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Ein Fünf-Punkte-Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise: es gibt keine kleinen Lösungen für große Probleme

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Ein Fünf-Punkte-Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise: es gibt keine kleinen

Lösungen für große Probleme

Von Dirk Messner, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

vom 11.09.2015

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Ein Fünf-Punkte-Plan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise:

es gibt keine kleinen Lösungen für große Probleme

Bonn, 10.09.2015. Europa kann keine Inseln der Glück- seligen sein, weil grenzüberschreitende Krisen durch Mauern, Wegschauen und nicht-Handeln nicht einfach verschwinden. Das ist die Lehre von 2015: Finanz- marktkrisen und Griechenland, Ebola, Charlie Hebdo und islamistischer Terror mitten in Europa, weltweite Datenspionage bis ins Kanzleramt, das Elend der Flüchtlinge. 2015 ist kein ungewöhnliches Krisenjahr, auf das wieder ruhigeres Fahrwasser folgt. Unter Be- dingungen umfassender Globalisierung müssen wir endlich lernen, deren Bumerangeffekte dauerhaft zu beherrschen, wenn Wohlstand und Demokratie eine Zukunft haben sollen.

Für die Flüchtlingskrise bedarf es eines umfassenden Ansatzes, eines Fünf-Punkte-Plans, um Eskalationsdy- namiken einzudämmen und Menschleben sowie unse- re Vorstellung von Humanismus zu retten. Keine der notwendigen Initiativen ist einfach, alle benötigen langen Atem, hohen Ressourceneinsatz und mutige politische Reformen.

Erstens sollte Europa, gemeinsam mit den USA und unter Einbeziehung Russlands, des Irans, Saudi Arabi- ens, Ägyptens und Tunesiens einen Prozess zur lang- fristigen Stabilisierung und Neuordnung der MENA- Region anstoßen. So wie Europa nach dem Krieg neu aufgebaut wurde, gilt es nun, den Nahen- und Mittle- ren Osten „neu zu erfinden“. Schnelle Lösungen sind ausgeschlossen, deshalb muss rasch begonnen werden.

Gesucht werden pragmatische Visionäre vom Typus des gerade verstorbenen Egon Bahr, die trotz oder we- gen der verfahrenen Situationen in Syrien, Irak, Libyen, Jemen einen multilateralen Prozess entwerfen, um Staatenzerfall, Krieg, Islamistischen Terror und Flücht- lingselend nach und nach einzuhegen.

Zweitens ist ein großer Anlauf von UN, EU, G 7 und G 20 gefordert, um faire und menschenwürdige Lösun- gen für 60 Millionen Flüchtlinge weltweit zu suchen.

Beschämend genug, dass wir Europäer uns dieser Auf- gabe erst zuwenden, nachdem ein kleiner Teil diese entwurzelten Menschen sich auch Richtung Europa aufmacht. Länder wie Jordanien, Libanon, die Türkei oder auch Pakistan, Uganda, Tschad mit deutlich höhe- ren Flüchtlingszahlen (pro Einwohner) als in Europa, müssen massiv unterstützt werden. Wie können multi- lateral geschützte Sicherheitszonen für Flüchtlinge geschaffen werden? Wie können Flüchtlingslager ent- stehen, die Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit und damit die Endlosschleife von Apathie und Gewalt ver- meiden. Wie können faire Lastenverteilungen für zu- künftige Klimaflüchtlinge, z.B. aus den pazifischen Inselstaaten und von Dürre bedrohten afrikanischen Ländern, aussehen?

Drittens müssen wir in Deutschland und Europa unsere Hausaufgaben machen und für eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen und deren Integration sorgen. Es geht um Flüchtlingspolitik und Einwande- rungspolitik im weiteren Sinne. Damit sind finanzielle, institutionelle, arbeitsmarkt-, sozial- und bildungspoli- tische, aber vor allem auch moralische Herausforde- rungen verbunden. Politik und Zivilgesellschaft sind gefordert, damit die größte Flüchtlingskrise nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in einer humanitären Bank- rotterklärung Europas mündet. Wie kann zirkuläre Migration gestaltet werden, um Menschen in Deutsch- land Arbeit zu ermöglichen und deren spätere Wieder- eingliederung in stabilisierten Herkunftsländern zu fördern? Wie kann europäische Zusammenarbeit aus- sehen, um Zuspruch für die Viktor Orbans Europas zu minimieren? Wie können Kriegsflüchtlinge geschützt und humanitär vertretbare Lösungen für Menschen entwickelt werden, die auf eine bessere ökonomische Zukunft in Deutschland und Europa hoffen?

Viertens müssen Fluchtursachen bekämpft werden.

Flüchtlinge kommen aus Kriegsgebieten und zerfalle- nen Staaten, Ländern mit desolaten ökonomischen Perspektiven oder aus Diktaturen, in denen Menschen- rechte mit Füßen getreten werden. Keine dieser Pro- blemlagen ist rasch zu „beheben“, doch Entwicklungs- politik, kluge Diplomatie und Sicherheitspolitik können wirksam sein und Entwicklungs- und Lebensperspekti- ven eröffnen. Das kostet Geld, Zeit und Kreativität. Die Afrikapolitik Deutschlands und Europas muss entspre- chend neu ausgerichtet und ausgebaut werden. Europa muss seine Aktivitäten in den Balkanstaaten signifikant verstärken. Wirksame Klimapolitik ist präventive Flüchtlingspolitik.

Fünftens ist die Bildungspolitik gefragt. Die nächsten Generationen müssen lernen, in einer offenen, hetero- generen Einwanderungsgesellschaft zu leben. Dazu ge- hören Kenntnisse des Islam genauso wie der Umgang mit unvermeidbaren Konflikten in gesellschaftlichen Stresssituationen, Toleranz und die Verpflichtung aller auf Demokratie und Menschenrechte. Die Bildungspo- litik muss außerdem darauf vorbereiten, dass globale Kooperation und Weltblick Grundvoraussetzungen für Frieden und Wohlstand in einer eng vernetzten Welt sind. Immanuel Kant hatte schon Ende des 18. Jahr- hunderts, in der entstehenden Epoche der Aufklärung gemahnt: es reicht nicht Staatsbürger einer Nation zu sein – die Menschen müssten Weltbürger werden. Dies ist eine zentrale Aufgabe, damit die internationale Ge- meinschaft nicht in einem Meer unsteuerbarer Konflik- te versinkt.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 11.09.2015

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