Das Gebührenverzeichnis der Amtlichen Gebührenordung für Ärzte (GOÄ) ist ein Kata- log von einfacheren und kom- plexeren Einzelleistungen, von denen jede für sich – im Regel- fall – eine eigenständige medi- zinische Prozedur abbildet, sei es eine Blutentnahme oder ei- ne Lebertransplantation. Um zu verhindern, dass die Ge- bühr für komplexere Leistun- gen baukastenartig erweitert wird,ist in vielen Fällen die Be- rechnungsfähigkeit einer Ge- bührenposition an die Abrech- nungsbestimmung, nur „als selbstständige Leistung“, ge- knüpft (zum Beispiel die Ure- terolyse nach Nr. 1829 a).
Das übergeordnete Struk- turprinzip zur Entscheidung der Frage, ob eine Leistung mit der Berechnung der Ge- bühr für eine komplexere Lei- stung als abgegolten betrach- tet werden muss, ist das so genannte Zielleistungsprinzip.
Der Begriff der „Zielleistung“
ist ein Ordnungsbegriff, der als solcher im Wortlaut der GOÄ nicht vorkommt. Grund- gedanke des Zielleistungsprin- zips ist, dass ausschließlich
„selbstständige Leistungen“
ohne gebührenwirksame in- haltliche Überschneidung „ne- beneinander“ berechnet wer- den dürfen.
Hauptschauplatz der Aus- einandersetzungen ist die Ab- rechnung verschiedener ope- rativer Eingriffe innerhalb ei- nes Operationsgebietes in ei- ner Sitzung. Für operative Einzelschritte, die „zur Er- bringung der im Gebühren- verzeichnis aufgeführten ope- rativen Leistungen metho- disch notwendig“ sind, kann gemäß § 4 Absatz 2 a GOÄ keine Gebühr berechnet wer- den. Handelt es sich hingegen um methodisch verzichtbare, nur bei besonderen Indikatio- nen durchgeführte Zusatzein- griffe, die als fakultative Maß- nahmen nicht bereits in der Leistungsbeschreibung mitbe-
rücksichtigt sind, so müssen diese als selbstständige Lei- stungen anerkannt werden, auch wenn diese nicht als „al- leinige Leistung“, sondern vorwiegend im Zusammen- hang mit einem anderen Haupteingriff durchgeführt werden. Dies trifft beispiels- weise auf die subtotale Syn- ovektomie (bei rheumatoi- der Arthritis) oder die Pfan- nendachplastik (bei Hüftge- lenksdysplasie) zu, wenn diese neben dem Einbau einer Hüft- gelenksendoprothese nach Nr.
2 151 durchgeführt werden.
Beide Eingriffe bilden eigen- ständige Leistungsziele ab, die nicht mit aufwandssteigern- den Begleitfaktoren – wie ei- ne Adipositas permagna – gleichzusetzen sind, welche gebührentechnisch durch die Anwendung eines höheren Steigerungsfaktors abgebildet werden.
Gebührenrechtlich schwie- riger zu interpretieren sind je- ne Fälle, in denen sich im Ver- gleich zu dem veralteten Lei- stungsverzeichnis der Opera- tionsstandard so sehr verän- dert hat, dass methodisch ver- zichtbare, aber inzwischen medizinisch empfohlene Be- gleitmaßnahmen routinemäßig durchgeführt werden. Auch wenn die neue zusätzliche Leistung – historisch betrach- tet – noch nicht bei der Be- wertungsfindung für die Ge- bührenposition berücksich- tigt gewesen sein kann, ist zu prüfen, ob es sich hierbei im Einzelfall nicht eher um eine Modifikation des Operations- verfahrens handelt, die ent- sprechend § 4 Abs.2 a GOÄ als
„besondere Ausführung“ zu werten ist. Aus diesem Grund wurde beispielsweise die Ein- führung einer Markraum- sperre im Zusammenhang mit der Hüftgelenksendoprothe- tik von der Bundesärztekam- mer nicht als selbstständige Leistung anerkannt.
Dr. med. Regina Klakow-Franck V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 31–325. August 2002 AA2131
Selbstständige Leistungen nebeneinander
GOÄ-Ratgeber