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Deutschland und Europa dürfen in Nordafrika nicht aufgeben

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Der Frühling kommt jedes Jahr

Deutschland und Europa dürfen in Nordafrika nicht aufgeben

Von Annabelle Houdret und Mark Furness, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

vom 26.02.2018

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Deutschland und Europa dürfen in Nordafrika nicht aufgeben

Bonn, 26.02.2018. Zum siebten Geburtstag des

“Arabischen Frühlings“ sind die Hoffnungen auf mehr soziale Gerechtigkeit, Mitbestimmung und Transpa- renz in der Politik und bessere öffentliche Dienstleis- tungen in Nordafrika noch nicht erfüllt. Doch Deutsch- land und die EU dürfen die Region nicht aufgeben.

Denn was im Jahr 2011 dort begonnen hat, ist mit Europas eigener demokratischer Transformation ver- gleichbar, die mehrere Generationen gedauert hat bis sie nach 1945 endlich verankert wurde. Und es kom- men auch positive Meldungen aus Nordafrika: In Tune- sien prägt die Zivilgesellschaft aktiv den Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit, Transparenz und Beteiligung. In Marokko bietet die Dezentralisierungsreform trotz schleppender Umsetzung Perspektiven für eine bür- gerorientierte Politik. Beide Länder haben neue, demo- kratischere Verfassungen. Und in beiden Ländern hat sich seit 2011 eine neue Protestkultur entwickelt und sorgt durchaus für eine neue Qualität öffentlicher De- batten. Auch in Libyen und Ägypten versuchen mutige Menschen, den Regimen eine verantwortungsvollere Politik abzuringen.

Was können Deutschland und die EU bewirken, um den Wandel in der arabischen Welt konstruktiv zu unter- stützen? Zunächst sah es 2011 so aus, als würden statt autoritären Herrschern nun Demokratiebewegungen unterstützt. Doch aktuell scheinen Flüchtlingsdeals, Terrorbekämpfung und die vom Internationalen Wäh- rungsfonds erzwungene Sparpolitik wieder wichtiger zu sein als langfristige Entwicklung. Vertrauen in einen demokratischen Prozess kann so nicht gestärkt werden.

Sieben Jahre nach dem Beginn der Aufstände gegen autoritäre Regime – und gegen die sie unterstützende Politik des Westens – sollten Deutschland und die EU ihre Strategie in Nordafrika überdenken. Drei Maß- nahmen könnten helfen:

Erstens sollte Nordafrika nicht auf seine Rolle im Um- gang mit Migration reduziert werden, auch wenn es hierfür eine wichtige Bedeutung hat. Ebenso lassen sich Entwicklungsprobleme nicht auf „Fluchtursachen“

reduzieren – eine sichere Wasserversorgung, bessere Bildung und Gesundheit verbessern die Entwicklungs- chancen auch dann, wenn sie nicht unmittelbar Migra- tion entgegenwirken. Deshalb kann Flüchtlings- und Migrationspolitik auch Projekte der Entwicklungszu- sammenarbeit (EZ) einschließen. Keinesfalls sollte letztere jedoch auf die „Fluchtursachen“ beschränkt werden. Letztlich wird auch die beste EZ Flucht und Migration nie umfassend verhindern und kann deshalb nur glaubwürdig bleiben, wenn sie ihre Daseinsberech- tigung jenseits dieses stark politisierten Themas be- wahrt. Zudem prägt die Politik auch unser Bild von den Menschen aus der Region, die nicht auf potentielle Migranten reduziert werden dürfen. Die EU und

Deutschland sollten den häufig rücksichtslosen Um- gang lokaler Sicherheitskräfte mit Migranten und Flüchtlingen stärker kritisieren: Polizeiliche Übergriffe und das Verschleppen von Migranten von Europa an den Rand der Wüste Marokkos und Algeriens dürfen nicht toleriert werden.

Zweitens sollte die deutsche und europäische Nordafri- kapolitik den Wandel innerhalb des afrikanischen Kon- tinents anerkennen. Die Länder im Norden des Konti- nents bleiben kulturell, sprachlich und religiös eng mit der arabischen Welt verbunden, wenden sich in den vergangenen Jahren jedoch immer stärker dem südli- chen Afrika zu. So stärkt die Rückkehr Marokkos in die Afrikanische Union (AU) den wirtschaftlichen und politischen Einfluss des Landes auf dem Kontinent.

Auch die Zivilgesellschaft orientiert sich zunehmend an Erfahrungen von NGOs in Subsahara-Afrika, etwa bei der Korruptionsbekämpfung. Deshalb sollten Deutsch- land und die EU viel stärker auch die Süd-Süd- Kooperation fördern, zum Beispiel über eine engere Verzahnung von EU -Assoziierungsabkommen mit nordafrikanischen Ländern und der EU-Partnerschaft mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks.

Drittens sollte die Nordafrikapolitik bei dem Ruf nach mehr Investitionen der Privatwirtschaft – wie etwa im Marschall-Plan mit Afrika – nicht vergessen, dass nur verzahnte fundamentale politische und ökonomische Reformen Entwicklungsperspektiven schaffen können.

Jeder wirtschaftliche Gewinn, der an etablierte Eliten fließt und nicht der breiten Bevölkerung zugute- kommt, wird das politische System langfristig destabi- lisieren und nicht zur “Fluchtursachenbekämpfung“

beitragen. Stattdessen sollten die Prinzipien demokra- tischer Regierungsführung – etwa politische Teilhabe, Transparenz und Rechenschaftspflicht –stärker in die Konditionierung von EZ-Mitteln einfließen. Maßnah- men wie ein besserer Zugang zum europäischen Bin- nenmarkt für Waren und Dienstleistungen von nordaf- rikanischen Ländern sind weiterhin dringend notwen- dig.

Chancen, diese Punkte voran zu bringen, gibt es reich- lich im Kontext des ‚Marshall-Plans mit Afrika‘, bei den Bestrebungen von Frankreichs Präsident Macron für eine neue Afrikapolitik Europas und wenn Deutschland 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Nicht zuletzt ist Deutschlands Ansehen in der Region auf- grund seiner Unterstützung von Flüchtlingen aus der Region und der langjährigen Entwicklungszusammen- arbeit positiv. Deutschland hat jetzt die Chance, ein

"Player" in Nordafrika zu sein. Denn zu den nächsten Geburtstagen von Nordafrikas Aufständen braucht die Bevölkerung mehr als ‚viel Glück‘.

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 26.02.2018

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