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36 SozialAktuell | Nr. 10_Oktober 2016

P L A T T F O R M | Gender

Wer hat welche Chance, eine Leitungsfunktion einzunehmen?

Eine Genderanalyse bei Fachkräften der Sozialen Arbeit in Sozialdiensten Deutschschweizer Krankenhäuser

Text: Paco Krummenacher und Holger Schmid

Traurig, aber wahr: Weibliche Hochschul­

absolventinnen im Berufsfeld der Sozialen Arbeit kommen ohne einige Jahre Berufs­

erfahrung kaum für eine Leitungsfunktion infrage. Erfahrungen, welche weiblichen Sozialarbeiterinnen wegen der sozialen Situation oft vorbehalten bleiben.

Auch der Sozialbereich bleibt von Un­

gleichheit nicht verschont. Ein Beispiel da­

für ist die Lohndifferenz zwischen Frau und Mann, welcher eine Studie des Bun­

desamtes für Statistik aus dem Jahr 2012 (BFS 2012) nachgegangen ist. Mit einem Anteil von 23,3 Prozent unerklärter Lohn­

differenz zwischen Frau und Mann im pri­

vaten tertiären Sektor (absolut entspricht dies CHF 1431.–) liegt dieser zwar im Sek­

torenvergleich am tiefsten. Die Glaubwür­

digkeit des sozialen Bereiches lässt dabei aber zu wünschen übrig, wenn man be­

denkt, dass fast ein Viertel der Lohndiffe­

renz nicht durch die Struktur der Stelle, durch die Tätigkeit oder mit Alter, Ausbil­

dung und Dienstjahre erklärt werden kann.

Wenig Beachtung wurde in der Gender­

thematik der Frage der Stellenprozente bzw. den Teilzeitstellenmodellen ge­

schenkt. Der Sozialbereich gilt als Berufs­

branche mit einem hohen Frauenanteil

und den meisten Teilzeitstellen. Dies zeigte bereits eine etwas zurückliegende Studie des Büros für arbeits­ und sozialpo­

litische Studien BASS im Jahr 2003 (Strub 2003: 48), welche im Gesundheits­ und So­

zialwesen eine durchschnittliche Teilzeit­

quote von 58 Prozent errechnet hatte (BFS 2001).

Eine weitere Auffälligkeit stellt die Beset­

zung der Führungspositionen dar, wes­

halb die Gleichstellungspolitik zurzeit viel daran setzt, Quotenregelungen einzufüh­

ren. Im Zusammenhang mit der Pensen­

diskussion lässt sich feststellen, dass in den meisten Berufsfeldern Leitungsfunk­

tionen einen Fulltime­Job bedeuten. Gilt dies auch für die Soziale Arbeit, und spie­

len dabei noch andere Faktoren eine Rolle?

Von der Frage zur Analyse

Im Brennpunkt des Forschungsinteresses stand die Frage, wie stark sich der Einfluss der Faktoren Geschlecht und Arbeitserfah­

rung auf eine mögliche Leitungsfunktion auswirkt. Zuerst wurde untersucht, wie stark sich der Beschäftigungsgrad zwi­

schen weiblichen und männlichen Sozial­

arbeitenden unterscheidet. Es wurde ein Beschäftigungsgrad von 80 Prozent und mehr mit geringeren Pensen verglichen.

Berichte aus Unternehmen zeigen, dass oftmals ein Pensum von 80 Prozent und mehr für eine Kader­ bzw. Leitungsfunk­

tion vorausgesetzt wird (vgl. Birrer 2014:

o.S.). Auf Basis dieser Ausgangslage wurde den Fragen nachgegangen, inwieweit so­

wohl das Geschlecht, der Beschäftigungs­

grad, der eigene Abschluss sowie die Be­

rufserfahrung Einfluss auf eine mögliche Leitungsfunktion haben können. Weiter wird untersucht, ob die Möglichkeit einer Leitung eingeschränkt ist, wenn die vorge­

setzte Person schon eine Fachperson der Sozialen Arbeit ist. Es wurden folgende Fragestellungen untersucht:

– Hängt die Chance, eine Leitungsfunk­

tion einnehmen zu können, mit den Fak­

toren Geschlecht, Beschäftigungsgrad, Bildungsabschluss und Arbeitserfah­

rung zusammen?

– Wie gestaltet sich die Chance, eine Lei­

tungsfunktion einzunehmen, wenn die vorgesetzte Person keine Fachkraft der Sozialen Arbeit ist?

Tabelle 1: Stichprobenbeschreibung

Merkmal Ausprägung Wert

Leitende Position Leitungsposition 23,0%

keine oder temporäre Stellenleitung (z. B. Stv.) 77,0%

Geschlecht Anteil Frauen 78,0%

Anteil Männer 23,0%

Beschäftigungsgrad Gleich oder mehr als 80%-Pensum 55,5%

Weniger als 80%-Pensum 44,5%

Höchster Ausbildungs - abschluss

Hochschulabschluss oder ähnlich (Diplom Fachhochschule, Lic. phil. I)

55,1%

Andere Abschlüsse (Diplom Höhere Fachschule, Abschluss einer Schule für Soziale Arbeit/Sozialpädagogik, Abschluss einer Schule für Soziale Arbeit/Sozialpädagogik, kein Abschluss im Bereich Sozialer Arbeit, keine ab geschlossene Berufsausbildung)

41,9%

Berufserfahrung in der

Sozialen Arbeit Mittelwert 13,3 J.

Median 11,0 J.

Standardabweichung 9,8 J.

Vorgesetzte/r ist ausgebildete

Fachkraft Sozialer Arbeit Ja 50,8%

Nein 49,2%

Anmerkung: Es haben 191 Personen vollständige Angaben gemacht.

Paco Krummenacher ist Sozialarbeiter BSc Sozial- region Thal-Gäu und Master- student Soziale Arbeit, Hoch- schule für Soziale Arbeit FHNW.

Holger Schmid, Prof. Dr., ist Leiter Institut Soziale Arbeit und Gesund- heit, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW.

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Nr. 10_Oktober 2016 | SozialAktuell

Gender | P L A T T F O R M

Vorgehen

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), Hochschule für Soziale Arbeit, und dem Schweizerischen Fachverband Sozialdienst in Spitälern (SFSS) durchge­

führt. Die Basis für die Untersuchung legte der Fragebogen, der ursprünglich für eine finnische Studie (vgl. Björkenheim 2004) entwickelt wurde. Nach einer telefoni­

schen Ankündigung sowie der Zielgrup­

penumfangermittlung der Sozialdienst­

stellen in den Krankenhäusern der Deutschschweiz durch Mitglieder des SFSS wurden im Anschluss 635 Frage bögen ver­

sendet. Davon kamen zwischen dem 4. Au­

gust und dem 25. September 2008 37 Pro­

zent (Total 233) ausgefüllte Fragebögen zurück.

Ergebnisse und Diskussion

Die Chance, eine Leitungsfunktion ein­

nehmen zu können, hängt mit den Fakto­

ren des Geschlechts, dem Beschäftigungs­

grad und der Arbeitserfahrung zusam­

men. Im multiplen Modell zeigt sich dann allerdings, dass der Effekt des Geschlechts überlagert wird von einem anderen ent­

scheidenden Faktor, nämlich den Anstel­

lungsprozenten. Aufgrund dessen, dass für eine Leitungsfunktion mindestens eine 80­Prozent­Beschäftigung vorausgesetzt

wird und es weiterhin eben sehr verbreitet ist, dass Frauen aufgrund ihrer sozialen Si­

tuation tendenziell (freiwillig oder unfrei­

willig) eher einem kleineren Pensum nachgehen, ist es denn auch nicht ver­

wunderlich, dass auch in einem «Frauen»­

Berufsfeld wie der Sozialen Arbeit eine Leitungsfunktion im Verhältnis überwie­

gend von Männern besetzt wird.

Es lässt sich festhalten, dass die Berufser­

fahrung auch im Sozialdienst Deutsch­

schweizer Spitäler einen deutlich höheren Stellenwert im Hinblick auf eine Leitungs­

funktion geniesst als die Frage nach dem Ausbildungsabschluss. Wobei dieses Er­

gebnis damit zusammenhängen kann, dass die hier verwendeten Daten im Jahr 2008 erhoben wurden. Die Abschlüsse in Sozialer Arbeit, die an Fachhochschulen vergeben werden, brauchen ihre Zeit, um in einem Berufsfeld – hier dem Feld der So­

zialen Arbeit in den Spitälern – wirklich zum Tragen zu kommen. Dies bestätigt ei­

nen weiteren Negativfaktor im Ungleich­

gewicht zwischen Frau und Mann in der Berufswelt. Jährlich absolvieren zahlrei­

che Frauen und einige Männer im Berufs­

feld der Sozialen Arbeit erfolgreich einen Hochschulabschluss, wobei dieser ihnen ohne einige Jahre Berufserfahrung kaum Chancen für eine Leitungsfunktion er­

möglicht. Denn genau diese Erfahrung

fehlt weiblichen Sozialarbeiterinnen oft eben wegen ihrer sozialen Situation, die es kaum oder gar nicht ermöglicht, über län­

gere Zeit Berufserfahrung zu sammeln und wenn möglich noch mit einem höhe­

ren Pensum.

Die Chance, eine Leitungsfunktion einzu­

nehmen, ist intakt, wenn die vorgesetzte Person keine Fachkraft der Sozialen Arbeit ist. Es ist zu vermuten, dass im Spitalsozial­

dienst eine Hierarchiestufe mit der Verant­

wortung für Mitarbeitende anzutreffen ist; mehrere Hierarchiestufen werden eher unwahrscheinlich sein. Wenn die Position der leitenden Tätigkeit bereits durch eine Fachkraft der Sozialen Arbeit besetzt ist, besteht wenig Chance bei den Befragten auf eine Leitungsfunktion. Wenn die vor­

gesetzte Person keine Fachkraft der Sozia­

len Arbeit ist, besteht eine andere struktu­

relle Situation, in welcher die Chancen auf eine Leitungsfunktion intakt sind.

Bei den Analysen und der Interpretation ist zu bedenken, dass die Untersuchung nur eine Momentaufnahme erlaubt und keine Entwicklung im Sinne einer Vorhersage aufzeigen kann. Es stellt sich auch die Frage, ob sich die Ergebnisse auf das gesamte Feld der Sozialen Arbeit übertragen lassen. Der Fragebogen richtet sich klar an eine spezifi­

sche Zielgruppe. Umso mehr sollen diese Erkenntnisse dazu dienen, dem wichtigen Gender­Diskurs weitere Beachtung zu schenken und zur weiteren wissenschaftli­

chen und gesellschaftlichen Förderung der Thematik für eine äquivalente Geschlech­

terkultur beizutragen.

Abbildung1: Voraussetzungen für eine Leitungsfunktion in der Sozialen Arbeit (eigene Visualisierung)

Quellen und Literatur

BFS – Bundesamt für Statistik (2001): Die Schweize- rische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) 2001, Kom- mentierte Ergebnisse und Tabellen 2001. Neuchâtel.

BFS – Bundesamt für Statistik (2012). Löhne, Erwerbs einkommen – Indikatoren. Lohnniveau – nach Geschlecht. www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/

index/themen/03/04/ blank/key/lohnstruktur/nach_

geschlecht.html [Zugriffsdatum: 06.02.2016].

Birrer, Raphaela (2012). Wenn der Chef nur 50 Pro- zent arbeitet. Tages-Anzeiger Online. www.tages- anzeiger.ch/schweiz/standard/Wenn-der-Chef-nur- 50-Prozent-arbeitet/story/14705535 [Zugriffsdatum:

06.02.2016].

Kessler, Rita/Schmid, Gabriela (2012). Das unge- nutzte Potential. In: SozialAktuell. Nr. 1. Januar 2012. S. 10–13.

Torcasso, Rita (2012). Teilzeitarbeit. Männer dürfen nicht kürzertreten. beobachter.ch. www.beobachter.

ch/arbeit-bildung/arbeitgeber/artikel/ teilzeitarbeit_

maenner-duerfen-nicht-kuerzertreten/ [Zugriffs- datum: 12.11.2015].

Strub, Silvia (2003). Teilzeitarbeit in der Schweiz.

Eine Untersuchung mit Fokus auf der Geschlechter- verteilung und der familiären Situation der Erwerbs- tätigen. Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS. Bern.

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