• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Krankenkassen/Verhandlungsstrategie: Beinharte Verhandlungen über Nullrunden" (25.08.1997)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Krankenkassen/Verhandlungsstrategie: Beinharte Verhandlungen über Nullrunden" (25.08.1997)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

ie Verbände der Krankenka- sen machen es sich bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Ausgabendis- ziplin und den verschärften An- strengungen zur Kostendämpfung ziemlich einfach: sie wollen den fi- nanziellen Druck, der auf den Kran- kenkassen lastet, konsequent und ausschließlich an die Leistungser- bringer im Rahmen der Vertragsver- handlungen „weitergeben“. Unter- stützt von Bundesgesundheitsmini- ster Horst Seehofer, verweisen die Krankenkassen monoman auf die gesetzlichen Vorgaben einer ver- schärften Ausgabendrosselung und die konsequente Umsetzung der von den Kassen propagierten einnah- menorientierten Ausgabenentwick- lung – ohne Rücksicht auf die Vor- leistungen in einzelnen Leistungs- erbringer-Bereichen, die bereits erreichte Ausgabendisziplin, die erweiterten Leistungserfordernisse und die in Gang gesetzten Vertrags- verhandlungen und -abschlüsse auf der Regionalebene. Die Kranken- kassen verweisen auf das auch 1997 zu erwartende Defizit (im ersten Quartal wurde ein Minus von 2,5 Milliarden DM registriert) und das Argument, daß aus gesamtwirt- schaftlichen Gründen (Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutsch- land), aber auch wegen der drasti- schen Auswirkungen der dritten Stufe zur Strukturreform auf Bei-

tragszahler und Kranke kein

„Schluck aus der Kassenpulle“ ge- nehmigt werden könne. Vielmehr sehen die Krankenkassen einen dringlichen Handlungsbedarf in der Vertragspolitik: „Vorrangiges Ziel der Verhandlungen mit den Lei- stungserbringern ist die Absenkung beziehungsweise Festschreibung der Ausgaben. Soweit die Absenkung nicht erreichbar ist, muß zumindest eine Steigerung der Ausgaben ver- hindert werden, das heißt, es muß über Nullrunden verhandelt wer- den.“ Wie ein roter Faden zieht es sich durch das 30 Seiten umfassende Strategie- und Empfehlungspapier der Krankenkassen, daß nur durch ein konzertiertes Verhalten und Ver- handeln der Krankenkassen auf Landesebene die Bundessparziele erreicht werden könnten.

Vorgaben

für Kassenärzte

Der Schlachtplan: Die Lei- stungserbringer sollen die Defizite der Krankenkassen aus eigenen Mit- teln finanzieren und das von den Kas- sen allein zu verantwortende Mor- biditätsrisiko teilweise auffangen.

Kritisch beurteilen die Kassen- verbände die Absicht, die seit 1. Juli 1997 geltenden Praxisbudgets zum 1. Januar 1998 durch fallbezoge- ne, arztgruppengegliederte Regel-

leistungsvergütungen zu ersetzen.

Aus der Ecke des AOK-Bundesver- bandes kommt die inzwischen fest- gefügte Kassenmeinung, Praxisbud- gets seien zur Zeit das „allein wirk- same Instrument zur Mengenbe- grenzung im vertragsärztlichen Be- reich“. Die Krankenkassen streben an, Überschreitungen des Limits (etwa unzulässige Privatabrechnun- gen von Vertragsärzten) über die Gesamtvergütung auszugleichen.

Für 1998 fordern die Kranken- kassen: Punktwerte sollten nicht un- abhängig von dem zu erwartenden Mengenvolumen vereinbart wer- den. Das Regelleistungsvolumen müsse so bestimmt werden, daß eine bedarfsgerechte flächendeckende Versorgung aller gesetzlich Versi- cherten gewährleistet bleibt. Die Höhe der Punktwerte ergibt sich nach der Kassendiktion aus einer Gegenüberstellung der insgesamt vereinbarten Punktzahlmenge und den jeweils verfügbaren Finanzmit- teln der Krankenkassen. Das Risiko, daß nicht zu hundert Prozent Li- mitüberschreitungen bei den Regel- leistungsvolumina ausgeklammert werden können, müsse von vornher- ein einkalkuliert werden.

Die Krankenkassen gehen da- von aus, daß infolge des bereits im ersten Quartal 1997 aufgetretenen Kassen-Gesamtdefizits in Höhe von 2,5 Milliarden DM sämtliche Kran- kenkassenausgaben um 1,5 Prozent A-2171

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 34–35, 25. August 1997 (15)

Krankenkassen/Verhandlungsstrategie

Beinharte Verhandlungen über Nullrunden

Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben sich darauf eingeschworen, in den Vertragsver-

handlungen mit den Leistungserbringern einen harten Kurs zu fahren – unter strikter Beachtung

des Gebotes der Beitragsstabilität und unter Ausschöpfung der den Krankenkassen im 2. GKV-

Neuordnungsgesetz zugeschanzten erweiterten Verhandlungsrechte. Die Krankenkassenver-

bände drängen in allen Bereichen auf eine Nullrunde, zum Teil auf eine drastische Absenkung

der Punktwerte und Preise. Die Leistungserbringer haben sich mit Gegenstrategien gewappnet.

(2)

gesenkt werden müßten, um eine aus- geglichene Kassenbilanz zu erreichen.

Zumindest sollten die Verhandlungen mit dem Ziel angegangen werden, ei- ne Nullrunde zu erzielen. Werde dar- auf verzichtet, die Vergütungsanpas- sungen an die Grundlohnentwicklung anzubinden, führe dies rechnerisch zu einer Absenkung der Gesamtvergü- tung für Vertragsärzte um etwa ein Prozent. Zunächst müsse sicherge- stellt werden, fordern die Kassen wei- ter, falls die Grundlohnentwicklung im Jahr 1996 überschritten wurde, daß die im Jahr 1997 noch zu verein- barende Gesamtvergütung entspre- chend korrigiert wird.

Vorgaben für Richtgrößen

Mit Strukturvorgaben wollen die Krankenkassen in die Verhandlung um die Richtgrößenregelung im Arz- neimittelsektor gehen. Zunächst soll- ten Regelungen nach Durchschnitts- werten vereinbart werden. Qualitativ steuernde Richtgrößen sollten vor- rangig umgesetzt werden. Für 1997/98 sollen gemeinsame Empfehlungen für die Arzneimittelbudgetrunden her- ausgegeben werden. Mit der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung will man sich über Strukturvorgaben ver- ständigen, auch über Verrechnungs- modalitäten.

Der Heil- und Hilfsmittelsektor soll ebenfalls zur Raison gerufen wer- den. Bei Seh- und Hörhilfen sowie Stoma-Artikeln soll die Höhe der Festbeträge drastisch gesenkt wer- den. Speziell bei Stoma-Artikeln wird verlangt, die Festbeträge um zehn Prozent zu senken.

Bei Gehhilfen und Hilfsmitteln zur Kompressionstherapie wollen die Krankenkassen Festbetragsgruppen ausarbeiten. Die Verordnungstätig- keit der Kassenärzte soll im Heilmit- telbereich auf Landesebene der Kran- kenkassen strenger als bisher kontrol- liert und ein Indikationskatalog kon- sequent angewandt werden.

Die Krankenkassen unterstellen, daß die Vergütungsänderungen und Forderungen im zahnärztlichen Be- reich zunehmend vor den Schiedsäm- tern verhandelt werden müssen. Um die Festzuschüsse beim Zahnersatz

bis Jahresende festzulegen, müßten die Auswirkungen des sogenannten Vorzieheffektes aus den Ausgaben für 1996 isoliert werden, damit bei den Festzuschüssen nicht ein über- höhtes Ausgaben-Niveau für die Fol- gejahre „weitergereicht“ wird. Der Bundesausschuß der Zahnärzte und Krankenkassen müsse eine „realisti- sche Preisbasis für Festzuschüsse“

festsetzen (bis Ende 1997).

Die von der Kassenzahnärztli- chen Bundesvereinigung angemelde- te Forderung, die Punktwerte um drei Prozent anzuheben, wird von den Krankenkassen als unrealistisch ab- gelehnt. Vielmehr müsse eine Punkt- wertsenkung angestrebt werden. Zu- mindest für 1996 seien im Leistungs- bereich der zahnärztlichen Behand- lung Rückzahlungsforderungen anzu- melden.

Aus dem Ruder laufen den Kran- kenkassen auch die Leistungen bei der Zahntechnik. Für 1997 seien des- halb deutliche Preissenkungen durch- zusetzen, um Ausgabenüberschrei- tungen aus dem Jahr 1996 wieder aus- zugleichen. Zwar sei inzwischen beim Zahnersatz rückläufige Nachfrage festzustellen, dennoch wird befürch- tet, daß die überproportionale Ausga- benentwicklung von 1996 nicht im laufenden Jahr ausgeglichen werden kann. Deshalb empfehlen die Kassen für 1997 eine Preissenkung bei der Zahntechnik um etwa fünf Prozent.

Knute auch für Krankenhäuser

Dem Krankenhaus müßten die Kostenzwingen noch enger angelegt werden. Es könne nicht hingenom- men werden, daß wegen unzureichen- der Selbstbindungsmaßnahmen sei- tens der Klinikträger die politischen Spargebote konterkariert werden.

Die Krankenkassen werden aufgefor- dert zu prüfen, ob in der Vergangen- heit Leistungsminderungen zu ver- zeichnen waren, um daraus einen An- spruch abzuleiten, das Budget ent- sprechend zu senken. Leistungsge- rechte Vergütungen seien nur dann ein Thema, wenn die Krankenhäuser in den Verhandlungen rechtzeitig ge- eignete und überprüfbare Unterlagen vorlegten. Die Leistungs- und Kalku-

lationsaufstellung der Krankenhäuser und die darauf aufbauenden Forde- rungen der Klinikträger müßten veri- fiziert werden. Dies gelte insbesonde- re für die neuen gesetzlichen Ausnah- metatbestände, die eine günstigere Budgetgestaltung ermöglichen.

Fehlbelegungen

Das Hauptaugenmerk der Kran- kenkassen müsse auf die angeblich immer noch vorhandene überdimen- sionierte Fehlbelegung (10 bis 20 Pro- zent des stationären Volumens) ge- richtet werden. Auch verringerte Lie- gezeiten und Rationalisierungs- und Standortvorteile der Kliniken müßten sich in reduzierten Budgets nieder- schlagen. Konsequent müßten die Kapazitäten und Bedarfsplanungen dem verringerten Bedarf angepaßt werden.

Die Krankenkassen wollen die Medizinischen Dienste (MDK) ver- stärkt einsetzen, um von außen und innen Fehlbelegungen und Abbaupo- tential aufzuspüren. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) hingegen hat in Budget- und Pflege- satzhinweisen Vorbedingungen für Kontrollen der Kassen herausgege- ben. Die DKG hält die Unterstellung, mit Hilfe der MDK- und Fehlbele- gungskontrollen seien die Aufwen- dungen für die stationäre Versorgung um „mindestens 20 Prozent“ abzu- senken, für eine reine „Luftbu- chung“. Die Klinikträger weisen dar- auf hin, daß nach Einführung der Pflegeversicherung bei den Kranken- hausbudgets ein Betrag von pauschal ein Prozent des Budgets abgezogen wird. Auf die kommenden drei Jahre verteilt, seien dies insgesamt 2,4 Mil- liarden DM, die den Kliniken „entzo- gen“ würden. Ohnehin sei die Fehl- belegungsdiskussion überzogen. So sehen die Krankenkassen den Tatbe- stand der Fehlbelegung von Klinik- betten auch dann schon erfüllt, wenn die Möglichkeiten der ambulanten, teilstationären oder der vor- und nachstationären Versorgungsformen nicht ausgeschöpft wurden.

Die DKG kontert: Das Kranken- haus müsse allein entscheiden, welche der indizierten Behandlungsformen gewählt werden. Dr. Harald Clade A-2172

P O L I T I K LEITARTIKEL

(16) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 34–35, 25. August 1997

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Mechthild Bach steht indes in Hannover weiter vor Gericht, weil sie 13 ihrer schwer kranken Patienten zwischen 2001 und 2003 durch Verabreichung ho- her Morphin- und Diazepamdosen

Ladearbeit: Nur wenn die Aufladung der Platten 1e ± betragen soll, erfolgt sie schlagartig. Für die Rechnung zerlegt man Q daher in Teilladungen ∆ Q und überführt diese

Das ist tatsächlich möglich. Felder werden nämlich nicht nur durch aufgeladene und durchströmte Leiter erzeugt, sie können sich auch gegenseitig, ohne Leiter, erzeugen:

Im Vergleich zur Energie der Comptonphotonen, welche ausschließlich in de- ren Bewegung steckt (Ruheenergie von Photonen gleich null), ist die kinetische Energie der ge-

Das Gas fungiert hier quasi als „Energiekatalysator“; es verwandelt Wärme in Arbeit, ohne energe- tisch selbst davon betroffen zu sein ( ∆ U = 0 ). Takt III ist eine

MÖRSCH wies bereits nach dem Vorliegen der Ergebnisse des Heftes 48 darauf hin, daß die Verhältnisse nicht so günstig für die halbe Schubsicherung beim durch- laufenden Balken

Wenn der Mäzen aber fehlt, um für For- schung, Wissenschaft und Technik die Mit- tel, sozusagen aus philosophischer Laune oder aus »Liebhaberei«, zur Verfügung zu stellen, so muß

Aus dem Schluss seiner langen programmatischen Er- öffnungs-Rede lässt sich erkennen, dass er inzwischen dem international orientierten hanseatischen Kaufmannsgeist mehr zu- traut