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Bestätigte BK-Fälle im Blickpunkt

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Academic year: 2022

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Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) sind in der Arbeitswelt weit verbreitet. Einige davon sind als entschädigungspflichtige Berufskrankheiten (BK) anerkannt. Ihre Häufigkeit wird von den Trägern der Unfallversicherung in absoluten Zahlen erfasst. Was fehlt, sind statistisch valide Aussagen über die Häufigkeit von BK-Fällen in Bezug zur Erwerbsbevölkerung, differenziert nach Geschlecht und Beruf. Hier setzt die BAuA-Studie „Berufskrankheiten durch mechanische Einwirkungen – Raten bestätigter BK-Fälle in Einzelberufen“ an. Mit der Verknüpfung verschiedener Datenpools konnten beispielhaft Berufe identifiziert werden, die mit einem höheren Risiko für eine MSE im Sinne einer Berufskrankheit verbunden sind.

Berufskrankheiten durch mechanische Einwirkungen

Identifizierung von Risikoberufen

baua: Bericht kompakt

Im Rahmen dieser Studie sind die Daten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) über Berufs- krankheiten in Deutschland für den Zeitraum 2002 bis 2012 ausgewertet worden. Betrachtet wurden sechs Be- rufskrankheiten aus der Listengruppe 21 der Berufskrank- heiten-Verordnung (BKV), die im Zusammenhang mit physischen Anforderungen sowie der Einwirkung von me- chanischen Schwingungen stehen. Gemeinsam ist diesen Berufskrankheiten eine relativ hohe Anzahl an bestätigten BK-Fällen.

Bei den hier betrachteten Berufskrankheiten handelt es sich konkret um die BK 2102 (Meniskusschäden durch hohe Beanspruchung), die BK 2103 (Krankheiten durch die Einwirkung von Hand-Arm-Vibrationen), die BK 2105 (chronische Schleimbeutelentzündung durch ständigen Druck), die BK 2108 (bandscheibenbedingte Erkran- kungen der Lendenwirbelsäule durch Heben oder Tra- gen von Lasten oder extreme Rumpfbeugehaltung), die BK 2110 (Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch Ganzkörpervibration) sowie die BK 2112 (Kniegelenksar- throse durch Knien).

Bestätigte BK-Fälle im Blickpunkt

Der Begriff „Berufskrankheit“ ist anders als im allgemei- nen Sprachgebrauch ein juristischer und meint analog zum Arbeitsunfall einen Versicherungsfall im Sinne des

§ 7 Sozialgesetzbuch (SGB) VII. Danach sind Berufskrank- heiten ausschließlich Krankheiten, die in der sogenannten Berufskrankheiten-Liste (BK-Liste) aufgeführt sind. Sie umfasst derzeit 77 Positionen. Hier finden sich solche Krankheiten, die nach arbeitsmedizinischem Kenntnis-

stand durch besondere berufliche Einwirkungen verur- sacht werden und denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit stärker als die übrige Bevölkerung aus- gesetzt sind.

Statistisch erfasst und unterschieden werden:

• die gemeldeten Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit gegenüber dem Unfallversiche- rungsträger durch Ärzte, Arbeitgeber, Versicherte usw.,

die anerkannten Fälle, d. h. die Fälle, die nach den geltenden Kriterien als entschädigungspflichtige Berufskrankheit anerkannt werden,

die bestätigten BK-Fälle.

Der Hintergrund für die letzte Kategorie ist, dass bei eini- gen Berufskrankheiten neben dem Nachweis des ursächli- chen Zusammenhangs von Erkrankung und Tätigkeit noch weitere versicherungsrechtliche Voraussetzungen für eine Anerkennung als Berufskrankheit erfüllt sein müssen.

Dazu gehört z. B. die Aufgabe der die Erkrankung verur- sachenden Tätigkeit. Erst wenn diese Forderung erfüllt ist, wird die Erkrankung als anerkannte Berufskrankheit er- fasst. Insofern sind die „anerkannten Berufskrankheiten“

eine Teilmenge der „bestätigten BK-Fälle“.

Handlungsoptionen eröffnen

Bei der Kategorie „bestätigte BK-Fälle“ zählen im Unter- schied zur Kategorie „anerkannte BK-Fälle“ nur medizi- nische Fakten und Informationen über die Einwirkungen im Beruf. Juristische Bedingungen oder Voraussetzungen

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spielen hingegen keine Rolle. Insofern können die hier er- fassten Zahlen mit Einschränkungen einen Hinweis auf mögliche Risikoberufe geben. Dafür wurden diese Daten in der BAuA-Studie mit den berufsbezogenen Daten des vom Statistischen Bundesamt erhobenen Mikrozensus verknüpft. So lassen sich einzelne Berufe bzw. Berufsgrup- pen identifizieren, die für die Beschäftigten mit einem statistisch höheren Risiko für eine Berufskrankheit durch mechanische Einwirkung verbunden sind. Solche Berufe können dann im Hinblick auf die Prävention besonders aufmerksam betrachtet werden.

Die folgenden wenigen Zahlen verdeutlichen das theore- tisch erschließbare Präventionspotenzial:

• Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sind in Deutschland die häufigste Ursache von Arbeitsun- fähigkeit (AU).

Rund 125 Mio. bzw. 22,1 Prozent aller AU-Tage sowie ein Ausfall von 22,7 Mrd. Euro an Brutto- wertschöpfung gehen auf das Konto von MSE, wobei insbesondere Rückenerkrankungen im Vordergrund stehen (BMAS/BAuA 2014).

Beschäftigte in körperlich beanspruchenden Beru- fen haben z. B. ein mehrfach erhöhtes Risiko für Arbeitsunfähigkeit durch Muskel-Skelett-Erkran- kungen (Liebers et al. 2016).

Die Ergebnisse

Die Studie stellt beispielhaft die Rate des Auftretens von Versicherungsfällen für bestimmte Berufskrankheiten in einzelnen Berufen dar. Die Ergebnisse im Überblick:

Für die BK 2102 (Mensikopathien = Meniskusschaden) finden sich mit 163 Fällen pro 100 000 Beschäftigte sehr hohe BK-Raten in der Berufsgruppe der Bergleute. Mit ei- nigem Abstand folgen Beschäftigte, die bergbauliche und Mineralaufbereitungsmaschinen bedienen. Hier beträgt die Rate 21 BK-Fälle pro 100 000 Erwerbstätige. Niedriger sind die BK-Raten bei Beschäftigten in Ausbau- und ver- wandten Berufen, Textil-, Bekleidungs- und ähnlichen Be- rufen sowie in künstlerischen, Unterhaltungs- und Sport- berufen. Hier liegt die BK-Rate zwischen 6,6 und fünf Fälle pro 100 000 Erwerbstätige.

Bei den bestätigten Fällen einer BK 2103 (Einwirkung von Hand-Arm-Vibrationen) stehen mit rund 59 Fällen pro 100 000 Erwerbstätige wiederum die Bergleute an der Spitze. Für vier weitere Berufe (Bedienpersonal von berg- baulichen und Mineralaufbereitungsanlagen, Baukon- struktions- und verwandte Berufe, Hilfsarbeiterinnen und -arbeiter im Bergbau und Baugewerbe sowie Maschinen bedienende Personen im Bereich chemische Erzeugnisse) finden sich BK-Raten zwischen 2,5 Fällen und gut einem Fall pro 100 000 Erwerbstätige.

Eine BK 2105 (Bursitis = Schleimbeutelentzündung) wird häufig bei Beschäftigten der Berufsgruppe Textil und Be- kleidung sowie verwandten Berufen mit 13 Fällen pro 100 000 Erwerbstätige bestätigt. Ebenfalls relativ stark ver- treten sind die Ausbauberufe mit neun Fällen pro 100 000 Erwerbstätige. In fünf weiteren Berufen – darunter auch Bergbau- und Bauberufe – liegen die BK-Raten zwischen 2,9 und 1,2 Fällen pro 100 000 Erwerbstätige.

In 26 Berufen wird die BK 2108 (Heben und Tragen von Lasten) mit mehr als einem Fall bis sieben Fällen pro 100 000 Erwerbstätige bestätigt. Die höchste BK-Rate zeigt sich bei Erwerbstätigen der Berufsgruppe der nicht- wissenschaftlichen Krankenpflege- und Geburtshilfefach- kräfte mit rund 16 Fällen pro 100 000 Erwerbstätige.

Mit BK-Raten von 1,5 und 1,4 Fällen pro 100 000 Erwerbs- tätige ist die BK 2110 (Einwirkung von Ganzkörperschwin- gungen) nur beim Bedienpersonal von bergbaulichen und Mineralaufbereitungsanlagen sowie bei Führerinnen und Führern von Landmaschinen und anderen mobilen Anla- gen statistisch von Bedeutung.

Vom starken Verschleiß des Kniegelenks (Gonarthrose) durch kniende Tätigkeiten (BK 2112) sind Bergleute mit rund 12 Fällen pro 100 000 Erwerbstätige relativ häufig betroffen.

Auswertung nach Geschlecht

Ausreichend Fälle für eine differenzierte Auswertung der Daten nach Geschlecht ist nur für die BK 2108 (Heben und Tragen von Lasten) möglich. Von der BK 2108 sind mit mehr als fünf bestätigten Fällen vor allem Mitarbei- terinnen der nicht-wissenschaftlichen Krankenpflege und Geburtshilfe, der medizinischen Fachberufe (ohne Kran- kenpflege) sowie der Pflege- und verwandten Berufe be- troffen. In den anderen betrachteten Berufskrankheiten wurden bei Frauen BK-Fälle für eine statistische Auswer- tung zu selten registriert.

Was sagen die Ergebnisse aus?

Die Autorinnen und Autoren der Studie weisen darauf hin, dass die hier betrachteten Berufskrankheiten im inter- nationalen und auch europäischen Vergleich eher selten sind, wobei länderspezifische Besonderheiten (Anerken- nungsvoraussetzungen, Definition von Berufskrankheiten etc.) beachtet werden müssen. So liegen die BK-Raten hierzulande mit einem bis zu 10 Fällen pro 100 000 Er- werbstätige – in wenigen Berufen darüber – teilweise um mindestens ein bis zwei Zehnerpotenzen niedriger als im internationalen Vergleich.

Dennoch steht die Frage im Raum, welche Anzahl neuer bestätigter BK-Fälle Handlungsbedarf signalisiert? Bis zu welchem Ausmaß (BK-Rate) ist das Auftreten einer Berufs-

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Impressum | Herausgeber: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1 - 25, 44149 Dortmund, Telefon: 0231 9071-2071, E-Mail: info-zentrum@baua.bund.de, Internet: www.baua.de |

Autor: Dr. F. Liebers, Redaktion: Kontext Oster & Fiedler, Foto: U. Völkner, Fotoagentur FOX, Gestaltung: eckedesign, R. Grahl (BAuA) | doi:10.21934/baua:berichtkompakt20170727 | September 2017

krankheit hinnehmbar? Und ab wann sind sozialpolitische oder auch präventive Interventionen angezeigt? Hier ori- entiert sich die Studie am Risikokonzept für krebserzeu- gende Stoffe des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) (mehr dazu: Kalberlah et al. 2005). Dort sind drei Bereiche mit einem hohen, einem mittleren und einem geringen Risiko definiert. Die Grenze zwischen hohem Risiko und mittlerem Risiko wird in dem Konzept als Toleranzrisiko bezeichnet. Wird diese Grenze überschritten, gilt das als nicht mehr tolerabel und definiert folgerichtig einen Ge- fahrenbereich.

Bei Übertragung des Risikokonzepts des AGS auf die vor- liegenden Auswertungen der Berufskrankheiten der Lis- tengruppe 21 liegen BK-Raten in einigen wenigen Berufen in einem Bereich, der der Toleranzschwelle entspricht.

Das ist der Fall z. B. bei Bergleuten (BK 2102, BK 2103, BK 2112), bei Beschäftigten in Textil- und Bekleidungsbe- rufen (BK 2105) und bei Frauen in Krankenpflegeberufen (BK 2108).

Handlungsbedarf bei erhöhten BK-Raten?

Eine Ableitung von Handlungsbedarf bei erhöhten BK-Ra- ten ausschließlich in Richtung Prävention bezeichnet die Studie als einseitig bzw. falsch. So ist ein Beruf nicht auto- matisch mit einer spezifischen Exposition gleichzusetzen, wie z. B. dem Heben und Tragen schwerer Lasten. Viel- mehr kann die Expositionshöhe innerhalb einer Berufs- gruppe stark variieren, hier geben die Bedingungen am jeweiligen Arbeitsplatz den Ausschlag für ggf. zu ergrei- fende Maßnahmen. Zudem sind die Verzögerungszeiten zwischen einer in der Vergangenheit liegenden Expositi- on, dem Auftreten einer arbeitsbedingten Erkrankung und der Anerkennung als Berufskrankheit (Versicherungsfall) zu berücksichtigen. Insbesondere bei Berufen, die sich im Laufe der Zeit stark verändert haben, wie z. B. die Bergbau- berufe, muss eine aktuell hohe BK-Rate keineswegs mit einer aktuell hohen Exposition verbunden sein. Hier sind häufig die schlechten Arbeitsbedingungen der Vergangen- heit verantwortlich.

Dennoch lässt sich Handlungsbedarf aus einer hohen BK- Rate ableiten, der sich insbesondere auf Versorgungsas- pekte bezieht. Dazu gehören z. B. die zu erwartende hohe Zahl an neuen Begutachtungsfällen, der medizinische Be- handlungsbedarf, die notwendigen Rehabilitationen und die Wiedereingliederungen von Beschäftigten in einen

Beruf. Hier können die ermittelten Daten dazu beitragen, die entsprechenden Kapazitäten und Ressourcen bereit- zustellen.

Fazit

Die Studie zeigt, dass durch die Verknüpfung verschiede- ner Datenpools die Berechnung von Raten bestätigter BK- Fälle möglich ist. Es lassen sich Berufe identifizieren, in denen Beschäftigte einem erhöhten Risiko für eine Berufs- krankheit durch mechanische Einwirkungen ausgesetzt sind. Die Autorinnen und Autoren der Studie halten die Verwendung von BK-Raten in den offiziellen BK-Statistiken für sinnvoll.

Weiterführende Informationen

1 Kalberlah, F., Bloser, M. und Wachholz, C. Tole- ranz- und Akzeptanzschwelle für Gesundheitsrisi- ken am Arbeitsplatz. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2005

2 Latza, U., Liebers, F. und Franke, F. Körperli- che Beanspruchung und physische Belastun- gen bei der Arbeit – ein abnehmendes Public Health-Problem? Forum Public Health. 2013, 21(79), 12-13

3 Liebers, F. und Latza, U. Berufskrankheiten durch mechanische Einwirkungen – Raten bestätigter BK-Fälle in Einzelberufen. Dortmund:

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits- medizin (BAuA), 2016

4 Liebers, F., Brendler, C. und Latza, U. Risi- kogruppen für Muskel-Skelett- und Herz- Kreislauf-Erkrankungen. In: Bundesministe- rium für Arbeit und Soziales, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Hrsg.

Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2013:

Unfallverhütungsbericht Arbeit und Gesundheit.

Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2014, S. 108-117 5 Liebers, F., Brendler, C. und Latza, U. Berufs-

spzifisches Risiko für das Auftreten von Arbeits- unfähigkeit durch Muskel-Skelett-Erkrankungen und Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems.

Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2016

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