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Masse ... in Form gegossen:Wird aus Vielen Vielfalt?

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Ma sse . . . i n Form g eg ossen : Wi rd a u s Vi el en Vi el fa l t?

Sozi al e Organ i si eru n g al s Tei l des Men sch sei n s

Der M en sch ist also im mer Teil der Vielen. Er kan n sich entsch eiden, wie oft u nd wie eng seine Kontakte u n d B ezieh u ngen sind, aber er kan n sie nicht absch neiden − sowieso nicht in seiner Kindh eit, aber au ch später nicht, wenn er zu m indest imm er B etroffeneR oder N u tzn ießerI n der gesellsch aftlich en Tätigkeit ist. Es geht also nicht u m das Ob einer Orga- nisieru n g, sondern u m das Wie. Au f was kommt es an? Wie wollen wir u nsere B ezieh u n- gen gestalten − sowoh l direkt mit anderen M ensch en wie au ch im vielfach dem persönli- ch en Kontakt entzogenen gesellsch aftlich en Rau m.

E i n e Men ge von Men sch en kan n seh r u n tersch i edl i ch au sseh en

Wenden wir u ns einem abstrakten B lickwinkel zu u nd stellen die Frage: Welch e Organisie- ru ngsstru ktu r kön nen denn M en sch en wäh len? B ei einer ganz groben Einteilu ng zeigen sich drei Varianten plu s ih ren M ischformen. Das h eißt, die M ensch en h atten u nd h aben die Entsch eidu ngsm öglich keit zwisch en drei seh r u ntersch iedlich en Formen.

M asse: Gesamth eit oh ne Differenz

Eine M enge von vielen, die u ntereinander nicht u ntersch eidbar sind u nd in der M asse au ch keine in dividu ellen Verh altensweisen entwickeln , sei als M asse bezeich n et. Das kommt u n- ter Lebewesen in Rein stform n icht vor, weil in dividu elles Verh alten du rch seh r viele P ro- zesse au sgelöst werden kann. Fü r den B egriff der M asse soll h ier desh alb reich en, wenn sich die Vielen in B ezu g au f die M asse gleichförm ig verh alten. Es kom mt also n icht darau f an, was sie sonst noch tu n oder an was sie denken , sondern ob sie sich h insichtlich ih rer Organ isieru n g in der M asse eigen ständig verh alten oder der M asse gemäß. M asse ist das klassisch e M itschwimmen im Strom .

Unter Tieren kom men M assen vor allem als H erde oder Schwarm vor, wobei vor allem Ers- teres nu r dann gilt, wenn es keine klaren H ierarch ien gibt. Fü r das einzelne Tier in der H erde ist die Existen z einer H ierarch ie m itu nter aber gleich gü ltig, weil es sich nicht nach dem I nh aber der privilegierten Position richtet, sondern nach dem Verh alten der anderen.

Das ist oh neh in das zentrale Ken nzeich en einer M asse: Die Einzeln en richten sich in ih rem Verh alten nach den anderen, vor allem also an in der N äh e befindlich en oder sonst erkenn- baren I n dividu en au s. H erden u nd vor allem Schwärm e kön nen als Gesamtes bemerken s- wert sch nelle, sogar ru ckartige B ewegu n gen au sfü h ren, weil die Orientieru n g an den N ach barI n nen im Schwarm dazu fü h rt, dass eine abweich ende B ewegu ng von Wen igen sich sch nell im gesamten Schwarm fortsetzen kann.

B eim M ensch en kom men solch e konkreten Situ ation en bei großen, u nsortierten M en- sch enmassen vor, z. B. als P u bliku m bei großen Veran staltu ngen. Eine typisch e Um set- zu ng der Reaktion au f N ach barI nnen ist die La-ola-Welle im Stadion, die genau au f dem

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M ech anismu s der leicht zeitverzögerten Reaktion au f ein Verh alten der N ach barperson au f- bau t. Ersch recken der, aber eben so beispielh aft, ist die Entsteh u ng von Pan ik.

M asse oh ne Differenz ist du mm . Die Reflexionsfäh igkeit der Einzeln en geht zu rü ck oder ganz u nter. Stattdessen reagieren die Teile au f die I mpu lse u n d Wellen effekte des Gesam- ten . Der Urspru ng des erkannten u nd dan n willen los nach gem achten Verh altens ist nicht erken nbar. Das sch afft die Vorau ssetzu n g fü r die sch n elle Wirksamwerdu ng von Disku rsen u nd ein e einfach e Steu eru ng der M asse.

Wen n z. B. Gerü chte au ftau ch en oder Ängste gesch ü rt werden, kann sich das selbst sch n ell fortpflanzen . H erku nft u nd B egrü n du ng einer I nformation lassen sich n u r schwer erm itteln, die Wu cht der I nform ation ersetzt Argu m ente. Stille-Post-Effekte könn en zu ein er Dramati- sieru ng im Verlau f der I nform ationsweitergabe fü h ren. I n einh eitlich en M assen zirku liert die I nform ation dan n selbsttragen d, d. h . sie erreicht imm er wieder von N eu em die Einzel- n en u nd beru ht au f dieser sch einbaren Überzeu gu n gskraft. Die Organisieru ng von Refle- xion, z. B. indem sich innerh alb der M asse eine klein e Gru ppe bildet, die das Geh örte dis- ku tiert u nd h interfragt, widerspricht dem P rin zip der M asse u nd wü rde diese au flösen.

Doch regelmäßig u nterbleibt eine solch e Stru ktu rieru n g der u n stru ktu rierten M asse.

M asse besteht nu r als M asse, d. h . sie bildet eine Einh eit, in dem die Eigenh eit der Einzel- n en verschwin det.

E rich F rom m (1 990): „D ie F u rch t vor der F reih eit“, dtv in Mü n ch en (S. 81 )

Wir haben das Gefühl, die Freiheit der Meinungsäußerung sei der letzte Schritt auf dem Siegesmarsch zur Freiheit. Dabei vergessen wir, dass die freie Meinungsäußerung zwar ei- nen wichtigen Sieg im Kampf gegen alte Zwänge darstellt, dass der moderne Mensch sich aber in einer Lage befindet, wo vieles, was »er« denkt oder sagt, genau dasselbe ist, was auch alle anderen denken oder sagen; dass er sich nicht die Fähigkeit erworben hat, auf originelle Weise (das heißt selbständig) zu denken − was allein seinem Anspruch einen Sinn gibt, dass niemand das Recht hat, ihm die Äußerung seiner Meinung zu verbieten. Au- ßerdem sind wir stolz darauf, dass sich der Mensch in bezug auf seine Lebensführung nicht mehr von äußeren Autoritäten sagen zu lassen braucht, was er zu tun und zu lassen hat.

Wir übersehen, welch große Rolle die anonymen Autoritäten wie die öffentliche Meinung und der »gesunde Menschenverstand« spielen, die eine solche Macht über uns haben, weil wir so durchaus bereit sind, uns den Erwartungen entsprechend zu verhalten, die die ande- ren an uns stellen, und weil wir eine so tiefsitzende Angst davor haben, uns von ihnen zu unterscheiden. Mit anderen Worten: Wir sind von der Zunahme unserer Freiheit von Mäch- ten außerhalb unserer selbst begeistert und sind blind für die inneren Zwänge und Ängste, die die Bedeutung der Siege, welche die Freiheit gegen ihre Waditionellen Feinde gewon- nen hat, zu unterminieren drohen.

Eine solch e M asse kann wie ein Schwarm nach zu fälligen I m pu lsen reagieren, sie ist aber au ch leicht zu steu ern. M asse oh ne Differenz passt h ervorragend zu r I dee einer Fü h ru n gs- person, ebenso lässt sie sich aber au ch disku rsiv steu ern. Denn der Einzelne ist nicht nu r als Teil einer Gesamth eit du mm , sondern au ch als Gelenkter einer abstrakten Gesamth eit, die nicht die individu ellen M öglich keiten fördert, son dern das I n dividu u m ü bergeordneten Zielen u nterwirft. Als solch e B eeinflu ssu ng komm en nicht nu r gezielte I nform ationen, son- dern au ch die allgemeinen gesellsch aftlich en P rinzipien u nd großen Disku rse in Frage. Sie lassen sich nicht meh r au f konkrete Personen zu rü ckfü h ren, sondern bilden die „ Leitku l- tu r“, das Sortim ent an Werten u nd Voru rteilen in einer Gesellsch aft.

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Das P rinzip von M asse tritt in der mensch lich en Gesellsch aft vor allem als abstrakte M asse au f. Sie ist − von den benannten Au sn ah men des P u bliku m s bei großen Veranstaltu ngen oder äh nlich en Situ ation en abgeseh en − vor allem in einer virtu ellen Verbu ndenh eit prä- gend. Die M asse des Volkes tritt bei Wah len zu sam men − zwar tatsäch lich an tau sen den versch ieden er Orte (Wah llokale), aber doch in ein er Form , in der die Einzelnen getren nt dem Gesamten gegenü ber steh en u n d einh eitlich h andeln. Sie bilden keine gesellsch aftli- ch en Su bräu me, son dern treten einzeln in die Wah lkabine − abstrakt verbu n den mit den M illion en anderer, au ch wenn die nicht sichtbar sin d. „Volk“ ist der I nbegriff dieser M asse oh ne Differen z. Das Wah lergebnis ist dann Gesamtau sdru ck dieser M asse, die als abstrak- ter Gesamtwille zu einer Art Persönlich keit wird, die sprech en kan n − eben als Wah lergeb- nis. Äh nlich steht eine M asse einzelner M ensch en, selbst wen n sie in ih rer Gesamth eit ein e B in nenstru ktu r au fweisen , au flagen- u nd einsch altqu otenstarken bzw. spezialisiert M ei- nu ng mach enden M edien, den I nstitu tionen der Erzieh u ng, als Loh nabh ängige zu dem den Arbeit„ geberI nn en“ oder als I nh aftierte dem System Knast gegen ü ber. Diese sch eren M en sch en „ ü ber einen Kamm“, d. h . sie verh alten sich so, als wären die M en sch en ein e M asse oh ne Differenz, wodu rch die die M enge in diese Richtu ng form en oder verblei- bende I ndividu alität in die vorgefertigten Kanäle der Rädch en im System pressen. Zu sol- ch en M edien ereign issen geh ört au ch die Darstellu ng m en sch lich er Sozialisieru ng in Ge- sch ichtssch reibu ng oder Filmen. Sie sch reiben große Erzäh lu n gen von den M en sch en.

Wer KinogängerI n ist oder öfter im P u sch enkino dah eim Film e sch au t, wird sich vielleicht erinnern, sie klein e u nd große Leinwandklassiker die M ensch en zu formlosen M assen ma- ch en, au s den en n u r die H au ptdarstellerI n nen h erau sragen , u m deren in dividu elle H eldI n- nenleistu n gen oder B ettgesch ichten zeigen zu können. Der Rest ist M asse − m anch m al wertu ngslos als kleine Rädch en in m eist blu tigen Kampfh andlu ngen h istorisch er Epen (Troja, B rave H eart & Co. ) oder Science Fiction Film en wie Avatar oder Star Trek. M itu nter sin d sie aber au ch von seh r eindeu tigen Gu t- u nd B öse-Zu sch reibu n gen geprägt, die den sich als gu t defin ierenden M assen das Recht au f Eliminieru ng der B ösen gibt. Solch e Gru ndmu ster fasch istoider Gesellsch aftsideologie in Anwendu n g au f M assen oh ne Diffe- renz zeich n en Film e wie Star Wars oder H err der Rin ge au s. Sie alle form en die Wah rneh - m u ng von M en sch en als einh eitlich e M asse − mit der Wirklich keit drau ßen in den Dörfern u n d Stadtteilen h at das wenig zu tu n.

Die Welt in einh eitlich e soziale Klassen einzu teilen, m acht M ensch en zu r M asse − ein Feh ler, den h erkömm lich e Sozialpolitik ebenso m acht wie marxistisch e Gesellsch aftsan aly- se. Religionen stellen Vermassu ngskonzepte dar: Die Ein zelnen werden gleich gegenü ber dem großen Gott oder der großen externen Weish eit − au ch wenn Pau l Ernst in „ Zu sam- m en bru ch u nd Glau be“ genau da Gegenteil zu verkü nden versu chte: „ N u r Religion m acht ein Volk; wo die M ensch en keine Religion h aben, da ist nu r M asse.“ Die Logik von Recht u n d Gesetz sch afft etwas Äh nlich es: Vor dem Gesetz sollen alle gleich sein, wird su ggiert

− u n d damit ein e Gesamth eit in szeniert. Zwar ist die Gleich h eit tatsäch lich ein e seh r platte Lü ge, sch ließlich gibt es etlich e Sondergesetze, die z. B. M inderjäh rigen, N ichtdeu tsch en u sw. Rechte verweigern. Aber selbst wenn wenigstens die Gleich h eit vor dem Gesetz stim- m en wü rde, wäre es au ch nicht eman zipatorisch . Den n damit geh en die Eigen h eiten der M en sch en u nd ih re Su bjektivität verloren. Dem Gesetz wie dem Gott gegenü ber steh en die Einzelnen alle als persönlich keitsloses I ndividu u m , als n u r ein Stau bkorn im Gesamten, ein e N u m mer au s der M asse.

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Au s Wich t, Corn el ia (1 980): „D er Ökol ogisch e An a rch ism u s Mu rray B ookch in s“, Verl ag F reie Gesel l sch aft in F ra n kfu rt (S. 57 f. )

Die privaten Rückzugsgebiete des Individuums, das Heim, Kindererziehung, Sexualität und die ruhigen Momente, die für persönliche Reflektion und Meditation reverviert sind, werden zu Instrumenten der Massenkultur, die die Erziehungsnormen diktiert, wie Elternliebe, phy- sische Schönheit, persönliche Kleidung, Möbel und die intemsten Seiten zwischenmenschli- cher Beziehungen. . . .

Das Individuum, das sich selbst in soziale Neutralität und öffentliche Gleichgültigkeit flüch- tet, liefert seine Privatheit den eindringenden sozialen Kräften aus, von denen es zu ent- kommen suchte. Es entwickelt sich eine zunehmende Konformität im Lebensrhythmus und den persönlichen Beziehungen.

Erst wen n sich die M ensch en organisieren, also ih re eigenen Formen der Disku ssion, Re- flexion , I nform ationsbesch affu n g, I nteressen sartiku lation u sw. entwickeln, verlassen sie das Stadiu m der M asse oh ne Differenz − ein Gru n d dafü r, dass z. B. in Gefängn issen jede Form der Solidarisieru n g zwisch en Gefangenen oder der B ildu n g eigener Organisations- stru ktu ren sch nell zersch lagen wird. Den n nichts ist besser steu erbar als die einh eitlich e M asse oh ne Differen z. M asse neigt zu B lödh eit, weil sie die Einzelnen stu mm u nd stu m pf m acht, deren Kreativität u nd analytisch es H in sch au en bricht.

Au szu g au s Len F ish er (2 01 0): „Schwarm in tel l igen z“, E ich born in F ra n kfu rt (S. 48 f. ) Ein chinesisches Sprichwort, das Lao-Tse, dem Gründer des Taoismus, zugeschrieben wird, besagt: »Ein Führer ist dann am besten, wenn ihn die Menschen kaum bemerken. Wenn die Arbeit getan und sein Ziel erreicht ist, dann sagen sie, 'Wir haben es selbst vollbracht'. « Neu jedoch ist der theoretische und praktische Beweis, dass ein Anführer (oder eine Gruppe von Anführern) eine Gruppe unerkannt und von innen heraus auf ein Ziel zuführen kann. Daraus lässt sich eine Regel ableiten, die wir nutzen können, wenn wir eine Gruppe in unserem Sinne beeinflussen wollen: Führen Sie von innen heraus (am besten mit einer Gruppe gleichgesinnter Kollegen oder Freunde), aber achten Sie darauf, dass es die ande- ren Gruppenmitglieder nicht bemerken. Gehen Sie einfach in die Richtung, in die Sie gehen wollen, und überlassen Sie den Rest den Gesetzen des Schwarms.

Das funktioniert in Gruppen, deren Angehörige eine angeborene oder angelernte Nei- gung haben, sich anderen in ihrer Umgebung anzuschließen. Es reicht schon aus, wenn einige nicht nachahmen, sondern die Führung übernehmen, und schon bald folgt ihnen die gesamte Gruppe. jede Abweichung wird rasch durch negative Rückkopplung korrigiert, und die Abweichler werden durch sozialen oder physischen Druck dazu gebracht, sich dem Rest anzuschließen. je größer die Abweichung, umso stärker der Druck. . . .

Polizeibeamte haben uns berichtet, dass es ausreicht, bei Demonstrationen und Straßen- schlachten eine kleine Gruppe von Randalierern festzunehmen, um die ganze Menge zu kontrollieren.

Wil l iam Pen n ,1 644 − 1 71 8

Macht das Volk glauben, dass es regiert, und es wird sich regieren lassen.

Au s H a rdt, M. /N egri, A, 2002 : E m pire. Cam p u s Verl ag F ra n kfu rt (S. 11 7)

Die Identität des Volkes wurde auf einer imaginären Ebene konstruiert, welche die Unter- schiede entweder verbarg und/oder eliminierte; in der Praxis entsprechen dem die rassisti- sche Unterwerfung und die soziale Säuberung. Der zweite grundlegende Schritt bei der

Konstruktion des Volkes, der durch den ersten erleichtert wurde, besteht darin, die in- ternen Unterschiede mittels Repräsentation der gesamten Bevölkerung durch eine he-

gemoniale Gruppe, Rasse oder Klasse zu verwischen.

Le B on , Gu sta ve 1 895, P sych ol ogie d er Ma ssen , Stu ttgart 1 951 , S. 1 6*

In der Menge, so Le Bon, „versinkt das Ungleichartige . . . im Gleichartigen, und die unbewussten Eigenschaften überwiegen“

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* Zitiert in: H ardt, Mich ael /N egri, Antonio ( 2004) :

„ Mul titude“, Cam - pus Verl ag in Frank- furt ( S. 288)

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Je meh r die Untersch iedlich keit verloren geht, desto stärker entsteht M asse. Kon sensver- fah ren in großen Gru ppen oh ne Vielfalt u n d Untersch iedlich keit sch affen de B innenstru ktu r verstärken diesen Effekt.

Am dram atisch sten aber stellen sich die Verh ältnisse in M assen ein , die ih re Existenz nu r der Akklamation von au ßen. Das Volk, diese frei konstru ierte Einh eit au s einer völlig zu - samm enh anglosen M enge an M ensch en , ist die am einfach sten zu h andh aben de M asse von M ensch en , weil die Einzelnen nu r in diese M asse h inein gedacht werden. Das Volk lässt sich verein nah m en, als Legitim ation nu tzen, oh ne dass es je existiert h ätte au ßer in Disku rsen derer, die das Volk entsteh en lassen, in dem sie den Gesamtwillen des Volkes konstru ieren. Der Dem kratie-Th eoretiker Sch u m peter stellte fest, dass der „Wille des Vol- kes das Erzeu gn is u nd nicht die Triebkraft des politisch en P rozesses“ ist. I n der Sch rift „ Das Leitbild der modernen Dem okratie“, die von der h essisch en Landeszentrale fü r politisch e B ildu ng h erau sgegeben wird, h eißt es äh nlich deu tlich : „ Es war sch on davon die Rede, dass die Abgeordn eten im Falle eines Konflikts zwisch en Parlam entsmei-

nu ng u nd Volksmein u ng das Volk von der Richtigkeit ih rer M einu n g zu ü berzeu gen h ätten. Das kön nen sie sinnvoll nu r ü ber Parteien tu n . Denn die Parteien formen ja vielfach ü berh au pt erst den Willen des Volkes.“

Gibt es einen H ang zu r Konformität? Am 1 0. Dezem ber 2009 lief im H es- sisch en Ru ndfu nk ein B eitrag ü ber das Tanzen . Die Fragestellu ng sch ien langweilig: Waru m tan zen M ensch en so gern? Die Antwort war aber erh el- len d: Weil sie so gern dasselbe tu n wie alle anderen au ch , weil sie gern im fes-

ten Rhyth mu s sind u n d sich mit anderen h arm onisch -einh eitlich verh alten . Sollte der M en sch doch ein H erden- oder Schwarmtier sein? M itu nter sch eint es so, als wäre das typi- sch e Sch af u nd seine treu du mm dah erkommende N eigu ng, gern in der Gesamth eit aller Tiere u nterzu geh en , zu m Vorbild der Organisieru ng m en sch lich er Gesellsch aft geworden (sieh e die Gesch ichte von Sch afen u nd Ziegen). Es gibt sogar M ensch en, die werben fü r ein e solch e Sozialisieru ng als einh eitlich e M asse.

Doch bei näh erer B etrachtu ng stim men sch on die Argu m ente nicht. Zu r Frage der Sch ätz- fäh igkeiten von M assen sei au f die Frage der Kriminalität verwiesen. Zwar ist au ch h ier denkbar, dass der Du rch sch n itt m eist besser sch ätzt als die M eh rh eit, aber die Abweich u n- gen vieler Einzeln er sind derart stark, dass es n icht darau f ankommt. Vielmeh r entsteht der Verdacht, dass M asse als Ganzes viel leichter beeinflu ssbar ist als die vielen Einzelnen, so dass die B eh au ptu ng, die M asse sei beim Sch ätzen besser als die M eh rh eit der Einzelnen nu r au f solch e Fragen zu trifft, bei der Zu richtu ngen, gesellsch aftlich e Rollen u n d Disku rse keine Rolle spielen . M ensch en sind aber im mer ein er sozialen Zu richtu ng u nd den h err- sch enden Disku rsen au sgesetzt. Dazu ist es gar nicht n ötig, dass sie sich im konkreten Fall noch mals verständigen .

Wer sch on einm al in Gru ppen gearbeitet h at (u n d wer h at das nicht?), wird sich vielleicht eh er an etwas anderes erinnern: I m direkten Gespräch sind M en sch en oft reflektiert u n d beson nen . I n der Gru ppe neigen sie h ingegen zu platten Überlegu ngen oder sch ließen sich sch n ell plau sibel klin genden , aber genau desh alb oft sim plen Denkm odellen an. M as- se, egal ob näh er am biologisch en Vorbild H erde oder am Schwarm, wirkt abtötend au f das eigen ständige Den ken. M öglich erweise erzeu gt die Angst, anderen nicht zu gefallen, sein eigen es (kreatives) H andeln erklären zu m ü sen oder au s der Kollektivität h erau szu fallen,

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Quel l en und m eh r Zitate zur Konstruktion von Vol k unter www. projektwerkstatt.de/

dem okratie/vol k. htm l und zur Wirksam keit von Dis- kursen unter . . / popul _diskurs. htm l

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eine N eigu n g, den prägenden oder du rch sch n ittlich en Ku rs der Vielen mitzu m ach en, also einfach mit zu schwim men in dem, was sch einbar vorh errsch en de Stimmu ng ist. Dass die Teile der M asse also au f Reflektion u nd eigen e Gedanken gan z oder weitgeh end verzich - ten , ist bereits ein Gru n d dafü r, dass die in der Gesamth eit entsteh enden M ein u ngen oft seh r flach sin d. Ein anderer ist die leichte B eeinflu ssbarkeit. Wenn n ieman d meh r B eden- ken äu ßert, könn en sich einfach e Denk- u nd Erkläru ngsmu ster sch n ell du rch setzen. Popu - lismu s ist die typisch e Art, M ensch enmassen zu beeinflu ssen.

Len Fish er beh au ptet, es gäbe gar keine Alternative zu r Orientieru n g au f M asse oder zu - m in dest M eh rh eiten (S. 80): „ I m Gru nde h aben wir zwei M öglich keiten: Wir könn en eine Abstim mu ng mach en u n d u ns nach der M eh rh eit richten oder wir können eine Art Du rch - sch nitt au s allen M einu ngen bilden.“ Doch recht h at er damit nu r, solange die M asse oh ne Differenz als ein ziges M odell sozialer Organisieru ng anerkannt wird.

Viel sch lau er wäre, Kooperationsformen zu fin den, bei denen die Reflexion, die M öglich - keiten der Einzeln en u nd das du rch dachte Vorgeh en nicht zerbröseln , sondern sich die Qu alitäten ergän zen, so dass ü bertroffen werden kann , was im Alleingang mach bar ist.

H ierarch ie: Differenz m it Gefälle

M asse oh ne Differenz nicht das prägende Korsett h eu tiger Gesellsch aft, aber eine innerh alb dieser imm er wieder au ftretende Variante, die den en h ilft, die leicht steu er- oder benu tzbare Ein h eiten brau ch en.

Viel h äu figer u nd bestimm en der sind H ierarch ien. I n ih n en sind die M ensch enmengen sortiert. Jeder Person komm en Rechte u nd P flichten zu , aber eben nicht die gleich en. Äu - ßere Regeln z. B. in Form der Gesetze oder die Zu richtu n g au f spezifisch e Rollen in nerh alb der Gesellsch aft bestim men, wer wieviel zu sagen, welch en Zu griff au f welch e Ressou rcen u nd welch e H andlu ngsmöglich keiten h at. Wer in der H ierarch ie weiter oben steht, kann das Verh alten der Daru ntersteh enden kontrollieren, steu ern u nd Feh lverh alten sanktionie- ren − oder bedient sich dazu gesonderter Teile der H ierarch ie, die fü r Überwach u ng u n d San ktionieru ng zu ständig sind. I n der h eu tigen Gesellsch aft arbeitet ein bedeu tender Teil aller M ensch en genau in dieser Au fgabe. Das sind nicht n u r Polizei u nd Ju stiz, von den en das allgemein bekan nt ist, sondern au ch die Au fpasserI n nen am Arbeitsplatz, im Arbeits- amt oder Sozialbeh örden sowie viele m eh r. Etlich e B eru fszweige dienen au ch dieser Über- wach u ng u nd Sanktion ieru n g. So kom mt ÄrztI n nen die Du rch setzu n g der Einteilu n g in krank u nd gesu n d zu , Leh rerI nnen benoten u n d reglem entieren das Leben u nd Lernver- h alten von H eranwach sen den u sw.

H ierarch ie bedeu tet also im Gegensatz zu r M asse, dass in der M enge Untersch iede zu er- ken nen sind. Die M ensch en ü ben Fu nktion en au s, die ih nen u ntersch iedlich e H andlu n gs- m öglich keiten geben, aber au ch Erwartu ngen erzeu gen . Die versch iedenen Positionen ste- h en nicht gleich berechtigt nebeneinan der, son dern ü ber- u nd u ntereinan der. Diese sozia- len Stu fu ngen treten nicht widerspru ch sfrei au f, z. B. kann zwisch en zwei Personen oder in- n erh alb ein er Gru ppe in einem Fall das h ierarch isch e Gefälle andersh eru m sein als in ei- n em anderen. Au fh eben tu n sich die Untersch iede aber nu r selten. Die h ierarch isch e Gru ndstru ktu r der Gesellsch aft zeigt sich ü berwiegend als du rch geh en de, d. h . die P rivile- gien in einem Fall treten bei der gleich en Person au ch an anderer Stelle au f. Wer viel Geld h at (m eh r H an dlu n gsm öglich keiten ), h at m eist au ch bessere Verbindu ngen in Eliten, kann

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Anarch ie und Kol l ektiv −

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ein Th em a unter www.

anarch ie-debatte.de.vu

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sich vor Strafverfolgu ng besser sch ü tzen, h at ein h öh eres Anseh en u nd Einflu ss in Ent- sch eidu ngsorganen u sw.

H ierarch ien bedü rfen starker Kräfte, u m sie au frecht zu erh alten. N eben au toritärer Du rch - setzu ng per San ktionieru ng abweich en den Verh altens, Straf- u nd B eloh nu ngssystemen u n d sozialer Stigmatisieru ng von An dersartigkeit können Disku rse u nd Legitim ation die Akzeptanz von H ierarch ien fördern. Disku rse sin d solch e Gedankengebäu de, n ach denen privilegierte Positionen als woh lbegrü ndet ersch ein en , z. B. au fgru nd besserer Au sbildu ng, h öh eren Lebensalters oder einfach der B eh au ptu ng von Überlegenh eit bestim mter Rassen oder eines Gesch lechts. Sie können als Legitim ation wirken, wie dies au ch Wah len oder ein B ezu g au f h öh ere Weih en (z. B. göttlich er Au ftrag) n ach sich zieh en.

H ierarch ien u nd M asse oh n e Differenz können mitein ander verknü pft sein. Zu m einen lässt sich M asse leicht fü h ren − u n d diese Kombination ist im mer wieder vorgekom men.

Der Fasch ismu s bietet die beeindru ckendste Au sprägu ng, wie eine ganze riesige Gesell- sch aft zu einer Gesamth eit in sch einbarer Gleich h eit geformt werden kann u n d dann einem Fü h rer zu Fü ßen liegt: „ Ein Volk, ein Reich , ein Fü h rer“ − die perfekte Verbindu ng der zu - m indest in der politisch en Organisieru ng stru ktu rlosen M asse mit einer genau desh alb all- m ächtigen Einzelfigu r als Volks(ver)fü h rer.

Tatsäch lich ragten selbst im N ationalsozialismu s h ierarch isch geordnete M achtstru ktu ren in die M asse h in ein. I h re Au fgabe war aber vor allem , die M asse als M enge oh n e Orientie- ru ng u nd Stru ktu r zu organisieren. Alle Teile, die als selbständige Stru ktu r im Ganzen agie- ren konnten, wu rden au fgelöst, au sgelöscht oder gleich gesch altet.

Au tonom ie u nd Kooperation: Differenz oh ne Gefälle

Es gibt eine − mindestens ein e − weitere Form, wie sich M ensch enmengen organisieren können. Diese ist schwerer zu besch reiben u n d bislang im Weltm aßstab oh n e Vorbild. B ei genau erem H inseh en h at es aber diese Form aber zu mindest in Ansätzen immer wieder gegeben − oft mit bemerken swertem Erfolg.

Eine M enge von M ensch en kan n sich , statt als M asse oh ne Differenz oder als h ierarch i- sch e Stru ktu r, mit B inn en stru ktu ren organisieren, die nicht h ierarch isch zu einan der ste- h en. Diese gesellsch aftlich en Su bräu me sind nicht in eine ü bergeordnete Gesamtstru ktu r ein gegliedert − u nd sie bilden au ch fü r nieman den eine erzwu ngene Gemein sch aft. Zwar wäre, dem M odell ein er Selbstorganisieru ng folgend, allen Teilen selbst ü berlassen, wie sie sich intern organisieren, sie kön nen aber niemanden zwin gen, Teil ih rer Organisieru ng zu werden , u nd h aben gegenü ber anderen Teilen keine Dom in anz. „ Eine Welt, in der viele Welten P latz h aben“ besch reibt diesen Typu s in sch ön en Worten. Die M ensch en in der M en ge h aben gleich e M öglich keiten (keine H ierarch ie), aber sie m ü ssen sich desh alb nicht gleich entwickeln oder verh alten. Gan z im Gegenteil bilden die freien Zu sam men- sch lü sse u n d Kooperationen ein die gesamte M enge du rch zieh endes N etz von kleinen u n d großen, ku rzfristigen oder länger andau ernden Teilen des Ganzen. Sie organisieren sich innerh alb des Ganzen weitgeh end selbst u n d bestim men von sich au s, wie viel Au ßenkon- takt sie h aben, m it wem sie wie kooperieren oder sich abgren zen. Das Ganze ist, da h ierar- ch ielos, kein starres, sondern ein sich ständig nach den Wü nsch en u nd B edü rfnissen der B eteiligten veränderndes N etz von h andelnden Teilen.

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Eine Welt, in der viele Welten P latz h aben, wäre ein e Welt der ins Unendlich e geh enden Untersch iedlich keit. Diese Vielfalt ist ein Kern, der andere besteht au s Kommu nikation u n d Kooperation. Wo der Zu sammenh ang des Vielen nicht du rch ein e H ierarch ie oder Fü h - ru ng erzwu ngen ist, sch affen intensive I nform ationsflü sse, Orte der B egegnu ng u nd Koor- dinieru ng die Vorau ssetzu ng, dass Zu sam menarbeit entsteht u nd so die Ergebnisse der Vielfalt fü r alle nu tzbar werden.

Au s: H el frich , Sil ke u n d H ein rich -B öl l -Stiftu n g (H rsg. , 2009): „Wem geh ört die Wel t?“, Ökom in Mü n ch en (S. 2 67)

Wenn es stimmt, dass Diversität das wichtigste Stabilisierungsprinzip in Natur und Gesell- schaft ist, das einzige Prinzip, das Mensch und Natur viele Möglichkeiten und Lösungen si- chert, dann liegt die Stärke der Gemeingüterdebatte in der Abwehr vereinfachender Re- zepte für politisches Handeln. Diese Stärke beschreibt zugleich eine Begrenztheit. Denn wenn politisch zugespitzte Auseinandersetzungen zu Lösungen drängen, taugen Commons kaum als Kampfbegriff, wohl aber zur Orientierung und differenzierten Bewertung des Vor- findlichen. Die Gemeingüterdebatte bietet statt einer Blaupause eine programmatische Klammer. Eine neue Vision.

Wen n M en sch en u nd ih re Zu samm enh änge frei sind in der eigenen Gestaltu ng ih rer An- gelegen h eiten, wen n sie gleich berechtigt zu ein ander steh en u n d frei Absprach en treffen oder Kooperation en ein geh en können, wenn kein e M etastru ktu r darü ber wacht, ob irgen d- welch e ü bergeordneten I nteressen oder N orm en berü cksichtigt werden, dann kann die I dee freier M ensch en in freien Vereinbaru n gen Wirklich keit werden.

Es gibt bereits viele B eispiele, die zu m indest in Ansätzen dieser I dee entsprech en:

• Wiki, Open Sou rce Software u sw. : Via I nternet kön nen P rojekte du rch die Koopera- tion vieler M ensch en mit gleich berechtigtem Zu gan g zu den Ressou rcen entsteh en.

Wikis stellen I ntern etseiten dar, au f denen die I nternetnu tzerI nn en selbst I nh alte ein- stellen können (Wikipedia war mal solch ein P rojekt, sieh e u nten). Welch e Leistu ngs- fäh igkeit solch e Kooperationen h aben können, zeigt die Software, die als Open Sou rce entwickelt wird, d. h . alle M ensch en, die wollen u nd m itprogram mieren kön- n en , tragen zu r Entsteh u ng der Software bei. Das Linu x-B etriebssystem oder der in- zwisch en stark verbreitete B rowser Firefox sin d B eispiele fü r solch e P rogram me.

• Die Sozialforen , die u m die Jah rtau sendwende als neu artiger Treffpu nkt sozialer B e- wegu ngen entstanden , sch u fen offene Räu me der gleich berechtigten B egegn u ng. Es sollte keine M etastru ktu r geben, sondern sich alles au s dem Engagem ent der B etei- ligten entwickeln . Leider h aben die großen, h ierarch isch en u nd nach H egemonie in sozialen B ewegu ngen streben den N GOs diese I dee imm er bekämpft − mit H ilfe ih - rer gu t gefü llten Kassen u nd H au ptamtlich enapparate ist ih n en das au ch zu gu ten Tei- len gelu ngen .

• Die I dee von Räterepu bliken spiegelt das B edü rfn is nach B in nenstru ktu r oh ne H ierar- ch ie ebenfalls wieder, wenn au ch in der praktisch en Anwendu n g u nd au ch in der Th eorie ein naiver Umgang m it informellen H errsch aftsstru ktu ren besteht. I n der Ge- sch ichte sind Experim ente wie z. B. die Pariser Kom mu n e oder die Repu blik Schwar- zenberg du rch ü berlegene externe M ilitärm ächte beendet worden.

• Der B egriff der M u lititu de, von H ardt/N egri in ih rem gleich lau ten den B u ch zwar n icht erfu nden , aber bekannt gemacht, äh nelt der I dee einer Gesellsch aft, in der viele Welten P latz h aben, in der also die Untersch iedlich keit das P rägende ist.

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Ein ebenso ü berrasch endes wie spannendes B eispiel vollzog sich im Som mer 201 0. Fu ß- ball prägte das Weltgesch eh en , zu mindest in den medial ü berladen en M etropolen u n d Woh nzim mern. Rechtzeitig vor dem teu ren Kick trat ein Verteidiger im Loh n ein er engli- sch en Fu ßballm annsch aft dem Leitwolf des deu tsch en Teams m ächtig au f die Fü ße, so dass dieser nicht m itspielen konnte. Fassu ngslos sch au te danach Fu ßballdeu tsch lan d, aber au ch m eh rere ansonsten an biedere M annsch aftsgesch lossenh eit gewöh nte Fans anderer Länder, au f das Spiel der offen bar fü h ru n gsfreien Kicker.

Au s „D as E n d e des D irigen ten“, in : J u n ge Wel t, 7. 7. 2 01 0 (S. 1 5)

Es geht um das Prinzip des uneingeschränkten Führers, das stets mit einer Unmündigkeit der Geführten einhergeht: Ein Mannschaftskapitän, der autokratisch entscheidet, was für das Spiel, für sich und für die anderen seiner Mannschaft gut und nützlich ist, steht in der Tradition eines absoluten Monarchen-/Kaiser-/Zarentums. Das mag zeitweise von Erfolg ge- krönt sein, doch nur solange, bis dem ein besseres System entgegensteht − eines, in dem Eigeninitiativen sich entfalten und zu einem Flechtwerk ungeahnter Phantasie sich entwi- ckeln dürfen. Das Abschaffen des Führerdenkens entspricht der Grundlage des Free Jazz als der (in bezug auf ihren anarchistischen und damit basisdemokratischen Gehalt) bis heute am weitest gediehenen künstlerischen Ausdrucksform in der Geschichte der Mensch- heit. . . .

Leider verschwand die I dee der egalitären, aber vielfältigen Gemein sch aft sch nell wieder au s den Köpfen. Offenbar sch u f das Sportereignis u n d der n ational oder alkoh olisch ge- prägte Überschwang eine Art N arrenfreih eit des Denkens − nicht die sch lechteste Au s- gan gslage fü r em anzipatorisch e Geistesblitze. Ein Vergleich sfall h ätte du rch au s die der Weltmeistersch aft folgende B u ndesligasaison mit dem H öh enflu g der Clu bs au s M ainz oder Dortmu nd bieten könn en , aber das Sym path iepotential fü r anarch isch e Gesellsch afts- gestaltu n g war offenbar verflogen. Übertrieben war es oh neh in , doch in Deu tsch land zäh lt offenbar sch on als h errsch aftsfrei, wo der Fü h rer nicht au f den ersten B lick zu erkennen ist.

Wandel u nd Übergänge − in alle Richtu ngen

Kein System ist so selbst-stabilisierend, dass es, einmal gesch affen, weiter existiert u nd sich entwickelt. Offene System e mit einer vielfältigen B in nen-, aber oh n e ü bergeordnete Ge- samtstru ktu r, könn en au f B edroh u ngen von I n nen oder Au ßen nicht als Einh eit reagieren.

Das ist zu näch st au ch einm al gu t so, weil die Etablieru ng einer einh eitlich en Reaktion s- fäh igkeit bereits die neu e innere M etastru ktu r wäre. Eine M ensch enmenge oh ne H ierarch ie u n d Gesamth eit besteht solange, wie sich M ensch en selbst organisieren , Su bräu m e immer wieder neu bilden u n d den P rozess von Kom mu nikation u nd Kooperation imm er wieder vorantreiben . Dazu besteht aber viel Anlass, denn dadu rch verbessern sich au ch die H and- lu ngsmöglich keiten der Einzeln en . Egoismu s, der Wille zu m besseren Leben, treibt also in ein er solch en Gesellsch aft selbst das Kooperative u nd Komm u nikative an.

Sch leich end lassen sich aber offene Systeme verändern, zu mindest Teile der Vielfalt. B e- sonders sch nell geht das bei Su bräu m en, die als Experiment innerh alb einer ansonsten h errsch aftsförm igen Welt errichtet werden. Ein prägn antes u nd oft disku tiertes B eispiel war Wikipedia. Die Offen h eit der I nternet-En zyklopädie zu m M itm ach en war nie garantiert, sondern ein Zu geständnis der M ach erI n nen . Au s ih r resu ltierte aber eine bem erkenswerte Erfolgsgesch ichte. Offenh eit sch afft u nd sich ert offenbar Qu alität. Wikipedia begann weit- geh end offen u nd u nkontrolliert. Die Folge: H oh e Qu alität. Das wu rde meh rfach du rch Un- tersu ch u ngen bestätigt.

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Au s „Googl es Gegn er“, in : F R , 2 8.1 2 . 2 007 (S. 48)

Während Kritiker immer wieder an der Seriosität der „anarchischen Wiki-Welt“ zweifelten, fanden Studien heraus, dass die Einträge durchaus mit althergebrachten Lexika mithalten konnten, wenn nicht sogar besser waren.

Doch obwoh l Wikipedia besser war als andere Enzyklopädien, begannen viele, vor allem bü rgerlich e M edien, ü ber Wikipedias anarch isch en Ansatz h erzu zieh en . M ensch sich vor Wikipedia h ü ten u n d imm er au ch an dere (sch lechtere! ) Qu ellen ein bezieh en − so ein er der oft genan nten Vorsch läge. Wie absu rd! Zwar ist im mer besser, meh rere Qu ellen zu nu t- zen − aber wu rde jem als so ü ber den B rockh au s geredet, dass m ensch lieber noch ein zweites oder drittes Lexikon gleich zeitig nu tzt?

Die Wikipedia-M ach erI nnen waren sch nell im Disku rs der An gst vor u nkontrollierten Räu - m en gefan gen. Stü ck fü r Stü ck wu rde Kontrolle eingefü h rt. H eu te ist Wikipedia ein krass vermachteter Rau m. Die I dee wu rde zerstört − u nd die Qu alität versch lechterte sich ! Doch das wird jetzt n ieman d m eh r th em atisieren, denn Wikipedia ist jetzt im Sch oß einer kon- trollsü chtigen Gesellsch aft angekommen.

Au s „Vorsich t E n te! “, in : F R , 1 8. 2 . 2 009 (S. 36 f. )

Das Interessante ist: Die deutschsprachige Version von Wikipedia hat schon im Mai 2008 begonnen, eine kollektive Kontrollinstanz aufzubauen. Seitdem gibt es Aufpasser, die Arti- kel überprüfen und Schmierereien entfernen. . . . Beiträge, in denen ihnen kein Vandalismus aufgefallen ist, werden mit einem gelben Auge gekennzeichnet. Das Siegel ist ein minimaler Qualitätsnachweis. Es signalisiert vor allem: Auf den ersten Blick ist mit diesem Text alles in Ordnung. Wenn das Sichter-Prinzip sich bewährt, könnte der nächste Schritt folgen. Dann würden die gesichteten Versionen inhaltlich geprüft. . . .

Im Laufe der recht jungen Wikipedia-Geschichte zeigten verschiedene Untersuchungen, dass sowohl Brockhaus als auch Britannica nicht unbedingt besser sind als die Online- Enzyklopädie. Im führenden Wissenschaftsmagazin Nature erschien 2005 eine Studie, die bei Britannica-Artikeln im Durchschnitt drei und bei Wikipedia vier Fehler zählte − ein er- staunlich geringer Unterschied. Der Stern verglich den Netz-Auftritt von Brockhaus mit Wi- kipedia − und gab der selbstgemachten Enzyklopädie viel bessere Noten. Ihr großer Vor- teil: Sie war fast immer aktueller. Allein bei der Verständlichkeit lag der Brockhaus vorn.

I n wel ch er Form l eben wi r?

Die h eu tige Gesellsch aft „ westlich er“ P rägu ng ist eine M isch u ng au s Vermassu n g u n d H ierarch ien − m it kleinen, exotisch anmu tenden Einsprenkseln kleiner Su bräu me, die als offene Vielfalt oh ne H ierarch ie organ isiert werden. Solch e M isch u ngen sind seh r modern, sie komm en dem Verständnis von P lu ralität als H andlu ngsrau m innerh alb eines du rch Kontrolle, ökonomisch e u nd disku rsive Vorgaben eingeh egten M en sch enm en ge nah e.

Die B eh errsch barkeit solch er Gesellsch aften steigt mit der Zersch lagu ng von B in nenstru k- tu r. Tradierte N etzwerke wie Fam ilien, Vereine oder Clans − wegen ih rer internen H ierar- ch ien du rchweg keine eman zipatorisch en Ersch einu ngen − geh en verloren, wäh ren d n eu e Zu sam menh än ge z. B. ü ber internetgestü tzte Sozialbezieh u ngen deu tlich weniger in- ten siv sind. I nsofern gewinnt die Orientieru n g an M asse oh ne B in nenstru ktu r wieder an B edeu tu ng. Dieses gilt au ch fü r erstarkende religiöse Orientieru ngen u nd nationale Erwe- cku ng. I m mer geht die interne Selbstorgan isieru ng zu rü ck u nd die M enge der M ensch en wird zu r steu erbaren M asse.

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P lu rale Systeme erlau ben in nerh alb der zu gelassen en B ah nen Experimente anderer Art.

Sie kön nen sich das leisten, denn solange diese klein bleiben, sin d sie eh er eine ku ltu relle B ereich eru ng u nd bieten, wenn ih re Akteu rI nnen etablieren, die Ch ance zu I n novation.

B i ol ogi e u n d Ku l tu r des Men sch en bi eten m eh r

Es gibt Laien u n d ExpertI n nen , die meinen, die N atu r des M en sch en gäbe nicht meh r h er als das Leben in du rch Zwang geordneten Gru ppen, son st käme es zu M ord u n d Tot- sch lag, wah lweise au ch zu Ch aos oder Untergang. Doch das stim mt sch on von der N atu r h er nicht. Jenseits der Frage, ob es eine u rsprü n glich e N atü rlich keit der mensch lich en So- zialisation ü berh au pt geben kann, wäre diese mit Sich erh eit n icht h erdenförmig. Ganz im Gegenteil ist au ch in der au ßermensch lich en Tierwelt zu seh en , dass mit dem Grad an Denk- u nd B ewu sstsein sfäh igkeit sich nicht nu r Werkzeu ggebrau ch u nd Lernen au sdeh - nen, sondern au ch die Sozialbezieh u ngen kom plexer werden, also nicht m eh r eine be- stimmte, einfach e Form an neh men.

Die beiden den M ensch en am näch sten steh en den Tierarten sin d n ach dem Wissen sstan d in der B iologie Sch impansen u nd B onobos. I nteressanterweise sind − bei aller Äh nlich keit

− die Gesch lechterdominanzen offen bar gegenteilig, bei den B onobos sch eint der Zu sam- m en h alt meh r au f die Abstamm u ng zu zielen, ist also familienäh nlich .

Es soll an dieser Stelle nicht dafü r geworben werden, diese B eobachtu ngen au s der Tier- welt au f den M en sch en zu ü bertragen. Das wäre eben so fah rlässig wie von einer Tierart au f die andere zu sch ließen. B eim M ensch en kommt seine beson dere Fäh igkeit zu r Abstrak- tion h inzu , die natü rlich e Einflü sse stark ü berstrah lt. Es ist dah er nah eliegend, fü r den M en- sch en als „ natü rlich e“ Form eine h och komplexe, m it ganz feinen M ech anismen geregelte Gemein sch aft mit weitgeh end gleich en M öglich keiten der I ndividu en anzu neh men. Denn der Trend in der N atu r zeigt klar, dass m it Wach sen der Den k-, Reflexions- u nd B ewu sst- seinsfäh igkeit diese Orientieru n gen zu neh men. Die du rch plu mpe Staats- oder H errsch er- gewalt geformten H ierarch ien sind also alles an dere als biologisch begrü ndbar.

Au s ein em I n terview m it d er Gesu n d h eitsforsch erin Kate P ickett in : F R , 2 8.1 . 2 01 1 (S. 2 0) Es gibt ein interessantes Experiment mit Makaken. Diese wurden zunächst individuell unter- gebracht und ihr Hirn untersucht. Dabei ging es vor allem um den Dopamin-Gehalt, der bestimmt, ob ein Lebewesen sich wohlfühlt oder Angst hat. Dann wurden die Äffchen in Gruppen zusammengefasst, was dazu führte, dass sich eine soziale Hierarchie herausbilde- te. Manche wurden dominant, andere ordneten sich unter. Als man ihre Hirne erneut unter- suchte, zeigte sich, dass die dominanten sich deutlich wohler und kaum ängstlich fühlten.

Sie genossen es, Alphatiere zu sein, während die anderen überhaupt nicht von der Tatsa- che profitierten, in einer Gruppe zu leben. In einem weiteren Schritt erhielten die Affen die Möglichkeit, sich selbst so viel Kokain zu verabreichen, wie sie wollten. Den Alphatieren war das egal, ihnen reichte offenbar die Genugtuung, ganz oben zu sein. Die unten ste- henden Affen konsumierten dagegen große Mengen Drogen, bis deren Hirne eine ähnlich hohe Glückskonzentration zeigten. Kurzum: Diese TIere hatten ein unglaublich genaues Gespür für ihr gesellschaftliches Umfeld und empfangen großen Schmerz, wenn sie in einer Gesellschaft ganz unten waren. Man muss natürlich vorsichtig sein, wenn es darum geht, von Affen auf Menschen zu schließen.

Tatsäch lich reicht das aber n och nicht, denn der M ensch verfü gt ü ber sozial au sgebildete, aber au f natü rlich en M öglich keiten basierende Fäh igkeiten, die gan z neu e Qu alitäten des M iteinan ders u nd au ch der Organisieru ng h och kom plexer Formen erm öglich en .

(12)

Gesch ichtssch reibu ng u nd organisiertes Lernen:

Das Know-H ow im m er weiter au sdeh nen

M en sch en könn en Wissen u nd Erfah ru ngen au ch au ßerh alb ih res Körpers au fbewah ren.

Das erh öht die M enge des Wissen s, dass von einem einzigen M ensch en erfasst (gelernt) u nd au ch weitergegeben werden kann, erh eblich . Den n Vergessen kann dadu rch vermie- den werden, dass das einm al vorh andene Wissen in Sch rift-, B ild- oder Au dioform gespei- ch ert wird. Ob in wirren Zettelh au fen, Kreidetafeln oder vollgestopften Festplatten − der M en sch kann extern e Wissensspeich er u m sich h eru m sch affen.

Das ermöglicht zu dem den Au stau sch dieses Wissens m it anderen. Wissen ist im P rinzip digital, d. h . oh ne Qu alitätsverlu ste vervielfältigbar. Es ist fü r jeden Einzelnen seh r vorteil- h aft, m öglich st u nkom pliziert an das Wissen anderer h eran zu komm en. Wenn diese es in Form zu gänglich er B ü ch er, Sch riften oder z. B. im I nternet bereitstellen, bedarf es h öch s- ten s noch ein er Übersetzu n g, u m selbiges zu n u tzen . Es ist u n mittelbar einleu chten, dass es fü r den Einzelnen von Vorteil ist, wenn sich alle entfalten u nd ih r Wissen in zu gänglich er Form festh alten können. B eh inderu ngen beim Zu gang zu solch em Wissen , wie es z. B. in H ierarch ien m öglich wäre, wü rden der freien Entfaltu ng im Wege steh en. Die breite Streu - u ng, folgend die Zu gänglich keit u n d damit die beste Vorau ssetzu n g fü r die Weiterentwick- lu ng von Wissen ist am besten s in einer Gesellsch aft möglich , in der alle M ensch en gleich - berechtigt, d. h . h orizontal zu einan der steh en u nd deren B innenstru ktu r m öglich st vielfältig u nd au s wenig voneinander abgegren zten Su bräu men besteht. Förderlich wäre au ch ein Lernen, das den freien Zu gang zu Wissen u nd die Lern möglich keit aller von allen garan- tiert, den Au stau sch von Wissen fördert u nd Orte sch afft, an denen Wissen erreich bar ist.

Die h eu tigen Sch u len u n d Universitäten h aben mit einem solch en em anzipatorisch en M o- dell n u r seh r wenig Äh n lich keit.

Sprach e u nd Kom m u nikation: Fäh igkeit fü r kom plexe Kooperationen Damit Wissen zirku lieren u nd weitergegeben werden kann, brau cht es der Verstän digu n gs- m ittel: Sprach e u nd Komm u nikationsm ittel. B eides ist bereits jetzt vielfältig vorh anden . Alle Sprach en h aben einen u mfangreich en Wortsch atz u nd können seh r kom plizierte Sachver- h alte in Worte fassen. Die Art der Komm u nikation ist du rch die tech n isch en Entwicklu ngen seh r u ntersch iedlich m öglich − es ist eine bedau erlich e Folge sozialer Zu richtu n g au f be- stimmte I nternetformate, dass Komm u nikation zu r Zeit kü nstlich immer prim itiver gestaltet wird u n d m itu nter n u r noch au s com pu tergenerierten Freu ndeskreisen u nd Smileys be- steht. Gru ndsätzlich ist der M ensch von N atu r au s so au sgestattet, dass er versch iedene Komm u nikationsformen m iteinander verbinden kann − au ch das spricht dafü r, Gesell- sch aft komplex zu gestalten, kü nstlich e Vereinfach u ngen wie H ierarch ien u nd allgem ein- gü ltige Regeln (statt Vereinbaru n gen) zu verdrän gen u nd viele offene Räu m e zu sch affen, in denen sich M ensch en u n d ih re Kooperation entfalten könn en.

Pl ädoyer fü r Vi el fal t oh n e H i erarch i e

Die wichtigsten Argu mente u nd Gru ndlegu ngen fü r eine Gesellsch aft freier M ensch en in freien Vereinbaru ngen werden in den Texten zu r Entsteh u ng u n d Su bstanz der Welt u n d des Lebens, zu m M ensch sein u n d sein er Selbstentfaltu ng, zu m Verh ältnis von Eigenn u tz

(13)

u n d Gemein nu tz sowie von M ensch u nd N atu r zu finden sein . Doch sch on jetzt lassen sich erste Sch lu ssfolgeru n gen treffen fü r eine h errsch aftsfreie, selbstorgan isierte Welt . . . piep − I h re Rou te wird neu berech net!

Je weniger Differenz, desto einfach er beh errsch bar

H ierarch ie ist Kontrolle u nd B eh errsch u n g. M asse oh ne Differenz n eigt zu r Au ssch altu ng von I ndividu alität u nd Eigen h eit der Einzelnen u nd Teile. Das än dert sich au ch nicht, wenn die M asse als Gesamtwille sch ein bar selbst zu agieren beginnt. Das Volk als h andelndes Su bjekt ist nicht der Gegenpol zu r Fü h ru n g, sondern dessen Entsprech u ng. Den n die Ein- h eitlich keit ein er M asse, die I dee des Volkskörpers als Su bjekt mit Gem einwillen bedarf ei- ner Fü h ru ng, u m sich artiku lieren zu können. Andersh eru m nü tzt der Fü h ru n g die I nsze- nieru ng des Volkswillen als Legitimation − die I nth ronieru ng als Sprach roh r des Volkes ist die m odernste solch er Formen. Die einh eitlich e M asse ist leicht fü h rbar, wenn ih re Fäh ig- keit zu r kritisch en Reflexion du rch Abwesenh eit von B innenstru ktu r m inimiert u nd die Frem dbestim mu ng als eigen er Wille verkau ft wird.

Au s Len F ish er (2 01 0): „Schwarm in tel l igen z“, E ich born in F ran kfu rt

Mit anderen Worten braucht es nur einige wenige anonyme Anführer mit einem klaren Ziel vor Augen und einer klaren Vorstellung davon, wie dieses zu erreichen ist, um den Rest des Schwarms in eine bestimmte Richtung zu lenken -und zwar ohne dass dieser es bemerkt.

Einzige Voraussetzung ist, dass die anderen das bewusste oder unbewusste Bedürfnis ha- ben, bei der Gruppe zu bleiben, und dass sie keine eigenen Ziele verfolgen. . . . (S. 45) Au s Sch ön berger, Kl a u s: „P rotest! Von d er Koordin a tion zu m P rojekt“, in : a k 1 5.1 0. 2 01 0

(S. 31 )

Die Assoziation freier und gleicher Menschen bedarf weniger einer identitären Gemein- schaft als vielmehr der Verknüpfung der Vielen. Es stehen zur Wahl: Mannigfaltigkeit ge- gen Gemeinschaft, da „jeglicher Versuch einer Totalisierung oder homogenisierenden Ver- allgemeinerung, jeglicher Versuch der Konstituierung eines ausschließlich der Repräsenta- tion zugewandten Kräfteverhältnisses sowie der Einrichtung hierarchischer Organisations- modalitäten“ (Lazzarato 2004) ein Koordination und ein Projekt zum Scheitern verurteilt.

M oderne H errsch aftsform en finden sich in politisch er B ewegu ng − sie sind seit jeh er ein I mpu ls zu r Erneu eru ng u n d dam it au ch zu r Stabilisieru ng von H errsch aft, solange ih nen ein e h errsch aftskritisch e, emanzipatorisch e Au srichtu n g feh lt. Au f ih re Selbstbekenntnisse kommt es dabei n icht an, denn im deu tsch sprach igen Rau m sind z. B. explizit anarch isti- sch e Kreise gen au diejenigen , die m odern e H errsch aftsformen anwenden .

Die „Tipps“ zu r B eh errsch u ng von M assen oh n e inn ere Differenz im B u ch

„ Schwarm illigenz“ lesen sich wie eine B edienu n gsan leitu ng fü r Fu nktion ä- rI nn en von .au sgestrah lt, Campact oder anderen.

Gesch ichte ist die Gesch ichte der Organisieru ng

I st Krieg ein Kampf von Völkern gegeneinander? Gibt es Klassenkämpfe? Die provokante Th ese lau tet: N ein! Das sind Erfindu n gen derer, die m it solch en B egriffen M ensch en ver- ein nah m en wollen. Damit soll nicht die Existenz u ntersch iedlich er, mitu nter gegen läu figer I nteressen geleu gnet werden. Doch die Einh eitlich keit, die m it der B eh au ptu n g von Völ- kern, Klassen , Gesch lechtern oder anderen Kategorien einh ergeht, existiert nicht. Sie wer- den zu r Einh eit geformt, in dem sie als Kategorien gedacht werden, ü ber Fü h ru n gsstru ktu -

èèè èè

E xtra-Seiten über m oderne H ierarch ien und Vereinnah m ung in pol iti- sch er Bewegung unter www. h ierarch nie.de.vu.

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ren als Su bjekt erwach en u nd dann sch einbar als Gesamth eit h andeln, wenn ih re Verein- n ah merI nnen u nd VertreterI nn en agieren.

Es gibt den „ dem os“, also die Völker, Klassen u sw. in der I dee von „ Demo“ kratie nicht. Sie sin d desh alb au ch nicht Su bjekte der Gesch ichte. Woh l aber als M atrix, d. h . h egem onial geprägte u nd desh alb gleich artige Vorstellu ng der Ein zelnen (Disku rs).

Tatsäch lich ist Gesch ichte ein Ringen u m die Form der Organisieru ng u nd damit verbu n- den aller Fragen von Verteilu ng von P rodu ktions- u nd Kontrollmitteln, von Disku rssteu e- ru ng u nd Stellvertretu ng, aber au ch bereits der B ildu n g von Kategorien u nd Gesamth eiten.

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