Wertpapiere und Investmentfonds
Maße zur Beurteilung von Wertpapieren
Einleitung
Steigt oder sinkt das allgemeine Zinsniveau, so wirkt sich dies auf den Kurs von Anleihen aus. Steigende Kurse bieten für den Anleger die Chance, durch den Verkauf seiner Wertpapiere einen Gewinn zu erzielen, sinkende Kurse würden beim Verkauf unter Umständen zu einem Verlust führen.
Problemstellung
Für den Anleger ist es nun wichtig, abschätzen zu können, welche Kurschance oder welches Kursrisiko er mit einem Engagement in ein Wertpapier eingeht. So interessiert z.B., welche Kurschancen bzw.
-risiken ein Wertpapier mit einer fünfjährigen Restlaufzeit gegenüber einer Anleihe mit einjähriger Restlaufzeit aufweist.
Beurteilung von Wertpapieren Laufzeit
Die (Rest-)Laufzeit einer Anleihe stellt als Maßstab für die Beurteilung kein brauchbares Maß dar, weil keine Aussage über die zeitliche Struktur von Zins- und Tilgungszahlungen erfolgt. Je öfters Zins- (und ggf. auch vorgezogene Tilgungs-)Zahlungen erfolgen, desto geringer ist die Bindungsdauer des eingesetzten Kapitals und desto geringer fallen Kursschwankungen aus.
Beispiel: Anleger A möchte ein festverzinsliches Wertpapier mit zwei Jahren Restlaufzeit kaufen. Ihm werden von seiner Bank zwei
Wertpapiere zum Preis von je 100,- DM und 8% jährlicher Verzinsung mit jeweils einer Restlaufzeit von zwei Jahren angeboten:
a) Ein Zerobond und
b) Eine Anleihe (Straight Bond) mit jährlicher Zinszahlung
Der Kurs welches der beiden o.g. Wertpapiere ändert sich bei einer Veränderung des Zinsniveaus stärker? Bei welchem der beiden
Wertpapiere sind die Kurschancen aber auch die Kursrisiken größer?
Duration
Für die Beurteilung von Kurschancen bzw. -risiken wird die sog.
„Duration“ ermittelt (s. Formel 1). Es handelt sich hier um den gewichteten Durchschnitt der Cash-flow-Zeitpunkte, also der Zeitpunkte der Zins- und Tilgungszahlungen.
Formel 1: Ermittlung der Duration
Duration = (Zahlungen bei Fä lligkeit gewichtete Barwerte der jeweiligen Zahlungen) Barwerte des Cashflows (= Dirty Price)
mit:
t Zeitpunkte der Zinszahlungen M = Laufzeit der Anleihe in Jahren
t=1 M
t=1 M
Folgendes Beispiel verdeutlicht die Berechnung der Duration: Es wird am Jahresanfang eine Anleihe (100,- DM) zu einem Kurs von 100%
gekauft. Die jährliche Verzinsung beträgt 8%, die Zinszahlungen erfolgen jeweils am Jahresende. Die Restlaufzeit beträgt fünf Jahre, dann erfolgt die Tilgung in einer Einmalzahlung. Nachdem die
Zahlungszeitpunkte feststehen, sind im nächsten Schritt die Barwerte der Zins- und Tilgungszahlungen zu ermitteln. Hierfür werden die nominalen Zahlungen mit der Rendite (im Beispiel 8%) abgezinst.
Diese Barwerte sind in einem dritten Schritt mit dem Zeitraum bis zur Zahlung zu gewichten (vgl. Tabelle 1).
Tabelle 1: Ermittlung der Duration einer Anleihe
Zeitraum bis zur Zahlung
Zinsen/Tilgung Barwert der Zahlungen
Gewichtung der Barwerte
Duration
1 8 7,41 7,41
2 8 6,86 13,72
3 8 6,35 19,05
4 8 5,88 23,52
5 108 73,50 367,51
Summe 100,00 431,21 4,31
Die Duration wird beeinflußt durch die Höhe der Zins- und
Tilgungszahlungen sowie durch die Laufzeit. Je seltener Zins- und Tilgungszahlungen erfolgen, desto länger wird die Duration.
Erfolgt nur eine Zins- und eine Tilgungszahlung bei Fälligkeit, handelt es sich also um einen Zerobond, so ist die Duration mit der (Rest-) Laufzeit identisch. Die Ermittlung der Duration ermöglicht es dem Anleger, aus allen Anleihen „synthetische Zerobonds“ zu bilden und diese miteinander zu vergleichen. Die im o.g. Beispiel aufgeführte Anleihe ist somit bezüglich der Duration gleich einem Zerobond mit 4,31 Jahren Restlaufzeit.
Neben der Vergleichbarkeit von Anleihen bezüglich der Kapitalbindung ermöglicht die Duration die Abschätzung der Auswirkung von
Zinsänderungen auf den Kurs.
Beispiel: Ein Anleger hat die im o.g. Beispiel aufgeführte fünfjährige Anleihe gekauft und erwartet einen Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus um 0,5%. Den durch den Zinsanstieg
verursachten prozentualen Kursverlust zeigt Formel 2. Der Kurs der Anleihe würde somit um rund 2,2% sinken.
8, DM Zins / 1 8% Rendite 100
1 Jahr
100, DM Tilgung 8, DM Zins / 1 8% Rendite 100
5 Jahre
Die durchschnittliche Fälligkeit der Zins- und Tilgungszahlungen beträgt 4,31 Jahre
= 6,35 DM Barwert x 3 Jahre
= 73,50 DM Barwert x 5 Jahre
Formel 2: Ermittlung des Kursverlustes für ein Beispiel
Kursverlust = 4,31 0,5 Prozent Zinsä nderung2,155 Prozent
Je höher die Duration ist, desto höher sind bei steigenden Zinsen die Kursverluste - bzw. umgekehrt bei sinkenden Zinsen die
Kursgewinne.
Eine genauere Abschätzung der Kursänderungen bietet die „Modified Duration“ (s. Formel 3).
Formel 3: Ermittlung der Modified Duration (mit Zahlenbeispiel)
ModifiedDuration Duration Zinssatz
1 /100 Beispiel:
ModifiedDuration
4 31 1 8 100, 3 99%
/ ,
Bei einer Renditeveränderung von 100 Basispunkten (= 1
Prozentpunkt), d.h. von beispielsweise 8% auf 9% würde die Anleihe einen Kursverlust des Dirty Price (Kurs einschließlich der
aufgelaufenen Stückzinsen) von 3,99% erleiden. Sinkt das allgemeine Zinsniveau von 8% auf 7%, würde die Anleihe einen Kursgewinn des Dirty Price von 3,99% erzielen.
Im Anhang ist die Berechnung der Duration und der Modified Duration für Excel aufgeführt.
Für den Erwerb von Anleihen sind in der Regel größere Beträge - ab 10.000,- DM - anzulegen. Für regelmäßige kleinere Sparleistungen sind sie, abgesehen von Bundesschatzbriefen, nicht geeignet.
Demgegenüber ermöglichen es die nachfolgend dargestellten
Investmentfonds in vielen Fällen dem Anleger, bereits mit kleinen Beträgen an der Wertentwicklung von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren teilzuhaben.
Investmentfonds
Je breiter ein Anleger sein Vermögen auf unterschiedliche
Anlageformen verteilt, desto mehr wird es ihm gelingen, sein Risiko zu mindern. Dabei gibt es verschiedene Einflüsse auf die Anlageform, die zu
berücksichtigen sind (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Einflüsse auf die Anlageform
Wer Teile seines Vermögens gleichzeitig in in- und ausländische Aktien, in- und ausländische festverzinsliche Wertpapiere,
Immobilien usw. investiert hat, kann davon ausgehen, daß er sein Vermögen sicherer und langfristig gesehen auch mit einer höheren Rendite angelegt hat, als wenn er sich z.B. auf den Kauf von Aktien einer bestimmten AG oder auf ein spezielles Rentenpapier beschränkt hätte.
Während sich die Kurse einiger Wertpapiere
- weitgehend ähnlich entwickeln (hohe positive Korrelation - z.B.
die Aktienkurse von BAYER und von Hoechst), entwickeln sie sich zwischen anderen Unternehmen oder im Vergleich zu anderen
Anlageformen entweder
- vollkommen unabhängig (keine Korrelation) oder sogar - entgegengesetzt (hohe negative Korrelation - sinkende
Kapitalmarktzinsen bewirken beispielsweise tendenziell steigende Aktienkurse).
In der Regel besitzt ein einzelner Anleger aber zu wenig Geld, um in seiner Vermögensanlage eine derartige Risikostreuung mittels
„Stockpicking“, d.h. Auswahl der geeigneten Wertpapiere, überhaupt zu erzielen. Hier bieten Investmentfonds die Möglichkeit, bereits für kleine Anlagebeträge an den Vorteilen der Risikostreuung
teilzuhaben. Ein international ausgerichteter Standard-Aktienfonds tätigt beispielsweise Investitionen in verschiedenen Ländern und Währungen, verschiedenen Branchen und verschiedenen Firmen. Wenn die Aktiennotierungen in einzelnen Branchen sinken, ist entweder durch
Einkommen Vermögen Steuerlast Familie Risikofreude
Anlagebetrag Anlagedauer Wertbeständigkeit Rentabilität Sicherheit/Risiko
Anlegersituation Anlageform
bestimmt
die breite Streuung des Fondsvermögens die Auswirkung relativ gering oder der Anleger kann sogar einen Vermögenszuwachs erzielen, weil die Notierungen anderer Aktien im Portefeuille des Investmentfonds im gleichen Zeitraum steigen.
Allerdings ist die Zahl der Investmentfonds bereits stark
angewachsen. Die Frage nach dem „besten Wertpapierportefeuille“
wurde abgelöst durch die Frage nach der Kombination der „besten Investmentfonds“ für den Anleger. Dienstleister bieten deshalb bereits „Fondspicking“ an. Hierbei werden zunächst die Ziele des Anlegers analysiert - d.h. seine Risikoneigung und seine
Ertragserwartung, sein Bedürfnis nach Sicherheit und seine steuerliche Situation. Je nach Anlegerstrategie - konservativ, wachstumsorientiert oder spekulativ - erhält der Anleger dann eine Zusammenstellung der Fonds als Vorschlag, womit er seine Ziele voraussichtlich am besten erreichen kann.
Struktur von Investmentfonds
Wie ist nun die Struktur von Investmentfonds? Die Gelder der Anleger bilden ein vom Vermögen der Investmentgesellschaft getrenntes
Sondervermögen. Dies ist der Fonds. Die Anleger erhalten
entsprechend ihrer Einlage Fondsanteile. Das Fondsvermögen ist in einer Depotbank hinterlegt und wird von einer
Kapitalanlagegesellschaft verwaltet. Beratend wirkt daneben ein
"Anlageausschuß". Dieser ist ein Organ aus Fachleuten des Wertpapiergeschäfts und der Vermögensverwaltung.
Bei einer Kapitalanlagegesellschaft handelt es sich oftmals um die Tochtergesellschaft einer Bank oder einer Versicherung. Zur
Sicherheit der Kapitalanleger muß sie dem Gesetz über
Kapitalanlagegesellschaften und wie eine Bank den Vorschriften des Kreditwesengesetzes genügen.
Die Verwaltung des angelegten Kapitals wird von Fondsmanagern übernommen. Sie kaufen und verkaufen je nach Investmentfondstyp Wertpapiere und/oder Immobilien oder Mobilien - z.B. Flugzeuge, die
„verleast“ werden. Ziel ist es, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen und das Risiko zu mindern.
Das Vermögen eines Investmentfonds schließlich ist auf einem
gesperrten Depot einer Bank mit Treuhänderfunktion hinterlegt.
Die Abhängigkeit der einzelnen Anleger vom Fondsmanagement kann mit Nachteilen verbunden sein, nämlich dann, wenn dieses sich bei seiner Anlagestrategie von allgemeinen Modetrends leiten läßt - z.B.
massive Investition in Gewerbeimmobilien bis Mitte der '90er Jahre.
Danach waren Gewerbeimmobilien teilweise nur schlecht zu vermieten.
Für eine gewisse Verunsicherung über die Seriosität von
Fondsmanagern haben bei den Kunden einige Ereignisse gesorgt, die weltweites Aufsehen erregt hatten, so z.B. die Vorfälle bei der britischen Vermögensverwaltungsgesellschaft Morgan Grenfell, die zum Deutsche-Bank-Konzern gehört. Ein Fondsmanager hatte mehr als 30%
des Anlagekapitals zweier britischer Fonds in Wertpapiere
investiert, die nicht an der Börse gehandelt wurden. Damit verstieß er gegen eine Rechtsvorschrift der EU, wonach der Anteil dieser Papiere am Fondsvermögen weniger als 10% betragen muß. Als die Verletzung der Anlagegrenze bekannt wurde, war es notwendig, diese Beteiligungen auf das zulässige Maß abzubauen. Weil die
Beteiligungen aber falsch bewertet und kaum liquide waren, hätte dieser Beteiligungsabbau für die Anleger zu erheblichen Verlusten geführt, wenn die Deutsche Bank (bzw. indirekt deren Kunden) den Anlegern die Schäden nicht ausgeglichen hätte.
Bei den Investmentfonds können grob folgende Kategorien unterschieden werden:
Aktienfonds Rentenfonds Immobilienfonds
sowie sonstige Fondsprodukte, wie z.B. Futurefonds, Optionsscheinfonds usw.