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Gefährdete Heilkunde? – Heilung ist möglich!

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Gefährdete Heilkunde? –

Heilung ist möglich!

Von dem Internisten Bernhard Naunyn wurde Ende des 19. Jahrhunderts der Satz überliefert: „Medizin muss Wissenschaft sein, oder sie wird nicht sein.“

Diese Aussage gilt angesichts der rasanten Fortschritte in Diagnostik und Therapie unverändert fort. Aller- dings bedarf es zur Erzielung des größtmöglichen Nutzens für unsere Patienten einer subtilen Heilkunst, die bereits in der Lehre, aber auch in den Praxen und Kliniken einen höhe- ren Stellenwert erhalten sollte. Dies deshalb, weil Medizin eben keine exakte Naturwissenschaft ist, son- dern eine heilkundliche psychosoma- tische Patienten-Arzt-Interaktion, die sich unter anderem naturwissen- schaftlicher Methoden und Techni- ken bedient. Dies ist kein Wider- spruch, denn die Wirkung der

„Droge“ Arzt ist vielfältig untersucht.

Für den Erhalt und die Weiterent- wicklung einer humanen Medizin müssen Soma und Psyche, Technik und menschliche Interaktion nicht als Gegensätze gesehen, sondern gleichrangig im Blick behalten wer- den. Nur so sind die berechtigten Hoffnungen, Erwartungen und Wün- sche unserer Patienten zu erfüllen.

Aber auch nur so ist es möglich, Enthusiasmus und Freude in der täg- lichen Arbeit über ein langes und erfülltes Berufsleben zu bewahren.

Dieser innerärztlichen Sicht auf die Profession steht ein gesellschaftli- ches Umfeld gegenüber, das die Medizin in ein zunehmend engeres Korsett von Justifizierung, Bürokrati- sierung und Ökonomisierung presst, das uns Ärzten zunehmend die Luft nimmt.

Um es gleich vorab zu sagen:

Moderne Medizin ist ohne sichere ökonomische Basis und eine rechtssi- chere Verwaltung undenkbar. Weit schwieriger ist die Frage zu beant- worten, ob die Ökonomie der Medi- zin dient – wie wir Ärzte es verste- hen –, oder ob die Medizin dem öko-

nomischen Kalkül und Profitstreben untergeordnet wird, und zwar auf dem Rücken von Ärzten und Patien- ten. Daran sind viele Berufsgruppen beteiligt, nicht nur die Betriebswirte.

Auch an der Ärzteschaft geht die Entwicklung hin zur Entsolidarisie- rung leider nicht vorbei.

Letzterem Fehlverständnis muss eine klare Absage erteilt werden, denn der Arztberuf ist keine beliebig aus- tauschbare Gesundheitsdienstleis- tung. Er ist und bleibt ein freier Beruf! Nicht zuletzt deshalb ver- trauen die Bürger ihren Ärzten, aber nicht mehr dem Gesundheitssystem, in dem es, durch Fehlanreize bedingt, sinnentleerte aber lukrative Überver- sorgung und Befürchtungen vor Unterversorgung für Alte und Multi- morbide geben soll.

Nachdem der SPIEGEL (Heft 51/2016) über die „Krankenfabrik“

und die ZEIT (Nr. 4/2016) über den steigenden Kostendruck in den Klini- ken und dessen dubiosen „Abfede- rungsbemühungen“ berichteten, ist es an der Zeit, unsere ärztlich ethi- sche Perspektive zu bekräftigen und zu verteidigen, wie sie im hippokrati- schen Eid und unseren Berufsord- nungen festgeschrieben ist.

Ich meine, dass die gerechte Vertei- lung medizinischer Leistung einer transparenten Priorisierung folgen sollte, die von einem breiten gesell- schaftlichen Konsens getragen wird.

Der Deutsche Ethikrat hat sich 2016 in einer Stellungnahme zur stationä- ren Krankenversorgung umfänglich kritisch und dezidiert geäußert. Aus jüngster Zeit besonders überzeugend und handlungsleitend sind die The- sen des Klinischen Ethikkomitees des Klinikums Augsburg zu Ökonomie und Medizin (siehe Kasten). Diese vom Gesamtvorstand des Klinikums Augsburg (Geschäftsführung, Chef- ärzten, Pflege und Seelsorge) kon- sentierten acht Thesen können Vor- bild auch für andere Krankenhäuser sein.

Gespannt sein darf man auch auf das in These 8 angekündigte Leitbild, das den Beschäftigten als Orientie- rungshilfe im Alltag dienen soll. Die schwierige Balance zwischen Ökono- mie, Medizin und Ethik muss so dar-

gestellt werden, „dass Prioritäten und Grenzen des Denkens und Han- delns klar erkennbar sind.“

Ein zeitgemäßes und mutiges Unter- fangen, das wir als Landesärztekam- mer ausdrücklich begrüßen.

Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze Ehrenpräsident der Sächsischen Landesärztekammer

Editorial

92 Ärzteblatt Sachsen 3 / 2017

Thesen des Klinikums Augsburg 1. Verpflichtung gegenüber dem Ver-

sorgungsauftrag

Das Klinikum Augsburg ist Teil der Daseinsvorsorge in der Region. Sein Zweck ist die Behandlung von Patien- ten gemäß deren gesundheitlichen Erfordernissen. Alle Beschäftigten sind dieser Richtschnur grundsätzlich verpflichtet.

2. Prioritäres Ziel: Patientenzentrie- rung

Die körperliche bzw. seelische Unver- sehrtheit der Patienten im Leben und Sterben und die Erfüllung des Versor- gungsauftrags haben stets Vorrang vor erlösorientierten Entscheidungen.

3. Gleichbehandlung aller Patienten Die Patienten des Klinikums werden in

medizinisch relevanten Fragen unge- achtet ihres Geschlechts, der Nationa- lität, der Religion, des Versichertensta- tus u.a. gleich behandelt.

4. Reflexion äußerer Einflüsse Leitung und Führungskräfte des Klini-

kums erkennen an, dass dem wirt- schaftlichen Druck von außen eine ethische Reflexion von innen entge- genwirken muss und richten ihr Han- deln danach aus.

5. Ethisches Denken und Handeln auf allen Ebenen

Ethische Reflektion ist nicht nur eine Führungsaufgabe, sondern Grundlage der Tätigkeit aller Beschäftigten.

6. Vermeidung von Fehlanreizen Kriterien für variable Entgeltbestand-

teile werden so gestaltet und fortlau- fend dahingehend überprüft, dass ein Einfluss auf Behandlungsindikation und -qualität ausgeschlossen ist.

7. Strukturierter Prozess zur Lösung ethischer Konflikte

Konflikte zwischen ökonomischen und medizinischen Notwendigkeiten sind Realität. Alle Beschäftigten sind aufgerufen, sie offen anzusprechen und einem lösungsorientierten struk- turierten Dialog z.B. unter Einbezie- hung des Klinischen Ethikkomitees zuzuführen.

8. Leitbild

Als Orientierungshilfe für die Beschäf- tigten wird die Balance zwischen Öko- nomie, Medizin und Ethik in einem Leitbild so dargestellt, dass Prioritäten und Grenzen des Denkens und Han- delns klar erkennbar sind.

Die Thesen finden Sie unter www.klinikum-augsburg.de

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