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Ein Segen,diese Beipackzettel!

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Feuilleton

548 Ärzteblatt Sachsen 11/2002

Mein Schwager ist Arbeitsmediziner, der sich vor allem mit der Stellung von Büro- stuhlrückenlehnen befasst und mich völ- lig ungerechtfertigt für einen Hypochon- der hält. Dabei lese ich Beipackzettel zu Medikamenten normalerweise nicht. Ohne jedes Zucken nehme ich Formulierungen wie„Ganz allgemein kann die gewohn- heitsmäßige Einnahme von XYZ zur dauer- haften Nierenschädigung mit dem Risiko eines Nierenversagens führen“zur Kennt- nis. Schließlich hoffe ich, dass gerade die- ses Mittel die beginnende Handschwere – oder ist es Gicht oder gar Rheuma? – lindern möge. Als ich aber jetzt, drei Ta- ge nach der Einnahme eines besonders wirksamen Präparates gegen Bandschei- benbeschwerden, ein dumpfes Gefühl im Magen spüre, rufe ich vorsorglich mei- nen Schwager an. Man will sich ja spä- ter keine Vorwürfe machen, unbemerkt an Magenblutungen gestorben zu sein.

„Lies den Beipackzettel“, sagt mein Schwager kühl.

Unter der Überschrift „Gegenanzeigen“

wird mir sofort untersagt, das Medikament zu nehmen, wenn bei mir „ungeklärte Blutbildungsstörungen“ vorhanden seien.

Natürlich habe ich keine Blutbildungs- störungen, schon gar keine ungeklärten.

Wenn ich aber ernsthaft darüber nach- denke, sollte ich den Insektenstich von letzter Woche doch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Volle vier Tage lang spürte ich schmerzhaft die Einstichstel-

le, was ja nun wirklich nicht normal ist, wenn man eine gute Blutbildung hat, oder?

Generationen unschuldiger Afrikaner sind schon durch die Folgen von Insek- tenstichen hinweg gerafft worden. Am besten, ich lasse vorsorglich alle vierzehn Tage ein großes Blutbild machen.

Nun aber kommt ein alarmierender Hin- weis:„Patienten, die an Heuschnupfen leiden, sind bei Anwendung von XYZ eher gefährdet als andere Patienten“. Wie jeder halbwegs gesunde Mensch habe ich ständig Heuschnupfen, auch ohne Heu.

Kein Wunder, wenn mir jetzt im Magen so mulmig ist. Wahrscheinlich schwim- men die belgischen Pralinen von gestern Abend schon tief in Blut. Oder es besteht die Gefahr eines Darmdurchbruchs oder eines Geschwürs. Es kommt noch schlim- mer: „Während der Anwendung von XYZ sollte Alkoholgenuss möglichst ver- mieden werden“.Das hätte mir der Arzt natürlich sagen müssen! Dann hätte ich vorgestern bei der Geburtstagsparty von Onkel Fritz an dem lustigen Doppelkorn- Wettbewerb nicht teilgenommen. Immer- hin: die Bandscheibenschmerzen waren für 20 Stunden weg.

Der Abschnitt „Nebenwirkungen“ um- fasst umgerechnet fünf Schreibmaschinen- seiten. Ich lese unruhig:„In Einzelfällen wurde über eine Entzündung der Bauch- speicheldrüse berichtet“. Einzelfälle – das kenne ich schon. Immer bin ich es, den es trifft. Oder ist es etwa Zufall, wenn

ich im Winter auf der Straße ausrutsche und mir fast sämtliche Wirbel breche?

Während der Wetterbericht lapidar mel- det: „Im allgemeinen keine Frostgefahr“.

Ganz sicher habe ich eine starke Bauch- speicheldrüsenentzündung, zumal ich seit einigen Minuten zu dem dumpfen Gefühl im Magen auch noch kleine blitz- artige Messerstiche spüre. Kein Zweifel, ich muss gleich morgen früh zur Kern- spintomographie. Und was lese ich hier?

„Störungen der Geschmacksempfindung, Sehstörungen, vorübergehende Hörstö- rungen, Gedächtnisstörungen, Desorien- tierung ...“Das muss ich sofort meiner Frau zeigen! Jetzt ist auch klar, warum ich die Qualität des Essens nicht richtig würdige, die Krümel am Küchenboden nicht sehe, schlecht höre und ständig ver- gesse, was im Haushalt zu erledigen ist.

Doch dann ein Lichtblick:„Bei der An- wendung von XYZ können zentralnervöse Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Schwindelgefühl auftreten. Bedienen Sie keine elektrischen Werkzeuge oder Ma- schinen!“Ein geradezu elektrisierender Hinweis! All diese lästigen Hausarbeiten und Rasen mähen sind für mich ab sofort verboten! Ein Segen, diese Beipackzettel.

Ich danke meinem Schwager. Stimmt also doch, der Spruch „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!“

Klaus Britting Treenestraße 71, 24896 Treia

Ein Segen, diese Beipackzettel!

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