. 88).

Ein Ergebnis der Studie ist, dass es Angehörigenarbeit in Pflegeeinrichtungen gibt, sie aber oft keine systematische Grundlage und Struktur hat. In 72,5 % der 500 Einrichtungen gab es kein Konzept für Angehörigenarbeit und es war auch bis auf weiteres keine Erstellung geplant. 26% der Einrichtungen erarbeiteten zum Befragungszeitpunkt ein Konzept, bei 1,5%

lag ein Konzept vor (vgl. ebd., S. 89).

Anfang des 20. Jahrhunderts war dann Daneke eine der ersten, die das Thema „Angehörigenarbeit in der stationären Pflegeeinrichtung“ aufgrund ihrer Erfahrungen in der Praxis systematisch

10 Eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse einer Recherche im englischsprachigen Raum ist im Rahmen dieser Untersuchung nicht möglich. Insgesamt lässt sich aber sagen, dass auch im englischsprachigen Raum das Thema „Angehörigenarbeit in stationären Einrichtungen“ in der Fachliteratur wenig aufbereitet ist. Es liegen jedoch etwas mehr Studien als in Deutschland vor (vgl. Haider 2006, S. 5).

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