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Kapitel 5: ENERGIENACHFRAGE UND GLOBAL NACHHALTIGE ENERGIESYSTEME

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Kapitel 5: E

NERGIENACHFRAGE UND GLOBAL NACHHALTIGE

E

NERGIESYSTEME

Gliederung

5. Energienachfrage und global nachhaltige Energiesysteme 5.1 Determinanten der Energienachfrage

5.2 Steuerung der Energienachfrage und des Energieangebots 5.3 Global nachhaltige Energiesysteme

5.4 Der Klimawandel und seine Kosten

5.1 Determinanten der Energienachfrage

Die Energienachfrage in einem Land oder einer Region und ihre Veränderung hängt von verschiedenen Determinanten ab.

Aus mikroökonomischer Sicht sind dies:

- Preise der verschiedenen Energieträger und Preiselastizitäten der Nachfrage

- Präferenzen der Nachfrager

- Höhe der verfügbaren Einkommen und Einkommenselastizitäten der Nachfrage

Dabei eigenen sich vor allem die Preise für eine wirtschaftspolitische Einfluss- nahme.

Aus makroökonomischer Sicht sind die in der folgenden Gleichung enthalte- nen Variablen wichtig:

- Y EN

EN B B Y

= ⋅ ⋅

mit EN: Energienachfrage B: Bevölkerung Y: Einkommen Dabei ist Y

Bdas Pro-Kopf-Einkommen und EN

Y die Energieintensität (bzw.

Y

EN die Energieproduktivität). Für eine wirtschaftspolitische Einflussnahme bietet sich einerseits der Zusammenhang zwischen EN und Y

B an, der je nach den Konsumgewohnheiten in einem Land variiert und durch mikroöko- nomische Politiken beeinflusst werden kann. Andererseits ist durch geeignete Massnahmen die Energieintensität tief bzw. die Energieproduktivität hoch zu halten.

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5.2 Steuerung der Energienachfrage und des Energieangebots Bei der Steuerung der Energienachfrage kommt es auf zwei Aspekte an:

a) quantitativ:

Wünschenswert ist eine Entkoppelung von Bevölkerungs- und Ein- kommensanstieg vom Anstieg der Energienachfrage. Die Energie- nachfrage sollte prozentual weniger steigen als die Bevölkerung.

b) qualitativ:

Wünschenswert ist, dass sich die Energienachfrage künftig stärker auf erneuerbare bzw. (global) nachhaltige Energieträger erstreckt als dies bisher der Fall ist.

Für die entsprechenden Umsteuerungen kommen die üblichen ökonomischen Instrumente zum Tragen:

- Preissteuerungen - Mengensteuerungen.

Wegen der höheren ökonomischen Effizienz ist eher Preissteuerungen der Vorzug zu geben.

Auch bei der Steuerung des Energieangebots spielen zwei Aspekte eine Rolle:

a) quantitativ:

Es soll weltweit genügend Energie verfügbar sein. Der Zugang zu moderner Energie ist ein wichtiges Beitrag zu Armutbekämpfung und Entwicklung. Der Zugang zu moderner Energie ist ab 2020 für die gesamte Weltbevölkerung gesichert zu sichern und alle Menschen sollten ab diesem Zeitpunkt mindestens 500 kWh pro Kopf und Jahr zur Deckung des elementaren Bedarfs an Endenergie zur Verfügung haben. Bei allen Maßnahmen zur Transformation der Energiesysteme ist dabei auf eine Verringerung der sozioökonomischen Disparitäten zu achten. Der Anteil für Energieausgaben am Haushaltseinkommen sollte 10% nicht übersteigen. Der Zugang zu moderner Energie ist auch ein zentraler Beitrag zur Erfüllung der in der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen vereinbarten Entwicklungsziele. (WBGU 2003:

Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit, Zusammenfassung S. 7)

b) qualitativ:

Es sollen stärker als bisher erneuerbare bzw. (global) nachhaltige Energieträger angeboten werden.

Auch hier sind wiederum Preis- und Mengensteuerungen als öko- nomische Instrumente von Bedeutung.

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5.3 Global nachhaltige Energiesysteme

Im Sinne der eben erwähnten allgemeinen Überlegungen erscheinen folgende Massnahmen sinnvoll:

a) Energieproduktivität erhöhen

Um den Ressourcenverbrauch zu minimieren, sollte die globale Energieproduktivität (Bruttoinlandsprodukt pro Energieeinsatz) jähr- lich zunächst um 1,4% und möglichst bald um mindestens 1,6% ge- steigert werden. Dies entspräche einer Verdreifachung der Energie- produktivität bis 2050 gegenüber 1990. Bis 2050 sollten zudem bei großen, fossil betriebenen Kraftwerken Mindestwirkungsgrade von über 60% angestrebt werden. Dazu wäre folgendes empfehlenswert:

• ab 2005, ausgehend von der entsprechenden EU-Richtlinie, die stufenweise Etablierung internationaler Standards für Min- destwirkungsgrade fossil betriebener Kraftwerke;

• bis 2012 20% des Stroms in der EU durch Kraft- Wärme- Kopplung (KWK) zu erzeugen. Insbesondere ist das Potenzial verteilter Erzeugung zu nutzen. Dazu sollte sich die Bundes- regierung innerhalb der EU für die zügige Festlegung verbindlicher nationaler Zielquoten einsetzen.

• ökologische Finanzreformen als wesentliche Instrumente zur Schaffung von Anreizen für mehr Effizienz einzuleiten. Dazu gehören Maßnahmen zur Internalisierung externer Kosten (z.B. CO2- Steuer, Zertifikatehandel) und der Abbau von Sub- ventionen für fossile und nukleare Energieträger. Effekte sol- cher Massnahmen sind bei den Endverbrauchern im Transportbereich und im Hinblick auf die Entwicklung verbes- serter Technologien zu erwarten

• die Endverbraucher besser zu informieren, um die Energieeffi- zienz zu steigern, z.B. durch Kennzeichnungspflichten für alle energieintensiven Güter, Gebäude und Dienstleistungen. Bei Gütern, die international gehandelt werden, ist eine län- derübergreifende Harmonisierung von Effizienzstandards und Labels empfehlenswert.

• die großen Effizienzpotenziale in der Nutzung der Heiz- und Kühlungsenergie durch ordnungsrechtliche Regelungen be- züglich des Primärenergiebedarfs von Gebäuden auszu- schöpfen.

b) Erneuerbare Energien erheblich ausbauen

Der Anteil der erneuerbaren Energien am globalen Energiemix sollte bis 2020 von derzeit 12,7% auf 20% erhöht werden, mit dem langfris- tigen Ziel, bis 2050 über 50% zu erreichen. Ökologische Finanzre- formen werden zu einer Verteuerung fossiler und nuklearer Energie- träger führen und damit deren Anteil am globalen Energiemix zurück- drängen. Der Anteil erneuerbarer Energien wird folglich ansteigen. Da dieser Anstieg jedoch deutlich unter der angestrebten Erhöhung auf 20% bzw. 50% liegen wird, ist ein aktiver Ausbau erneuerbarer Ener- gien zu empfehlen. Zu empfehlen sind insbesondere folgende Punkte:

• dass sich die Länder auf nationale Quoten für erneuerbare Energieträger einigen. Um die Kosten zu minimieren, sollte bis 2030 ein weltweites System international handelbarer Quoten angestrebt werden. In solch einem flexiblen System sollte allerdings jedes Land verpflichtet werden, einen wesentlichen

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Teil seiner Quote im Rahmen der einheimischen Energiegewinnung zu erfüllen.

• Markteinführungsstrategien (z. B. zeitlich begrenzte Subventionen, Einspeisevergütungen, Quotenmodelle) fortzu- setzen und auszubauen. Bis ein nennenswertes Marktvolu- men erreicht wird, zählen Einspeisevergütungen mit einer zeitlichen Degression der Vergütungssätze zu den besonders sinnvollen Optionen. Wenn ein ausreichend großes Marktvo- lumen einzelner Energieträger erreicht ist, sollte die Förderung in ein System handelbarer Quoten und gegebenenfalls von Green Energy Certificates überführt werden.

• die Verbreitung und Weiterentwicklung der Technologien des solaren und energieeffizienten Bauens entschieden zu för- dern.

• personelle und institutionelle Kapazitäten in den Entwicklungs- ländern aufzubauen und zu stärken sowie den Technologie- transfer zu intensivieren, um damit die Rahmenbedingungen für den Aufbau nachhaltiger Energiesysteme zu verbessern.

c) Aus der Kernkraft aussteigen

Es sollten keine neuen Kernkraftwerke mehr genehmigt und bis 2050 weltweit die Nutzung der Kernkraft beendet werden. Dazu sind zu empfehlen:

• internationale Verhandlungen für den Ausstieg aus der Nut- zung der Kernkraft. Der Beginn könnte eine Statutenänderung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) sein.

• bis 2005 die Etablierung neuer, schärferer IAEA-Sicherheits- standards für alle Lagerstätten von Nuklearmaterialien sowie erweiterte Kontroll- und Maßnahmenkompetenz der IAEA bei Sicherheitsbestimmungen im Bereich Terrorismus und Prolife- ration.

d) Internationale Zusammenarbeit auf nachhaltige Entwicklung ausrichten

Neue Weltbankpolitik in Förderpraxis umsetzen

Die Weltbank hat bei der Förderung der Energiewende den Schritt von der konzeptionellen zur operativen Ebene noch nicht ausreichend vollzogen. Dringend erforderlich ist daher die Umsteuerung ihrer Förderpraxis, die bisher nach dem Least-Cost-Prinzip vorwiegend fossile Energieträger finanziert. Hierzu ist ab sofort die Umsetzung der neuen Förderkonzeption der zu empfehlen.

Nachhaltige Energieversorgung in Armutsbekämpfungsstrate- gien integrieren

IWF und Weltbank begannen Ende 1999 ihre Politik gegenüber den am wenigsten entwickelten Ländern vorwiegend auf Armutsbekämpfung auszurichten. Die

„Poverty Reduction Strategy Papers” (PRSP) sollen als Steuerungsinstrumente für die mittelfristige Entwicklung der Länder dienen sowie Grundlage für die Einwerbung internationaler Unterstützung sein. Die nachhaltige Energieversorgung ist in die PRSP zu integrieren, um sicherzustellen, dass das Thema Energie in der Entwicklungszusammenarbeit einen größeren Stellenwert erhält.

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Rolle der regionalen Entwicklungsbanken stärken

Die Rolle der regionalen Entwicklungsbanken sollte gestärkt werden. Diese verfügen über eine gute regionale Verankerung und stehen den Problemen vor Ort näher als globale Institutionen.

e) Handlungsfähigkeit der Entwicklungsländer stärken

Wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Niedrigeinkommensländern fördern

Für die Energiewende ist ein Mindestmaß wirtschaftlicher Entwicklung Voraussetzung. In vielen Ländern wird das hierfür erforderliche Pro-Kopf-Einkommen bei weitem nicht erreicht.

Daher ist zu empfehlen, die Entwicklungszusammenarbeit nicht allein im Bereich der Basisdienstleistungen und nachhaltiger Energieversorgung zu verstärken, sondern die Zusammenarbeit speziell mit Niedrigeinkommensländern quantitativ und qualitativ zu intensivieren. Zudem sollte im Rahmen der „Entwicklungsrunde“ der WTO auf verbesserte Zugangsmöglichkeiten für Güter aus allen Niedrigeinkom- mensländern zu den Märkten in Industrie- und Schwellenländern gedrängt werden.

Neue Entschuldungsinitiativen anstoßen

In der Regel haben hoch verschuldete Entwicklungsländer nur geringe Spielräume, um Preisschwankungen auf den Weltenergiemärkten zu verkraften, Effizienzverbesserungen ihrer Energieversorgung zu finanzieren und die Anwendung erneuerbarer Energietechnologien voranzutreiben. Um die Transformation durchzuführen, bedarf es weit reichender Schuldenregulierungen.

f) Regulatorische und privatwirtschaftliche Elemente in Entwicklungsländern kombinieren

Die Verbesserungen des Zugangs zu modernen Energieformen mit geringen Emissionen sowie zu erneuerbaren Energien und eine Er- höhung der Effizienz der Energienutzung in Entwicklungs-, Schwel- len- und Transformationsländern sind durch Maßnahmen auf der An- gebots- und der Nachfrageseite zu erreichen.

Angebotsseite: Liberalisierung und Privatisierung mit regulatorischen Eingriffen kombinieren

Auf der Angebotsseite sind Privatisierung und Liberalisierung mit regulatorischen Eingriffen des Staats zu kombinieren. Je nach den spezifischen Gegebenheiten einer Region wird der Mix dieser drei Bereiche unterschiedlich ausfallen müssen. Im Fall von Liberalisierung und Privatisierung sind attraktive Rahmenbedingungen für private Investoren und die Erschließung internationaler Kapitalquellen erforderlich. Im Fall eines stärkeren Engagements durch den Staat ist die Festlegung von Standards ebenso wichtig wie ein Ausbau von Public-Private Partnerships, möglichst unterstützt durch bilaterale und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit.

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Nachfrageseite: Kaufkraft von Armutsgruppen erhöhen

Auf der Nachfrageseite muss es darum gehen, die Kaufkraft insbesondere von Armutsgruppen im Bereich Energie zu erhöhen. Dies kann durch zielgruppenspezifische Subventionen ebenso erfolgen wie durch einen Ausbau von Mikrofinanzierungssystemen. Um nicht nur die Kaufkraft, sondern auch die Bereitschaft zu erhöhen, Energie nachhaltiger zu nutzen als bisher, ist bei Maßnahmen auf der Nachfrageseite kultur- und geschlechtsspezifischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.

(WBGU 2003: Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit, Zusammenfassung S. 7f.)

Mit den bisher genannten Massnahmen können global nachhaltige Energiesysteme geschaffen werden. Um bei der Herstellung solcher Systeme erfolgreich zu sein, gilt es, folgendes zu beachten:

a) Finanzmittel für die globale Energiewende mobilisieren

Für die Finanzierung der globalen Energiewende sollten unverzüglich zusätzliche Finanzmittel mobilisiert und neue Transfermechanismen geschaffen bzw. bestehende gestärkt werden, um wirtschaftlich schwächere Länder bei der Transformation ihrer Energiesysteme zu unterstützen.

Privates Kapital mobilisieren

Um privates Kapital für die globale Energiewende zu mobilisieren, empfiehlt es sich, im Rahmen von „Public-Private Partnerships“ klei- nen und mittelständischen Anbietern erneuerbarer Energietech- nologien den Zugang zu den Märkten in den Entwicklungsländern zu erleichtern. Bis 2010 ist ein EU-Standard für den Clean Development Mechanism zu schaffen. Dieser Standard sollte bis auf zu begründende Ausnahmen nur Projekte zur Förderung regenerativer Energien (mit Ausnahme großer Staudämme wegen derzeit unge- löster Nachhaltigkeitsprobleme), zur Steigerung der Energieeffizienz bestehender Anlagen oder zum nachfrageseitigen Management zu- lassen.

Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit erhöhen

Das international verabredete Ziel von 0.7% des BIP für die Entwicklungszusammenarbeit sollte in möglichst vielen Ländern möglichst bald erreicht werden.

Innovative Finanzierungsinstrumente nutzen

Ohne die Erschließung neuer Finanzierungsquellen ist die globale Energiewende nicht umsetzbar. Die Potenziale, die sich aus der Er- hebung von Entgelten für die Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter ergeben, sollten geprüft werden.

Globale Umweltfazilität als internationale Finanzierungsinstitution stärken

• Die gemeinsam von UNDP, UNEP und Weltbank betriebene Globale Umweltfazilität (GEF) sollte als Katalysator für Maß- nahmen zum globalen Umweltschutz genutzt werden.

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b) Modellprojekte als strategischen Hebel nutzen und Energie- partnerschaften eingehen

Modellprojekte mit Signalwirkung initiieren

Modellprojekte in großem Maßstab können ein strategischer Hebel zur Einführung neuer erneuerbarer Energien für eine globale Energiewende sein. Von solchen Modellprojekten könnte eine welt- weite Signalwirkung ausgehen. Sie würden veranschaulichen, wie Technologiesprünge in Energieprojekten umgesetzt werden können.

Beispiele solcher Modellprojekte sind:

• Strategische Energiepartnerschaft zwischen EU und Nord- afrika, um Potenziale der Sonnenenergienutzung für beide Seiten Gewinn bringend in die europäische Stromversorgung einzubinden;

• Entwicklung der Infrastruktur zur Substitution traditioneller Bio- massenutzung durch biogenes Flaschengas;

• Energieeffiziente Gebäude im Niedrigkostensektor am Bei- spiel südafrikanischer Townships;

• Verbesserung der Stromqualität in schwachen Elektrizitätsnet- zen ländlicher afrikanischer Regionen;

• „1-Million-Hütten-Elektrifizierungsprogramm“ für Entwicklungs- länder zum Erzeugen der notwendigen Eigendynamik bei netzferner ländlicher Elektrifizierung.

Strategische Partnerschaften für die Energiewende schmieden

• Bestehende oder im Aufbau befindliche politische Initiativen zur Förderung einer globalen Energiewende geben einen Handlungsrahmen vor.

c) Forschung und Entwicklung vorantreiben

Die Energiewende ist eine große technologische wie gesellschaftliche Herausforderung, die in ihrer Größenordnung mit einer neuen indus- triellen Revolution vergleichbar ist. Sie kann nur gelingen, wenn er- heblicher Forschungs- und Entwicklungsaufwand betrieben wird. Dies betrifft die erneuerbaren Energieträger, die Infrastruktur, die Technik zur effizienteren Energieverwendung sowie die Bereitstellung des Wissens über Erhalt und Erweiterung von natürlichen Kohlenstoffvor- räten und Senken. Die Sozialwissenschaften sind aufgefordert, die individuellen und institutionellen Barrieren des Umbaus zu erforschen sowie Strategien ihrer Überwindung zu entwickeln.

Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Energiebereich sind jedoch seit Jahren rückläufig. Im Energiebereich werden derzeit in der OECD nur etwa 0,5% des Umsatzes für Forschungs- und Ent- wicklungsaufgaben aufgewendet, mit sinkender Tendenz. Nur bei dauerhaft hohen Investitionen in den Forschungs- und Entwicklungs- bereich besteht eine Chance, dass Technologien für erneuerbare Energieträger und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz mittel- und langfristig einen hohen Verbreitungsgrad bei niedrigen Kosten finden.

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d) Institutionen globaler Energiepolitik bündeln und stärken Die Förderung einer globalen Energiewende erfordert ein koordiniertes Vorgehen auf globaler Ebene und damit die Bündelung internationaler Institutionen und Akteure. Es empfiehlt sich, das Institutionengefüge globaler Energiepolitik schrittweise und aufbauend auf bestehenden Organisationen zu stärken und zu erweitern. So sollte etwa bis 2008 ein Multilaterales Energiesubventionsabkommen (MESA) ausgehandelt werden. In diesem Abkommen könnten der stufenweise Abbau der Subventionen für fossile und nukleare Energieträger sowie Regeln für die Subventionierung erneuerbarer Energien und effizienterer Energietechnologien vereinbart werden. Außerdem sollten sich zumindest die OECD-Staaten zu nationalen Quoten für erneuerbare Energien von wenigstens 20% bis 2015 verpflichten. Verhandlungen über eine Globalisierung und Flexibilisierung des Systems sollten vereinbart und spätestens bis 2030 in ein weltweites System handelbarer Quoten münden. Ergänzend dazu sollte eine Gruppe gleich gesinnter fortschrittlicher Staaten als Vorreiter auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energiepolitik auftreten. Für eine solche Führungsrolle käme die EU in Frage. Darauf aufbauend sollten die institutionellen Grundlagen einer nachhaltigen Energiepolitik durch die Bündelung von Kompetenzen auf globaler Ebene weiter gestärkt werden. Zu diesem Zweck sollte die Rolle des Energieministerforums ausgeweitet werden. Auf Grundlage der bis dahin gemachten Erfahrungen sollte bis etwa 2010 die Gründung einer „Globalen Agentur für nachhaltige Energie“ („International Sustainable Energy Agency” – ISEA) geprüft werden. (WBGU 2003: Welt im Wandel:

Energiewende zur Nachhaltigkeit, Zusammenfassung S. 8-11)

5.4 Der Klimawandel und seine Kosten

Mit der Veröffentlichung des Stern Review im Herbst 2006 sind der Klimawandel und seine Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft schlagartig ins Zentrum des öffentlichen Interesses gelangt. Stern präsentiert die Ergebnisse von Kosten-Nutzen-Analysen und gibt Werte an für die Netto- Kosten der Klimaerwärmung (ohne Klimapolitik) bzw. einer Klimapolitik, welche die Erwärmung auf hächstens +2°C beschränkt. In der Folge stieg der Ruf nach politischen Massnahmen, die auf der Grundlage von solchen Kosten-Nutzen-Analysen festzulegen sind.

Das International Panel on Climate Change (IPCC) stellt einen gesamten Anstieg des Strahlungsantriebs51 von +2.3 Wm-2 durch eine gestiegene atmosphärische Konzentration der wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas fest. Der antropogene Beitrag zum Treibhauseffekt seit dem Jahr 1750 entspricht netto einer Erwärmung von +1.6 Wm-2 und somit mehr als der Hälfte des gesamten Effekts.

Insgesamt kann zurzeit eine Erwärmung von ca. 0.75°C gegenüber dem Jahr 1860 festgestellt werden und die globale Durchschnittstemperatur wird bis ins Jahr 2100 um 1.8°C bis 4.0°C zunehmen (je nach Szen ario) (IPCC, 2007).

Dadurch werden Frischwasserressourcen und Ökosysteme, Nahrungsmittel und Forstprodukte, Küstensysteme und tief liegende Gebiete, die Industrie

51 Der Strahlungsantrieb (engl. radiative forcing) entspricht der Differenz zwischen einfallender Energie (z.B. Sonnenstrahlen) und zurückgeworfener Energie (z.B. Wärme). Verschiedene Teilchen in der Atmosphäre (z.B. CO2-Moleküle, Aerosole etc.) haben verschiedene Eigenschaften in Bezug auf die

„Durchlässigkeit“ von einfallender und zurückgeworfener Strahlung. Ein positiver Strahlungsantrieb erwärmt das System, während ein negativer abkühlt.

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und die Gesellschaft insgesamt bedroht. Die Bedrohungen manifestieren sich in Form von zunehmender Trockenheit, zunehmenden Starkniederschlägen, abnehmenden Monsoons, zunehmenden Überflutungen usw. Die Auswirkungen sind dabei sehr ungleich über die Kontinente verteilt.

Mit sogenannten Integrated Assessment Modellen (IAMs) werden Klimamodelle mit (makro-)ökonomischen Modellen (i.d.R. Wachstums- oder allgemeine Gleichgewichtsmodelle) verknüpft, um die Auswirkungen des Klimawandels mittels Kosten-Nutzen-Analysen abschätzen zu können. Diese IAMs unterscheiden sich einerseits in Bezug auf die verwendeten Modelle, wobei insbesondere die Wahl des Betrachtungszeitraums und der Diskontrate von entscheidender Bedeutung ist. Andererseits wirkt sich die Art und Weise des Einbezugs von technologischem Wandel und Innovation auf die unterschiedlichen Resultate der Kostenschätzungen aus.

Der Stern Review schätzt im Auftrag der Britischen Regierung die Kosten der globalen Erwärmung ohne Klimapolitik auf 5–20% des weltweiten BIP bis 2050. Eine Klimapolitik (d.h. CO2-Emissionsreduktion) zur Stabilisierung der Erwärmung unter 2°C wäre gemäss diesen Schätzungen zu Kosten von 1%

des globalen BIP bis 2050 möglich.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet, dass ohne klimaschutzpolitische Massnahmen im Jahr 2100 mit globalen Klimaschäden von bis zu US$ 20 Bio. zu rechnen ist. Die Kosten aktiver Klimaschutzpolitik zur Stabilisierung der Erwärmung unter 2°C werden a uf US$ 3 Bio geschätzt.

Diese Schätzungen zeigen, dass Klimapolitik bis ins Jahr 2100 einen globalen Nettonutzen abwerfen kann, was im Gegensatz zu der Ergebnissen früherer Studien steht. Gemäss dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ist der neue Befund auf die Integration von technologischem Wandel und Innovation in die Modelle zurück zu führen.

Der globale Nettonutzen ist sehr ungleich über die Weltregionen verteilt. Das DIW schätzt die Kosten einer Klimaschutzpolitik für Deutschland auf US$ 5.8 Mrd. im Jahr 2050 und auf US$ 40 Mrd. im Jahr 2100. Dadurch könnten allein in Deutschland Schäden von US$ 33 Mrd. im Jahr 2050 und von US$ 160 Mrd. im Jahr 2100 vermieden werden.

Für die Schweiz liegen keine expliziten Schätzungen vor. Das Beratende Organ für Fragen der Klimaänderung (OcCC) hält Energie-Bauten, Wasserwirtschaft, Versicherungs-Infrastrukturen, Tourismus, Landwirtschaft und Gesundheit für besonders stark negativ betroffenen Bereiche.

Literaturverzeichnis

Barber, B. M. & Odean, T. (1999). The Courage of Misguided Convictions.

Financial Analysts Journal 55(6).

Bernoulli, D. (1738). Econometrica. (Nachdruck).

Bundesamt für Energie / BfE (2002). Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2002. http://www.bfe.admin.ch.

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung / DIW (2007). http://www.diw.de.

International Energy Agency / IEA (2003). Key World Energy Statistics 2003.

http://www.iea.org.

International Panel on Climate Change / IPCC (2007). Climate Change 2007.

http://www.ipcc.ch.

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Beratendes Organ für Fragen der Klimaänderung / OcCC (2007).

Klimaänderungen und die Schweiz 2050. Erwartete Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Bern: OcCC / ProClim.

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung / PIK (2007). http://www.pik- potsdam.de.

Stern, N. (2006). Stern Review on the Economics of Climate Change. London, UK: HM Treasury.

Referenzen

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