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Archiv "Auswirkungen der Gurtanlegepflicht — Ärztliche Aspekte" (29.01.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Auswirkungen

der Gurtanlegepflicht — Ärztliche Aspekte

Fünfzehn Prozent weniger Tote bei Unfällen mit Personenkraft- wagen im Jahr, 50 Prozent weni- ger Kopfverletzungen bei Front- insassen von Pkw und Rückgang der Windschutzscheibenverlet- zungen um 70 bis 80 Prozent, das sind einige Erfolge, nachdem seit Einführung eines Bußgeldes über 90 Prozent aller Frontinsassen von Pkw den Sicherheitsgurt anlegen.

A

lle Personenwagen in der Bundesrepublik Deutsch- land sind auf den Vordersit- zen mit Dreipunktgurten ausgerü- stet. Seit dem 1. Januar 1976 ist die Gurtanlegepflicht für die In- sassen auf den Vordersitzen der Pkw eingeführt. Trotz intensiver Aufklärungskampagnen konnte die Anlegequote nicht wesentlich über 60 Prozent angehoben wer- den. Deshalb wurde seitens des Gesetzgebers beschlossen, das Nichtanlegen des Gurtes ab dem 1. August 1984 mit einem Verwar- nungsgeld von 40 DM zu ahnden.

Unmittelbar danach stieg die Gurtanlegequote der Pkw-Fahrer im Querschnitt aller Straßen auf 92 Prozent an. Die Anlegequoten der Beifahrer sind etwa gleich hoch und blieben auch in den dar- auffolgenden Monaten annähernd in gleicher Höhe. In der Übersicht werden die Auswirkungen dieser Maßnahme und die daraus für Kli- nik und Praxis notwendigen Kon-

sequenzen aufgezeigt. Sie stützt sich auf Abschätzungen der Bun- desanstalt für Straßenwesen unter Berücksichtigung der Amtlichen Unfallstatistik sowie auf Erfahrun- gen aus Kliniken in Hannover, München und Homburg/Saar.

Einfluß des Gurtanlegens

auf die Anzahl der Verkehrstoten Leider wird eine eindeutige Be- antwortung aus zwei Gründen er- schwert: Zum einen wird in der Bundesrepublik bei der Unfallauf- nahme das Gurttragen nach Um- fang und Qualität bei den verun- glückten Pkw-Insassen nicht er- hoben; zum anderen wird die Zahl der getöteten Pkw-Insassen noch durch eine Vielzahl weiterer Fak- toren beeinflußt, zum Beispiel durch die Zahl der Unfälle mit Per- sonenschäden insgesamt und durch die Wirksamkeit der Sicher- heitsmaßnahmen.

Eine erste Abschätzung der Bun- desanstalt für Straßenwesen führ- te zu dem Ergebnis, daß bis Ende 1984 infolge der hohen Gurtanle- gequoten infolge des Verwar- nungsgeldes monatlich etwa 15 Prozent weniger Pkw-Insassen getötet wurden. Das entspricht pro Jahr einer Anzahl von etwa 800 geretteten Menschenleben.

Vergleicht man die Zahl der getö- teten Pkw-Insassen des ersten Halbjahres 1985 mit dem entspre- chenden Vorjahreszeitraum, muß die Verminderung durch die ge- stiegene Anlegequote eher noch höher als 15 Prozent eingestuft werden (Tabelle 1). Deutlichere Eingrenzungen des Wirkungsbei- trages können aber erst längere Zeitreihen erbringen.

Vergleichende Erfahrungen wur- den in Großbritannien ein Jahr nach Einführung der Gurtgesetz- gebung (31. Oktober 1983) ge- Bernd Friedel, Helmut Höh, Otto-Erich Lund,

Ernst A. Marburger, Dietmar Otte, Harald Tscherne und Hans-Joachim Wagner

Aus der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach,

den Universitäts-Augenkliniken

Homburg/Saar und München links der Isar, der Unfallchirurgischen Klinik

der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes

(2)

Tabelle 1: Anzahl der getöteten Pkw-Insassen im Vergleich zu den Vorjahren Monat 1983 1984 1985

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

447 400 264 347 347 266 497 453 290 490 457 321 563 459 507 451 530 518 496 378 568 441 536 406 515 385 542 434 Summe 6038 5129 —

ohne Gurt (n = 1785)

615 299 mit Gurt (n = 1188) AIS = 1

33 56

185

40

19

33 92

222

AIS > 1

ohne Gurt (n = 980)

mit Gurt (n = 661)

Abbildung: Verletzungsmuster von angeschnallten und nicht angeschnallten Pkw-In- sassen für leichte und schwere Verletzungsgrade AIS

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gurtanlegepflicht: Auswirkungen

macht. Auch hier stiegen die Anle- gequoten auf über 90 Prozent an und hielten sich bislang auch in dieser Höhe. Die englischen Un- tersuchungen (1) führten zu dem

Ergebnis von 20 bis 25 Prozent weniger getöteten Pkw-Fahrern und 30 Prozent weniger getöteten Beifahrern, was etwa 500 gerette- ten Pkw-Insassen entspricht.

Für die bisweilen geäußerte Ver- mutung, das Gurtanlegen führe zu Risikokompensationsverhalten mit negativen Folgen für die übri- gen Verkehrsteilnehmer, haben sich keinerlei Anhaltspunkte erge- ben (2).

Verändertes Verletzungsmuster durch Sicherheitsgurte

Im Rahmen einer regional im Großraum Hannover durchgeführ- ten „Erhebung am Unfallort" wur- de bei 571 beim Unfall ange- schnallten Pkw-Frontinsassen ge- genüber 576 nichtangeschnallten Personen das Verletzungsmuster und die Verletzungsschwere ana- lysiert. Zur Gewährleistung des Vergleichs der Verletzungsmuster mit und ohne Gurt wurden des- halb nur Pkw-Frontinsassen be- rücksichtigt, deren Fahrzeuge gleiche Massen- und Delta-V-Ver- teilung besaßen und die nur in Frontkollisionen mit anderen Pkw, Lkw oder Objekten ohne Mehr- fachkollisionen verunglückten.

Diese Untersuchungen lassen er- kennen, daß bei den Personen mit angelegtem Gurt die Anzahl der Getöteten, der Gesamtverlet- zungsschweregrad (OAIS), die Gesamtzahl von Einzelverletzun- gen bei einer Person, die Anzahl kopfverletzter Personen, der Schweregrad des Traumas und das Ausmaß der Kopfverletzun- gen und die Anzahl verletzter Per- sonen mit Kniefrakturen und Weichteilverletzungen der ge- samten unteren Extremitäten si- gnifikant niedriger sind. Deutlich niedriger ist die Anzahl von HWS- Frakturen, schweren Leber- und Lungenverletzungen sowie insge-

samt von Leber-, Gallen- und in- traabdominellen Gefäßverletzun- gen. Lediglich Distorsionen der Halswirbelsäule und leichte Weichteilverletzungen von Bek- ken und Thorax können trotz An- legen des Sicherheitsgurtes ver- mehrt beobachtet werden.

Besonders eindrucksvoll ist die Schutzwirkung des Sicherheits- gurtes für Kopfverletzungen, die bei angeschnallten Personen um nahezu 50 Prozent niedriger lie- gen. Bei Beifahrern sind Weich- teilverletzungen, Frakturen, Schä- delhirntraumen, Augenverletzun- gen und Kieferfrakturen sogar um 75 Prozent niedriger, wenn sie an- geschnallt waren (Tabelle 2).

Die Abbildung zeigt, daß schwe- rere Verletzungen, wie unter an- derem Rippenfrakturen (AIS >1) mit Gurtbenutzung deutlich selte- ner sind. Verletzungen der Milz, der Nieren, des Magens und des Darms wurden ausschließlich bei Gurtfehlbenutzung beobachtet, wenn das Beckengurtband zu hoch oberhalb der knöchernen Hüftkämme lag.

Diese Studie (3) macht somit deut- lich, daß die Häufigkeit einzelner Verletzungen in verschiedenen Körperregionen mit Sicherheits- gurt zahlenmäßig deutlich niedri-

(3)

170 39 58 45 10

29,8 6,8 10,2 7,9 1,8

337 73 104 70 21

58,5 12,7 18,1 12,2 3,6

147 61 15 21 13

25,7 10,7 2,8 3,7 2,3

122 75 9 23 17

21,2 13,0 1,6 4,0 3,0

27 15 13

2,4 1,3 1,1

5,4 0,9 1,4 31

5 8

10 1,8 15

8 8

2,6 1,4 1,4

5,6 1,7 1,6 32

10 9

17 3,0 12

7 5

2,1 1,2 0,9

151 37 11 22 6

26,4 6,5 1,9 3,9 1,1

251 42 26 20 4

43,6 7,3 4,5 3,5 0,7 Tabelle 2: Verletzungshäufigkeit

von Pkw-Frontinsassen mit und ohne Gurtbenutzung Pkw-Frontinsassen

Bereich gesamt

n

mit Gurt n

ohne Gurt n

Kopf

Weichteilverletzungen Frakturen

Schädel-Hirn-Traumen Augenverletzungen Kieferfrakturen Hals

Weichteilverletzungen 59 5,1 30 5,3 29 5,0 Halswirbelsäule

Distorsionen Frakturen

34 3,0 19 1,7

25 4,4 8 1,4

9 1,6 11 1,9 Thorax

Weichteilverletzungen Rippenfrakturen Sternumverletzungen Lungenverletzungen Herz-/Gefäßverletzu n- gen

Brustwirbelsäulenver- letzungen

Abdomen

Weichteilverletzungen Gefäßverletzungen Mesenterialverletzun- gen

Leber-/Gallenverlet- zungen

Milzverletzungen Nierenverletzungen Magen-/Darmverlet- zungen

Becken

Weichteilverletzungen Frakturen

Symphyse/I leosakral- fugen

untere Extremitäten Weichteilverletzungen Oberschenkelfrakturen Kniefrakturen

U nterschenkelfraktu ren Fußfrakturen

obere Extremitäten Weichteilverletzungen Frakturen

281 24,5 86 7,5

125 21,9 36 6,3

158 27,1 50 8,7 gesamt 1147 100,0 571 100,0 576 100,0

53 53 11

4,6 4,6 1,0

39 23 2

6,8 4,0 0,4

14 30 9

2,4 5,2 1,6 507

112 162 115 31

44,2 9,8 14,1 10,0 2,7

269 136 24 44 30

23,5 11,9 2,1 3,8 2,6

4 0,3 3 0,5 1 0,2

63 5,5 15 1,3 17 1,5 27 2,4

402 79 37 42 10

35,0 6,9 3,2 3,7 0,9

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gurtanlegepflicht: Auswirkungen

ger liegt, ebenso der Schwere- grad der auftretenden Verletzun- gen. Dennoch können auch bei hoher Gurtbenutzungsquote sämtliche Arten und Schweren von Verletzungen auftreten.

Für den unfallchirurgisch prakti- zierenden Arzt folgt daraus, daß er bei angeschnallten verletzten Per- sonen gleichwohl eine umfassen- de Diagnosesuche vornimmt und grundsätzlich alle möglichen Ver- letzungen vermuten sollte, denn das resultierende Verletzungsmu- ster wird nach wie vor von den Un- fallrahmenbedingungen, von de- nen der Gurt lediglich ein einzel- ner Parameter ist, bestimmt. Die Schutzwirkung des Sicherheits- gurtes bewirkt, daß gravierende Verletzungen erst bei wesentlich höherer Unfallschwere, zum Bei- spiel höheren Kollisionsge- schwindigkeiten und/oder höhe- rem Deformationsausmaß, auftre- ten.

Weniger Augenverletzungen durch Zusammenstöße mit Windschutzscheiben

Auf Initiative von 0. E. Lund wur- den nach Einführung der gesetz- lich verankerten Gurtanlege- pflicht ab dem 1. Januar 1976 be- ziehungsweise nach der zusätz- lichen Auflage eines Verwar- nungsgeldes bei Nichtangegurte- ten ab dem 1. August 1984 zwei- undzwanzig Augenkliniken zur Häufigkeit von Verletzungen durch Zusammenstoß mit Front- scheiben (WSSV) befragt. Als Er- fassungszeitraum galt das Jahr vom 1. September 1984 bis 31. Au- gust 1985 gegenüber einem Ver- gleichszeitraum der Jahre 1979 bis 1982. 1978 wurde als Ver- gleichsjahr genommen, weil von diesem Jahr an die Zahl der Ver- kehrsunfälle und auch der WSSV trotz Zunahme der Pkw-Zahlen annähernd gleich blieb.

Ab 1981 wurde dann ein deut- licher Rückgang der WSSV beob- achtet, bei praktisch gleicher Zahl von Verkehrsunfällen, so daß 1982

(4)

Tabelle 3: Anzahl und prozentuale Abnahme

der Augenverletzungen durch Zusammenstoß mit den Front- scheiben im Zeitraum September 1984 bis August 1985 gegenüber den Vergleichszeiträumen 1978 und 1982

Region 1978 1982 1984/85

Berlin 4 25% 3 0% 3

Duisburg 15 93% 4 75% 1

Erlangen 50 76% 12*)

Frankfurt 12 50% 11 46% 6

Göttingen 25 64% 14 36% 9

Hamburg 50 92% 14 72% 4

Heidelberg 39 74% 17 42% 10

Köln 35 97% 21 95% 1

Lübeck 19 79% 16 75% 4

Mainz 13 46% 7 0% 7

Mannheim 4 75% 9 89% 1

München 41 88% 33 85% 5

Münster 30 67% 30 67% 10

Ulm 30 97% 11 91% 1

Würzburg 71 82% 31 58% 13

mittlere Abnahme gegenüber 1978: 80%

mittlere Abnahme gegenüber 1982: 68%

*) unsicherer Wert

Gurtanlegepflicht: Auswirkungen

als zweites Vergleichsjahr heran- gezogen wurde. Der deutliche Rückgang der WSSV ab 1981 kann sowohl auf die permanente Verbesserung der passiven Si- cherheit am Fahrzeug als auch auf die ab 1981 deutlich ansteigenden Gurtanlegequoten zurückgeführt werden, die nach den Untersu- chungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (4) ab diesem Zeit- raum innerorts von rund 40 auf et- wa 50 Prozent, auf Landstraßen von etwa 58 auf 65 Prozent und auf Autobahnen von rund 75 auf 85 Prozent anstiegen.

Aufgrund der Befragungen und Erhebungen in den 22 Augenklini- ken ergaben sich bei 15 Kliniken vergleichbare Erhebungs-Anga- ben (Tabelle 3). Als Ergebnis die:

ser Erhebungen kann eine weite- re außerordentliche Reduzierung der WSSV im ersten Jahr nach dem 1. August 1984 im Vergleich zu 1978 beziehungsweise 1982 festgestellt werden, im Mittel ge- genüber 1978: 80 Prozent und ge- genüber 1982: 68 Prozent.

Ein weiterer Vergleich der Häufig- keit von WSSV im Jahr vor bezie- hungsweise nach dem 1. August 1984 zwischen den Universitäts- augenkliniken in Homburg-Saar und München ergab einen Rück- gang von etwa 72 bis 80 Prozent.

Aus den Untersuchungen von H.

Höh (5) ist ersichtlich, daß es sich im wesentlichen um einen drasti- schen Rückgang von Bulbusver- letzungen handelt, damit gerade der Verletzungen, die die Sehkraft am meisten beeinträchtigen. So hatte nur ein Patient mit einer per- forierenden Bulbusverletzung ei- ne Sehschärfe von 1,0 bei Entlas- sung aus der stationären Behand- lung; 45 Prozent behielten eine leicht verminderte Sehschärfe von 0,4 bis 0,9. Die Ergebnisse an- derer Autoren schwanken zwi- schen etwa 31 und 63 Prozent für diesen Sehschärfebereich.

Wesentlich sehbehindert im Sin- ne des Bundessozialhilfegesetzes waren nach den Untersuchungen von H. Höh rund 18 Prozent der

Patienten mit Bulbusverletzun- gen, wobei die Vergleichszahlen anderer Autoren zwischen 13 und 36 Prozent liegen. Eine einseitige Erblindung fand sich bei 16 Pro- zent (bei anderen Autoren zwi- schen 20 und 36 Prozent), wobei Komplikationen, die nach Entlas- sung des Patienten aus der statio- nären Versorgung auftraten, nicht erfaßt sind, so daß der Anteil ein- seitiger Erblindung durch Spät- komplikationen wie Netzhautablö- sung, Sekundär-Glaukom, Cata- ract traumatica, Phtisis bulbi usw.

sogar noch höher liegen dürfte.

Die sozialmedizinische Bedeu- tung der WSSV ist groß. Für den Betroffenen führt der Unfall zu ei- nem sozialen Abstieg, manchmal verbunden mit familiären Tragö- dien. Für die Volkswirtschaft ge- hen die Schäden, insbesondere wegen des jugendlichen Alters der Verletzten, in die Millionen.

Besonders tragisch und existenz- vernichtend ist die beidseitige Er- blindung nach WSSV, die in der Literatur mit ein bis vier Prozent angegeben wird (6).

Rechtsmedizinische Aspekte In einer internationalen Über- sichtsstudie wurden 1978 von der Bundesanstalt für Straßenwesen die Reduktionsfaktoren für die Vermeidbarkeit von tödlichen Verletzungen durch den ord- nungsgemäß angelegten Sicher- heitsgurt zwischen 40 und 85 Pro- zent ermittelt und für die völlige Vermeidung von Verletzungen zwischen 8 und 60 Prozent einge- schätzt. Auf der Basis des Jahres 1976 wurde das volkswirtschaft- liche Nutzenpotential eines Jah- res, das durch Anlegen von Gur- ten erzielt werden kann, allein für die Bundesrepublik Deutschland auf 4,1 Milliarden DM errechnet.

Durch Anlegen von Sicherheits- gurten im Jahre 1976 wurde ein volkswirtschaftlicher Nutzen von 1,8 Milliarden DM realisiert, somit sind etwa 2,3 Milliarden DM durch Nichtanlegen von Gurten in einem Jahr entgangen! (7).

Nachdem durch Nichtanlegen ei- nes Gurtes bei einem Unfall eine erhöhte Verletzungs- und Lebens-

(5)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gurtanlegepflicht: Auswirkungen FÜR SIE GELESEN

gefahr besteht und die Versicher- tengemeinschaft sowie der Steu- erzahler die Mehrkosten der ver- meidbaren Unfallfolgen tragen müssen, hat bereits 1976 der Ar- beitskreis „Sicherheitsgurt und Mitverschulden" des 16. Deut- schen Verkehrsgerichtstages die

Mitverantwortung eines Unfallbe- teiligten (gemäß §§ 254 BGB, 17 StVG) für solche Unfallverletzun- gen, die durch den Gurt vermie- den worden wären, herausge- stellt. Dieser Empfehlung ist auch die höchstrichterliche Rechtspre- chung gefolgt (BGH VRS 56, 416 und 431 sowie NJW 1980, 2125).

Ausnahmen von der Gurtpflicht nur in ärztlich

eindeutig indizierten Fällen Aus präventivmedizinischen Grün- den sollten mit Wissen um die Mög- lichkeit der Vermeidbarkeit von schweren und tödlichen Verlet- zungen bei Pkw-Insassen durch den Sicherheitsgurt die in Praxis und Klinik tätigen Kolleginnen und Kollegen nur in ärztlich ein- deutig indizierten Fällen dem als Patienten vorsprechenden Kraft- fahrer eine Bescheinigung aus- stellen, wonach eine Ausnahme von der Gurtanlegepflicht befür- wortet wird. In umfassenden Un- tersuchungen haben K. Luff und Mitarb. (8) nach Erfassung von 133 760 Herzschrittmacherpatien- ten an 400 Kliniken in der Bundes- republik Deutschland und nach Crash-Tests mit Frontalaufprall bei 50 km/h zeigen können, daß ein Patient mit einem Herzschritt- macher durch den Sicherheits- gurt nicht gefährdet ist und dieser Eingriff keine Ausnahmebeschei- nigung von der Gurtanlegepflicht rechtfertigt. Das gilt auch für Schwangere oder Patienten nach Organtransplantation.

Kurze temporäre Ausnahmen von der Gurtanlegepflicht bei einem Beifahrer sind allenfalls bei aku- tem Herpes Zoster, bei relativ fri- schen Operationswunden oder nach Bestrahlung mit Reizzustän- den an der Thorax-Haut denkbar.

Kraftfahrer sollten bei solchen Er- krankungen kein Kraftfahrzeug steuern. Wer als Fahrzeugführer wegen Fesselungsängsten (unter anderem Claustrophobie) eine Befreiung von der Gurtanlege- pflicht wünscht, sollte auf dem Boden des Gutachtens: „Krank- heit und Kraftverkehr" (des Ge- meinsamen Beirates für Verkehrs- medizin in der dritten Auflage vom April 1985) auf seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen un- tersucht werden.

Im übrigen sollte jeder Arzt, der mit einem Attest die Ausnahmere- gelung ermöglicht, bedenken, daß er für daraus resultierende Schäden beim Patienten verant- wortlich gemacht werden kann, wenn die Befürwortung auf einem Mangel an Sorgfaltspflicht oder gar auf eine vorsätzlich falsche Bescheinigung („Gefälligkeitsat- test") zurückgeht. Das Wissen um den präventivmedizinischen Nut- zen des Sicherheitsgurtes bei ei- nem Unfall sollte bei allen Bera- tungen den Ausschlag geben.

Literatur

(1) und (2) Scott, P. P.; Willis, P. A.: Road casu- alties in Great Britain during the first year with seat-belt legislation, Hrsg.: Transport and Road Research Laboratory, Crowthorne 1985

— (3) Otte, D.; Südkamp, N.: Auswirkungen der Gurtanlegepflicht auf Art und Schwere der Einzelverletzungen, Kongreßbericht Dtsch.

Ges. Verkehrsmed. e. V. im Druck (1986)— (4) Dellen, R. G.: Psychologische Grundlagen für das Verhältnis von PKW-Fahrern zum Sicher- heitsgurt, in: Dokumentation zum 1. Sympo- sion der Dr.-Kurt-Stein-Stiftung am 26. 6. 1983, Freiburg i. Br. — (5) Höh, H.: Verkehrsunfallver- letzungen der Augen-Auswirkungen des Si- cherheitsgurtes, Saarl. Ärzteblatt (1985) 607-612 — (6) Lund, O.-E.: Frontscheibenver- letzungen, Häufigkeit — Versorgung — Sicher- heitsmaßnahmen. Fortschr. Ophthalmol.

(1984) 81, 21-28 — (7) Friedel, B.; Krupp, K.;

Lenz, K.-H.; Löffelholz, H.: Sicherheitsgurte im PKW. Unfall u. Sicherheitsforschung im Stra- ßenverkehr, Heft 17 (1978) hrsg. Bundesmini- ster für Verkehr — (8) Luff, K.; Lutz, F. U.; Mül- ler, J.; Zech, G.: Zur Problematik der Ausnah- meregelungen von der Gurtanlegepflicht aus verkehrsmedizinischer Sicht. Z. Verkehrssi- cherh. 31 (1985), Heft 3/111, 121-124.

Anschrift für die Verfasser:

Professor Dr. med.

Hans-Joachim Wagner Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes 6650 Homburg/Saar

Prognostische Bedeutung des karzinoembryonalen Antigens (CEA)

Bislang hat man der Bestimmung des karzinoembryonalen Antigens (CEA) in erster Linie Bedeutung bei der postoperativen Überwa- chung von Patienten mit einem erfolgreich operierten Kolonkarzi- nom beigemessen. Eine umfang- reiche Studie der Amerikanischen Krebsgesellschaft zeigt jedoch, daß die präoperativen CEA-Spie- gel mindestens so aussagekräftig sind wie die Dukes-Klassifikation am Resektionspräparat.

Die Auswertung der Daten von 945 Patienten ergab eine enge Korre- lation zwischen der Dukes-Klassi- fikation und der Höhe des CEA- Spiegels:

Im Dukes-Stadium A lag der durchschnittliche CEA-Wert bei 3,9, im Stadium B bei 9,3, im Sta- dium C bei 32,1 und im Stadium D bei 251,0.

Die prognostische Aussagekraft des CEA-Wertes wurde durch ei- nen Lymphknotenbefall nicht be- einflußt. Kolonkarzinome, die nur das halbe Darmlumen umfaßten, wiesen signifikant niedrigere CEA-Spiegel auf als Tumoren, die zirkulär die Darmwand invadier- ten. Eine Lumenobstruktion hatte hingegen keinen Einfluß auf die Höhe des CEA.

Je höher die CEA-Werte bei Tu- moren im Stadium Dukes B und C lagen, desto weniger erfolg- reich erwies sich die bis dahin ein- geschlagene Therapie. Daraus folgt, daß in künftigen Therapie- studien die präoperative Bestim- mung des karzinoembryonalen Antigens mitberücksichtigt wer- den sollte.

Wolmark, N.; Fisher, B.; Wienand, H. S., et al.:

The prognostic significance of preoperative carcinoembryonic antigen levels in colorectal cancer. Results from NSABP clinical trials.

Ann. Surg. 199:375-382, 1984

From the National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project (NSABP) Headquarters, Pittsburgh, PA 15261, U.S.A.

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