• Keine Ergebnisse gefunden

VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL"

Copied!
18
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

VG 6 K 1867/12.A

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Asylrechts (Somalia)

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam auf Grund der mündlichen Verhandlung

vom 1. August 2013

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Kirkes als Einzelrichter für R e c h t erkannt:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

(2)

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben 1985 in ... geborene Kläger wurde am 16. September 2011 in Puttgarden von der Polizei festgestellt. Er führte ein in Paris erworbenes Busticket für die Strecke Paris-Oslo bei sich und gab an, nach Norwegen reisen zu wollen. Ein bei ihm vorgefundener maltesischer Reisepass war offensichtlich für eine andere Person ausgestellt. Bei seiner polizeilichen Befragung sprach er gebrochen Englisch. Am 19. September 2011 meldete er sich in Neumünster als Asylsuchender und am 27. September 2011 brachte er bei der Außenstelle Eisenhüttenstadt des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag an.

Anlässlich seiner Befragung am selben Tag gab der Kläger an, (nur) Somali zu sprechen, somalischer Staatsangehöriger vom Stamm der ... zu sein; persönliche Dokumente habe er nie gehabt. Bis zur Ausreise habe er in ... gewohnt; er habe 2010 geheiratet und einen 2006 geborenen Sohn. In ... lebten auch seine Eltern und zwei Brüder. Er habe in ... die Oberschule besucht. Von Somalia aus sei er nach Kenia in ein Flüchtlingscamp gereist und dann von Nairobi gemeinsam mit seinem Schleuser nach Deutschland geflogen. Hier habe ihn der Schleuser in einen Bus gesetzt, mit dem er nach Norwegen habe fahren wollen.

Bei seiner Bundesamtsanhörung am 18. Oktober 2011 gab der Kläger an, am 2.

September 2011 von Mogadischu aus nach Kenia losgefahren zu sein. Er sei dort in einem Flüchtlingslager gewesen, wo er sich lediglich zwei Tage aufgehalten habe und nicht registriert worden sei. Er sei von dort weiter nach Nairobi gereist, von wo er mit einem Flugzeug ohne Zwischenlandung nach Deutschland gelangt sei. Es habe sich wohl um eine französische Maschine gehandelt. Für die Ausreise habe ein Onkel dem Schleuser ein Stück Land verkauft.

Ab und zu habe er in einem Studio gearbeitet, wo Portraitfotos angefertigt worden seien. Dies sei in ... gewesen, etwa 30 Kilometer von Mogadischu entfernt. In dem Laden sei er angestellt gewesen. Er sei von Mitgliedern der al-Shabaab zu sechs Monaten Haft verurteilt worden wegen der Fotoaufnahmen aus dem Studio und da er Musikaufnahmen gemacht habe. Dies sei im Januar 2011 geschehen. Und zwar

(3)

seien sie, sein Arbeitgeber und ein weiterer Angestellter sowie er selbst, in dem Geschäft festgenommen und in eines der Büros der al-Shabaab mitgenommen worden. Nach etwa sechs Monaten habe man ihn freigelassen mit der Auflage, seine frühere Fotoarbeit nicht fortzusetzen und sich den al-Shabaab anzuschließen. Man habe ihm Kleidung und ein Handy sowie Geld für Medikamente gegeben und ihm aufgetragen, wieder zu den al-Shabaab zurückzukommen. Sein Vater habe ihn dann aber darin bestärkt, dies nicht zu tun und nach Mogadischu in ein Viertel zu gehen, wo die al-Shabaab keinen Einfluss haben. Dort sei er allerdings auf seinem Handy angerufen worden und man habe ihm gesagt, dass man wisse, dass er sich in Mogadischu aufhalte. Man habe ihm aufgetragen, die Bewegungen der Regierungstruppen zu melden. Daraufhin habe er sein Handy weggeworfen und sich zur Ausreise entschlossen. Politisch habe er sich in seiner Heimat nicht betätigt. Er sei von den al-Shabaab noch ein zweites Mal angerufen worden und man habe ihm gesagt, dass man ihn als Überläufer ansehe. Die al-Shabaab-Leute seien auch mehrfach bei seiner Familie gewesen und hätten dort gesagt, dass man ihn finden werde. Er gehe davon aus, dass man ihn mit dem Schwert töten werde. Überall gebe es Leute der al-Shabaab und es sei überall bekannt, dass er vor ihnen davongelaufen sei. Seine Ehefrau und der Sohn hielten sich jetzt in ... auf; sie seien mehrmals bedroht worden, damit er zurückkomme. Für seine Ausreise habe er einen Reisepass benutzt, den der Schleuser zurückbehalten habe, und dann einen zweiten Reisepass für die Weiterreise erhalten; dieser sei von der Polizei (in Deutschland) beschlagnahmt worden.

Mit am 14. August 2012 zugestelltem Bescheid vom 7. August 2012 lehnte das Bundesamt die Asylanerkennung des Klägers sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab, stellte es fest, dass die Voraussetzungen nach § 60 Abs.

2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und forderte es ihn unter Androhung seiner Abschiebung nach Somalia zur Ausreise auf. Auf das Asylgrundrecht könne er sich nicht berufen, da er nicht plausibel ausgeschlossen habe, über sichere Drittstaaten ins Bundesgebiet gelangt zu sein. Im Übrigen gebe es in Zentral- und Südsomalia keine effektive staatliche oder quasistaatliche Herrschaftsmacht, von welcher eine politische Verfolgung ausgehen könne. Es sei zudem nicht glaubhaft, dass er in der von ihm behaupteten Weise von den al-Shabaab verfolgt worden sei. Insoweit sei es im Hinblick auf die allgegenwärtige Lage zweifelhaft, dass überhaupt die vom Kläger

(4)

beschriebenen Fotos angefertigt worden seien. Die vom Kläger dargestellte Bestrafung durch die al-Shabaab sei lebensfremd. Ihm werde nicht geglaubt, dass man ihm ein Handy gegeben und eine Überlegungsfrist eingeräumt habe, sich den al-Shabaab anzuschließen. Im Übrigen habe er nicht nachvollziehbar dargetan, dass seine Familie in ... verfolgt werde. Sonstige zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote seien aktuell nicht ersichtlich.

Mit seiner am 21. August 2012 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst sein Asylbegehren vollumfänglich weiterverfolgt; am 14. September 2012 hat er den geltend gemachten Asylanspruch (Art. 16a Abs. 1 GG) zurückgenommen.

Der Kläger trägt vor, dass in dem Laden in ... , in dem er angestellt gewesen sei, drei unterschiedliche Tätigkeiten, Telefon, Fotos und Videothek, ausgeübt worden seien.

Etwa zehn bewaffnete, unvermummte al-Shabaab-Kämpfer seien zu dem Laden gekommen; er habe einige von ihnen gekannt. Man habe ihn und den weiteren Angestellten getrennt vom Ladeninhaber mitgenommen und beide zu sechs Monaten Haft verurteilt. Während der Haft sei er an Malaria erkrankt. Er habe dann vom Emir Kleidung und ein Handy erhalten und sei sogleich vor Rache an seinen Familienangehörigen gewarnt worden, wenn er sich den Milizen nicht anschließe.

Eines Tages habe er einen Anruf erhalten, dass er nach Mogadischu fahren sollte. Er sei dorthin gegangen, habe sich aber bei einem Onkel in einem Viertel aufgehalten, das von der Übergangsregierung kontrolliert worden sei. Die al-Shabaab seien dann zu seiner Frau gekommen und hätten sie sowie den Sohn zu seinen Eltern gebracht.

Dort hätten sie gesagt, dass er ein Verräter sei, und ein Todesurteil gegen ihn vorgezeigt. Daraufhin habe sein Onkel ihm geraten, zu dessen Sohn nach Nairobi zu gehen. Der Onkel habe Land verkauft, um die Schleusung zu finanzieren. Bei dem Schleuser habe es sich um jemanden mit norwegischer Staatsangehörigkeit gehandelt, der das Ticket und einen norwegischen Reisepass besorgt habe, den er nach der Ankunft gegen einen maltesischen Reisepass ausgetauscht habe. Auch heute noch herrsche in seiner Heimatregion die Macht und Willkür der al-Shabaab vor.

Der Kläger beantragt nun noch,

(5)

die Beklagte insoweit unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. August 2012 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des genannten Bescheides zu verpflichten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG,

weiter hilfsweise jene nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Somalias vorliegen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen,

da dem Kläger eine Verfolgung durch die al-Shabaab nicht geglaubt werden könne.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18. September 2012 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, der zunächst mit Beschluss vom 10. Januar 2013 das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers mangels vorgelegter Unterlagen abgelehnt und auf erneuten Antrag vom 3. April 2013 mit Beschluss vom 4. April 2013 Prozesskostenhilfe im Hinblick auf die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bewilligt, im Übrigen indes wiederum abgelehnt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des Bundesamtsvorganges Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1.

Das Verfahren ist zunächst im Umfang der Klagerücknahme (betr. den Asylanspruch nach Art. 16a Abs. 1 GG) gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2.

Im Übrigen bleibt die Klage ohne Erfolg. Der angegriffene Bundesamtsbescheid erweist sich in Ansehung aller im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erkennbaren Umstände, einschließlich der aktuell in das Verfahren eingeführten Erkenntnisunterlagen zur Situation in Somalia, als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er weder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 Abs. 1 AsylVfG, 60 Abs. 1 AufenthG) noch die

(6)

Zuerkennung eines anderen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes (§ 60 Abs.

2 - 7 AufenthG) zu beanspruchen vermag (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Das Gericht folgt der Begründung des mit der Klage angegriffenen Bundesamtsbescheides, so dass hierauf zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen Bezug genommen werden kann. Mit Blick auf die aktuellere Entwicklung in Somalia sowie das Klagevorbringen des Klägers ist Folgendes ergänzend auszuführen:

a)

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 Abs. 1 AsylVfG, 60 Abs. 1 AufenthG) unter den im angegriffenen Bundesamtsbescheid zutreffend dargestellten Voraussetzungen scheidet beim Kläger unabhängig von allen anderen zu beleuchtenden Gesichtspunkten deshalb aus, weil dem Kläger – auch durch das Gericht – nicht abgenommen werden kann, in Anknüpfung an verfolgungsrelevante Persönlichkeitsmerkmale (Art. 10 RL 2004/83/EG i.d.F. der RL 2011/95/EU) und nicht allenfalls rein willkürlich von den al-Shabaab in den Blick genommen worden zu sein. Insofern käme nach dem Vorbringen des Klägers nämlich lediglich in Betracht, dass man ihn ob seiner Tätigkeit in dem Telefon-/Foto-/Videoladen als „unislamisch“

im Sinne der (kruden) Auffassungen der terroristischen al-Shabaab ansah und er deswegen aus „politischen“ Gründen ( Art. 10 Abs. 1 lit. e a.a.O.) als potenzielles Opfer auf den Tötungslisten der al-Shabaab geführt werden könnte. Bestünde eine solche Anknüpfung nicht, stellte sich der vom Kläger geschilderte Anwerbeversuch der al-Shabaab, dem er sich durch Flucht entzogen habe, als ein solcher dar, der völlig frei von konkreten Verfolgungsmerkmalen i.S.v. Art. 10 RL 2004/83/EG i.d.F.

der RL 2011/95/EU wäre. Das Gericht hat indes – wie schon das Bundesamt – nicht die Überzeugung zu gewinnen vermocht, dass die „Fluchtgeschichte“ des Klägers der Wahrheit entspricht. Nur unter der Voraussetzung, dass der darlegungs- und nach Kräften beweisbelastete Asylbewerber zur Überzeugungsgewissheit des Bundesamts bzw. des Gerichts eine in die Verhältnisse des Heimatlandes passende Verfolgungslegende darzulegen vermag, kann die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz in Frage kommen; dies ist hier nicht der Fall.

(7)

Der Vortrag des Klägers zur Entlassung aus der al-Shabaab-Haft erscheint als lebensfremd. Angesichts der vom Kläger selbst über seine Prozessbevollmächtigte ins Verfahren eingeführten Erkenntnisse zu den al-Shabaab ist es fernliegend, dass diese Terroristen ihm eine mehrtägige Bedenkzeit hinsichtlich einer Entscheidung, sich ihnen anzuschließen, eingeräumt und ihm während dieser Zeit sogar ein Handy, Kleidung sowie Medikamente (bzw. Geld hierfür) überlassen haben sollen. Am 6.

August 2011 hatten nämlich Kräfte der damaligen Übergangsregierung im Verbund mit den Einheiten von AMISOM nahezu die gesamte Stadt Mogadischu von der Vorherrschaft der al-Shabaab befreit (update 3 – Somali government declares Islamist rebellion defeated, AF.reuters.com.August 6, 2011) – worauf auch die Bemerkung des Klägers deutet, sein Vater habe ihm geraten, in einen Teil Mogadischus zu gehen, in dem die Übergangsregierung vorherrsche –, während die Befreiung des etwa 30 km entfernten ... erst am 25. Mai 2012 erfolgte (Presseerklärung vom 27. Mai 2012, African Union Troops Secure Afgooye Corridor, amisom-au.org/2012/05 …). Schon seit März 2011 wurden die al-Shabaab-Milizen in Mogadischu nach und nach aus den einzelnen Stadtvierteln verdrängt (government captures al-Shabaab militia bases, www.bbc.co.uk/news/world ... march 5, 2011). Die in der näheren Heimatregion des Klägers operierenden al-Shabaab-Milizen befanden sich mithin vor der vom Kläger auf den 2. September 2011 datierten Ausreise aus Mogadischu auf dem Rückzug bzw. im Kampf mit den Kräften der Übergangsregierung sowie jenen von AMISOM, wobei sie sich zunächst noch unter die auf über 200.000 Flüchtlinge geschätzten Vertriebenen im sog. ... -Korridor, der sich über 30 km entlang der Straße zwischen Mogadischu und ... erstreckt, mischen konnten. Im Juni 2011 war ein gesuchtes Führungsmitglied der al-Shabaab in ...

(Fazul Abdullah Mohammed) getötet worden. Dass man dem Kläger in einer derart angespannten Lage Überlegungszeit gewährt, ihm Medikamente bzw. Geld für die Behandlung einer während der al-Shabaab-Haft eingetretenen Erkrankung gegeben und sogar ein Handy überlassen habe, erscheint als unglaubhaft.

Dies gilt auch hinsichtlich des Vorwurfs, in jenem Laden gearbeitet zu haben; hätte man den Kläger tatsächlich eines „unislamischen“ Verhaltens bezichtigt, wäre er wohl kaum in „Beugehaft“ genommen worden, um ihn zu dingen, sondern hätte man ihn entsprechend den kruden Moralvorstellungen der al-Shabaab streng bestraft. Im Übrigen haben andere somalische Asylbewerber, deren Verfahren im Dezernat des Einzelrichters zur Entscheidung anstehen bzw. anstanden, vorgebracht, dass Leute

(8)

standrechtlich getötet worden seien, die sich nicht sogleich auf Druck den al- Shabaab-Milizen angeschlossen hätten. Die gesamte Fluchtlegende des Klägers erscheint vor dem Hintergrund allgemein bekannt gewordener Einzelfälle zusammengereimt, um eine gewisse Authentizität vorzuspielen. Denn die nach dem Eindruck des Klägervortrages unproblematische Fahrt mit dem Bus von ... nach Mogadischu, dem seinerzeit noch wesentlich unter dem Einfluss der al-Shabaab- Milizen stehenden Korridor, lässt sich anders ebenso wenig erklären wie der zeitliche Zusammenhang zwischen angeblicher Verfolgungshandlung und Ausreise. Dabei erschließt sich nicht, wem der Onkel (in Mogadischu) in solch kurzer Zeit (zwischen Ende Juni und Anfang September 2011) unter dem Eindruck einer unmittelbar bevorstehenden Verfolgung des Klägers sogleich ein Grundstück hat veräußern können, damit die Mittel für die Schleusung des Klägers erlangt werden konnten. In diesem Zeitintervall hat zudem die Schleusung selbst organisiert werden müssen, was schon deshalb aufwändiger gewesen sein dürfte, da der Kläger sogar in Begleitung nach Europa gebracht worden sein will, was also einen entsprechenden Mehraufwand hinsichtlich der Beschaffung aller erforderlichen Reiseunterlagen bedeutete. Immerhin will der Kläger im Januar 2011 für fast sechs Monate festgenommen worden und am 2. September 2011 aus Mogadischu ausgereist sein;

dann will er sich noch einige Zeit in Kenia aufgehalten haben, bis er schließlich am 16. September 2011 in Puttgarden aufgegriffen wurde. Diese Zeitabläufe können nicht ohne weiteres geglaubt werden; vielmehr wird sich der Kläger längere als die von ihm vage angegebene Zeit in Kenia aufgehalten haben, um die Schleusung nach Europa zu organisieren, falls dies nicht schon während eines dann gleichfalls längeren Zeitraums in Somalia geschehen war. Selbst wenn die von ihm genutzten beiden Reisepässe bereits irgendwo vorhanden gewesen sein sollten, was angesichts der erforderlichen Einreisevisa für den Schengen-Staat, in welchen der Kläger und sein Begleiter mit dem nach eigenen Angaben wohl französischen Flugzeug eingereist waren, fraglich erscheint, mussten jedenfalls die Flugtickets beschafft werden. Unter diesen Umständen wird es kaum möglich gewesen sein, so unkompliziert die damals noch von al-Shabaab-Milizen beherrschten Gebiete zwischen Mogadischu und Kenia zu durchreisen und alle Reiseunterlagen (während einer Frist von längstens zwei Wochen zwischen dem 2. und dem 16. September 2011) zu beschaffen, ohne dass die gesamte Ausreise von langer Hand vorbereitet war und folglich nicht unter dem Druck einer aktuellen Verfolgungslage erfolgte.

(9)

Auch der Vortrag, dass er nach seiner Flucht „überall“ bekannt sei, passt in dieses gesteigerte Vorbringen des Klägers. Die al-Shabaab operieren auf lokaler Ebene bekanntermaßen in örtlichen Milizen. Es wäre demnach zwar vorstellbar, dass der Kläger bei den damaligen al-Shabaab-Milizionären in ... bekannt war; es kann aber nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass der Kläger über seinen Heimatort hinaus als Abtrünniger z.B. auch im vergleichsweise großen Mogadischu identifiziert wurde. Wie ihn überörtlich agierende al-Shabaab-Milizionäre identifizieren können sollten, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen. Dass ihn irgendwelche Anrufe über sein Handy erreicht haben, belegt nicht, dass die Anrufer ihn auch tatsächlich hätten ausfindig machen können. Der Kläger hat selbst eingeräumt, durch Nichtgebrauch des Handys diesen Belästigungen ausgewichen zu sein; der Onkel, bei dem er sich aufgehalten habe und dessen Telefonnummer man herausgefunden habe, habe die SIM-Karte ausgewechselt. Es erscheint lebensfremd anzunehmen, dass die al-Shabaab trotz der Unterwanderung der örtlichen Telefongesellschaft(en) über eine Infrastruktur verfügen, mit welcher sie den Aufenthaltsort einer insoweit unbedeutenden Person wie des Klägers nachspüren würden. Dies gilt zumindest im Hinblick auf die unten darzustellende aktuelle Situation in Mogadischu.

Im Übrigen hat der Kläger widersprüchliche Angaben zu den angeblichen Anrufen der al-Shabaab gemacht. Während er einmal behauptete, zweimal in Mogadischu angerufen worden zu sein, ließ er ein anderes Mal behaupten, einmal in ... und das zweite Mal in Mogadischu angerufen worden zu sein. Schließlich hatte er beim Bundesamt vorgetragen, dass man ihm Übergriffe gegen seine Familie für den Fall angedroht habe, dass er sich nicht den al-Shabaab anschließe. Gleichwohl hat er bis heute keinen solchen Übergriff, weder auf seine Frau und das Kind, noch auf die übrigen Familienmitglieder berichtet. Gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers sprechen schließlich die aus nicht nachvollziehbaren Gründen widersprüchlichen Angaben zu seinen Sprachkenntnissen, womit er beim Bundesamt offenbar eine gewisse geistige Fertigkeit verheimlichen wollte, die auch für die sicherlich beschwerliche Reise bis Deutschland erforderlich war und Zweifel hinsichtlich der Fluchtgeschichte nähren könnte.

Alles in allem glaubt das Gericht dem Kläger die von ihm vorgebrachte Fluchtgeschichte nicht; eine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung kann deshalb nicht angenommen werden.

(10)

b)

Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen scheiden die Verfolgungsgründe der sekundären Ebene nach § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG ebenfalls aus.

c)

Der Kläger kann indessen auch nicht das nach Lage der Dinge entscheidend zu prüfende bürgerkriegsbedingte Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) beanspruchen.

Zwar geht das Gericht nicht zuletzt unter Bezugnahme auf die einschlägige Darstellung der Verhältnisse in Südsomalia im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Juni 2013 (S. 7 „Dennoch herrschen in großen Teilen Süd- und Zentralsomalias auch weiterhin Zustände, die im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte und die humanitäre Lage desaströs sind“) sowie der Wiedergabe diverser Angaben zur Lage in Mogadischu und Süd-/Zentralsomalia bei landinfo von Mai 2013, wonach trotz des seit Mai 2012 zu verzeichnenden erzwungenen Rückzugs der al-Shabaab-Milizen deren Untergrundaktivitäten und bewaffneten Überfälle andauern, davon aus, dass im südlichen Somalia, soweit im vorliegenden Fall relevant einschließlich Mogadischu und der Region Shabeellaha Hoose, also auch in ... , noch heute ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.v. Art. 15 lit. c RL 2004/83/EG i.d.F. der RL 2011/95/EU (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) vorherrscht. Es ist indes nicht (mehr) mit einem ernsthaften Schaden für den Kläger im Sinne der vorgenannten Vorschrift zu rechnen, also einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit.

aa)

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Dies kann auch der Fall sein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt auf einen Teil des Staatsgebiets beschränkt und dem Ausländer die gesetzlich definierte Gefahr in diesem Landesteil droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C

(11)

43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 25). Für die Gefahrenprognose bei einem nicht landesweiten Konflikt ist auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17 unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg 2009, I-921 Rn. 40). Für die Frage, welche Region als sein Zielort der Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. November 2012 - BVerwG 10 B 22.12 -, juris). Als Zielort der Abschiebung ist vielmehr in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers anzusehen, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG vom 14. Juli 2009 a.a.O.). Ein Abweichen von der Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ihm Schutz gewähren soll. Kommt die Herkunftsregion des Ausländers als Zielort einer Rückführung wegen der dem Ausländer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter den Voraussetzungen des Art. 8 RL 2004/83/EG i.d.F. der RL 2011/95/EU auf eine andere Region des Landes verwiesen werden. Schon der Gerichtshof der Europäischen Union weist im Zusammenhang mit dem Zielort bei Rückkehr auf Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie hin (vgl. Urteil vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 40 erster Spiegelstrich). Die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie müssen bei einer nicht landesweit drohenden Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG indes dann nicht erfüllt sein, wenn Zielort der Rückkehr die Herkunftsregion des Ausländers ist, da er dort keinen weiteren oder andersartigen Beschwernissen ausgesetzt ist, wie sie ihn in einer anderen Region seines Herkunftslandes erwarten können. Jedenfalls ist im Fall einer dem Ausländer in der für ihn maßgeblichen Region drohenden Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG weiter zu prüfen, ob der Ausländer in anderen Regionen des Landes internen Schutz gemäß Art. 8 der Richtlinie finden kann (vgl. BVerwG vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 18).

Zwar sind die innerstaatlichen Verhältnisse in Somaliland sowie in Puntland verhältnismäßig günstiger als in Zentral- und Südsomalia, zumal die al-Shabaab in den nördlichen Teilen Somalias nie eine machtbeherrschende Stellung eingenommen haben. Allerdings käme eine Rückkehr des Klägers in heimatferne

(12)

Gegenden Somalias ohne familiäre Anbindung vor Ort wegen der clanbezogenen gesellschaftlichen Strukturen nicht in Frage (vgl. Lagebericht a.a.O. S. 18).

Demnach ist für die Frage der Rückkehrgefährdung des Klägers auf die tatsächlichen Verhältnisse in ... abzustellen; dort will er zuletzt – bis auf die kurzfristige Unterkunft bei seinem Onkel in Mogadischu – gelebt haben und dort seien auch seine engeren Verwandten.

Es ist zu prüfen, ob von dem - zugunsten des Klägers unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region rund um ... für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 lit. c RL 2004/83/EG erfüllen (BVerwG vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33).

Derartige gefahrerhöhende individuelle Umstände lassen sich aber bei dem Kläger nicht feststellen. Weder seine Clanzugehörigkeit – als ... , einem der größeren Subclans der insbesondere in Südsomalia weit verbreiteten Hawiye – noch sein landesübliches sunnitisches Religionsbekenntnis stellen ihn gegenüber der Bevölkerung in seiner Heimatregion heraus; der Kläger übt auch als früherer Mitarbeiter in einem Laden keine berufliche Tätigkeit aus, der ihn gefahrerhöhend in den Blick potenzieller Verfolger, namentlich der al-Shabaab-Milizen, geraten ließe,

(13)

abgesehen davon, dass seine diesbezügliche Verfolgungsgeschichte den zuvor beschriebenen Glaubhaftigkeitszweifeln unterliegt und dass er die angeblichen früheren Betätigungen im Zusammenhang mit der Herstellung von Fotografien oder der Verbreitung von Musik nicht fortsetzen müsste.

bb)

Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17.

Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).

In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 lit. e der Richtlinie 2004/83/EG (Art. 2 lit. f. der Richtlinie 2011/95/EU). Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art.

3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk"; vgl. nur EGMR [GK], Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 <Rn. 125 ff.>);

das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27.

April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b RL 2004/83/EG).

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG i.d.F. der Richtlinie 2011/95/EU. Danach ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften

(14)

Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung – bei gleichbleibender Ausgangssituation – aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).

Hiernach kann sich der Kläger nicht erfolgreich auf eine Vorverfolgung berufen, da seine Fluchtlegende – wie dargestellt – unglaubhaft erscheint. Es ist vielmehr nicht zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar, unter welchen tatsächlichen Umständen sich der Kläger zur Ausreise nach Kenia und dann nach Europa entschlossen hat, abgesehen von den – ebenfalls bereits beschriebenen – desolaten Verhältnissen sowie angesichts der seit 2011 in seiner Heimatregion stattfindenden Kämpfe insbesondere gegen die al-Shabaab-Milizen.

Kommt es daher entscheidend darauf an, ob ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt im vorbeschriebenen Sinne vorliegt, welches die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts in der Person des Klägers belegt, so muss zunächst festgestellt werden, dass es derzeit keine erreichbaren Auskunftsstellen gibt, die im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine quantitative Bewertung der Gefahrensituation ermöglichen könnten; weder gibt es näherungsweise exakte Erhebungen zur betroffenen Bevölkerungsanzahl, noch kann eine näherungsweise zutreffende Zählung der relevanten Schadensfälle durchgeführt werden. Jede auf den Zahlen, die in den ins Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln angeführt sind, basierende Schadensquote wäre mit durchgreifenden Ermittlungsdefiziten behaftet; es stehen wegen der in jeder Hinsicht desaströsen Lage in Süd- und Zentralsomalia derzeit keine seriösen Quantifizierungsmöglichkeiten zur Verfügung.

(15)

Deshalb kann die Frage der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Somalia nur ohne quantifizierende Erkenntnismittel anhand einer wertenden Betrachtung der verfügbaren Erkenntnisse beurteilt werden.

Insoweit belegt die Auskunft von landinfo von Mai 2013, dass die al-Shabaab seit Mai 2012 in Mogadischu keine Kampfeinheiten mehr haben (S. 5 „by the end of May 2012. Since then there have been no more al-Shabaab troops holding fixed combat positions in Mogadishu, …“), was nach der „Befreiung“ des ... -Korridors auch für die Herkunftsstadt des Klägers gilt (S. 6 „… people can move freely around in the city and people have moved back from the ... corridor and from elsewhere“; S. 18 „The UN agency is now able to go by road all the way up to ... …“). Gleichwohl seien die al-Shabaab nach wie vor im Untergrund tätig (S. 5 „… but there continue to be underground al-Shabaab cells and terrorism“) und bedrohten sie insbesondere Mogadischu (S. 6 „there are still threats in the city“). Sie könnten überall in der Stadt zuschlagen (S. 6 „Al-Shabaab can hit anywhere in Mogadishu“), hätten Polizei, Geheimdienst und Militär infiltriert (S. 7 „Al-Shabaab has infiltrated the police, the intelligence and the military“) und bedrohten Mitarbeiter von Regierung und AMISOM (S. 7 „Al-Shabaab threatens people dealing with the SNG and AMISOM“). Derzeit gebe es wöchentlich mindestens vier bis fünf Handgranatenattentate in Mogadishu (S. 13 „there are currently at least four to five weekly hand granade attacks in Mogadishu and usually more“). Indes seien die al-Shabaab nicht mehr in der Lage, die Herrschaft über Mogadischu zu gewinnen (S. 8 „However, it was added that al- Shabaab will never be able to retake Mogadishu“); es gebe keinen Rekrutierungszwang mehr (S. 13 „forced recruitement does not occur in Mogadishu now“). Die Anzahl der Attentate durch al-Shabaab-Milizionäre schwanke periodisch (S. 7 „This means that the number of assassinations is going up and down periodically“); sie richteten sich nur direkt gegen Nahestehende der Regierung und von Institutionen wie Polizei und Militär (S. 9 „… the hit and run attacks by al- Shabaab are only directed against government affiliates and institutions like the police and SNAF“). Die Anzahl und der Einfluss internationaler Kämpfer bei den al- Shabaab sei zurückgegangen (S. 10 „… the numbers and influence oft he international fighters in al-Shabaab is less today …“) und in Mogadischu herrsche eine gegen die al-Shabaab gerichtete Stimmung vor (S. 10 „Regarding Mogadishu it is a fact that the city is dominated by anti al-Shabaab sentiments“). Die Verhältnisse in ... unterscheiden sich von jenen in Mogadischu in Bezug auf die al-Shabaab nicht

(16)

(S. 18 „there has been a significant improvement regarding security in Mogadishu as well as in the rest of S/C Somalia since October 2012“). In dieser Region gebe es seit Oktober 2012 keinen Beschuss und keine Kämpfe mit schweren Waffen mehr;

al-Shabaab stelle nicht mehr gezielt Zivilisten nach (S. 19 „… since October 2012.

There is no shelling and no fighting with heavy arms no longer. Al-Shabaab does not deliberately target groups of civilians“). Auch wenn al-Shabaab danach nach wie vor nicht eliminiert und dazu in der Lage ist, terroristische Anschläge zu verüben (S. 19

„SNG and AMISOM have not been able to completely eliminate al-Shabaab´s influence in Mogadishu. Al-Shabaab is still capable of undertaking terrorist attacks

…“), so werden zivile Opfer ihrer Anschläge in Kauf genommen, nicht aber auf solche abgezielt. Angesichts der steigenden Zahl gerade nach Mogadischu zurückkehrender bzw. nach dort zuwandernder Binnenflüchtlinge (S. 19 „People are returning from the diaspora in increasing numbers and today the citizens of Mogadishu have access to all parts of the city“) kann nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in Mogadischu und in ...

praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Seit dem Fortgang des Klägers aus dieser Region haben sich die Verhältnisse dort insoweit entscheidend verändert.

Hinzu kommt, dass es dem Kläger unter Beachtung der zuvor dargestellten rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen angesichts der familiären Beziehung zum dort lebenden Onkel zugemutet werden kann, in Mogadischu internen Schutz zu suchen, wo die Lage im Zweifelsfalle besser ist als im 30 km entfernten ... . Dabei stellt es kein erhöhtes Risiko für ihn dar, dass er nunmehr aus dem Ausland zurückkehrt (landinfo von Mai 2013, S. 31 „Persons returning from abroad are not at particular risk because of their clan affiliation. … a Somali person not originating from Mogadishu will normally ensure that he or she has contacts to relatives, friends … before going to Mogadishu“).

Dem Kläger ist bei alledem zuzumuten, keine gefahrenerhöhenden Tätigkeiten auszuüben und die nach den allgemein bekannten Umständen besonders gefährdeten Orte, z.B. den Strand von Mogadischu, zu meiden. Dass die al-Shabaab Attentate mit Gefahren für die Zivilbevölkerung überall, in ... wie in Mogadischu und darüber hinaus, verüben können, begründet zwar mit das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts; diese Möglichkeit belegt aber nicht die für das

(17)

hier in Rede stehende Abschiebungsverbot in einer derartigen Bürgerkriegssituation weiter erforderliche Gefahrenverdichtung.

d)

Mit dem angegriffenen Bundesamtsbescheid vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass dem Kläger aus sonstigen Gründen ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot zuzuerkennen ist. Insbesondere ist es ihm als ersichtlich gesundem, arbeitsfähigem Mann von 28 Jahren anzusinnen, sich eine den landesüblichen Verhältnissen entsprechende Existenzgrundlage zu verschaffen; er muss sich auf die Unterstützung seiner Familie sowie seines Clans verweisen lassen.

3.

Da der Kläger nach alledem keinen zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz beanspruchen kann, ist auch gegen die Ausreiseaufforderung sowie die Abschiebungsandrohung im angegriffenen Bescheid rechtlich nichts zu erinnern.

4.

Die Kostenfolge beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert- Straße 32, 14469 Potsdam, schriftlich zu stellen. Er kann stattdessen auch in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des Verwaltungsgerichts Potsdam eingereicht werden, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen ist (s.

zu diesem Einreichungsverfahren die Erläuterungen unter www.erv.brandenburg.de).

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Ferner sind in dem Antrag die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (vgl. § 78 Abs. 3 des Asylverfahrensgesetzes).

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer

(18)

staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, zugelassen. Darüber hinaus können auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung und in §§ 3, 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen auftreten.

Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen.

Richter dürfen nicht vor dem Gericht, ehrenamtliche Richter nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören.

Kirkes

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, dass die Beklagte bei ihrer letzten Beurteilung zum Teil noch ihren alten Vornamen und ein männliches

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 2. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2017, soweit entgegenstehend, verpflichtet, den

September 2016 erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu (Nr. 1) und lehnte seinen Asylantrag im Übrigen ab (Nr. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid,

- 12 - Wenn lediglich Teile von Wohnungen ausschließlich zu anderen als Wohnzwecken, näm- lich für gewerbliche oder freiberufliche Zwecke genutzt werden – von einer solchen

Für Dublin-Rückkehrer, die sich, wie der Kläger, noch nicht oder nicht mehr in einem Asylverfahren befinden, etwa für diejenigen, die vor ihrer Asylantragstellung in einem anderen

durch den Zuzug in einen anderen Landesteil oder einen anderen Stadtteil wird vermeiden können, zumal ihm letzteres nach eigenem Vorbringen bereits vor seiner Ausreise für

Sprechen bei Rückkehr der Kläger in ihr Heimatland Tschetschenien stichhaltige Gründe dagegen, dass sie erneut, wie im Herbst 2000, von Verfolgung bedroht sein werden, kommt es

Weil er Flugblätter verteilt habe und dabei bemerkt worden sei, seien gegen 22:00 Uhr erneut Leute in seine Wohnung gekommen und hätten nach ihm gesucht.. Von dort habe er