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Jeanette Hofmann

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Academic year: 2022

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(1)

Die Regulierung des Domainnamensystems – Entscheidungsprozess und gesellschaftliche

Auswirkungen der Einrichtung neuer Top Level Domains im Internet

Jeanette Hofmann

WZB discussion paper

jeanette@wz-berlin.de

SP III 2003-104

(2)

Forschungsschwerpunkt: Research Area:

Organisationen und Organizations and

Wissen Knowledge

Abteilung: Research Unit:

Innovation und Innovation and Organisation Organization

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50, D-10785 Berlin

Telefon: +49 30 25491-201, Fax: +49 30 25491-209 www.wz-berlin.de/ow/inno

ZITIERWEISE/CITATION:

Jeanette Hofmann

Die Regulierung des Domainnamensystems – Entscheidungsprozess und gesellschaftliche Auswirkungen der Einrichtung neuer Top Level Domains im Internet

Discussion Paper SP III 2003-104,

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (2003)

(3)

Das Forschungsprojekt über die Einführung neuer Top Level Domains wurde im Rahmen der Innovations- und Technikanalysen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in den Jahren 2000 bis 2002 gefördert (Förderkennzeichen 16/1472). Die Realisierung des Projekts beruht auf der Kooperation von Nexus und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozial- forschung.

Im Rahmen des Forschungsprojekts haben wir zwei Workshops veranstaltet.

Der erste fand im Juni 2000 in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung unter dem Titel „Democratic Internet“ in Gütersloh statt. Neben den Internetwahlen standen vor allem die unterschiedlichen Positionen zur Reform des Domainnamensystems im Vordergrund. Die zweiteVeranstaltung im April 2002, finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Bundeszentrale für Politische Bildung, bildete den Abschluss des Forschungsprojekts. Die Tagung „WissensWert – Das Internet und die neue Wissensordnung“ zielte darauf, die Regulierung des Domainnamensystems in einen breiteren politischen Zusammenhang zustellen und künftige Problemstellungen in der Entwicklung des Internets zu beleuchten. Die Dokumentation dieser Tagung ist unter www.wz-berlin.de/wissenswert zu finden.

Mitgewirkt an dem Projekt haben, neben Meinolf Dierkes und Jeanette Hofmann, am WZB Claudia Nentwich und Jessica Schattschneider sowie Hanaa El-Hussein und Shahrooz Mohajeri bei Nexus, die durch gute Ideen, Kompetenz und Zuspruch zum Gelingen des Projektes beitrugen. Administriert wurde das Projekt vom VDI/VDE-IT, bei dem wir uns für die kooperative Zusammenarbeit bedanken möchten.

Bedanken möchten wir uns bei allen, die direkt und indirekt an diesem Projekt mitgewirkt haben. Dazu gehören viele Experten, die sich professionell mit dem Domainnamensystem beschäftigen. Dank der niedrigen Zugangsschwellen bei ICANN ließen sich Kontakte sehr leicht herstellen; auch die Auskunfts- und Diskussionsbereitschaft war durchweg groß.

Besonderen Dank schulden wir der Markle Foundation, die durch ihre großzügige finanzielle Unterstützung der NGO und Academic ICANN Study (NAIS) die Teilnahme an insgesamt vier ICANN-Tagungen ermöglicht hat.

Speziell bedanken möchten wir uns darüber hinaus bei Marc Schneiders, der ein kritischer Diskussionspartner war und gelegentlich auch praktische Unterstützung geboten hat.

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Zusammenfassung

Dieser Beitrag beruht auf einer Fallstudie über die Einrichtung neuer Top Level Domains. Den Hintergrund der Untersuchung bildet eine Mitte der 90er Jahre einsetzende Auseinandersetzung über die Funktion und die künftige Entwicklung des interneteigenen Namensraums. 1998 leitete die US Regierung die Privatisierung des Domainnamensystems ein und beauftragte die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) mit der Formulierung einer Domainnamenpolitik, die auch die Einführung neuer Top Level Domains einschließen sollte. Im Jahr 2000 wählte ICANN schließlich sieben neue Namenszonen aus, von denen sechs inzwischen in Betrieb sind. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen der Auswahl- und Einführungsprozess sowie die erkennbaren Auswirkungen auf den Namensraum.

Das zentrale Ergebnis der Untersuchung lautet, dass die Schaffung neuer Top Level Domains die in einigen Bereichen bestehende Namensknappheit nicht beseitigt, sondern diese vielmehr kultiviert. Die nachhaltigsten Auswirkungen der neuen Top Level Domains sind folglich nicht im Umfang des Namensangebots, sondern in der Regulierungsdichte des Domainnamen- systems zu finden.

Abstract

This article is based on a case study on the introduction of new Top Level Domains. The future of the Domain Name System (DNS) has been subject of much debate since the mid 90s when domain names turned into commercial goods and attractive names became rare. In 1998, the US Government authorized the Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) to devise a DNS policy that would also include the creation of new Top Level Domains. In 2000, ICANN finally selected seven new Top Level Domains, six of which are now up and running. The first part of this article looks at the process of selection and implementation of the new TLDs, the second part discusses the impact of namespace extension.

The major result of the study is that the creation of new Top Level Domains has not eliminated the scarcity of domain names but reinforced the concept of scarcity in the name space instead. The most significant impact of the extension of the namespace can thus be found in the evolving regulatory DNS regime itself.

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis 6

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 8

1. Einleitung: Namenspolitik im Internet 11

2. Projekthintergrund: Die Entstehung von DNS und Namensregime 14

2.1 Die Entstehung des Domainnamensystems 14

2.2 Technische Funktionsweise des DNS 23

2.3 Funktionswandel und Nutzungskonflikte von Domainnamen 29

2.4 Namens- und Nummernhoheit der Ingenieure 32

2.5 Autoritätskonflikte im Namensraum 35

2.6 Gründung und Aufbau von ICANN 38

3. Fragestellung, Annahmen und Untersuchungsmethode 48

3.1 Fragestellung 48

3.2 Forschungsleitende Annahmen 49

3.3 Untersuchungsmethoden 50

4. Die Einführung neuer Top Level Domains 52

4.1 Der Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess 52

4.2 Das Selektionsverfahren 58

4.3 Vertragsverhandlungen 74

4.4 Implementation neuer TLDs: Missglückte Versuche einer Nachfragelenkung 80 5. Die Auswirkungen der Namensraumerweiterung 86

5.1 Direkte Effekte: No proof of concept? 86

5.2 Indirekte Effekte: Befestigung der Namensknappheit 95 6. Ausblick – Entwicklungsoptionen im Namensraum 103 6.1 ICANNs Reformprozess und die Rationalisierung des Namensraums 103 6.2 Weiterer Forschungsbedarf: Konvergenz zwischen Telefon- und Datennetzen –

ENUM im Feldversuch 111

7. Literaturverzeichnis 115

(6)

Abkürzungsverzeichnis

APNIC Asia Pacific Network Information Center ASO Address Supporting Organization ccTLD country code Top Level Domain

CORE International Council of Registrars DARPA Defense Advanced Research Projects Agency

DNS Domainnamensystem

DNSO Domain Name Supporting Organization

ECE Electronic Commerce Europe

ENUM Electronic Numbering

ERC Evolution and Reform Committee EuroISPA European ISP Association

FNC Federal Network Council

GA General Assembly

GAC Governmental Advisory Committee GNSO Generic Names Supporting Organization gTLD generic Top Level Domain

gTLD-MOU generic Top Level Domain Memorandum of Understanding IAB Internet Architecture Board

IAHC International Ad Hoc Committee IANA Internet Assigned Numbers Authority

IATA International Air Transportation Association ICANN Internet Corporation for Assigned Names and Numbers ICC International Chamber of Commerce

IETF Internet Engineering Task Force IFWP International Forum on the White Paper

INN International Nonproprietary Names for Pharmaceutical Products INTA International Trademark Association

ISO International Standards Organization

ISOC Internet Society

ITAA Information Technology Association of America ITU International Telecommunication Committee

MOU Memorandum of Understanding

NAPTR Naming Authority Pointer

NIC Network Information Center NAF National Science Foundation

(7)

OECD Organisation for Economic Co-Operation and Development POC Political Oversight Committee

PSO Protocol Supporting Organization

RFC Request for Comment

RIPE Réseaux IP Européens Network Coordination Centre RIR Regional Internet Registries

SIPN Start-up Intellectual Property Notification Service

SO Supporting Organization

TLD Top Level Domain

UDRP Uniform Dispute Resolution Policy URL Universal Resource Locator WIPO World Intellectual Property Organization

WITSA World Information Technology and Services Alliance

WWW WorldWideWeb

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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Die Baumstruktur des Namensraums 25

Abbildung 2: DNS-Abfragemechanismus 26

Abbildung 3: Geographische Verteilung der Rootserver 28

Abbildung 4: ICANN Organisationsstruktur 44

Abbildung 5: Investitionsvolumen als Auswahlkriterium 63

Abbildung 6: Nutzung von .biz Domainnamen 91

Tabelle 1: Die Einführung neuer TLDs im Überblick 9

Tabelle 2: Delegation der ersten 15 Country Code Top Level Domains 17 Tabelle 3: Delegation der Country Code Top Level Domains 18 Tabelle 4: Wachstum des Namenraums 1988 bis 2002 21

Tabelle 5: TLD-Bewerber nach Kategorien 62

Tabelle 6: Empfehlungen der ICANN-Verwaltung: Die Shortlist 64

Tabelle 7: Die sieben neuen TLDs 72

Tabelle 8: Vertragsanhänge 75

Tabelle 9: Domainnamenregistrierungen unter den neuen TLDs im Vergleich zu

.com (2002) 87

Tabelle 10: Erwartete Nachfrage nach .info Domainnamen im ersten Betriebsjahr 88

Tabelle 11: Geographische Verteilung von Domainnamen unter .biz und .info 91

(9)

Tabelle 1: Die Einführung neuer TLDs im Überblick

1999

30.04 Bericht der WIPO über Probleme Geistigen Eigentums im Zusammenhang mit der Verwaltung des Namensraums

27.05 ICANN verweist Bericht der WIPO an die DNSO zur Beratung 25.06 Gründung der DNSO Working Groups B und C

23.10 Zwischenbericht der Working Group C mit 7 Positionspapieren 17.11 -

10.01.2000 Öffentliche Diskussionsphase zum Zwischenbericht der Working Group C

2000

21.03 Teil 1 des Endberichts der Working Group C 1. Version des Endberichtes Working Group B 17.04

Ergänzungsbericht der Working Group C

19.04 Names Council empfehlt Einführung einer begrenzten Zahl neuer gTLDs 15.05 2. Version des Endberichtes der Working Group B

19.05 Names Council empfehlt Maßnahmen zum Schutz von Markenzeichen 13.06 Hintergrundsbericht der ICANN-Verwaltung mit 74 Fragen zu neuen TLDS 16.07 Direktorium verabschiedet Resolution zur Einführung neuer TLDs;

dreiwöchige öffentliche Diskussionsphase 03.08 Zeitplan für den Bewerbungsprozess

15.08 Detaillierte Richtlinien für den Bewerbungsprozess 05.09 –

02.10 Bewerbungsphase; anschließend Publikation der Anträge im Netz 02.10 -

19.10 Öffentliche Diskussionsphase zu Anträgen

09.11 Evaluierungsbericht zu Bewerbungen; anschließend öffentliche Diskussion 16.11 Auswahl von 7 neuen TLDs durch ICANN-Direktorium

31.12 Ursprünglich geplanter Abschluss der Vertragsverhandlungen

(10)

2001

26.02 Veröffentlichung Mustervertrag für die offene TLDs; 24 Vertragsanhänge folgen in den nächsten Wochen

Vertragsabschluss .biz 11.05

Vertragsabschluss .info

21.05-09.07 .biz Start-up Intellectual Property Notification Service 25.07-27.08 .info Sunrise Period

01.08 Vertragsabschluss .name September .info Landrush (I)

21.09 Blockierung von Ländernamen unter .info

12.10 .biz Namensallokation von kalifornischem Gericht als Lotterie verboten 17.10 Vertragsabschluss .museum

01.11 .museum Registrierungsbeginn 21.11 Vertragsabschluss .coop 17.12 Vertragsabschluss .aero

2002

15.01 Erste .name Domainnamen aktiv 30.01 Start von .coop

04.03 .biz Landrush für im Herbst 2001 blockierte Domainnamen 18.03 .aero Registry akzeptiert erste Registrierungen

03.05 Vertragsabschluss .pro

15.05-16.07 .info Landrush (II) für 17.000 unter falschen Markenzeichen registrierte Domainnamen

08.11 Aktionsplan für neue gTLDs

(11)

1. Einleitung: Namenspolitik im Internet

Das Domainnamensystem (DNS) stellt derzeit eines der wichtigsten Navigationsinstru- mente im Internet dar. Domainnamen bilden die „Anschrift“ im WorldWideWeb (WWW) und sie sind ein Bestandteil von Emailadressen. Es steht zu erwarten, dass sich das Funktionsspektrum des DNS künftig noch ausweiten wird. So begannen im Jahr 2002 beispielsweise erste Feldversuche für einen Dienst, der Telefonnummern in das DNS integriert.

In Deutschland sind Domainnamen besonders populär. Die Top Level Domain (TLD) .de war mit knapp sechs Millionen Domainnamen Ende 2002 die zweitgrößte Namens- zone im Internet nach .com. Auch einige der neuen, im Jahr 2001 eingeführten Top Level Domains stoßen in Europa auf großes Interesse. Mehr als die Hälfte aller Domainnamen unter .info sind in Europa registriert worden, rund ein Viertel allein in Deutschland. Ein großer Teil dieser Domainnamen ist allerdings nicht in Gebrauch.

Attraktive, leicht einprägsame Namen haben inzwischen einen hohen Tauschwert erlangt. Sie werden entweder aus Spekulationsgründen registriert, oder aber um Dritte von der Nutzung auszuschließen.

Obwohl die Nachfrage nach Domainnamen in Europa zunimmt, ist der Kenntnisstand über die Organisations- und Regulierungsstruktur des DNS sehr gering. Im Unterschied zu den USA, wo das DNS entwickelt worden ist und bis heute verwaltet wird, herrscht in Europa eine ausgeprägte Anwenderperspektive vor. Das bestehende Ordnungssystem wird gemeinhin als gegebene Tatsache wahrgenommen. Diese Sichtweise verstellt den Blick auf das, was das Namensregime bis heute ist: eine in institutioneller wie politischer Hinsicht vorläufige, im Wandel begriffene Struktur, die vor ungelösten Gestaltungsfragen steht. Im Zentrum der namenspolitischen Diskussion stehen die Verfügungsrechte über Domainnamen sowie die Prinzipien der künftigen Namensraum- entwicklung: Sollte die Einrichtung neuer Top Level Domains der Nachfrage und somit dem Markt überlassen werden oder erfordert die gestiegene Bedeutung von Domain- namen eine übergreifende Rationalisierung und Klassifizierung des Namensraums? Die Partizipations- und Einflussmöglichkeiten in dieser Diskussion werden von euro- päischer Seite bislang wenig genutzt. Längerfristig besehen ist das geringe namens- politische Engagement in Europa schon deshalb nicht wünschenswert, weil der Infrastrukturcharakter des Domainnamensystems eine politische Aufsichtsform nahe legt, die allen Ländern gleichberechtigte Mitwirkungsmöglichkeiten in globalen Ange- legenheiten und weitgehende Autonomie im lokalen Bereich einräumt.

(12)

Der Begriff Namenspolitik ist eine Adaption der Bezeichnungen DNS Policy oder Naming Policy. Darunter sind Regeln und Maßnahmen zur Regulierung des Namens- raums zu verstehen. In funktionaler Hinsicht umfasst die Namenspolitik Bestimmungen zur Vergabe und Nutzung von Domainnamen wie auch Eingriffe in die Struktur des Namensraums. Dazu gehören etwa Erweiterungen in Form neuer TLDs, die Einführung neuer Zeichensätze oder Veränderungen im Rootserver-System. Die institutionelle Ebene der Namenspolitik bezieht sich auf die Verwaltungs- bzw. Autoritätsstruktur des Domainnamensystems. Der wichtigste Akteur in der Namenspolitik ist die amerika- nische Regierung, die einen Teil ihrer Autorität an die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) delegiert hat. Die technische Dimension der Namenspolitik besteht im Design des hierarchischen Datenbanksystems, mit dessen Hilfe Domainnamen lokalisiert werden und in der Untergliederung des Namensraums in geographische und generische Segmente oder Zonen.

Ziel der Untersuchung des Domainnamensystems ist es, die funktionalen, institutionel- len und technischen Aspekte der Namenspolitik in ihrer Beziehung zueinander zu verstehen und unter dem Gesichtspunkt ihrer Auswirkungen auf die Kommunikations- chancen der Nutzer zu analysieren. Die Grundlage des Projekts bildet eine Fallstudie über die Einführung neuer TLDs. Der Entscheidung für eine Namensraumerweiterung im Jahr 2000 ist ein langjähriger Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern voraus- gegangen, in dem sich die Verschränkung technischer und politischer (Regulierungs-) Macht im Internet einerseits und die verschiedenen Handlungsoptionen andererseits exemplarisch ausdrücken. Die Gegner lehnten zusätzliche TLDs entweder generell ab oder wollten zunächst bessere Schutzmaßnahmen für Markenzeichen realisiert sehen.

Die Befürworter neuer TLDs plädierten dagegen für eine dauerhafte Beseitigung der Namensknappheit, die den Handel mit Domainnamen erst provoziert hat. Welchen Weg ICANN schließlich beschritten hat, wird in den Kapiteln vier, fünf und sechs dargestellt.

Im Mittelpunkt dieser Studie steht der Auswahl- und Implementierungsprozess der neuen TLDs und dessen Auswirkungen. Er erfasst den Zeitraum zwischen Sommer 1999 und Herbst 2002. Zum besseren Verständnis beginnt die Studie jedoch im zweiten Kapitel mit einem Rückblick auf die Entstehung, die technische Funktionsweise und den Funktionswandel des DNS. Den Abschluss im Kapitel sechs bildet ein Ausblick, der die potentiellen Wechselwirkungen zwischen der in Angriff genommenen Struktur- reform von ICANN und der im Herbst 2002 von ICANNs Präsidenten initiierten Diskussion über eine mögliche „Rationalisierung“ des Namensraums skizziert.

Einige der Annahmen, die dem Forschungsantrag zugrunde liegen, sind im Zuge der Untersuchung revidiert worden. Dies betrifft vor allem die erwarteten Auswirkungen

(13)

der Namensraumerweiterung. Die nachhaltigsten Folgen für die Kommunikationschan- cen der Nutzer zeigen sich nicht, wie ursprünglich angenommen, im Vorrat verfügbarer Domainnamen, sondern in der Regulierung ihrer Vergabe- und Nutzungsbedingungen.

Die neuen TLDs beseitigen oder mindern den Namensmangel nicht, sie haben ihn vielmehr kultiviert. Das Instrument hierfür bilden die Verträge mit den Betreibern der neuen TLDs, die eine Vielzahl von Auflagen zur Vergabe von Domainnamen enthalten und ICANN neue Aufsichtskompetenzen zuweisen.

Eine terminologische Änderung betrifft den Stellenwert der neuen TLDs. Im For- schungsantrag wurde die bevorstehende Namensraumerweiterung als Reform charak- terisiert. Dahinter stand die aus heutiger Sicht optimistische Annahme, dass die Ein- führung neuer TLDs den Stillstand in der Entwicklung des DNS auflösen, Wettbewerb zwischen den Geschäfts- und Servicemodellen der Registry-Betreiber entstehen ließe und somit eine spürbare Wende zugunsten einer stärker nachfrageorientierten Namens- politik einleiten würde. Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Im Text wird nun auf den Begriff der Reform verzichtet und stattdessen dem neutraleren Begriff Namensraumerweiterung der Vorzug gegeben.

Eine Revision war schließlich auch mit Blick auf die Rolle der Regierungen in der Regulierung des Domainnamensystems erforderlich. Als dieses Projekt Anfang des Jahres 2000 konzipiert wurde, war nicht absehbar, dass ICANN in den ersten Jahren seines Bestehens so viele grundlegende Satzungsänderungen vornehmen und den individuellen Nutzern, die eigentlich das zivilgesellschaftliche Interesse in seiner kulturellen Vielfalt einbringen sollten, ihr Stimmrecht im Direktorium entziehen würde.

Vor zwei Jahren galt es stattdessen, die Legitimität einer neuen Form transnationaler Willensbildung abseits traditioneller Vertragsorganisationen gegen die Skepsis der Regierungen zu verteidigen. Im Vorgriff auf potentielle Interventionsabsichten der Regierungen sollte die Einführung neuer TLDs auch daraufhin untersucht werden, ob ICANNs Konsensbildungsverfahren eine angemessene, möglicherweise sogar eine bessere Grundlage für die Regulierung des Domainnamensystems darstellt als eine internationale Organisation unter aktiver Regierungsbeteiligung. Angesichts der 2002 von ICANN eingeleiteten Strukturreform ist diese Fragestellung obsolet, und die Rolle der Regierungen bedarf einer grundsätzlichen, über den Rahmen dieser Studie hinausgehenden Neubewertung. Eine solche Neubewertung hätte in Rechnung zu stellen, dass Regierungen unterdessen das einzige relevante Gegengewicht zu den wirtschaftlichen Interessengruppen innerhalb ICANNs darstellen und zugleich auch die einzige Instanz bilden, die eine größere Transparenz und Zurechenbarkeit in ICANNs Politikformulierung bewirken könnte.

(14)

2. Projekthintergrund: Die Entstehung von DNS und Namensregime

2.1 Die Entstehung des Domainnamensystems

Das DNS ist ein Datenbanksystem, das dazu dient, Namen in numerische Adressen und diese wiederum in Namen zu übersetzen. Von seinen Erfindern wurden Domainnamen als ein administrativer Zuständigkeitsbereich, genauer: als eine „region of jurisdiction for name assignment and of responsibility for name-to-address translation“ konzipiert (vgl. Zaw-Sing & Postel 1982). Die Inhaber von Domainnamen sind verantwortlich für die Erreichbarkeit sowie für mögliche weitere, darunter angesiedelte Namen.1

In seiner heute gültigen Form wurde das DNS in den frühen 80er Jahren entwickelt und ab 1984 implementiert. Allerdings war es bereits vor der Entstehung des DNS üblich, Hostrechnern2 zusätzlich zu ihrer numerischen Kennung auch einen Namen zu geben (Recke 1997). Die Namen aller im ARPANET, dem Vorgänger des Internet, zusammengeschlossenen Rechner wurden in einer zentralen Textdatei namens

„HOST.TXT“ gespeichert. Verwaltet wurde die Datei vom Network Information Center (NIC), das jeden neuen Namen auf mögliche Doppelgänger prüfte, bevor er in die Namensliste aufgenommen wurde. Verbreitet wurden die neuen Hostnamen, indem alle Netzadministratoren des ARPNANET die HOST.TXT-Datei von einem Hostname- server des NIC runterluden und diese lokal weiterverbreiteten. Auf diese Weise verfügte jeder Rechner über eine vollständige Liste von Hostnamen und den dazu gehörigen numerischen Netzadressen.

Die Grenzen dieses auf Handarbeit beruhenden Verfahrens wurden erkennbar als sich abzeichnete, dass die Namensliste auf mehrere hundert Einträge ansteigen würde. Zum einen verfügte der flache, aus einer einteiligen Zeichenfolge gebildete Namensraum über eine unzureichende Kapazität: Das Adressformat „Nutzer@Hostname“ ergibt eine leicht überschaubare Zahl sinnvoller Rechnernamen. Zum anderen erwies sich auch das Zuteilungs- und Publikationsverfahren der Netznamen als ungeeignet für wachstums- freudige, dezentral angelegte Kommunikationsnetze:

„It was clear that managing a global host table was going to get progressively more difficult and there was a desire to decentralize name management (put

1 Dem BMBF als Registrant von bmbf.de obliegt die Autorität über darunterliegende Domains wie etwa www.patente.bmbf.de.

2 Als Hostrechner oder Netzknoten werden Computer mit Zugang zum Internet bezeichnet.

(15)

organizations in charge of their names). It was clear that the name space was a failure – minor fights about who got to name their host ‚frodo’, for example, presaged larger problems.” (Craig Partridge zit. n. Salus 1998)

Eine Rolle spielte darüber hinaus, dass die zentralisierte Namensverwaltung gegen „the spirit of what we wanted to do“ verstieß (Mockapetris zit. n. Salus 1998). Die Nutzer sollten ihre Namen selbst verwalten und Änderungen vornehmen können, ohne hierfür das NIC um Zustimmung bitten zu müssen.

Das neu zu schaffende Namenssystem sollte somit vor allem ausreichend Kapazität für das künftige Wachstum des Netzes bieten. Zu diesem Zweck wurde ein partitionierter Namensraum entworfen, der sich aus einer größeren Anzahl so genannter Top Level Domains zusammensetzen würde. Jede dieser Namenszonen sollte in Form einer hierar- chischen Baumstruktur angelegt werden, so dass die einzelnen TLDs für sich ein Viel- faches der bestehenden Namenskapazität bieten würden (vgl. Abbildung 1).

Eine weitere konstitutive Eigenschaft bestand in der Dezentralität der Namensver- waltung. Anstelle einer zentralen Datei, die alle Rechnernamen mitsamt ihren Netzadressen auflistete, sollten Nameserver (vgl. dazu Kapitel 2.2) treten, die von den Inhabern der Namen selbst betrieben werden. Mit Hilfe von Nameservern wird nicht nur die Verantwortung für die Erreichbarkeit von Domains auf deren Inhaber verlagert, auch ist es nicht länger erforderlich, dass ein jeder Rechner die Namen und Adressen aller anderen Rechner kennt. Ein Suchmechanismus beschafft stattdessen die erwünschte Information von den zuständigen Nameservern. Die „Namensautorität“ wird folglich auf die dezentralen Nameserver verlagert. Das Ergebnis ist eine „verteilt“

arbeitende Datenbank.

Darüber hinaus zielte das Konzept der Domains darauf ab, dass die Inhaber die Autonomie über ihre „Domains“, das heißt die Möglichkeit zur Einrichtung von beliebigen „Substrukturen“ erhalten:

„DNS was organized around the principle that a ‚responsible person’ would be delegated the authority to assign and resolve names at any level of the hierarchy. . . The designers of DNS had a good idea who they expected to take responsibility for second- and third-level names. Second level domains were thought of as names for major organizations whose networks contained 50 – 100 hosts. Third level domains would be administered by divisions of those organizations.” (Klensin zit. n.

Mueller 2002a: 78f.)

(16)

Mit anderen Worten bestand die Vorstellung, dass Second Level Domains überwiegend bestehende Organisationen reflektieren würden, die ihrerseits hierarchische Namens- räume bilden würden:

„DNS was built around the structurally conservative assumptions of a particular social stratum: government agencies, the military, universities, and their hybrid organizations – in other words, hierarchical institutions subject to little or no competition.” (Byfield 1999)

Individuelle, produkt- oder themenspezifische Domainnamen spielten in den frühen Überlegungen über die künftige Nutzung keine Rolle. Ein drittes Ziel schließlich bestand darin, eine einheitliche, für alle Datennetze gleichermaßen verbindliche Namenskonvention zu etablieren, die die neue Struktur des Namensraum reflektieren würde. Die adäquate Namensgebung für die neuen TLDs erwies sich bereits bei ihrer Konzipierungsphase als Streitpunkt. Zur Diskussion standen die Namen der einschlägigen Datennetze wie etwa BITNET, ARPANET oder ETHERNET, aber auch generische, an Organisationstypen orientierte Einteilungen wie .gov, .edu und .com.

Offenbar waren es Europäer, die Länderkürzel als Alternative zu den amerikanischen Organisationsbezeichnungen vorschlugen (vgl. Mueller 2002a: 79).

Als Kompromiss schälte sich eine Kombination aus generischen und geopolitischen Bezeichnungen heraus. Im Herbst 1984 schlug Jon Postel die Einrichtung von fünf gTLDs3 sowie zweibuchstabige Länderkürzel, die ccTLDs, vor (vgl. Postel & Reynolds 1984). Um politische Auseinandersetzungen zu vermeiden – insbesondere über die Frage, wem oder was das Recht auf eine ccTLD zusteht – wurde ein algorithmen- ähnliches Entscheidungsverfahren entwickelt. Delegiert werden sollten nur solche Buchstabenkombinationen, die sich auf einer Liste der International Standards Organization (ISO) befinden. Knapp 10 Jahre später hat Postel dieses Verfahren in einem viel zitierten Text begründet:

„The IANA is not in the business of deciding what is and what is not a country.

The selection of the ISO 3166 list as a basis for country code top-level domain names was made with the knowledge that ISO has a procedure for determining which entities should be and should not be on that list.” (Postel 1994)

3 Bei den ersten, im Januar 1985 geschaffenen gTLDs handelte es sich um .com, .edu, .gov, .mil und .org. .net kam im Juli 1985 dazu, .int im November 1988. Weil eine kommerzielle Nutzung des Netzes in den 80er Jahren noch nicht absehbar war, spielte .com zu diesem Zeitpunkt noch eine ganz unterordnete Rolle.

(17)

Die Liste 3166 der ISO bestimmt nicht nur, welche geographischen Einheiten als Länder anzusehen sind sondern auch die entsprechende Buchstabenkombination.4 Im Januar 1985 wurden die ersten sieben Top Level Domains (.arpa, .com, .edu, .gov, .mil, .net und .org) geschaffen. ccTLDs wurden ab 1985 auf Antrag delegiert. Zu den ersten TLDs gehörten die USA und England. Deutschland folgte ein gutes Jahr später an 10. Stelle: .de wurde an die Universität Dortmund delegiert.

Tabelle 2: Delegation der ersten 15 Country Code Top Level Domains

Date Record Country Region

15.02.85 US-DOM United States of America top-level domain NorthA 24.07.85 UK-DOM United Kingdom of Great Britain top-level domain Europe 24.10.85 IL-DOM Israel (State of) top-level domain AsiaPac 05.03.86 AU-DOM Australia top-level domain AsiaPac 25.04.86 NL-DOM Netherlands top-level domain Europe 05.08.86 JP-DOM Japan top-level domain AsiaPac 02.09.86 FR-DOM France top-level domain Europe 04.09.86 SE-DOM Sweden (Kingdom of) top-level domain Europe 29.09.86 KR-DOM Korea (Republic of) top-level domain AsiaPac 05.11.86 DE-DOM Germany (Federal Republic of) top-level domain Europe 19.01.87 NZ-DOM New Zealand top-level domain AsiaPac 17.03.87 NO-DOM Norway (Kingdom of) top-level domain Europe 14.05.87 CA-DOM Canada top-level domain NorthA 20.05.87 CH-DOM Switzerland (Swiss Confederation) top-level domain Europe 08.06.87 MY-DOM Malaysia top level domain AsiaPac Quelle: Porteneuve 2001

Die im Wesentlichen aus Jon Postel bestehende Internet Assigned Numbers Authority (IANA) bevollmächtigte die Antragsteller auf einer first come, first served-Basis sofern sie eine Reihe bescheidener Kriterien wie etwa technischen Sachverstand, Internetzu- gang und einen Wohnsitz in dem entsprechenden Land erfüllten. Postel betrachtete die TLD-Manager als Treuhänder, die im Interesse der Nutzergemeinde handeln:

4 Auch bei der ISO 3166 Liste handelt es sich selbstredend nicht um eine neutrale Instanz zur Definition von Ländern. Dies zeigt sich etwa beim Beispiel Palästina, das als besetztes Territorium in der Liste aufgeführt ist. Aufgrund dieses Eintrags ist die ccTLD .ps an Palästina delegiert worden.

(18)

„These designated authorities are trustees for the delegated domain, and have a duty to serve the community. The designated manager is the trustee of the top-level domain for both the nation, in the case of a country code, and the global Internet community.” (Postel 1994)

Die meisten Antragsteller stammten aus dem akademisch-ingenieurwissenschaftlichen Umfeld der Hochschulen. Die Administration „ihrer“ TLDs betrieben sie im Rahmen ihrer Arbeit, solange die Nutzergemeinde klein war (vgl. Porteneuve 2001). Der informelle, häufig auf Zufällen beruhende Delegationsprozess der TLDs ging somit an der staatlichen Verwaltung in fast allen Ländern vollständig vorbei. Die für Post und Telefon zuständigen Behörden nahmen das Internet in den 80er Jahren nicht zur Kenntnis (vgl. Mueller 2002a: 88).

In den 80er Jahren nahm die Zahl der ccTLDs nur langsam zu. Erst in den 90er Jahren beschleunigte sich das Wachstum.

Tabelle 3: Delegation der Country Code Top Level Domains

Jahr Anzahl der eingerichteten ccTLDs Total

1985 3 3

1986 7 10

1987 9 19

1988 9 28

1989 8 36

1990 11 47

1991 22 69

1992 17 86

1993 23 109

1994 22 131

1995 29 160

1996 31 191

1997 47 238

1998 2 240

Quelle: Porteneuve 2001

Der Registrierung von Domainnamen entwickelte sich in etwa spiegelbildlich zur Delegation von TLDs. Die älteste Domain ist symbolics.com, registriert am 15. März

(19)

1985. Im nächsten Monat registrierten die ersten amerikanischen Universitäten Domains unter .edu. Im Mai respektive Juli folgten weitere Domains unter .com und die erste unter .org. Insgesamt dürfte sich die Zahl der Namensregistrierungen im Jahr 1985 unter 30 bewegt haben.5 Obwohl die Nutzung der Netzinfrastruktur bis Mitte der 90er Jahre weitgehend öffentlichen Einrichtungen vorbehalten war, wies das DNS in den folgenden Jahren bereits beeindruckende Wachstumsraten auf. Bis 1993 war .edu mit gut 1000 Domainnamen die größte TLD. Im folgenden Jahr überrundete dann .com mit etwa 11.000 Domains alle anderen TLDs.

5 Vgl. Toni Rutkowskis „DNS Historical Timeline“: [http://www.wia.org/pub/timeline.txt] (15.10.02).

(20)
(21)

Tabelle 4: Wachstum des Namenraums 1988 bis 2002

Jahr Monat Domains (alle TLDs)

Domains (com-net-org)

Zuwachs in % (alle/com-net-org)6

Neue gTLDs (biz-info)

.de Domains Zuwachs .de in

% 1988 Juli 900 -

1989 Jan. 2.600 377%

Juli 3.900 100%

1990 Jan. - -

Juli -7 -

1991 Jan. 11.200 [124%]

Juli 16.000 85%

1992 Jan. 17.000 13%

Juli 16.0008 -12%

1993 Jan. 21.000 63%

Juli 26.000 48%

1994 Jan. 30.000 31% 1.123 -

Juli 46.000 106% 1.305 32%

1995 Jan. 71.000 109% 1.714 63%

Juli 120.000 138% 2.689 113%

6 Auf der Grundlage einer Jahresberechnung.

7 Oktober 1990: 9.300.

8 Ab Juli 1992 ändert sich die Quelle der Daten sowie die Berechnungsgrundlage. Die Daten bis zum Jahr 1995 sind relativ unzuverlässig. Verschiedene Quellen nennen unterschiedliche Zahlen.

(22)

Jahr Monat Domains (alle TLDs)

Domains (com-net-org)

Zuwachs in % (alle/com-net-org)9

Neue gTLDs (biz-info)

.de Domains Zuwachs .de in

%

1996 Jan. 240.000 200% 7.351 347%

Juli 488.000 207% 21.741 392%

1997 Jan. 828.000 139% 50.706 266%

Juli 1.301.000 114% 74.007 92%

1998 Jan. 2.292.000 249% 112.647 104%

Juli 2.154.634 - 175.667 112%

1999 Jan. 4.037.875 175% 324.294 169%

Juli 7.052.350 149% 765.965 273%

2000 Jan. 10.008.475 84% 1.554.374 206%

Juli 18.648.629 173% 2.775.292 157%

2001 Jan. (18)10 27.701.020 97% 3.906.730 82%

Juli (14) 30.089.731 17% 4.721.078 42%

2002 Jan. (13) 29.227.627 -6% 1.186.883 5.254.281 23%

Juli (15) (45.142.573)11 27.207.213 -14% - 5.666.269 16%

Quellen: Lottor 1992; DotCom.com Fun Facts;12 Network Wizards Internet Domain Survey13;

9 Auf der Grundlage einer Jahresberechnung.

10 Tagesangabe, bezieht sich nur auf die gTLDs.

11 Am 11. Juli 2002 nach Angaben von Register.com: gTLDs: 28.816.416, ccTLDs: 16.326.157.

[http://216.239.39.100/search?q=cache:KErj6Lo9gB8C:corporate.register.com/

index.asp%3FX%3Ddomainstats%26L%3Den+domain+name+statistics+com+net+org&hl=en&ie=UTF-8] (5.11.02, Google cache, Original-Webseite nicht mehr verfügbar.)

(23)

2.2 Technische Funktionsweise des DNS

Die Aufgabe des DNS besteht in der Übersetzung (resolution) von Domainnamen in IP- Adressen und vice versa. In gewisser Hinsicht erfüllt das DNS damit die Funktion eines Telefonbuchs. Für gesuchte Domains ermittelt es die numerische Anschrift. Das DNS unterscheidet sich vom Telefonbuch jedoch in mehrfacher Hinsicht. Dazu gehören der Aufbewahrungsort und der Publikationsmechanismus für Namen und Nummern, aber auch die Autorität über den Datensatz. Die vielleicht wichtigste Differenz zum Telefon- buch besteht darin, dass die Informationen über Namen und Nummern nicht in einem zentralen Register gespeichert, sondern dezentral verwaltet werden. Das DNS ist eine verteilte Datenbank in dem Sinne, als die Inhaber von Domainnamen selbst für den korrekten Eintrag bzw. die „Publikation“ ihrer Daten verantwortlich sind. Der Aufbau des Namensraums strukturiert den Datenfluss, der dazu dient, die an unterschiedlichen Orten gespeicherten Informationen über die Adresse – etwa einer Website – zusammen- zutragen.

Der Namensraum hat die Form einer Baumstruktur, in die Subsidiaritätsprinzipien eingelassen sind. Die Wurzel stellt die oberste Hierarchieebene dar. Sie besteht aus 13 Nameservern, die Informationen über alle Top Level Domains (genauer: über die Adresse ihrer Nameserver) besitzen. Im Internet sichtbar und somit existent sind die einzelnen Top Level Domains nur dann, wenn die Rootserver diese kennen und Auskunft über ihre Adresse geben können. Anders ausgedrückt verdankt jede Hierarchiestufe im Namensraum ihre Existenz einer Delegation von Namensrechten durch die nächst höhere Ebene. Mit dem Eintrag in die Datenbank des autoritativen Rootservers wird die Existenz einer Top Level Domain anerkannt, zugleich werden die Rechte über den speziellen Namensraum unter der TLD an einen Betreiber delegiert.

Dieser Betreiber wiederum delegiert die Rechte an einzelnen Domainnamen an die Registranten. Die einzelnen Delegations- und Autorsierungsebenen werden als Zonen bezeichnet. In der Schreibweise von Domainnamen sind sie durch Punkte von einander abgegrenzt: www.bmi.bund.de zeigt vier Hierarchiestufen an, für die theoretisch jeweils unterschiedliche Organisationen verantwortlich sein können. Die Registrierung von Domainnamen (in der Abbildung 1 die Ebene II oder III) schließt das Recht zur Einrichtung beliebig vieler Subdomains ein. Domainnameninhaber haben somit die Möglichkeit, einen eigenen Namensraum in Form weiterer Domainnamen auf nachge- ordneten Ebenen zu schaffen. Entsprechend groß ist die Vielfalt im Namensraum.14

14 Während die generischen TLDs in der Regel flach strukturiert sind und Domainnamen auf der zweiten Hierarchieebene registriert werden können, ist dies bei vielen landesspezifischen TLDs nicht möglich

(24)

Die Veröffentlichung (propagation) von Namen und Nummern übernimmt ein Programm mit dem Namen Nameserver. Nameserver sind lokale Datenbanken, die Informationen (Resource Record) über eine Domain enthalten.15 Der wichtigste Datensatz eines Nameservers ist der Address Record, der die IP-Adresse einer Domain enthält. Weitere Datensätze spezifizieren die Nameserver (Name Server Record) und die Mailserver, die die elektronische Post für die Nutzer der entsprechenden Domain entgegennehmen. Derzeit beschränkt sich die Nutzung von Nameservern auf die Identifizierung von gesuchten Namen und Nummern. Es wäre allerdings durchaus möglich, neue Datensatzkategorien zu definieren, die den Publikationsmechanismus des DNS auch für andere, nicht unmittelbar auf die Netzinfrastruktur bezogene Informationen nutzbar machen: „As for what data belongs in the only global distributed database, I say whatever data fits the query method.“ (Gilmore 2001)

(vgl. Abbildung 1). Eine vergleichbare Vielfalt zeigt sich in den tieferen Ebenen. Nicht jede registrierte Domain ist im Internet auch erreichbar, und nicht jede mit einer IP-Adresse ausgestattete Domain verfügt über eine eigenständige Website. Die Domains www.innenministerium und www.bmi.bund.de bieten die gleichen Websites, verfügen jedoch über verschiedene IP-Adressen.

15 Aus Gründen der Ausfallsicherheit soll es für jeden Domainnamen immer mindestens zwei Name- server geben. Auf diese Weise bleiben Domainnamen bzw. Websites auch bei Funktionsstörungen von Rechnern oder Teilnetzen erreichbar. Wichtige Domains haben oft mehrere auf verschiedene Orte verteilte Nameserver. Die Obergrenze beträgt 13 Nameserver. Dieses Limit wird durch den Über- tragungsstandard UDP gesetzt (vgl. Gudmundsson 2001).

(25)

Abbildung 1: Die Baumstruktur des Namensraums

gTLDs ccTLDs

0

.

[root]

- - -

I com net org name int edu us uk jp nl fr de

- - -

II ibm.com mann.name harvard.edu co.uk org.uk innenministerium.de bund.de - - -

www.innenministerium.de

III www.ibm.com sara.mann.name law.harvard.edu bbc.co.uk bmj.bund.de

pc.ibm.com bmi.bund.de ulm.bund.de

- - - www.pc.ibm.com mail-cyber.law.harvard.edu www.bmi.bund.de

IV www.zurich.ibm.com cyber.law.harvard.edu news.bbc.co.uk www.bmj.bund.de ftp.pc.ibm.com

- - -

V www.cyber.law.harvard.edu

Kursiv: Domainnamen, die man registrieren kann; unterstrichen:Hostnamen, die über eine IP-Nummer verfügen und folglich im DNS gefunden werden können. = nicht weiter verfolgt

(26)

Abbildung 2: DNS-Abfragemechanismus

Rootserver

(2) de? (3) de Info bei

dns.denic.de

=194.246.96.79

(4) bund.de? dns.denic.de

=194.246.96.79 (1) www.bund.de?

Mein Rechner Nameserver (5) bund.de Info bei nameserver.bund.de

=194.95.179.193 bund.de

8) =194.95.178.101

(7) 194.95.178.101 wwww.bund.de

194.95.178.101 nameserver.bund.de

=194.95.179.193

Leicht vereinfachtes Beispiel für die Übersetzung eines Domainnamens in eine IP-Nummer. In der Praxis senden Nameserver mehr Informationen. Auch sorgen die Zwischenspeicher der Nameserver dafür, dass die Rootserver nicht alle Anfragen selber bearbeiten müssen.

Die verteilte Struktur des DNS gestaltet das Auffinden von Daten etwas aufwendiger als das Nachschlagen in einem Telefonbuch. Weil es keinen zentralen Datensatz gibt, bedarf es mehrerer Schritte, um eine gesuchte IP-Adresse zu beschaffen. Der Nach- schlagemechanismus des DNS (lookup) beruht auf einer Nachfrage-Anwort-Interaktion zwischen verschiedenen Nameservern. Um etwa auf die Website der Domain bund.de zu gelangen, benötigt der Rechner die entsprechende IP-Adresse von www.bund.de.

Hierfür wird der nächstliegende, lokale Nameserver befragt (1). In der Regel verfügt der lokale Nameserver nicht über die entsprechenden Informationen und fragt daher seinerseits bei der „Wurzel“ des Namensraums, d.h. einem der 13 Rootserver, nach der IP-Adresse (2).

Der Rootserver besitzt Informationen über ein Teilelement des gesuchten Namens, nämlich .de, und beantwortet die Anfrage, indem er diese, genauer: den Namen und die IP-Nummer eines Nameservers, der über die autoritativen Daten für die Top Level Domain .de verfügt, an den anfragenden Nameserver sendet (3). Der lokale Nameserver befragt nun in einem zweiten Schritt den für .de zuständigen Nameserver (4) und erhält

(27)

von diesem die IP-Adresse des Nameservers für bund.de (5). In einer dritten Such- operation wird nun der Nameserver von bund.de um Auskunft über die IP-Adresse von www.bund.de gebeten: 194.95.178.101 (7). Der lokale Nameserver übermittelt diese Auskunft an den Rechner, der nun auf die Website www.bund.de zugreift (8).

Trotz des mehrstufigen Suchverfahrens nehmen DNS-Abfragen für gewöhnlich weniger als eine Sekunde in Anspruch. Die einmal abgefragten Daten werden zudem von den Nameservern einige Zeit gespeichert16, so dass sich der Suchprozess für häufig nachge- fragte Netzadressen verkürzt. Informationen über die Nameserver für den deutschen Namensraum .de etwa werden einen Tag gespeichert bevor die Abfrage erneuert wird.

Die Ziele dieses mehrstufig und verteilt organisierten Delegationsverhältnisses bestehen darin, einerseits das Registrieren und Publizieren neuer Domainnamen zu dezentrali- sieren, andererseits aber die Gefahr einer mehrfachen Vergabe gleicher Domainnamen (Name Collision) auszuschließen. Die hierarchische Struktur des Namensraums stellt sicher, dass Namen auf jeder gegebenen Ebene einer (Top Level) Domain nur einmal vergeben werden. Eine Konsequenz dieser hierarchischen Struktur ist allerdings die zur Spitze des Namensraums hin anwachsende Machtkonzentration. Wer das für alle Rootserver verbindliche Master Root File kontrolliert, kontrolliert faktisch den gesamten Namensraum. Denn jede Suche nach der IP-Adresse eines Domainnamens beginnt im Prinzip mit einer Anfrage an einen der 13 Rootserver.

Das Master Root File ist gewissermaßen die Ahnin aller Top Level Domains.17 Von den übrigen Rootservern unterscheidet es sich dadurch, dass es seine Daten nicht von einer externen Instanz bezieht, sondern selbst die autoritative Quelle bildet, von der Informationen über TLDs bezogen werden. Die politische Kontrolle über das Master Root File liegt beim US-Wirtschaftsministerium, das die operative Aufsicht an das amerikanische Unternehmen Verisign delegiert hat. Änderungen an den Root Zone- Einträgen werden allerdings nur nach Zustimmung der US-Regierung vorgenommen.

Die Rootserver beziehen alle 30 Minuten eine aktuelle Kopie des Masterfiles, das allerdings normalerweise nur zweimal täglich geändert wird (Zone Transfer).

16 Die genauen Zeiträume differieren von Domain zu Domain und von Host zu Host.

17 Wahlweise wird es auch als primary server, a-rootserver oder central rootserver bezeichnet.

(28)

Abbildung 3: Geographische Verteilung der Rootserver

e.root-servers.net NASA (Ames) Mt. View, CA, USA

f.root-servers.net ISC

Palo Alto, CA, USA b.root-servers.net USC-ISI

Los Angeles, CA, USA

i.root-servers.net NORDUNET/KTH Stockholm, Sweden d.root-servers.net

University of Maryland College Park, MD, USA

g.root-servers.net

US Department of Defense (DISA) Vienna, VA, USA

a.root-servers.net Verisign GRS Herndon, VA, USA k.root-servers.net RIPE NCC (LINX) London, UK

m.root-servers.net WIDE

Tokyo, Japan

l.root-servers.net ICANN

Los Angeles, CA, USA

h.root-servers.net

US Department of Defense (ARL) Aberdeen, MD, USA

c.root-servers.net PSINet

Ashburn, VA, USA

j.root-servers.net Verisign GRS Herndon, VA, USA

Quelle: ITU 2002

Die geographische Verteilung und Organisation der Rootserver ist historisch gewachsen und hat sich bis heute kaum verändert. 10 der 13 der Rootserver haben ihren Standort in der USA und konzentrieren sich auf die Ost- und Westküste; die übrigen drei Rootserver verteilen sich auf Japan, England und Schweden. Kritiker bemängeln, dass die Standortverteilung der Rootserver zu unnötig langen Response-Zeiten führt. Vor allem in Asien besteht Bedarf an zusätzlicher Rootserver-Kapazität, um dem wachsenden Datenverkehr gerecht zu werden.18

Zu den Betreibern von Rootservern gehören sowohl Forschungseinrichtungen und Universitäten als auch Unternehmen.19 Zwischen den Betreibern besteht zwar eine enge

18 Im November 2002 hat der Betreiber des F-Rootservers, Paul Vixie, bekannt gegeben, dass in Zusam- menarbeit mit APNIC, der asiatischen Registry für die Zuteilung von IP-Adressen, Kopien bzw.

Spiegel des F-Rootservers in Asien installiert werden sollen, vgl. Presseerklärung des Internet Software Consortium [http://www.isc.org/ISC/news/pr-11172002.html] (19.11.02). Der Betreiber des K-Rootservers (in London), RIPE, plant eine ähnliche Operation: [http://www.ripe.net/ripe/draft- documents/k-root-anycasting.html] (28.11.02).

19 Eine Auflistung aller Betreiber findet sich unter: [http://root-servers.org/] (20.11.02).

(29)

Kooperation, der technische Betrieb der Rootserver erfolgt jedoch auf einer unabhängigen Basis. Dies betrifft insbesondere die Rootserver außerhalb der USA, die bislang keiner politischen Aufsicht unterliegen. Die amerikanische Regierung betrachtet die „Stabilisierung“ der Beziehungen mit den Rootserver-Betreibern inzwischen als eine der Kernaufgaben von ICANN.20

2.3 Funktionswandel und Nutzungskonflikte von Domainnamen

Domain names are intended to be an addressing mechanism and are not intended to reflect trademarks, copyrights or any other intellectual property rights.” (Jon Postel 1996)

Mitte der 90er Jahre setzte ein Funktionswandel des Domainamensystems ein, der als

„transmutation of domain names“ bezeichnet worden ist (WIPO 1999: 12). Ursprüng- lich waren Domainnamen hauptsächlich als nutzerfreundliche Erinnerungshilfe gedacht, denn Namen prägen sich leichter ein als die 32 Bit umfassenden IP-Adressen. Domain- namen wurden als beliebig wählbare Zeichenfolge konzipiert, deren Geltungsbereich sich ausschließlich auf die Netzwelt beschränkte. Ihre Vergabe folgte dem first come, first served-Prinzip. Besitzansprüche an Namen waren ausgeschlossen:

„Domain names provide a convenient addressing mechanism for people and machines to identify resources without having to remember long strings of numbers. Registration [. . .] confers no ownership or legal rights to the name beyond establishing the relationship for Internet addressing purposes.“ (Mitchell et al. 1997: 262)

In ähnlicher Diktion, wenngleich die Existenz von Markenschutzansprüchen immerhin zur Kenntnis nehmend, hatte Jon Postel den Status von Domainnamen definiert:

„Concerns about ‚rights’ and ‚ownership’ of domains are inappropriate. It is appropriate to be concerned about ‚responsibilities’ and ‚service’ to the community. . . The registration of a domain name does not have any Trademark status. It is up to the requestor to be sure he is not violating anyone else’s Trademark.“ (Postel 1994)

20 Nach den Vorstellungen der US-Regierung soll ICANN in Zusammenarbeit mit den Rootserver- Betreibern das Rootserver-System einer kritischen Überprüfung unterziehen und Vorschläge zur Verbesserung der Architektur und dessen Sicherheit vorlegen (vgl. DOC 2002a).

(30)

Domainnamen galten als öffentliches Gut, und Postel appellierte an den Verstand und die Moral der Netzgemeinde, dieses Gut in angemessener Form zu nutzen. Solange sich der Zugang zum Internet auf öffentliche Forschungseinrichtungen beschränkte, war sein Appell erfolgreich. Als Domainnamen registriert wurden überwiegend Organisationsna- men, wogegen Ressourcen, Gruppen oder individuelle Nutzer auf darunter liegenden Namensebenen, etwa nach dem Muster: „computer-science/people/janine“, angesiedelt waren. Die hierarchische Baumstruktur des Namensraums gewährleistete, dass für alle Nutzer und Nutzungsobjekte ausreichend Platz vorhanden war.

Die Nutzungsweise und damit verbunden das bestimmende Verständnis des DNS änder- te sich infolge von zwei für die weitere Entwicklung des Internet einschneidenden Er- eignissen: die Verbreitung des WorldWideWeb im Jahr 1993 und die zur gleichen Zeit eingeleitete Privatisierung der amerikanischen Netzinfrastruktur (genauer, der back bones), die das Internet für eine kommerzielle Nutzung öffnete (vgl. ausführlich Kesan

& Shah 2001).

Das WWW machte in neuartiger Weise Gebrauch von Domainnamen, indem es diese als „locator“ für Inhalte einsetze. Der Adressierungsstand des WWW, der Universal Resource Locator (URL), beruht auf Domainnamen: www.domain.de. Die weder intendierte, noch vorausgesehene Folge dieses Adressierungsverfahren war, dass Domainnamen nicht mehr vorrangig zur Identifizierung von Organisationen dienten, sondern als Kennzeichnung beliebiger Ressourcen und Personen entdeckt wurden (vgl.

Mueller 2002a: 107f). Domainnamen avancierten zu symbolischen Adressen und

„became a big deal“ (Oppedahl 1997). Vergleichbar einer guten Adresse in der physischen Welt, versprach ein leicht einprägsamer Domainname einen Standortvorteil im WWW.

Die vergleichsweise leicht erlernbare Seitenbeschreibungssprache „HTML“ des Webs ermöglichte es zudem, ohne großen Aufwand eigene Homepages einzurichten. So entstand Mitte der 90er Jahre eine sprunghaft ansteigende Nachfrage nach sinnvollen und wohlklingenden Domainnamen. Zugleich zog sich die bisherige Praxis einer hierarchischen „Besiedlung“ einzelner Domainnamen auf die akademische Welt zurück.

Unternehmen begannen Domainnamen für einzelne Produkte und Standorte zu re- gistrieren, um von ihren Kunden besser gefunden zu werden.

Viele unregulierte Namenszonen entwickelten sich als Folge der „webification“

(Mueller 2002a) eher in die Fläche als in die Tiefe. Da attraktive Namen endlich sind, entwickelten sich Domainnamen innerhalb kürzester Zeit zu einem knappen Gut, für das hohe Preise erzielt werden konnten. Der Handel mit Domainnamen entwickelte sich zu

(31)

einem einträglichen Geschäft. Das galt vor allem für die TLD .com, deren Vorrat an sinnvollen Namen bereits im Sommer 1999 als erschöpft galt.

1994 wurden die ersten Konflikte um Domainnamen bekannt. Zu Rechtsstreitigkeit kam es vor allem, weil das first come, first served-Prinzip in der Namensvergabe durch Markenschutzansprüche in Frage gestellt wurde. Dass Domainnamen eingetragene Marken abbilden war 1994 allerdings keineswegs entschieden. Zum einen sind die mehrheitlich flach strukturierten Namenszonen prinzipiell nicht in der Lage, die produkt- und regionalspezifischen Differenzierungen im Markenrecht zu repräsentieren.

Daraus folgt, dass „as John Gilmore said, you just cannot pour ten pounds of trademarks into a one-pound domain sack“ (Johnson & Post 1997: 88). Zum anderen war das Domainnamensystem ausdrücklich nicht zur Repräsentation anderer Namenssysteme entwickelt worden. Gleichwohl ließen die zunehmenden Rechtsstreitigkeiten deutlich werden, dass Domainnamen ihren Status als beliebig wählbare Zeichenketten verloren.

Seit Mitte der 90er Jahre substituieren Domainnamen im Verständnis ihrer Nutzer nicht mehr in erster Linie IP-Adressen, sie reflektieren vielmehr die Namen von Personen, Organisationen und Objekten. Domainnamen haben sich zu einer Orientierungsgröße entwickelt, die dabei hilft, gesuchte Websites im Internet zu finden bzw. selbst von Dritten gefunden zu werden.

Eine wesentliche Ursache für den Funktionswandel des DNS liegt in einem Mangel, den die Entstehung des WWW erst sichtbar gemacht hat. Das Internet verfügt über kein Verzeichnis oder Adressbuch, das alle im Netz präsenten Personen, Organisationen und Dinge systematisch indexiert (vgl. Klensin 2001; NRC 2001: 62). Obwohl eine Art Verzeichnisdienst sehr hilfreich wäre, um im Web verlässlich zu finden, was man sucht, gibt es ein solches bis heute nicht. Ersatzweise entstanden Suchmaschinen, darüber hinaus erhielt das DNS – gegen den ausdrücklichen Willen seiner Entwickler! – eine zusätzliche Funktion als Branchen- und Adressbuch. Das bedeutet, dass Domainnamen als Hinweis auf die Anschrift von Websites interpretiert werden. Auf Verdacht tippen Nutzer www.domainname.de und hoffen auf diese Weise, die gewünschte Adresse zu finden. Die Ingenieure betrachteten dieses Suchverhalten als „misguided“. Denn „only a well-designed and implemented directory system will be effective for locating people and resources on a vastly expanded Internet. As such we find it unsettling that the DNS issue is receiving disproportionate attention since it is the wrong tool to solve the lack- of-directory-service problem.“ (Mitchell et al. 1997: 269)

Die Art und Weise, wie sich dieser Funktionswandel vollzogen hat, ist charakteristisch für die ungesteuerte, nahezu planlose Entwicklungsdynamik des Internet und zugleich erhellend im Hinblick auf die Rolle, die die Nutzer in diesem Prozess spielen. Das

(32)

individuelle Suchverhalten der „Surfer“ und die Marketingstrategien der Anbieter haben zusammen dafür gesorgt, dass das Domainnamensystem Eigenschaften eines universalen Branchenbuchs angenommen hat. Zwischen den verschiedenen Bedeutungen des DNS als öffentlicher Ressource und als Register besteht seither ein Spannungsverhältnis:

„It has become apparent to all that a considerable amount of tension has unwittingly been created between, on the one hand, addresses on the Internet in a human-friendly form which carry the power of connotation and identification and, on the other hand, the recognized rights of identification in the real world, consisting of trademarks and other rights of business identification, the developing field of personality rights, whether attaching to real or fictional characters, and geographical indications.“ (WIPO 1999: 12f.)

Die Erfinder des DNS schlugen vor, das Problem durch die Einrichtung von rund 30 neuen TLDs in den kommenden fünf Jahren zu lösen. Postel berief sich hierbei auf einen wahrgenommenen Bedarf „to open the market . . . to allow competition, differentiation, and change, and yet maintain some control to manage the Domain Name System operation“ (Postel 1996). Dahinter stand freilich auch die Absicht, das Domainnamensystem von seiner „funktionalen Überfrachtung“ zu befreien und auf seinen ursprünglichen Zweck als Gedächtnisstütze zurückzuführen. Eine Erweiterung um mehrere Hundert TLDs hätte der Indexfunktion des DNS schon aus Gründen der Unübersichtlichkeit ein schnelles Ende bereitet. Markenschutzorganisationen und Internetwirtschaft lehnten eine Erweiterung des Namensraums allerdings ab und plädierten stattdessen für einen besseren Schutz von bekannten Namen und Warenzeichen. Wie sich zeigte, verloren die Entwickler des Internet ihre einstige Autorität über den Namensraum. Es vergingen mehrere Jahre, bevor eine neue Verwaltungsstruktur für das DNS etabliert werden konnte.

2.4 Namens- und Nummernhoheit der Ingenieure

Die ursprüngliche Koordinationsstruktur für (Domain-)Namen und Internetadressen beruhte weniger auf einer bewusst geschaffenen institutionellen Ordnung als auf einer allmählich gewachsenen Arbeitsteilung zwischen IANA und der Internet Engineering Task Force (IETF) deren Gründer das Netz seit den 60er Jahren entwickelt hatten (vgl.

dazu Helmers, Hoffmann & Hofmann 1998; Hofmann 1998). Sowohl IANA als auch IETF sind bis heute informelle Organisationen ohne rechtlichen Status. Allerdings beugte sich die Technikergemeinde Anfang der 90er Jahre dem Druck, der sich aus der wachsenden technischen und ökonomischen Bedeutung von IETF und IANA ergab und

(33)

gründete 1992 die Internet Society (ISOC), die seither als rechtsfähige Dachor- ganisation fungiert und die Rechte an den Internet Standards der IETF hält.

Eine zentrale Rolle in der Administrierung der Netzressourcen spielte IANA (Internet Assigned Numbers Authority). Bis 1993 vereinte sie die Autorität über alle wichtigen Ressourcen des Internet, darunter die Namens- und Adressräume, den zentralen Rootserver sowie die Publikation der Internet Standards. IANA entstand aus der Notwendigkeit, die technischen Parameter und Spezifikationen der entstehenden Netzarchitektur zu ordnen und mit einer individuellen Kennung zu versehen. Daraus ging zunächst die bis heute bestehende Protokoll- bzw. Standardserie Request for Comment (RFC) hervor. Seit 1969 wurden die RFCs von der gleichen Person editiert:

dem 1998 verstorbenen Jon Postel. Parallel zur Entwicklung des Internet wuchs auch der Umfang der durch IANA zu verwaltenden Nummern- und Namensysteme.21 In den 80er Jahren kam die Konzeption und Delegation von Top Level Domains dazu: „It was Postel at ISI who filled the critical role of assigning country code top-level domains to specific applicants. From 1985 to 1993, Postel made these delegations using a commonsense application of the DNS concept of a ‚responsible person.’” (Mueller 2002a: 88)

Seit Postel am Information Sciences Institute der University of Southern California arbeitete, war auch IANA dort angesiedelt. Bis 1997 wurde diese von DARPA, einer Forschungseinrichtung des US-Verteidigungsministeriums, finanziert. Anders als die steigende Machtfülle der IANA erwarten ließe, war ihr Aufgabenzuschnitt kaum durch formale Regeln bestimmt. Die staatliche Finanzierung bildete faktisch das einzige rechtliche Element in der Namen- und Nummernverwaltung. IANA’s Macht beruhte weitgehend auf der fachlichen Reputation und das Vertrauen in die persönliche Integrität der Beteiligten, die sich untereinander zum Teil seit Collegezeiten kennen:

„Such an environment allowed its participants to handle many things informally with strategies like placing important responsibilities in trusted hands, like those of Jon Postel who almost singlehandedly serves as the Internet Assigned Numbers Authority.” (Mitchell et al. 1997: 258; vgl. auch Salus 1995)

Ab den frühen 90er Jahren wurden vor allem operative Aufgabenbereiche von IANA auf andere Organisationen übertragen. Den Anfang machten regionale Adressregistra- turen in Europa (1992) und Asien (1994), die für die Verteilung der von IANA zugeteilten Adressblöcken in den Ländern ihrer Region zuständig sind. 1993 übernahm

21 Eine chronologische Auflistung der IANA-Funktionen findet sich unter:

[http://www.wia.org/pub/iana.html] (17.10.02).

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