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Stuttgart und andere Großstädte als Einkaufszentren Positionierung des Einzelhandels unter verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen

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Der Einzelhandel in der Stadt Stuttgart erfährt derzeit einen erheblichen Wandel, dessen Auswirkungen auf die Stadt und die Region Stuttgart recht kontrovers be- urteilt werden. Die aktuelle Diskussion wurde unter anderem in einem Artikel in der Stuttgarter Zeitung zusammengefasst.2 Danach betrug der Zuwachs an Handels- fl äche in den letzten Jahren vor allem durch Neueröffnungen im Innenstadtbereich knapp 20 Prozent; das ist mehr als in irgendeiner anderen Großstadt Deutschlands.

Während die Skeptiker in dieser Entwicklung Probleme für die bestehenden Han- delsstrukturen, für die Verkehrssituation und für die Immobilienpreise namentlich in der Innenstadt sehen, begrüßen die Befürworter eine dadurch erreichte Standort- stärkung Stuttgarts gegenüber anderen Großstädten wie München und Düsseldorf oder Outlet-Centern außerhalb der Region.

Vor diesem Hintergrund ist es lohnenswert, sich ganz allgemein mit der wirtschaft- lichen Stellung des Einzelhandels in Stuttgart zu beschäftigen. Die Situation speziell in der Stadt und in der Region wurde bereits in Heft 4/2016 dieser Schriftenreihe untersucht.3 Grundlage war zum einen eine Studie der Industrie- und Handelskam- mer Region Stuttgart (IHK), in der die für den Einzelhandel relevante Kaufkraft dem Einzelhandelsumsatz in den Kreisen sowie den größeren Städten und Gemeinden der Region gegenübergestellt wurde.4 Diese Daten der IHK-Analyse wurden zum anderen ergänzt durch Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Länder, die allerdings nur für kreisfreie Städte und Landkreise vorliegen.

Danach weist Stuttgart eine recht hohe Kaufkraftbindung aus, das heißt, der Einzel- handel der Landeshauptstadt kann netto mehr Kaufkraft von privaten Haushalten aus dem Umland oder von anderswo abschöpfen als ihre Einwohner im Einzelhandel anderer Gebiete ausgeben. Ein Teil davon erklärt sich aus der hohen Zahl an Netto- einpendlern nach Stuttgart, die Teile ihre Einkäufe am Arbeitsort tätigen, jedoch ist der Einzelhandel der Metropole Stuttgart offensichtlich auch aus anderen Gründen für Konsumenten aus dem Umland und aus sonstigen Gegenden recht attraktiv.

Interessant ist nun die Frage, wie die Stadt Stuttgart im Reigen der deutschen Groß- städte dasteht. Auch hierfür fi nden sich Informationen in der genannten IHK-Studie, und zwar für zehn ausgewählte Städte; darüber hinaus hat die IHK Region Stuttgart auch Daten der übrigen fünf Großstädte mit rund 500 000 oder mehr Einwohnern zur Verfügung gestellt, so dass eine Untersuchung auf die 15 größten deutschen Städte ausgeweitet werden kann. Wie schon in der zitierten Analyse für die Region Stuttgart werden die einzelhandelsbezogenen Daten der IHK-Studie vergleichbaren gesamtwirtschaftlichen Größen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ge- genübergestellt.

Einzelhandel Stuttgarts im Fokus stadt- und regionalplanerischer Überlegungen

Situation des Einzelhandels in Stadt und Region Stuttgart wurde in Monatsheft 4/2016 untersucht

Kaufkraftzufl uss nach Stuttgart aufgrund enger Verfl echtung mit dem Umland und allgemeiner Attraktivität als Einkaufsstadt

Gegenstand dieser Analyse: Vergleich mit den anderen 14 Großstädten Deutschlands

Werner Münzenmaier1

Stuttgart und andere Großstädte als Einkaufs-

zentren – Positionierung des Einzelhandels

unter verschiedenen gesamtwirtschaftlichen

Rahmenbedingungen

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Kennzahlen für den Einzelhandel

In der IHK-Studie wurden drei Kennzahlen für den Einzelhandel verwendet:5

 Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft, das ist derjenige Teil der allgemeinen Kauf- kraft, der im Einzelhandel (einschließlich Online- und Versandhandel) ausgegeben wird.

 Der Einzelhandelsumsatz, das sind die im örtlichen Einzelhandel getätigten Umsätze zu Endverbrauchspreisen; zum Einzelhandel in dieser Abgrenzung gehören auch Bä- ckereien, Konditoreien und Metzgereien sowie Factory Outlet Center, nicht jedoch der Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen und Krafträdern, der Internet- und Onlinehan- del sowie Tankstellen; der stationäre Einzelhandel auf der Angebotsseite ist also deut- lich enger gefasst als die einzelhandelsrelevante Kaufkraft auf der Nachfrageseite.

 Die einzelhandelsbezogene Zentralität, das ist der Quotient aus Einzelhan- delsumsatz je Einwohner und einzelhandelsrelevanter Kaufkraft je Einwohner, jeweils bezogen auf den Bundesdurchschnitt.

Die in der IHK-Studie verwendeten Daten wurden von den Unternehmen Michael Bauer Research GmbH Nürnberg und CIMA Beratung + Management GmbH/BBE Handelsberatung GmbH München für das Jahr 2015 ermittelt beziehungsweise pro- gnostiziert. Analysiert wurden die Daten überwiegend auf der Basis von Angaben je Einwohner sowie bezogen auf den Bundesdurchschnitt, das heißt, bei einem Wert über 100 Prozent übersteigen die Pro-Kopf-Werte der regionalen Größe den Bundesdurchschnitt, bei einem Wert unter 100 Prozent unterschreiten sie ihn im jeweiligen Ausmaß. Die Verwendung solcher Pro-Kopf-Kennziffern hat nicht nur den Vorteil einer besseren Vergleichbarkeit der untersuchten regionalen Einheiten untereinander, sie erlaubt darüber hinaus auch eine sinnvolle Gegenüberstellung mit Kreisdaten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, sowohl aus inhalt- lichen Gründen als auch wegen unterschiedlicher Bezugsjahre.

Kennzahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen

Kreisdaten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen liegen aktuell für das Jahr 2013 vor.6 Ursache für die zeitliche Verzögerung ist die komplexe und detaillierte Berechnung aller dort dargelegten Größen einschließlich einer Abstimmung auf die Eckdaten der Länder, die wiederum den gesamten wirtschaftlichen Kreislauf abbilden.

Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft aus der IHK-Studie wird hier dem Verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte nach dem Konzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen gegenübergestellt, das sich wiederum aus dem Primäreinkom- men der privaten Haushalte ableitet.

Das Primäreinkommen der privaten Haushalte (einschließlich privater Organisa- tionen ohne Erwerbszweck) umfasst die gesamten Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen, die den privaten Haushalten am Wohnort zugefl ossen sind. Hierzu zählen das Arbeitnehmerentgelt, die Einkommen der Einzelunternehmen und Selbstständigen, der Betriebsüberschuss aus Wohnungsvermietung einschließlich eigengenutztem Wohnraum und die netto empfangenen Vermögenseinkommen einschließlich Finanzdienstleistungen.

Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte (einschließlich privater Or- ganisationen ohne Erwerbszweck) errechnet sich aus dem Primäreinkommen durch Abzug der Einkommen- und Vermögensteuern, der Sozialbeiträge und sonstigen, von den privaten Haushalten zu leistenden Transfers sowie Hinzufügen der Sozi- alleistungen und weiterer, durch die privaten Haushalte vom Staat empfangenen Transferleistungen. Das Verfügbare Einkommen ist damit das Einkommen, das den privaten Haushalten letztlich zufl ießt und für Konsum- oder Sparzwecke verwendet werden kann; es wird auch als (allgemeine) Kaufkraft bezeichnet.

Ausgangspunkt: Kennzahlen für den Einzelhandel 2015 aus einer Studie der IHK der Region Stuttgart

Darstellung in Pro-Kopf-Zahlen erlaubt Vergleichbarkeit mit Daten der Volks- wirtschaftlichen Gesamtrechnungen

Einbezogen werden VGR-Daten für 2013 zu …

… Einkommen der privaten Haushalte am Wohnort, die als Indikator für die allgemeine Kaufkraft gelten können, und die …

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Konzeptionell entspricht das Verfügbare Einkommen der Volkswirtschaftlichen Ge- samtrechnungen dem in der IHK-Studie erwähnten Begriff der Nettoeinkünfte.7 Aus diesen Nettoeinkünften wird die einzelhandelsrelevante Kaufkraft als der Teil des Einkommens bestimmt, der im Einzelhandel ausgegeben wird. Zu ihrer Ermittlung werden Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichproben und regionale, differen- zierte Einkommensdaten verwendet. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft entspricht damit in der Terminologie der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ungefähr den Konsumausgaben im Einzelhandel – eine Größe, die für Stadt- und Landkreise nicht vorliegt. In jedem Fall ist die einzelhandelsrelevante Kaufkraft deutlich enger gefasst als die allgemeine Kaufkraft, repräsentiert durch das Verfügbare Einkommen.

Alle hier genannten Indikatoren beziehen sich auf den Wohnort der Einkommens- bezieher beziehungsweise Konsumenten, weshalb die Zahl der Einwohner auch die geeignete Bezugsgröße darstellt. Demgegenüber werden das Arbeitnehmerentgelt wie auch die Zahl der Arbeitnehmer in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auf Kreisebene nur für den Arbeitsort nachgewiesen. Das Arbeitnehmerentgelt setzt sich zusammen aus den Löhnen und Gehältern der beschäftigten Arbeitnehmer sowie der Lohnsteuer und den Sozialbeiträgen der Arbeitnehmer und der Arbeit- geber; letztere beinhalten auch unterstellte Sozialbeiträge für Beamte und Richter.

Stuttgart im Vergleich mit den anderen Großstädten

Die genannten Indikatoren sollen nun dazu dienen, die Stellung der Stadt Stuttgart als zentralen Einkaufsort innerhalb der gleichnamigen Region mit der Situation in den anderen deutschen Großstädten zu vergleichen. Hierzu sind in den Tabellen verschie- dene Daten der 15 Städte Deutschlands mit rund 500 000 oder mehr Einwohnern zusammengestellt, und zwar durchgehend geordnet nach der Zahl ihrer Einwohner.8

Einzelhandelsrelevante Kaufkraft ...

In Tabelle 1 ist die einzelhandelsrelevante Kaufkraft dieser Städte entsprechend der IHK-Studie dargelegt. Danach vereinigten 2015 die 15 größten Städte, in denen 17,2 Prozent der Einwohner Deutschlands lebten, mit 93,6 Milliarden Euro rund 17,8 Prozent der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft auf sich. Demzufolge lag diese für den Einzelhandel entscheidende Kaufkraft in den Städten mit 6708 Euro je Ein- wohner leicht über dem entsprechenden Wert für Deutschland insgesamt in Höhe von 6459 Euro je Einwohner, nämlich um 3,9 Prozent.

Innerhalb dieser Gruppe von Großstädten gibt es jedoch erhebliche Unterschiede:

So weist München mit 7960 Euro je Einwohner einen Wert auf, der die gesamt- deutsche einzelhandelsrelevante Kaufkraft (6459 Euro je Einwohner) um fast ein Viertel (23,3 %) übertrifft; aber auch in Düsseldorf mit 7405, in Frankfurt am Main mit 7192 und in Stuttgart mit 7103 Euro je Einwohner überragt die für den Ein- zelhandel relevante Kaufkraft den Bundesdurchschnitt um über ein Siebtel bis ein Zehntel, nämlich um 14,7, um 11,4 und um 10,0 Prozent. Bereits unter einem Wert von 7000 Euro je Einwohner, aber noch im oder über dem Durchschnitt der Großstädte blieben 2015 die entsprechenden Pro-Kopf-Werte in den Städten Ham- burg mit 6961, Köln mit 6898, Hannover mit 6745 und Nürnberg mit 6708 Euro je Einwohner; der Bundesdurchschnitt wurde in diesen vier Städten um 3,9 bis 7,8 Prozent übertroffen. Leicht über dem Bundesdurchschnitt bewegten sich die Pro- Kopf-Zahlen in Essen (6536 Euro je Einwohner; Indexwert 101,2 %), leicht darunter in Bremen (6329 Euro je Einwohner bzw. 98,0 %). Schon deutlicher haben die bei- den anderen Ruhrgebietsstädte, die Bundeshauptstadt und die beiden ostdeutschen Städte die bundesdurchschnittliche Kaufkraft verfehlt, nämlich Berlin mit 6226 Euro je Einwohner um 3,6 Prozent, Dortmund mit 6183 Euro je Einwohner um 4,3 Pro- zent, Dresden mit 6113 Euro je Einwohner um 5,3 Prozent, Leipzig mit 5892 Euro je Einwohner um 8,8 Prozent und schließlich Duisburg mit 5821 Euro je Einwohner um 9,9 Prozent.

… konzeptionell mit der einzelhandels- relevanten Kaufkraft der IHK-Studie vergleichbar sind, …

… außerdem zu den Arbeitnehmerver- diensten am Arbeitsort

Großstädte sind Städte mit rund einer halben Million oder mehr Einwohnern

Einzelhandelsrelevante Kaufkraft je Ein- wohner in den Großstädten überdurch- schnittlich hoch

München an der Spitze, Stuttgart auf Rang 4

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... im Vergleich zum Verfügbaren Einkommen als allgemeine Kaufkraft Ein zum Teil gleiches, zum Teil aber auch deutlich abweichendes Bild ergibt sich bei einer Gegenüberstellung mit den Pro-Kopf-Zahlen des Verfügbaren Einkommens gemäß den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als Indikator der allgemeinen Kaufkraft, die für 2013 in Tabelle 2 wiedergegeben sind.

Die Unterschiede zur einzelhandelsrelevanten Kaufkraft beginnen schon damit, dass deren Pro-Kopf-Werte für die Summe der Großstädte 2015 wie ausgeführt um 3,9 Prozent über dem Bundesdurchschnitt lagen, wogegen die Verfügbaren Einkommen 2013 mit 20 087 Euro je Einwohner den Bundeswert (20 478 Euro je Einwohner) um 1,9 Prozent unterschritten haben. Bemerkenswerterweise sind die Diskrepanzen der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft zum (umfassenderen) Primäreinkommen nicht so groß – bei den Großstädten hat dieses Einkommen 2013 mit 24 939 Euro je Einwohner den Bundeswert (24 502 Euro je Einwohner) um immerhin 1,8 Prozent übertroffen (vgl. Tabelle 2).

Sehr anschaulich gehen die Unterschiede zwischen einkommensrelevanter und allgemeiner Kaufkraft aus Abbildung 1 hervor, in der die Pro-Kopf-Zahlen beider Indikatoren für die 15 Städte gegenübergestellt sind. Hieraus lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen:

Verfügbares Einkommen je Einwohner als Indikator der allgemeinen Kaufkraft gibt zum Teil gleiches, zum Teil abwei- chendes Bild für die Großstädte

Deutschland Deutschland Deutschland

= 100 = 100 = 100

Berlin 21 600 6 226 96,4 21 307 6 142 106,6 110,6

Hamburg 12 300 6 961 107,8 12 535 7 094 123,1 114,2

München 11 412 7 960 123,3 11 912 8 309 144,2 117,0

Köln 7 235 6 898 106,8 7 155 6 821 118,4 110,8

Frankfurt/Main 5 137 7 192 111,4 5 187 7 262 126,0 113,2

Stuttgart 4 343 7 103 110,0 4 722 7 722 134,0 121,9

Düsseldorf 4 489 7 405 114,7 4 861 8 017 139,1 121,3

Dortmund 3 584 6 183 95,7 3 677 6 343 110,1 115,0

Essen 3 742 6 536 101,2 3 788 6 616 114,8 113,4

Bremen 3 496 6 329 98,0 3 732 6 756 117,2 119,6

Leipzig 3 181 5 892 91,2 3 066 5 679 98,6 108,0

Dresden 3 290 6 113 94,7 3 129 5 814 100,9 106,6

Hannover 3 536 6 745 104,4 3 793 7 236 125,6 120,2

Nürnberg 3 385 6 708 103,9 3 953 7 835 136,0 130,9

Duisburg 2 840 5 821 90,1 2 606 5 340 92,7 102,8

Großstädte insgesamt 93 571 6 708 103,9 95 423 6 840 118,7 114,3

Deutschland 524 604 6 459 100 468 057 5 762 100 100

Quelle: IHK Region Stuttgart; eigene Berechnungen Zentralitäts-

kennziffer je Einwohner

Einzelhandelsrelevante Kaufkraft Stadt

Mio. Euro Euro je Mio. Euro

Einwohner

Euro je Einwohner Einzelhandelsumsatz

je Einwohner

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt

Tabelle 1: Einzelhandelsrelevante Kaufkraft und Einzelhandelsumsatz in den Großstädten Deutschlands 2015

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Rangverschiebungen

Die Rangfolge beider Pro-Kopf-Indikatoren ist für die meisten, nämlich elf Städte ganz oder ungefähr gleich. So bleibt München bei beiden Größen auf Platz 1, Düs- seldorf auf 2, Köln auf 6, Essen auf 9 und Dresden auf 13. Im Vergleich zur ein- kommensrelevanten Kaufkraft klettern beim Verfügbaren Einkommen die Städte Stuttgart von Rang 4 auf 3 beziehungsweise Hamburg von 5 auf 4, was mit dem Abrutschen von Frankfurt am Main von Rang 3 auf Platz 8 zusammenhängt. Ebenso um einen Rang verbessern sich insoweit Dortmund (von 12 auf 11) und Duisburg (von 15 auf 14), und zwar im Tausch mit den jeweils nahezu gleichauf liegenden Städten Berlin beziehungsweise Leipzig.

Größere Verschiebungen lassen sich zum einen für die erwähnte Stadt Frankfurt feststel- len, deren Abstieg von Platz 3 auf Rang 8 mit dem Aufstieg Nürnbergs von 8 auf 5 kor- respondiert, zum anderen für Hannover, das sich von Rang 7 auf Platz 10 verschlechtert hat, und zwar exakt im Tausch mit Bremen, das sich von 10 auf 7 verbessern konnte.

Nimmt man zum Vergleich die Rangfolge beim Primäreinkommen je Einwohner, so ist diese bei elf Städten identisch mit derjenigen beim Verfügbaren Pro-Kopf-Ein- kommen; lediglich Hamburg und Bremen liegen beim Primäreinkommen um einen Platz ungünstiger (auf 5 bzw. 8 statt auf 4 bzw. 7), während Frankfurt beim Pri- märeinkommen als Indikator für das Bruttoeinkommen auf Platz 4 gegenüber Rang 8 beim Nettoeinkommen (also beim Verfügbaren Einkommen) rangiert und umge-

Rangverschiebungen vor allem für die Städte Frankfurt, Nürnberg, Hannover und Bremen

Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland

= 100 = 100 = 100 = 100

Berlin 37 642 99,8 20 221 82,5 17 594 85,9 214,0 116,2

Hamburg 45 236 120,0 27 927 114,0 22 034 107,6 205,3 111,5

München 49 618 131,6 35 823 146,2 25 529 124,7 194,4 105,6

Köln 42 893 113,8 26 222 107,0 20 606 100,6 208,2 113,1

Frankfurt/Main 49 861 132,2 28 222 115,2 20 312 99,2 245,5 133,3

Stuttgart 47 186 125,1 29 877 121,9 23 024 112,4 204,9 111,3

Düsseldorf 44 721 118,6 31 758 129,6 23 970 117,1 186,6 101,4

Dortmund 38 123 101,1 20 728 84,6 17 714 86,5 215,2 116,9

Essen 39 861 105,7 23 264 95,0 19 545 95,5 204,0 110,8

Bremen 39 094 103,7 23 884 97,5 20 495 100,1 190,8 103,6

Leipzig 32 271 85,6 17 034 69,5 16 109 78,7 200,3 108,8

Dresden 34 058 90,3 18 861 77,0 17 260 84,3 197,3 107,2

Hannover 42 043 111,5 23 167 94,6 18 899 92,3 222,5 120,8

Nürnberg 42 389 112,4 25 605 104,5 20 883 102,0 203,0 110,2

Duisburg 40 547 107,5 18 749 76,5 16 386 80,0 247,5 134,4

Großstädte insgesamt 42 600 113,0 24 939 101,8 20 087 98,1 212,1 115,2

Deutschland 37 707 100 24 502 100 20 478 100 184,1 100

Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen Stadt

Primäreinkommen je Einwohner

Euro je Arbeitnehmer

Euro je Einwohner

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer/

Verfügbares Einkommen je Einwohner

% Verfügbares Einkommen

je Einwohner

Euro je Einwohner Arbeitnehmerentgelt

je Arbeitnehmer

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt

Tabelle 2: Gesamtwirtschaftliche Einkommensgrößen in den Großstädten Deutschlands 2013

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kehrt Nürnberg auf Rang 7 beim Brutto- gegenüber Platz 5 beim Nettoeinkommen.

Die Rangverschiebungen zwischen den beiden Einkommensgrößen der Volkswirt- schaftlichen Gesamtrechnungen in den zwei zuletzt genannten Städten sind in- soweit bemerkenswert, als damit die Reihenfolge bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft weitgehend derjenigen beim Primäreinkommen entspricht, außerdem liegt bei beiden unabhängig voneinander berechneten Größen der Durchschnitt für die Pro-Kopf-Werte der Großstädte jeweils über dem Bundesdurchschnitt (1,8 % beim Primäreinkommen, 3,9 % bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft).

Insgesamt betrachtet erscheint die für den Einzelhandel wichtige Kaufkraftkennzif- fer durchaus kompatibel mit den VGR-Einkommensgrößen, wenngleich die Abwei- chungen in Bezug auf die beiden Einkommensindikatoren der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nicht immer einfach zu erklären sind. Hierbei erstaunt vor allem die Datenlage für Frankfurt, wo das Verfügbare Einkommen als Nettogröße ledig- lich 72,0 Prozent des Primäreinkommens als Bruttoziffer beträgt, das ist ein deutlich geringerer Anteilswert als in den vergleichbaren und ebenfalls sehr großen Städten Hamburg (78,9 %), Köln (78,6 %), Stuttgart (77,1 %) und Düsseldorf (75,5 %). Da- durch rutschte die Mainmetropole, obwohl beim Pro-Kopf-Primäreinkommen noch satte 15,2 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, beim Verfügbaren Einkommen um 0,8 Prozent unter den Bundeswert, mit entsprechenden Konsequenzen auch für die Summe aller Großstädte.9 Umgekehrt verhält es sich im Übrigen bei Bremen, dessen Pro-Kopf-Werte 2013 beim Bruttoeinkommen um 2,5 Prozent unter dem Bundes- durchschnitt blieben, beim Nettoeinkommen dagegen um 0,1 Prozent leicht darüber.

Vergleich beider Pro-Kopf-Kaufkraftziffern

Ein erster Blick auf die in Abbildung 1 gegenübergestellten Pro-Kopf-Größen in der Dimension Bundesdurchschnitt = 100 zeigt grob folgende Tendenzen: In Städten mit einer hohen allgemeinen Kaufkraft, gemessen am Verfügbaren Einkommen je

Beide Kaufkraftgrößen sind grundsätz- lich kompatibel, jedoch gibt es Unge- reimtheiten bei ein paar Städten

0 20 40 60 80 100 120 140 160

Duisburg Leipzig Dresden Dortmund Berlin Bremen Essen Nürnberg Hannover Köln Hamburg Stuttgart Franfurt am Main Düsseldorf München

Einzelhandelsrelevante Kaufkraft 2015 Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner 2013

123,3 124,7 114,7

117,1 111,4 99,2

110,0 112,4 107,8 107,6 106,8 100,6

104,4 92,3

103,9 102,0 101,2 95,5

98,0 100,1 96,4 85,9

95,7 86,5

94,7 84,3

91,2 78,7

90,1 80,0

Pro-Kopf-Zahlen Deutschland = 100

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt Abbildung 1: Gegenüberstellung

der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft 2015 und des Verfügbaren Einkom- mens der privaten Haushalte in den Großstädten Deutschlands 2013

Quelle: IHK Region Stuttgart, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen

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Einwohner, liegt die zum Bundesdurchschnitt in Beziehung gesetzte einzelhandels- relevante Pro-Kopf-Kaufkraft unter der entsprechenden allgemeinen Kaufkraft, in Städten mit einer relativ geringen allgemeinen Pro-Kopf-Kaufkraft wird die so di- mensionierte Ziffer von der für den Einzelhandel relevanten Kaufkraft je Einwohner übertroffen, und zwar in tendenziell steigendem Maße. Aus dieser Reihe tanzen nur die bereits durch Besonderheiten bei den beiden VGR-Einkommensgrößen auf- gefallenen Städte Frankfurt am Main und Bremen;10 des Weiteren fallen die Ab- weichungen beider Kaufkraftziffern, im Trend des Städterankings betrachtet, für Hannover etwas zu groß und für Nürnberg etwas zu gering aus.

Hinter diesem Bild steht als ökonomische Erklärung, dass mit zunehmendem Ein- kommen ein tendenziell immer größerer Anteil gespart und für Dienstleistungen unterschiedlicher Art ausgegeben wird beziehungsweise, wenn man die Ausgaben für Mieten betrachtet, ausgegeben werden muss. Nach einer Analyse des Immobi- lienportals Immonet mussten die Haushalte in Deutschland 2014 im Durchschnitt etwa 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete aufwenden, in den grö- ßeren Städten zum Teil deutlich mehr.

In Abbildung 2 sind die Wohnungsmieten in den deutschen Großstädten, allerdings ohne Hannover, zusammengestellt. Bezug genommen wird auf den Wohnpreisspiegel des Immobilienverbands Deutschland (IVD) für 2014/15, gemessen an der Nettokalt- miete für einen mittleren, repräsentativen Wohnwert (3 Zimmer, etwa 70 Quadrat- meter Wohnfl äche, Fertigstellung nach 1948).11 Die nach der Höhe der Mietausgaben aufgereihten Städte folgen weitgehend der Rangfolge ihrer Kaufkraft, wie sie aus Abbildung 1 ersichtlich ist. Insbesondere gehören hier wie dort die Städte München, Stuttgart, Köln, Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt am Main zur Spitzengruppe, wobei Stuttgart beim Mietpreisniveau hinter München an die zweite Stelle gerückt ist. Gleichermaßen zeichnen sich die Großstädte mit niedriger Kaufkraft, nämlich Duisburg, Leipzig, Dortmund und Dresden, durch deutlich geringere Mietausgaben aus. Jeweils knapp unterhalb der Mitte fi nden sich bei beiden Indikatoren die Städte Essen und Nürnberg und passen somit ebenfalls in diese Reihe. Demgegenüber liegen die Mietpreise in der Bundeshauptstadt Berlin über denjenigen in Essen und Nürnberg, die eine höhere allgemeine Kaufkraft aufweisen.

Die Unterschiede in der Miethöhe, die beim Übergang vom Verfügbaren Einkom- men zur einzelhandelsrelevanten Kaufkraft abzusetzen sind, können somit für ei- nige Städte die aus Abbildung 1 ersichtlichen Niveauunterschiede bei den beiden Kaufkraftziffern recht gut erklären. Insbesondere wird deutlich, warum die auf den Bundesdurchschnitt bezogene Kennzahl für die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in München, Stuttgart und Düsseldorf hinter derjenigen für die allgemeine Kaufkraft zu- rückbleibt beziehungsweise in Hamburg nahezu identisch ist und warum sich umge- kehrt bei den ostdeutschen Städten und bei den Ruhrgebietsstädten deutlich höhere Kennziffern für die einzelhandelsrelevante Kaufkraft ergeben; auch Hannover fällt noch in diese Kategorie.12 Die relativ hohen Mieten in Bremen können insoweit auch als ursächlich für das dortige Zurückbleiben der einzelhandelsrelevanten gegenüber der allgemeinen Kaufkraftkennziffer angesehen werden. Für Köln, Frankfurt und Ber- lin versagt dagegen dieser Erklärungsansatz – die dort ebenfalls recht hohen Mieten passen nicht zu einer im Vergleich zur allgemeinen Kaufkraft hohen einzelhandels- relevanten Kaufkraft; hierfür müssten also andere Begründungen gefunden werden.

Einzelhandelsumsatz

Nach den Ergebnissen der IHK-Studie hat der Einzelhandel in den 15 größten Städten Deutschlands 2015 einen Umsatz in Höhe von 95,4 Milliarden Euro getätigt, das sind 2,0 Prozent mehr als die dort lebenden 14,1 Millionen Menschen an einzelhandelsrele- vanter Kaufkraft im Umfang von 93,6 Milliarden Euro aufgewiesen haben (vgl. Tabelle 1).

Deutschlandweit ist der Einzelhandelsumsatz mit knapp 468,1 Milliarden Euro dem- gegenüber um 10,8 Prozent hinter der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft im Wert

In der Tendenz gilt ungefähr: In kauf- kraftstarken Städten ist die einzelhan- delsrelevante Kaufkraft relativ gesehen niedriger als die allgemeine Kaufkraft, in kaufkraftschwachen Städten ist es umgekehrt

Wichtige Erklärung: Unterschiede in der Höhe der Mietausgaben

Auch der Einzelhandelsumsatz je Einwohner ist in den Großstädten über- durchschnittlich groß

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von 524,6 Milliarden Euro zurückgeblieben, was mit der eingangs beschriebenen Beschränkung des Umsatzes auf den stationären Einzelhandel (ohne Kraftfahrzeuge und Krafträder) im Gegensatz zur umfassenderen Defi nition der einzelhandelsrele- vanten Kaufkraft (einschließlich Internet- und Onlinehandel) zusammenhängt. Im Ergebnis erreichten deshalb die 15 Großstädte beim Einzelhandelsumsatz mit 20,4 Prozent einen deutlich höheren Anteil als bei der einzelhandelsbezogenen Kaufkraft mit 17,8 Prozent.

Demzufolge übertreffen auch bei den Pro-Kopf-Werten die Großstädte den Bundes- durchschnitt beim Einzelhandelsumsatz stärker als bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft, nämlich um 18,7 beim Umsatz im Vergleich zu 3,9 Prozent bei der Kauf- kraft (vgl. Tabelle 1). Im Einzelnen erreichten die 15 größten Städte im Durchschnitt 6840 Euro Einzelhandelsumsatz je Einwohner, im gesamten Bundesgebiet waren es 5762 Euro je Einwohner. Über dem Durchschnitt der Großstädte lagen beim Einzelhandelsumsatz je Einwohner 2015 die sieben Städte München, Düsseldorf, Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt am Main, Hannover und Hamburg, bereits darunter, aber noch über dem Bundesdurchschnitt fi nden sich die sechs Städte Köln, Bremen, Essen, Dortmund, Berlin und Dresden wieder; unter dem Pro-Kopf-Wert Deutsch- lands blieben nur die beiden Städte Leipzig und vor allem Duisburg.

Im Vergleich beider Größen lassen sich außerdem folgende Besonderheiten fest- stellen:

Erstens: Die Differenz zwischen dem jeweils größten und dem jeweils kleinsten Wert ist beim Einzelhandelsumsatz – mit 8309 Euro je Einwohner oder 144,2 Pro- zent des Bundesdurchschnitts in München im Vergleich zu 5340 Euro je Einwohner

Spannweite unter den Großstädten beim Pro-Kopf-Umsatz deutlich höher als bei der Pro-Kopf-Kaufkraft des Einzelhandels

0 3 6 9 12 15

Duisburg Leipzig Dortmund Dresden Essen Nürnberg Bremen Berlin Frankfurt am Main Düsseldorf Hamburg Köln Stuttgart

München 12,60

10,90 9,50 9,25 9,00 9,00 7,85 7,75 7,58 7,15 6,50 5,90 5,55 4,90

Nettokaltmieten in Euro je m²

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt Abbildung 2: Wohnungsmieten1 in

den Großstädten Deutschlands2 2015

Quelle: IVD-Wohnpreisspiegel

1 Nettokaltmiete in Euro je m², mittlerer Wohnwert, 3 Zimmer, ca. 70 m² Wohnfl äche, Fertigstellung 1949 oder später.

2 Großstädte ohne Hannover.

(9)

120

oder 92,7 Prozent in Duisburg – merklich stärker ausgeprägt als bei der einzelhandels- relevanten Kaufkraft, wo wiederum München mit 7960 Euro je Einwohner und 123,3 Prozent des Bundesdurchschnitts an erster Stelle liegt und Duisburg mit 5821 Euro je Einwohner und 90,1 Prozent an letzter. Entsprechend errechnet sich als Spannweite zwischen größtem und kleinstem Wert für den Einzelhandelsumsatz ein Betrag von 51,5 und für die einzelhandelsrelevante Kaufkraft von 33,2 Prozentpunkten.

Zweitens: In Duisburg, in den beiden sächsischen Städten Dresden und Leipzig sowie in Berlin und in Köln verfehlt der (absolute) Einzelhandelsumsatz den Umfang der dort gemessenen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft, in allen anderen Großstäd- ten liegt der Einzelhandelsumsatz zum Teil deutlich höher; dies ist auch insoweit bemerkenswert, als wie erwähnt der Umsatz des Einzelhandels grundsätzlich enger gefasst ist als die für ihn relevante Kaufkraft.

Drittens: Betrachtet man dagegen die auf die auf den Bundesdurchschnitt bezoge- nen Pro-Kopf-Werte, errechnet sich für alle 15 Großstädte beim Einzelhandelsum- satz ein höherer Betrag als bei der hierfür relevanten Kaufkraft.

Viertens: In der Rangfolge ergeben sich bei einer Pro-Kopf-Betrachtung für beide Einzelhandelsgrößen – abgesehen von einer Ausnahme – keine gravierenden Un- terschiede. Insbesondere liegen München und Düsseldorf jeweils an der Spitze, da- gegen Duisburg, Leipzig und Dresden jeweils am Ende der Skala. Für einige weitere Städte ergeben sich Rangverschiebungen um einen Platz. Lediglich die Städte Frank- furt, Hamburg und Köln verschlechtern sich beim Übergang von der Kaufkraft- zur Umsatzbetrachtung um jeweils zwei Ränge.

Fünftens: Die Rangverschlechterungen der drei zuletzt genannten Städte hängen auch damit zusammen, dass Nürnberg, das 2015 bei der einzelhandelsrelevanten Pro-Kopf-Kaufkraft nur den mittleren Platz 8 belegte, beim Einzelhandelsumsatz je Einwohner auf die dritte Stelle hinter München und Düsseldorf vorgerückt ist und unter anderem Stuttgart, Frankfurt, Hamburg und Köln hinter sich gelassen hat.

Einzelhandelsbezogene Zentralitätskennziffer: Überblick

Durch Bezug des Einzelhandelsumsatzes auf die einzelhandelsrelevante Kaufkraft lässt sich die spezifi sche Kaufkraftbindung einer Stadt ausdrücken. In der IHK-Studie wurde hierfür die einzelhandelsbezogene Zentralitätskennziffer gewählt, in der die beiden Größen in der Dimension je Einwohner und Deutschland = 100 zueinander in Beziehung gesetzt werden. Bei einem Wert über 100 übersteigen die Kaufkraft- zufl üsse die Kaufkraftabfl üsse einer Gebietseinheit, bei einem Betrag unter 100 überwiegen die Abfl üsse gegenüber den Zufl üssen an Kaufkraft, jeweils in Relation zum Bundesdurchschnitt sowie unter Beachtung der unterschiedlichen Abgren- zungen von stationärem Einzelhandelsumsatz und umfassenderer einzelhandelsre- levanter Kaufkraft.13

Hinter diesen Zahlen steht folgende Modellüberlegung: Es wird zunächst unterstellt, dass der Saldo aus Einkäufen von Einwohnern Deutschlands im Ausland und Ein- käufen von Einwohnern des Auslands in Deutschland in etwa ausgeglichen ist, also per saldo kein Kaufkraftab- oder -zufl uss von beziehungsweise nach Deutschland erfolgt; dies ist cum grano salis nicht ganz unrealistisch. Demzufolge wird mit der Verhältniszahl „Einzelhandelsumsatz je einzelhandelsrelevante Kaufkraft“, jeweils bezogen auf Deutschland insgesamt, ausgedrückt, wieviel an einzelhandsrelevanter Kaufkraft der Bevölkerung Deutschlands für Verkäufe des in Deutschland ansäs- sigen Einzelhandels ausgegeben wird. Verglichen mit dieser Relation für Deutsch- land insgesamt, also mit Deutschland = 100 %, beinhaltet ein höherer Wert für eine Stadt (also zum Beispiel 125 %) einen Kaufkraftzufl uss (im Beispiel um 25 % ihrer einzelhandelsrelevanten Kaufkraft), ein geringerer Wert (zum Beispiel 90 %) einen Kaufkraftabfl uss (im Beispiel um 10 % der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft).

Der Einzelhandelsumsatz übertrifft die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in den meisten Großstädten, ...

… relativ zum Bundesdurchschnitt sogar in allen Großstädten

Rangfolge unter den Großstädten bei beiden Pro-Kopf-Indikatoren des Einzel- handels ungefähr gleich

Verschiebungen sind weitgehend durch Situation in Nürnberg zu erklären

Einzelhandelsbezogene Zentralitäts- kennziffer bringt den Umfang der Nettokaufkraftzu- bzw. -abfl üsse einer Stadt zum Ausdruck

(10)

121

Betrachtet man die Zentralitätskennziffer der 15 größten Städte Deutschlands in Tabelle 1 beziehungsweise unten in Abbildung 3, so fällt zunächst Folgendes auf:

Zwar weisen alle Städte insoweit einen Nettokaufkraftzufl uss beim Einzelhandel auf, innerhalb dieser Städtegruppe gibt es jedoch bemerkenswerte Unterschiede.

Absoluter Spitzenreiter ist die Stadt Nürnberg mit einer einzelhandelsbezogenen Zentralitätskennziffer in Höhe von 130,9 Prozent in Relation zum Bundesdurch- schnitt. Bereits an zweiter Stelle folgt Stuttgart mit 121,9 Prozent und führt damit eine Gruppe von weiteren vier Städten an, deren Ziffern zwischen gut 121 und 117 Prozent betragen, nämlich Düsseldorf (121,3 %), Hannover (120,2 %), Bremen (119,6 %) und München (117,0 %). Zwischen 115 und 110 Prozent liegen die für den Einzelhandel bedeutsamen Zentralitätskennziffern der sechs Städte Dortmund (115,0 %), Hamburg (114,2 %), Essen (113,4 %), Frankfurt am Main (113,2 %), Köln (110,8 %) und Berlin (110,6 %). Die Schlusslichter bilden die beiden säch- sischen Städte Leipzig (108,0 %) und Dresden (106,6 %) sowie die dritte Ruhrge- bietsstadt Duisburg (102,8 %).

Die so eingeteilten Städtegruppen stellen kein in sich sehr homogenes Gebilde dar, das heißt, es gibt keine klaren und eindeutigen Kriterien zur Klassifi kation der Groß- städte nach ihrer Einzelhandelszentralität. Tatsächlich dürften verschiedene Aspekte für die Höhe der einzelhandelsbezogenen Zentralität einer großen Stadt bedeutsam sein. An erster Stelle zu nennen sind die infrastrukturellen Gegebenheiten wie vor allem überzeugende Angebote des Einzelhandels, attraktive Einkaufsmöglichkeiten, ergänzende Freizeitangebote und gute Verkehrsanbindungen speziell in der Region;

zusätzlich sind manche Städte bewusst auf den Einkaufstourismus in- und auslän- discher Besucher ausgerichtet.

Darüber hinaus sind verschiedene geografi sche und sozio-ökonomische Rahmenbe- dingungen für die Anziehungskraft eines Einkaufsstandorts und damit die Höhe der Zentralitätskennziffer von Relevanz; ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind nach- folgend einige hierfür wichtige Argumente aufgeführt:

Mit Blick auf die Kaufkraftbindung des Umlands an die betreffende Stadt spielt die Größe ihres Einzugsgebiets und ihre Stellung im regionalen Umfeld eine wesentliche Rolle, also beispielsweise ob die Stadt alleiniges Zentrum eines be- stimmten Gebiets ist (Monozentralität) oder ob sie sich diese Funktion mit an- deren, vergleichbaren Städten teilt (Polyzentralität).

Von Bedeutung ist auch, ob Wohngebiete am Rand der Stadt administrativ als Vororte zur betreffenden Stadt gehören oder selbstständige Gemeinden bilden;

dies ist gerade deshalb von Relevanz, weil in den Rändern einer Stadt in der Regel Haushalte mit guten Einkommensverhältnissen und damit hoher Kaufkraft wohnen.

Überhaupt ein wesentlicher Faktor für den Umfang des Kaufkraftzufl usses, abzulesen aus der Höhe der Zentralitätskennziffer, ist natürlich die Stärke der Kaufkraft des regionalen Umfelds und damit auch das Einkommensgefälle zwi- schen Stadt und Umland; im (aus der Sicht einer Stadt) idealen Fall tätigen ein- kommensstarke Bewohner umliegender Kommunen ihre großen Einkäufe in dieser Stadt.

Statistisch gesehen eher dämpfend auf den Wert dieser Zentralitätskennziffer wirkt schließlich, wenn die Stadt selbst eine relativ hohe Kaufkraft auf sich ver- eint, auch wenn diese in größerem Umfang in den Einzelhandelsgeschäften und Einkaufszentren der Stadt umgesetzt wird – wobei dies natürlich allemal besser ist als ein Kaufkraftabfl uss ins Umland.

Klarer Spitzenreiter bei der Zentrali- tät ist Nürnberg, dann folgt bereits Stuttgart

Zentralität wird bestimmt durch An- gebote und Attraktivität des Einzel- handels, Freizeitmöglichkeiten und Verkehrsverbindungen, …

… aber auch verschiedene geografi sche und sozio-ökonomische Rahmenbedin- gungen

(11)

122

Situation in den einzelnen Städten Nürnberg

Gemessen an diesen Rahmenbedingungen ist die Situation für den Spitzenreiter Nürnberg ausgesprochen günstig: Das Einzugsgebiet ist, wenn man etwa die Me- tropolregion Nürnberg mit ihren 3,5 Millionen Einwohnern als Maßstab nimmt, recht groß. Vor allem aber ist Stadt Nürnberg, wie in der IHK-Studie zutreffend beschrieben, „... der Dreh- und Angelpunkt der eigenen Region, die deutlich stär- ker als Stuttgart auf ihr Zentrum hin ausgerichtet ist.“14 Dabei gehört Nürnberg mit seinen 2013 rund 517 000 Einwohnern zu den eher kleineren Metropolen, und auch die eigene Kaufkraft ist im regionalen Umfeld eher bescheiden: Zwar belegt die “Hauptstadt Frankens“ bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft unter den 15 Großstädten genau den mittleren Platz und bei der allgemeinen Kaufkraft sogar Rang 5 (vgl. Abbildung 1), innerhalb „ihres“ Regierungsbezirks Mittelfranken (mit 2013 über 1,7 Mio. Einwohnern) fällt Nürnberg bei der allgemeinen Kaufkraft je- doch deutlich ab, wie Tabelle 3 zeigt.

Konkret liegt die Stadt Nürnberg beim Verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen um 5,7 Prozent unter dem Durchschnitt des Regierungsbezirks Mittelfranken, schlechter schneidet nur die Stadt Ansbach (Abstand 9,2 %) ab. Insbesondere in den zentrums- nahen Landkreisen Nürnberger Land, Erlangen-Höchstadt, Fürth und Roth sowie in den kreisfreien Städten Schwabach, Fürth und Erlangen erreichte die Kaufkraft 2013 besonders hohe Werte und übertraf den Bezirksdurchschnitt um 2,2 bis 10,8 Pro- zent. Die im Vergleich zu ihrem Einzugsgebiet geringe allgemeine Kaufkraft in der Stadt Nürnberg wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass in den meisten an Mittel- franken unmittelbar angrenzenden Kreisen und kreisfreien Städten ebenfalls eine hö- here Kaufkraft erzielt wurde als in Nürnberg, nämlich in den Landkreisen Forchheim, Bamberg und Bayreuth sowie in der Stadt Bayreuth in Oberfranken, im Landkreis Kitzingen in Unterfranken und im Landkreis Neustadt in der Oberpfalz; lediglich die Stadt Bamberg hat die Kaufkraft Nürnbergs 2013 noch leicht unterschritten.

Nürnberg: Ausgesprochen günstige Rahmenbedingungen aufgrund zentra- ler Stellung im regionalen Umland, ...

... das überdies kaufkräftiger ist als Nürnberg selbst

Regierungsbezirk Regierungsbezirk

= 100 = 100

Landkreis Nürnberger Land 24 544 110,8 36 049 89,7

Landkreis Erlangen-Höchstadt 23 983 108,3 38 847 96,6

Stadt Schwabach 23 573 106,4 36 761 91,4

Stadt Fürth 23 210 104,8 40 007 99,5

Landkreis Fürth 23 005 103,9 33 625 83,6

Stadt Erlangen 22 914 103,5 52 459 130,5

Landkreis Roth 22 628 102,2 34 533 85,9

Landkreis Ansbach 21 483 97,0 33 462 83,2

Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen 21 032 95,0 33 373 83,0

Landkreis Neustadt a.d. Aisch - Bad Windsheim 21 019 94,9 31 459 78,2

Stadt Nürnberg 20 883 94,3 42 389 105,4

Stadt Ansbach 20 110 90,8 38 378 95,5

Regierungsbezirk Mittelfranken 22 148 100 40 209 100

Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen Euro je

Einwohner

Euro je Arbeitnehmer Verfügbares Einkommen

je Einwohner

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer Kreisfreie Stadt

beziehungsweise Landkreis

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt

Tabelle 3: Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner und Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer in den kreisfreien Städten und Landkreisen des Regierungsbezirks Mittelfranken 2013

(12)

123

Auffallend ist weiterhin die starke Diskrepanz zwischen der Kaufkraft und den Ver- dienstmöglichkeiten in und um Nürnberg. So erzielten die Arbeitnehmer 2013 in der Stadt Nürnberg mit 42 389 Euro ein Pro-Kopf-Entgelt, das um 5,4 Prozent über dem Durchschnitt des Regierungsbezirks Mittelfranken lag und nur von der Stadt Erlangen (52 459 Euro je Arbeitnehmer oder 30,5 % über Bezirksdurchschnitt) übertroffen wurde (vgl. Tabelle 3); in allen anderen Kreisen des Regierungsbezirks Mittelfranken und ebenso in den genannten, geografi sch angrenzenden kreisfreien Städten und Landkreisen waren die Verdienstmöglichkeiten der dort arbeitenden Menschen zum Teil deutlich geringer als in Nürnberg. Offensichtlich leben also viele, in Nürnberg gut verdienende Arbeitnehmer nicht in der Stadt selbst, sondern in deren Umland.

Es überrascht deshalb nicht, wenn das Verhältnis „Arbeitnehmerentgelt je Arbeit- nehmer bezogen auf das Verfügbare Einkommen je Einwohner“, das für die 15 Großstädte zum Jahr 2013 in Tabelle 2 aufgelistet ist, in Nürnberg um 10,2 Prozent über dem Bundesdurchschnitt lag. Auch die Intensität der berufl ichen Pendlertätig- keit ist in Nürnberg besonders stark ausgeprägt – die in Tabelle 4 zusammengestellte Relation „Zahl der Erwerbstätigen zu Zahl der Einwohner“ hat in Nürnberg den Bun- desdurchschnitt um 40,0 Prozent überboten und ebenso den Durchschnittswert der Großstädte (123,5 %) deutlich hinter sich gelassen.

Gute Verdienstmöglichkeiten in Nürnberg kommen zunächst dem regionalen Umfeld zugute

Einwohner Erwerbstätige

% Deutschland

= 100

Berlin 3 565,7 1 773,8 49,8 96,7

Hamburg 1 824,2 1 179,8 64,7 125,6

München 1 410,3 1 027,2 72,8 141,4

Köln 1 030,2 708,0 68,7 133,4

Frankfurt/Main 709,4 656,1 92,5 179,6

Stuttgart 623,0 496,2 79,7 154,8

Düsseldorf 598,8 504,4 84,2 163,5

Dortmund 582,9 314,5 54,0 104,9

Essen 575,3 322,1 56,0 108,7

Bremen 550,7 347,9 63,2 122,7

Leipzig 546,3 317,1 58,1 112,8

Dresden 538,4 316,2 58,7 114,0

Hannover 531,8 401,1 75,4 146,4

Nürnberg 516,9 372,5 72,1 140,0

Duisburg 486,8 224,2 46,1 89,5

Großstädte insgesamt 14 090,7 8 961,1 63,6 123,5

Deutschland 82 103,4 42 281,0 51,5 100

Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen Stadt

1000

Erwerbstätige je Einwohner

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt

Tabelle 4: Demografi sche Eckdaten in den Großstädten Deutschlands 2013

(13)

124

Exkurs: Attraktivität des Einzelhandels und Qualität des Wirtschaftsstandorts

In Abbildung 3 sind diese beiden allgemeinen Standortindikatoren der einzelhan- delsbezogenen Zentralitätskennziffer für die 15 Großstädte gegenübergestellt. Allen drei Kenngrößen ist gemeinsam, dass hierbei der Wert einer produktions- bezie- hungsweise arbeitsortbezogenen Größe (Einzelhandelsumsatz; Pro-Kopf-Arbeitneh- merentgelt; Zahl der Erwerbstätigen) in Relation zum Wert einer wohnortbezogenen Kennziffer (einzelhandelsrelevante Kaufkraft; allgemeine Pro-Kopf-Kaufkraft; Zahl der Einwohner) gesetzt wird. Im hier relevanten Kontext hat diese Gegenüberstel- lung mehrere Aufgaben:

Ein hoher Wert der Relation „Erwerbstätige je Einwohner“ signalisiert einen deutlichen Einpendlerüberschuss der betreffenden Großstadt und insoweit auch ein spezifi sches Nachfragepotenzial, als viele Berufspendler einen Teil ihrer Einkäufe am Arbeitsort tätigen dürften, sei es in der Mittagspause oder nach der Arbeit. So gesehen korrespondiert ein Einpendlerüberschuss in der Tendenz grundsätzlich mit der Einzelhandelszentralität einer Stadt, wenngleich die Größenordnung der Zusammenhänge damit nicht erfasst werden kann.

Ein hoher Betrag der Kennziffer „Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer im Ver- hältnis zum Verfügbaren Einkommen je Einwohner“ weist auf eine besondere Attraktivität der Stadt als Arbeitsort im regionalen Umfeld hin, ein niedriger Wert steht dagegen eher für die Funktion als Wohnort. Dabei bestehen durch- aus innere Zusammenhänge zum anderen Wirtschaftsindikator „Erwerbstätige je Einwohner“, also zwischen den Verdienstmöglichkeiten und dem Umfang beziehungsweise der Richtung der Pendlertätigkeit.15

Die spezifi sche Bedeutung einer Stadt als Einkaufsort lässt sich auch daran erkennen, wie die über die einzelhandelsrelevante Zentralitätskennziffer ausge- drückte Attraktivität des Einzelhandels im Vergleich zur allgemeinen wirtschaft- lichen Standortqualität steht, gemessen über die Verdienstmöglichkeiten am Arbeitsort (Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer) in Relation zur allgemeinen Kaufkraft am Wohnort (Verfügbares Einkommen je Einwohner); übertrifft die einzelhandelsbezogene Ziffer diese umfassendere wirtschaftliche Kenngröße, jeweils mit der Dimension Bundeswert = 100, so deutet dies auf einen relativ gesehen starken Einzelhandelsstandort hin.

Aus der Sicht Nürnbergs lassen sich aus der in Abbildung 3 wiedergegebenen Zu- sammenstellung folgende Schlüsse ziehen: Das starke Gewicht des Einzelhandels in der fränkischen Metropole erklärt sich, über die oben erwähnten, dort besonders günstigen infrastrukturellen Gegebenheiten hinaus, auch durch vorteilhafte sozio- ökonomische Rahmenbedingungen. So zählt die Stadt zahlreiche Berufseinpendler, die als Bewohner umliegender Kreise das Nürnberger Nachfragepotenzial vergrö- ßern, zumal es sich bei diesen Pendlern um besonders kaufkräftige Verdiener und ihre Haushalte handeln dürfte; hierfür sprechen jedenfalls die verhältnismäßig sehr guten Verdienstmöglichkeiten am Arbeitsort Nürnberg. Diese stehen im Kontrast zur Kaufkraft der Bevölkerung Nürnbergs, die zu derjenigen im näheren und fer- neren Umland deutlich abfällt. Über das insoweit kaufkräftige regionale Umfeld fl ießt also der Stadt Nürnberg beziehungsweise dem dortigen Einzelhandel wieder Kaufkraft zu, die über die hohen Verdienste der Berufspendler zunächst abgefl ossen ist. Und schließlich: Obwohl Nürnberg auch als Wirtschaftsstandort im Bundesver- gleich nicht schlecht dasteht, zeichnet sich diese Stadt zusätzlich noch als ein be- sonderer Magnet für Einkäufe beim dortigen Einzelhandel aus.

Zur Beschreibung der Situation in den einzelnen Städten werden 3 Indikato- ren verwendet, nämlich …

… Erwerbstätige je Einwohner als Kennziffer für die wirtschaftlichen Verfl echtungen und das Nachfragepo- tenzial, …

… Pro-Kopf-Verdienste am Arbeitsort in Relation zur Pro-Kopf-Kaufkraft am Wohnort zur Bestimmung der Stadt als attraktiver Arbeits- oder Wohnort, …

… einzelhandelsrelevante Zentralitäts- kennziffer zur Einstufung als Einzelhan- delsstandort

Nürnberg damit als besonders bedeut- same Einkaufsstadt anzusehen

(14)

125

Stuttgart

Stuttgart liegt, gemessen an der einzelhandelsbezogenen Zentralitätskennziffer in Höhe von 121,9 Prozent des Bundesdurchschnitts, unter den 15 Großstädten an zweiter Stelle und kann damit zu Recht ebenfalls als attraktiver Einzelhandels- standort bezeichnet werden. In der IHK-Studie wird hervorgehoben, dass dies nicht selbstverständlich ist: Im Vergleich zur bayerischen Landeshauptstadt mit einer deutlich geringeren Ziffer (117,0 %) wird betont, dass München – ähnlich wie Nürnberg – Mittelpunkt einer monozentrisch strukturierten Region ist und „... über seinen Verdichtungsraum hinaus für ganz Oberbayern das Gravitationszentrum für den Einzelhandel darstellt. Trotzdem gelingt es Stuttgart, relativ betrachtet, besser abzuschneiden, was die Kaufkraftbindung angeht. Und das, obwohl die Region (eine) polyzentrische Struktur mit vielen Mittelzentren besitzt. Der Einzelhandel der Landeshauptstadt muss sich also nicht hinter den aufstrebenden Mittelstädten der Region verstecken“.16

Der Einzelhandel Stuttgarts kann erstaunlich viel Kaufkraft aus dem regionalen Umfeld binden, ...

Verhältniszahlen Deutschland = 100

80 100 120 140 160 180 200

Duisburg Dresden Leipzig Berlin Köln Frankfurt am Main Essen Hamburg Dortmund München Bremen Hannover Düsseldorf Stuttgart Nürnberg

Einzelhandelsrelevante Zentralitätskennziffer 2015 Erwerbstätige je Einwohner 2013

Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer/

Verfügbares Einkommen je Einwohner 2013 130,9

140,0 110,2

121,9

154,8 111,3

121,3

163,5 101,4

120,2

146,4 120,8

119,6 122,7 103,6

117,0

141,4 105,6

115,0 104,9

116,9 114,2

125,6 111,5

113,4 108,7

110,8 113,2

179,6 133,3

110,8

133,4 113,1

110,6 96,7

116,2 108,0

112,8 108,8 106,6

114,0 107,2 102,8 89,5

134,4

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt Abbildung 3: Gegenüberstellung der

einzelhandelsrelevanten Zentralitäts- kennziffer 2015 zu demographischen und ökonomischen Relationen in den Großstädten Deutschlands 2013

Quelle: IHK Region Stuttgart, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen

(15)

126

Die Bedeutung Stuttgarts als Einkaufsort für zahlreiche Bewohner seines Umlands und in Konkurrenz zu verschiedenen attraktiven Handelszentren in anderen Städ- ten der Region Stuttgart wurde in der eingangs zitierten Untersuchung ausführlich beschrieben. Dass die baden-württembergische Landeshauptstadt Nürnberg den Vorrang lassen muss, hängt auch mit weniger günstigen sozio-ökonomischen Rah- menbedingungen zusammen. Zwar sind, wie ein Blick auf Abbildung 3 zeigt, in Stuttgart sowohl der Umfang der Nettoeinpendler, gemessen an der Relation „Er- werbstätige je Einwohner“ (154,8 % im Vergleich zu 140,0 % in Nürnberg), als auch die „Verdienstmöglichkeiten im Verhältnis zur allgemeinen Kaufkraft“ (111,3 zu 110,2 %) stärker ausgeprägt, das Kaufkraftgefälle zwischen Stadt und Umland gestaltet sich in Stuttgart jedoch völlig anders als in Nürnberg. Während Nürnberg 2013 beim Verfügbaren Einkommen je Einwohner – gemeinsam mit Ansbach und Bamberg – hinter allen Landkreisen des Regierungsbezirks Mittelfranken sowie ei- nigen angrenzenden Landkreisen zurückgeblieben ist, erfreut sich Stuttgart zusam- men mit dem Rems-Murr-Kreis der höchsten Kaufkraft innerhalb seiner Region (vgl.

Abbildung 4). Überdies sind die Unterschiede zu den drei zentrumsnahen Landkrei- sen Ludwigsburg, Esslingen und Böblingen verschwindend gering – sie betragen ge- rade 1 Prozent; der Abstand zum eher peripheren Landkreis Göppingen beläuft sich auf 6,2 Prozent. Die potenziellen Kunden aus dem unmittelbaren Umland sind also im Prinzip genau so kaufkräftig wie in Stuttgart selbst, während der Einzelhandel in Nürnberg mit insoweit deutlich höherem Kaufkraftzufl uss rechnen kann.

Auch bezüglich der Verdienstmöglichkeiten ist die Situation in der Region Stuttgart anders als im Raum Nürnberg, wo die Städte Erlangen und Nürnberg beim Ar- beitnehmerentgelt je Arbeitnehmer einsam an der Spitze liegen und insbesondere

… obwohl das regionale Kaufkraftge- fälle deutlich schwächer ist als etwa im Raum Nürnberg

Bezüglich der Arbeitnehmerverdienste ist die Situation in der Region Stuttgart deutlich differenzierter

0 5 10 15 20 25

Region Stuttgart Kreis

Göppingen Kreis

Böblingen Kreis

Esslingen Kreis

Ludwigsburg Stadt

Stuttgart Rems-Murr-

Kreis

Tsd. €/EWVerfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner

23,0 23,0 22,9 22,9 22,8 22,8

21,7

0 10 20 30 40 50

Region Stuttgart Rems-Murr-

Kreis Kreis

Göppingen Kreis

Esslingen Kreis

Ludwigsburg Stadt

Stuttgart Kreis

Böblingen

Tsd. €/AN Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer

49,0 47,2

42,8 42,4

39,8

44,4 38,8

Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt Abbildung 4: Gesamtwirtschaftliche

Pro-Kopf-Indikatoren in der Stadt Stuttgart und den Landkreisen der Region Stuttgart 2013

Quelle: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen

(16)

127

alle Landkreise hinter sich lassen. In der Region Stuttgart dominiert dagegen ein Landkreis, nämlich Böblingen, noch vor der Landeshauptstadt; die anderen Land- kreise fallen merklich ab, deutlich stärker jedenfalls als bei der Kaufkraft. Am Ende der Pro-Kopf-Arbeitnehmerverdienste liegt übrigens der bei der Kaufkraft führende Rems-Murr-Kreis, was wiederum ein Indiz dafür ist, dass zahlreiche in Stuttgart gut verdienende Pendler bevorzugt in dessen Umland wohnen.

Schließlich überragt in Stuttgart die Zentralitätskennziffer für den Einzelhandel die für den gesamten Wirtschaftsstandort stehende Relation „Pro-Kopf-Arbeitneh- merentgelt zu allgemeiner Pro-Kopf-Kaufkraft“, was für Stuttgart als ausgeprägten Einzelhandelsstandort spricht.

Zusammengefasst lässt sich also feststellen: Gerade auch in Anbetracht der im Ver- gleich zum Spitzenreiter Nürnberg weniger günstigen sozio-ökonomischen Rahmen- bedingungen kann Stuttgart als ein wirklich attraktiver Einkaufsstandort bezeichnet werden. Oder mit anderen Worten: Stuttgart ist im Reigen der deutschen Groß- städte nicht nur ein herausragender Wirtschaftsstandort im Allgemeinen, sondern auch eine beliebte Einkaufsstadt im Besonderen.

Düsseldorf

Bei der einzelhandelsrelevanten Zentralität knapp hinter Stuttgart liegt Düsseldorf mit einer Kennziffer in Höhe von 121,3 Prozent zum Bundesdurchschnitt. Weitere Parallelen beider Landeshauptstädte bestehen nicht nur bezüglich der Bevölkerungs- größe (im Jahresdurchschnitt 2013: 623 000 Einwohner in Stuttgart, 599 000 in Düsseldorf), sondern auch in Bezug auf die beiden in Abbildung 3 abgebildeten Wirtschaftsindikatoren: Dabei erreichte Düsseldorf bei der Pendlerintensität in Höhe von 163,5 Prozent der Erwerbstätigen je Einwohner im Vergleich zum Bundesdurch- schnitt 2013 einen leicht höheren Wert als Stuttgart mit 154,8 Prozent, bei den Verdienstmöglichkeiten in Relation zur Kaufkraft liegt dagegen Stuttgart vorn, und zwar mit 111,3 Prozent gemessen am Bundesdurchschnitt recht deutlich gegenüber 101,4 Prozent in Düsseldorf.

Demgegenüber ist das Kaufkraftgefälle innerhalb der Region Düsseldorf/Mittlerer Niederrhein17 stärker ausgeprägt als in der Region Stuttgart (vgl. Abbildung 5). Ins- besondere dominiert Düsseldorf doch merklich innerhalb seiner Region noch vor dem Landkreis Mettmann und dem Rhein-Kreis Neuss, während Stuttgart (praktisch gleichauf mit dem Rems-Murr-Kreis) sich nur schwach von den anderen zentrums- nahen Landkreisen abhebt. Vor allem aber ist die Situation gerade umgekehrt wie in Nürnberg, das wie ausgeführt als Einkaufsstadt von einem deutlich kaufkraftstär- keren Umland profi tiert. Außerdem ist Düsseldorf als Zentrum einer Region nicht so dominant wie Nürnberg oder auch München, weil die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt auch in Konkurrenz zu anderen Großstädten steht wie vor allem zur nahe gelegenen Millionenstadt Köln.

Die im Vergleich zu Stuttgart ausgeprägtere Dominanz von Düsseldorf innerhalb der jeweiligen Region lässt sich im Übrigen auch daran erkennen, dass die niederrhei- nische Großstadt beim Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer ebenfalls unangefoch- ten vorne liegt; dabei ist das Gefälle zwischen den einzelnen kreisfreien Städten und Landkreisen bei den Verdienstmöglichkeiten ähnlich ausgeprägt wie bei der Kaufkraft, die wie ausgeführt innerhalb der Region Stuttgart deutlich gleichmäßiger verteilt ist.

Hannover und Bremen

Die beiden norddeutschen Städte Hannover und Bremen reihen sich insoweit gut in die drei bisher untersuchten Städte ein, als sie mit ihren Einwohnerzahlen (532 000 bzw. 551 000 Einwohner) in eine vergleichbare Größenordnung fallen und bezüg- lich ihrer einzelhandelsbezogenen Zentralitätskennziffern (120,2 bzw. 119,6 % im Vergleich zum Bundesdurchschnitt) nur unwesentlich unter den Werten von Stutt-

Trotz weniger günstiger Rahmenbe- dingungen als etwa in Nürnberg kann Stuttgart als sehr attraktiver Einkaufs- standort angesehen werden

Hohe Kaufkraftbindung aus dem Um- land auch bei Düsseldorf, …

… allerdings dominiert Düsseldorf innerhalb seiner Region sowohl bei der Kaufkraft …

… als auch bei den Verdienstmöglich- keiten

Hohe Zentralität des Einzelhandels und starke wirtschaftliche Verfl echtungen mit dem Umland ebenso bei Hannover und Bremen

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