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In einem Brief an den niedersächsischen Innenminister sowie an alle im Landtag vertretenen Fraktionen

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Academic year: 2022

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Flüchtlingsrat Nds. e.V. • Röpkestr. 12 • 30173 Hannover

An die Fraktionen im nds. Landtag

Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Röpkestraße 12 30173 Hannover Kai Weber Geschäftsführer Tel.: 0511 – 98 24 60 30 Fax: 0511 – 98 24 60 31 kw@nds-fluerat.org www.nds-fluerat.org Hannover, 17. Dezember 2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten heute unsere Besorgnis hinsichtlich der Bedrohungslage für Asylsuchende aus der Türkei ohne Schutzstatus zum Ausdruck bringen.

Mit der Festnahme des Vertrauensanwalts des Auswärtigen Amtes in der Türkei sind dem türkischen Geheimdienst zahlreiche Akten von türkischen Asylsuchenden, die sich in Deutschland aufhalten, in die Hände gefallen. Dies führt zu einer gefährlichen Situation für Asylsuchende aus der Türkei, falls diese abgeschoben werden sollten.

Die Dimensionen sind Skandals sind bislang noch unklar. Es steht aber zu befürchten, dass die Akten von tausenden Menschen, die in Deutschland Asyl beantragt haben, nun den türkischen Behörden vorliegen. Ein Bericht des MKFFI für den Integrationsausschuss NRW zur Festnahme des türkischen Vertrauensanwalts belegt, dass mehr als die zunächst offiziell eingeräumte Zahl von 283 Geflüchteten betroffen ist:

https://opal.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-2822.pdf

Hier wird jetzt eine zweite Liste mit Namen Betroffener genannt. In dem Dokument ist die Rede von weiteren "276 Datensätzen" mit dem Zusatz: "Pro Datensatz teilweise mehrere Personen". Allein 265 Betroffene hätten einen Wohnort in Nordrhein-Westfalen. Türkische Medien sprechen bekanntlich von 2.400 bzw. 4000 Betroffenen. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Menschen mit einer zusätzlichen politischen Verfolgung in der Türkei rechnen müssen.

Bis zur Klärung der Dimension dieses Skandals und seiner Auswirkungen für die Betroffenen erwarten wir daher von den Behörden in Niedersachsen ein verantwortungsbewusstes Handeln und eine große Sorgfalt hinsichtlich des Aufenthaltsrechts von Schutzsuchenden aus der Türkei. Wir setzen uns für einen sofortigen bundesweiten Abschiebestopp in die Türkei ein und appellieren an die niedersächsischen Behörden sicherzustellen, dass keine Abschiebungen aus Niedersachsen in die Türkei erfolgen.

Mitglied der

Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL

GLS Gemeinschaftsbank eG IBAN: DE28 4306 0967 4030 4607 00 BIC: GENODEM1GLS Steuer-Nr.: 25/206/30501

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Zum Hintergrund

Hintergrund ist die Festnahme des Vertrauensanwalts der Deutschen Botschaft in Ankara, der beauftragt war, Dokumente und Unterlagen zu prüfen, die aus der Türkei nach Deutschland geflohene türkische Staatsbürger_innen zum Beleg ihrer Verfolgung vorgelegt hatten. Diese Überprüfung erfolgt über eine Anfrage des BAMF bzw. der Verwaltungsgerichte an das Auswärtige Amt, das den Anwalt entsprechend beauftragte.

Diese Rechercheunterlagen befinden sich nun in den Händen des türkischen Geheimdienstes MIT.

Betroffene hiervon sind – über die von der Bundesregierung genannten 283 Personen hinaus – mögliocherweise Tausende weitere Geflüchtete, deren Verfolgung der Vertrauensanwalt in den letzten Jahren recherchiert hat.

Dass unzählige Flüchtlinge befürchten müssen, vom türkischen Geheimdienst observiert und verfolgt zu werden, hat vor allem mit einer fragwürdigen Verwaltungs- und Entscheidungspraxis des BAMF zu tun. Unter Führung ihres Präsidenten Dr. Sommer hat sich der Umgang des BAMF mit Geflüchteten radikal geändert: Die Behörde begegnet Geflüchteten mit strukturellem Misstrauen und bestreitet Verfolgungstatbestände selbst bei einer sich aufdrängenden Evidenz der getätigten Aussagen.

Entsprechend ist die Zahl der Anfragen des BAMF an das Auswärtige Amt in den letzten zwei Jahren massiv gestiegen.

Nach der Festnahme des Vertrauensanwalts der deutschen Botschaft in Ankara hat das BAMF einen Schutzbedarf bei einem Großteil derjenigen Asylsuchenden festgestellt, deren Daten durch die Festnahme des Vertrauensanwalts dem türkischen Staat bekannt wurden: In 45 von 47 Fallakten (betrifft 83 Personen), die der Anwalt bei seiner Festnahme bei sich trug, wurde jetzt ein Schutzstatus erteilt. Zwei Fälle sind noch bei Gericht, hier wollte das BAMF nicht abhelfen, weil nach seiner Einschätzung keine Gefährdung vorliegt (keine Zugehörigkeit zu Gülen, PKK, Staatsbedienstete). Die Prüfungen zu 283 Verfahren, die durch die Durchsuchung der Wohnung des Anwalts dem türkischen Staat bekannt wurden, dauern überwiegend noch an (in 257 Fällen ist noch keine Entscheidung getroffen worden). Das LKA führte Sensibilisierungs- und Gefährdetengespräche mit Betroffenen.

Zum Weiterlesen

• Türkei-Skandal weitet sich aus: https://www.nds-fluerat.org/41022/aktuelles/tuerkei-skandal- weitet-sich-aus-4000-personalakten-beschlagnahmt/

• Ausgespäht und in Gefahr, in: Frankfurter Rundschau vom 8. Dezember 2019, https://www.fr.de/politik/ausgespaeht-gefahr-13279900.html.

• Botschafts-Anwalt in erschwerter Einzelhaft, in: tagesschau vom 24. November 2019, https://www.tagesschau.de/ausland/anwalt-tuerkei-103.html.

Für Fragen und Gespräche stehen wir Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Geschäftsführer

Mitglied der

Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL

GLS Gemeinschaftsbank eG IBAN: DE28 4306 0967 4030 4607 00 BIC: GENODEM1GLS Steuer-Nr.: 25/206/30501

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