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Beobachtungen an den frühmittelalterlichen Bügelfibeln von Altenerding (Oberbayern)

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Beobachtungen an den frühmittelalterlichen Bügelfibeln von Altenerding (Oberbayern)

Mit 6 Abbildungen

Von Max Martin, München

Im ersten Band der Veröffentlichungen über „Das Reihengräberfeld von Altenerding in Oberbayern“ legte Walter Sage 1984 den Fundstoff aus über 1300 regulär gegrabenen Grä­

bern in Katalog und Tafeln vor1. In drei Dutzend dieser Gräber lagen Bügelfibeln, derzeit wohl die umfangreichste Serie dieses typischen Trachtzubehörs2 wohlhabender Frauen der Merowingerzeit, die von einem einzigen Fundplatz und in beobachtetem Grabzusammen­

hang bekannt ist.

Mit freundlicher Erlaubnis W. Sages und der kollegialen Hilfsbereitschaft H. Dannhei- mers konnte ich 1984 die Altenerdinger Bügelfibeln, die in der Prähistorischen Staatssamm­

lung München aufbewahrt werden, untersuchen. In erster Linie interessierte mich dabei das Gewicht der aus vergoldetem Silber bestehenden Exemplare. Da darüber in Kürze an ande­

rer Stelle in größerem Zusammenhang berichtet wird3, werde ich im folgenden vor allem über weitere Beobachtungen ausführlicher referieren.

Zum Gewicht der Bügelfibeln

In Abb. 1 sind die Gewichte der 22 auswertbaren silbernen Bügelfibelpaare eingetragen, dazu auch jeweils die Fibellänge4. Eine erste Zusammenstellung von Gewichten frühmittel­

alterlicher Bügelfibeln und Armringe aus Silber durch H. Roth5 ließ bereits vermuten, daß

1 W. Sage, Das Reihengräberfeld von Altenerding in Oberbayern 1. Gemi. Denkmäler Völkerwanderungszeit Ser. A, XIV (1984); im folgenden: Sage 1984.

2 H. Kühn, Die germanischen Bügelfibeln der Völkerwanderungszeit Teil I (1940), Teil II (1974), Teil III (1981).

3 M. Martin, Redwalds Börse. Gewicht und Gewichtskategorien völkerwanderungszeitlicher Objekte aus Edel­

metall. Frühmittelalterl. Studien 21, 1987 (im Druck).

4 Zu den exakten Gewichten vgl. demnächst die in Anm. 3 genannte Arbeit. Nicht aufgenommen wurden die Bügelfibelpaare der Gräber 94 (altgeflickt, fragmentiert), 319 (anhaftende Stoffreste), 625 (bei der Restaurierung mit Stoff unterlegt), 1237 (nur eine Fibel vorhanden) und 1350 (ein Exemplar evtl, nicht aus Silber bestehend).

— Wie die bei Sage 1984 wiedergegebenen Zeichnungen der Rückseiten und Seitenansichten der Fibeln zeigen, sind an fast allen Exemplaren noch Reste der eisernen Verschlußkonstruktion (Spirale, seltener auch Nadel), oft in korrodiertem Zustand, erhalten. In den ermittelten Gewichten ebenfalls mitenthalten sind auch die kleinen Almandinkügelchen oder -plättchen der Fibelpaare aus den Gräbern 146 (12x), 151 (lx), 189 (4x), 192 (14x), 201 (2x) und 343 (4x). Ob im frühen Mittelalter beim Wägen fertiggestellter Silberfibeln nicht nur Steineinlagen, wie man annehmen möchte, sondern etwa auch die eisernen Verschlußkonstruktionen bereits angebracht waren und mitgewogen wurden, wissen wir nicht. Da das Gewicht des Verschlusses vor allem bei den leichteren Stücken sich stärker auswirkt, bleibt vorläufig offen, ob es auch Fibelpaare zu V* oder Vi Unzen gegeben hat.

Die schwersten Fibeln in Altenerding sind erwartungsgemäß die ostgotischen und langobardischen Paare (Grä­

ber 192, 146, 117 und 447 der Abb. 1), die leichtesten die thüringisch-mitteldeutschen (Gräber 343, 454, 1083 und 201 der Abb. 1).

5 H. Roth, Beobachtungen an merowingerzeitlichen Gußtiegeln. Frühmittelalterl. Studien 11, 1977, 85 ff.

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derartiger Edelmetallschmuck im 5. und 6. Jahrhundert, was die Menge des verwendeten Metalls angeht, nicht nach dem Volumen der Schmelztiegel oder anderen, z.B. optischen Kriterien angefertigt wurde, sondern oft, wenn nicht in der Regel nach bestimmten, zwi­

schen Besteller und Hersteller vereinbarten Gewichtskategorien. So zeigte sich etwa auch bei Objekten aus Gold, wie unter anderem bei den von J. Werner vor einigen Jahren unter­

suchten germanischen Handgelenkringen des 3. und 5. Jahrhunderts6, daß ihre Gewichte nicht auf ein Mehrfaches des Solidus (zu 4,54 g, d.h. Vn des römischen Pfundes von 327,45 g) zurückgehen, sondern daß größere Gewichtseinheiten in Anwendung kamen, die offenbar denen des römischen und byzantinischen Gewichtssystems entsprachen, vorab dem Zwölftel des römischen Pfundes, der uncia (= 27,2875 g) und ihren Dritteilen. Auch bei den Germanen muß während der Merowingerzeit das antike (oder ein ihm gleichgesetztes eigenes) Gewichtssystem üblich gewesen sein, an dem sich germanische Besitzer und Verar­

beiter von Edelmetall genauso orientierten, wie ihre Standesgenossen oder Kollegen und nicht zuletzt auch ihre Handelspartner in der antiken und byzantinischen Welt7. So etwa wiegen von den zehn bei H. Roth aufgezählten Bügelfibelpaaren, darunter nur drei aus dem langobardischen Italien, die Paare aus Wurmlingen und Mössingen noch 98,9% bzw. 95,3%

einer Unze (27,2875 g), das Paar aus Ditzingen 96,2% von 2 Unzen (54,575 g), das Paar aus Pfullingen 95,3% von 4 Unzen (109,15 g), das Paar aus Cividale (A 59/60) 99,6% von 9 Unzen (245,588 g) und das skandinavische Bügelfibelpaar aus Donzdorf (Grab 78) 100,2% von 10 Unzen (272,875 g). Von den vier restlichen Paaren bleiben drei (mit Gesamt­

gewichten von 46,95 g, 42 g und 35,5 g) ohne eindeutigen Bezug zum Unzialsystem, das vierte (Cividale Grab C) ist unvollständig erhalten.

Wie ein Blick auf die Gewichtstabelle der Altenerdinger Bügelfibelpaare (Abb. 1) zeigt, waren im frühen Mittelalter, von skandinavischen und (späten) langobardischen Bügelfi­

beln einmal abgesehen, Paare zu 1 oder 2 Unzen8 oder Bruchteilen einer Unze (?)9, nur sel­

ten solche zu 4 oder 5 Unzen Silber üblich. Daneben mögen immer wieder aus uns nicht erkennbaren, individuellen Gründen Fibelpaare ohne Bezug auf dieses Gewichtssystem ent­

standen sein. Selbst dort, wo der Besteller und Käufer nicht eine zufällige Gewichtsmenge, z.B. mitgebrachtes Altsilber u.ä., mit dem Hersteller als Fibelgewicht festsetzte, sondern eine bestimmte Gewichtskategorie, mag der Käufer die fertiggestellten Fibeln nach ihrem exak­

ten Endgewicht, das vom Gewicht ganzer Unzen (oder Teilen derselben) um einige Prozent abweichen konnte, bezahlt haben.

6 J. Werner, Der goldene Armring des Frankenkönigs Childerich und die germanischen Handgelenkringe der jüngeren Kaiserzeit. Frühmittelalterl. Studien 14, 1980, 1 ff.

7 Auch der Goldschmuck der römischen Kaiserzeit ist, was bisher anscheinend nicht beachtet wurde, sehr oft in bestimmten Gewichtskategorien hergestellt; vgl. demnächst die in Anm. 3 genannte Arbeit.

8 So etwa besitzen die drei von H. Roth, Fundber. Baden-Württemberg 7, 1982, 491 ff. publizierten Bügel­

fibelpaare aus dem Gräberfeld von Fellbach-Schmiden (Rems-Murr-Kreis) folgende Gesamtgewichte: Grab 13 54,9 g = 100,6% von 2 Unzen; Grab 24 26,75 g = 98,0% von 1 Unze; Grab 20 7,17 g = 78,8% einer 'A

Unze (?).

9 Ob die leichtesten Bügelfibeln von Altenerding oder z.B. die in Anm. 8 genannten Kleinfibeln von Fellbach- Schmiden Grab 20 überhaupt auf Bruchteile einer Unze ausgewogen waren, ist aus verschiedenen Gründen (vgl.

Anm. 4) kaum zu entscheiden.

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5 unciae

4 unciae

3 unciae

2 unciae

1 uncia (27,2875 g)

Abb. 1. Altenerding. Die Gewichte von 22 Bügelfibelpaaren (1 kräftig abgenutzt, 2 kräftig abgenutzt, aber alt geflickt, 3 mit 12 bzw. 14 kleinen Almandinkügelchen, 4 Gesamtlänge in mm).

Ob und wie im frühen Mittelalter nebst dem Gewicht auch der Feingehalt des Fibel­

schmucks in Rechnung gestellt wurde, wissen wir nicht. Wie Metallanalysen gezeigt haben, schwankt der Silbergehalt von Bügelfibeln teilweise beträchtlich: bei den in Abb. 1 aufge­

nommenen ostgotischen Bügelfibeln aus Altenerding Grab 192 (Gesamtgewicht einschließ­

lich 14 Almandinkügelchen 178,7 g) und Grab 146 (Gesamtgewicht einschließlich 12 Al­

mandinkügelchen 62,1 g) beträgt er nur 18 bzw. 19% und 21 bzw. 25%, bei einer (wegen moderner Restaurierung nicht wägbaren) Bügelfibel aus Grab 625 hingegen 77%10.

Zu den Abnutzungsspuren

Auch W. Sage notierte im publizierten Gräberkatalog sorgfältig die erkennbaren Abnut­

zungsspuren, und zwar wie üblich Abnutzungen an den Fibelkanten und an den Bügeln und Knöpfen der Fibeloberseite. Fast nie wurde bisher Abnutzungsspuren auf den Fibel­

rückseiten systematisch Beachtung geschenkt, was auch erklärt, warum die große Masse der Bügelfibeln in älteren Veröffentlichungen nicht wie in der Altenerdinger Publikation in drei Ansichten, sondern oft nur einansichtig wiedergegeben ist.

10 V. Bierbrauer, Die ostgotischen Grab- und Schatzfunde aus Italien (1975) 231 ff. (mit einem Beitrag von J. Riederer).

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Abb. 2. Altenerding. Bügelfibeln mit kräftig abgenutzter Nadelrast: 1 Grab 1119, 2 Grab 447, 3 Grab 897, 4 Grab 658 (Nadelrast alt geflickt). M. 1 : 2.

Wie die Untersuchung der Altenerdinger Fibeln ergab, darf man grob gesprochen die an der Hakenplatte sitzende mitgegossene Nadelrast als besten Gradmesser für die Abnutzung, aber auch zugleich als wichtigstes Indiz für die bekanntlich lange Zeit kontrovers diskutier­

te Frage der Tragweise ansehen: Da die Bügelfibeln mit ihrer Spiralplatte, früher Kopfplat­

te genannt, vertikal oder schräg nach unten gerichtet am Kleid getragen wurden, setzte an der zum Bügel, d.h. nach unten gerichteten Kante der Nadelrast (und zwar an deren zwi­

schen Nadel und Fibelrückseite freibleibendem Abschnitt) aufgrund des Gewichts der Fibel und allfällig an ihr befestigter Gehängeteile von Anfang an ein Abnutzungsprozeß ein (Abb. 2). Dieser mußte im extremsten Fall dazu führen, daß der die Nadel aufnehmende gekrümmte Teil der Nadelrast von seiner Basis abgetrennt oder weggeschliffen wurde, wie stark abgenutzte Stücke annehmen lassen (Abb. 3)11; am einen Exemplar des besonders

“ RAbb- 3’1: B±öfT 'ft1™ amI o ' p Th’ Di.VGrabfunde der Merowingerzeit au« dem Donautal um Regensburg (1968) Taf. 33 7.8. - Abb 3 2: Rubenacb Grab 239: Chr. Neuffer-Müller u. H. Amen,, Das franktsehe Gräberfeld von Rubenach (1973) Taf. 16,17.18. - Abb. 3,3: Köln-Müngeredorf Grab 127- F Fre­

mersdorf, Das fränkische Reihengräberfeld Köln-Müngersdorf (1955) Taf. 23 2 3 — \bh 3 4- Bezeny G 1

(5)

Abb. 3. Bügelfibeln mit stark abgenutzter Nadelrast: 1 Barbing-Irlmauth (Streufund), 2 Riibenach Grab 239, 3 Köln-Müngersdorf Grab 127, 4 Bezenye Grab 8, 5 Soest Grab 106

(mit hülsenförmiger Nadelrast). M. 1 : 2. Vgl. Anm. 11.

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kräftig abgenutzten Bügelfibelpaares aus Grab 658 ist aus diesem Grund die ursprüngliche Nadelrast mithilfe eines Blechstücks alt geflickt worden (Abb. 2,4). Die genannte Krüm­

mung der Nadelrast ist übrigens an den Altenerdinger Bügelfibeln, soweit noch vorhanden, bis auf eine einzige Ausnahme12 wie üblich stets (vom Nadelhalter her gesehen) nach rechts gerichtet. So konnte die federnde Nadel von rechts her, d.h. von der offenbar meist rechts­

händigen Besitzerin bequemer in die Nadelrast eingelegt werden. Es sei schließlich auch erwähnt, daß an den Altenerdinger Fibeln untere Nadelrastkante und Partien der Fibel­

oberseite (Bügel, Fuß, Knöpfe) jeweils etwa in gleicher Intensität abgenutzt waren.

Welche Beschaffenheit und welche Form der zweifellos aus organischem Material beste­

hende Teil der weiblichen Kleidung besaß, an dem die Bügelfibeln angesteckt und mit ihrer Nadelrast gleichsam auf gehängt waren, kann hier nicht diskutiert werden. Daß Bügelfibeln

„ohne praktische Funktion auf der Toten niedergelegt wurden“, wie dies G. Zeller vermute­

te13, trifft sicher nicht zu. Die unter anderem als Beleg angeführte Bügelfibel aus Altener­

ding Grab 319 und die an ihr erhaltenen Stoffreste sind anders zu interpretieren: Wie aus W. Sages Beschreibung und Plan des Grabes hervorgeht (Abb. 4), wurde diese Fibel nicht mehr, wie ihr Gegenstück, in ursprünglicher Lage angetroffen, sondern „quer mit der Schauseite nach oben zwischen den Oberschenkeln“14. Die Gewebeabdrücke, die „quer über die Oberseite (der Fibel) ziehen“ und laut H.-J. Hundt „von der Umwicklung mit feinem Band in Leinenbindung hervorgerufen wurden“15, sind m.E. eher Abdrücke eines die Fibel im Grab überdeckenden vertikal gefältelten Kleidungsstückes (wohl eines Mantels), da nir­

gends eine Umbiegung des Gewebes auf die Rückseite der Fibel zu erkennen ist und auch Bänderkanten weder von H.-J. Hundt beschrieben wurden noch heute zu sehen sind.

Die Altenerdinger Bügelfibeln wurden von den Toten in Trachtlage, also wie zu Lebzeiten im Beckenbereich oder zwischen den Oberschenkeln getragen, teils schräg und mehr oder weniger nebeneinander, teils vertikal untereinander; in etlichen I ällen ist die eine Fibel wie bei Grab 319 (s.o.) sekundär verlagert. Gesamthaft deckt sich der Befund mit dem, wie er in zeitgleichen Reihengräberfeldern nördlich der Alpen geläufig ist16.

Bei den Bügelfibeln der Gräber 31, 94, 151, 256, 607, 853 und 934 ist jeweils eine der beiden Fibeln an der Nadelrastkante stärker abgenutzt. Diese intensivere Abnutzung scheint vor allem die untere, tiefer getragene Fibel betroffen zu haben, die möglicherweise (durch

8: J. Hampel, Altertümer des frühen Mittelalters in Ungarn 3 (1905) Taf. 58,1; J. Werner, Die Langobarden in Pannonien (1962) Taf. 64,1. — Abb. 3,5; Soest Grab 106; J. Werner, Münzdatierte austrasische Grabfunde (1935) Taf. 17,1 (hülsenförmige Nadelrast); W. Winkelmann, Frühmittelalterl, Studien 9, 1975, 137 ff. und Taf.

21, 49. 50.

12 Es handelt sich um die einzeln aufgefundenc, kaum abgenutzte Bügelfibel mit gleichbreitcm Fuß aus dem anscheinend ungestörten Kindergrab 568 („infans I, 2—3 Jahre alt"): Sage 1984, Taf. 76 31- 186,5.

>5 G. Zeller, Zum Wandel der Frauentracht vom 6. zum 7. Jahrhundert in Australien. Studien z. vor- u. früh- geschichtl. Archäologie. Festschr. f. J. Werner. Münchner Beitr. z. Vor- u. Friihgesch. Ergänzungsbd. l/II (1974)

14 Sage 1984, 94 (Zitat). Ders., 54. Ber. RGK 1973, 231 f. und Abb. 11,4- 26 5 13 H.-J. Hundt ebd. 292 (Zitat). 301 und Abb. 31; Taf. 76,6.

16 Vgl. etwa H. Hinz, Jahrb. RGZM 13, 1966, 212 ff. und Abb. 1.5.6.

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Abb 4 Altenerding. Plan des Frauengrabes 319 (1) mit Fundlage der unteren, von Stoffresten bedeckten Bügelfibel (2). M. 2 : 3 bzw. 1 : 15.

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Abb. 5. Obere und untere (stärker abgenutzte) Bügelfibeln von Altenerding Grab 934 (1), Fellbach-Schmiden Grab 13 (2) und Hemmingen Grab 20 (3). M. 1 : 2. Vgl. Anm. 17.18.

Gehängeteile?) stärker belastet wurde (Abb. 5,1.2)xl. Auch in Fellbach-Schmiden Grab 13 (Abb. 5,3) und in Hemmingen Grab 20 (Abb. 5,4) ist die untere Fibel stärker abgenutzt17 18.

Erst umfangreichere Beobachtungen an ausreichend dokumentierten Bügelfibelpaaren kön­

nen klären, ob diese Unterschiede die Regel bilden.

Je schwerer Bügelfibeln waren, umso deutlicher und kräftiger nutzte sich die Nadelrast ab. Gegenüber den meist kleinen leichten Exemplaren des 5. Jahrhunderts19 waren jüngere

17 In Altenerding weist von den sieben Bügelfibelpaaren mit erkennbarer ungleich starker Abnutzung in vier Fällen (Gräber 31, 256, 607 und 934) die untere Fibel eine kräftiger abgenutzte Nadelrast auf (Abb. 5,1). Zwei­

mal ist nicht klar, welche Fibel als untere Fibel zu bezeichnen ist (Gräber 94.853). Nur einmal (Grab 151) ist sicher die untere Fibel weniger abgenutzt als die weiter oben getragene.

18 Fellbach-Schmiden Grab 13: vgl. Anm. 8. — Hemmingen Grab 20: H.F. Müller, Das alamannische Gräber­

feld von Hemmingen (1976) 40 f. und Taf. 5 C, 3.4; 18,5.6. Vgl. dazu auch unten zu den Bügelfibeln aus Trivie- res und Güttingen.

19 Ausnahmen in jener Zeit waren große (gegossene) Bügelfibeln der ostgermanischen Frauentracht, wie z.B.

das Fibelpaar aus Domolospuszta (V. Bierbrauer, wie Anm. 10, Taf. 83,1.2), das einst 12 Unzen, d.h. 1 Pfund, wog (vollständiges Exemplar: 162,6 g = 99,3% von 6 Unzen; fragmentiertes Exemplar: 119,6 g), und — im mcro- wingischen Bereich — z.B. das 111,0 g (= 101,7% von 4 Unzen) schwere Fibelpaar von Graben-Neudorf (J.l).

Bosen, Fundber. Baden-Württemberg 10, 1985, 281 ff.).

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(10)

Bügelfibeln größer und sehr oft auch schwerer. Es erstaunt daher nicht, wenn anscheinend nur an späten Stücken, etwa der Mitte und des dritten Viertels des 6. Jahrhunderts, auf den Fibelrückseiten mitgegossene Sicherungsösen vorkamen (Abb. 6), die allgemein die Befesti­

gung verbesserten und wohl auch vor Verlust bei Defekt der Verschluß konstruktion schüt­

zen sollten20. Eine andere, anscheinend noch jüngere Schutzmaßnahme war die Verände­

rung der Nadelrast, die an einzelnen, spätesten Bügelfibeln nach dem Vorbild mediterraner Scheibenfibeln als mitgegossene (oder aufgelötete?) Hülse ausgestaltet wurde, was aber, wie die Fibel aus Soest Grab 106 (Abb. 3,5) belegt, die Abnutzung bestenfalls verlangsamen konnte21.

Zur Lebensdauer der Bügelfibeln

Ob im frühen Mittelalter Bügelfibeln täglich oder nur an Feiertagen und zu bestimmten Anlässen getragen wurden, ist uns nicht bekannt, auch wenn man letzteres annehmen möch­

te. Immerhin werden wir davon ausgehen dürfen, daß in Altenerding und anderswo alle vertretenen Formen jeweils gleich häufig getragen wurden. Angesichts unserer Unkenntnis, wie oft sich die weibliche Oberschicht der Merowingerzeit im Verlaufe eines Jahres mit dem Bügelfibelpaar schmückte, wären empirische Versuche oder physikalische Berechnungen der Zeitdauer, die einem bestimmten Abnutzungsgrad zugrundeliegt, wohl kaum sinnvoll.

Eine andere Möglichkeit, in dieser Frage zu ersten Anhaltspunkten vorzustoßen, ist noch nicht systematisch geprüft worden: Wir können uns fragen, welchen Abnutzungsgrad die Fibeln jener Besitzerinnen erreichten, deren Sterbealter, d.h. Lebenszeit uns dank anthropo­

logischer Untersuchung bekannt ist. Wiederum liefert der Friedhof von Altenerding dafür wohl die derzeit umfangreichste Serie auswertbarer Belege: In obenstehender Tabelle sind die in 35 Altenerdinger Gräbern als Paare bzw. einzeln zutage getretenen Bügelfibeln nach ihrer Abnutzung an Nadelrast sowie Rand und Oberseite der Fibel in drei Kategorien einge­

teilt. Vergleichen wir diese mit dem von ihren Trägerinnen erreichten Lebensalter, so zeich­

net sich die Tendenz ab, daß der Abnutzungsgrad mit dem Lebensalter ansteigt; ein Paar qualitätvoller früher Vogelkopffibeln aus vergoldetem Silber mit Nielloeinlagen in Grab

20 Beispiele: Abb. 6,1: Kranj Grab 11/3 von 1905: V. Stare, Kranj, nekropole iz casa preseljevanja ljudstev (1980) Taf. 9,2. — Abb. 6,2: Güttingen Grab 7: G. Fingerlin, Die alamannischen Gräberfelder von Güttingen und Merdingen in Südbaden (1971) Taf. 6,2 (Seitenansicht); F. Garscha, Die Alamannen in Südbaden (1970) Taf. 34,9 (Rückansicht); die stark abgenutzte Fibel ist am Übergang von Fuß zu Bügel gebrochen und mittels Bronzeblech alt geflickt. — Abb. 6,3: Hegykö Grab 18: I. Bona, Arheoloski Vestnik 21/22, 1970—71, 70 f. und Abb. 15,7.8. — Abb. 6,4: Trivieres, ohne Grabzusammenhang: G. Faider-Feytmans, Les necropoles merovingien- nes (1970) 49.81 und Abb. 7; Taf. 31 oben. — Ein weiterer Beleg aus Perchtoldsdorf bei Wien: Werner (wie Anm. 11) Taf. 33,3. — Zu jüngeren, sichtbar am Fußende angebrachten Ösen vgl. Kühn (wie Anm. 2, 1974) 57 f. (mit falscher Interpretation); zu älteren, wegen anderer Tragweise anders angebrachten Sicherungsösen an Bügel- und Adlerfibelpaaren aus ostgermanischen Frauengräbern vgl. V. Bierbrauer, Germania 51, 1973, 511.

— Eine westgotische Bügelfibel mit Öse unter der Fußplatte bei J. Werner, Die Fibeln der Sammlung Diergardt (1961) Taf. 19,86.

21 Zu Fibeln mit hülsenförmiger Nadelrast und den als Vorbild dienenden Scheibenfibeln mit gleicher Nadel­

rast vgl. die Bemerkungen bei J. Werner, Das alamannische Fürstengrab von Wittislingen (1950) 20 sowie S.

Fuchs u. J. Werner, Die langobardischen Fibeln aus Italien (1950) 58; die ebd. genannte Bügelfibel aus Schretz- heim Grab 226 b jetzt bei U. Koch, Das Reihengräberfeld bei Schretzheim (1977) 55 und Taf. 59,20; 192,5.

(11)

< 31 >

kaum 189 146

abgenutzt 554 177

568 < 1237 > (80%) 343 (25%) 1083 (11%)

91

sichtbar 521

bis 607 192

deutlich 618 485 224

abgenutzt 625 853 256

512 105 (20%) 658 (50%) 1350 (43%) 532 (44%)

94* 117

kräftig 201 151 319*

abgenutzt 447 272 454

934 (25%) 1119* (57%) 897 (44%)

Einzelfibeln: 2x lx lx 2x 2x

Fibelpuare: - 4x llx 5x 7x

Tabelle der mit Bügelfibeln ausgestatteten Frauen- und Mädchengräber von Altenerding, gegliedert nach Abnut­

zungsgrad der Fibeln und Sterbealter ihrer Trägerinnen (* Grab 94: „adult oder älter. . nach Zahnbefund senil“; Grab 319; „senil. . [nach gutem Zahnbefund und geringem Knochenabbau] eher adult“; Grab 1119:

„Ende adult. . . zwischen 30—40 Jahre alt“). — Die in den gestörten Gräbern 177 und 1119 angetroffenen „Ein­

zelfibeln“ besaßen ursprünglich wohl ein Gegenstück.

1083, die kaum abgenutzt sind und von der in senilem Alter verstorbenen Frau, möglicher­

weise als Ersatz für ein erstes Paar22, nur kurze Zeit getragen worden sein dürften, stellt die markante Ausnahme dar.

Nur Untersuchungen an weiteren Fibelserien werden klären können, ob der Altenerdinger Befund etwa nur einem Zufall zu verdanken ist. Zahlenmäßig kleinere Belegreihen aus den Friedhöfen von Hemmingen23 und Schretzheim24 halfen nicht weiter, da sie die Tendenz

22 Die Fibeln gehören zu den ältesten Bügelfibeln überhaupt, weshalb sie sehr wohl die ersten gewesen sein könnten, die von der in Grab 1083 beigesetzten F'rau — möglicherweise erst in den letzten Jahren ihres Lebens

— getragen wurden.

23 Von den in Hemmingen (Müller, wie Anm. 18) laut Zeichnungen (Seitenansicht der Fibeln) und Fotos (Oberseiten) am deutlichsten abgenutzten Bügelfibeln gehörte ein Paar zu einer in maturem Alter verstorbenen Frau (Grab 11) und je ein einzeln getragenes Exemplar zu einer altersmäßig unbestimmten Bestattung (Grab 24) und — wohl als Erbstück und von einer „Vorbesitzerin“ (Müller ebd. 108) stammend — einem juvenil ver­

storbenen Mädchen (Grab 35); auch die dritte in Hemmingen einzeln getragene Bügelfibel, eine bronzene Klein­

fibel, lag übrigens bei einem (nicht 13 Jahre alt gewordenen) Mädchen (Grab 26), was an den Befund in Alten­

erding (vgl. Tabelle oben) erinnert.

Andererseits besaßen in Hemmingen die matur verstorbenen Frauen der Gräber 1, 6 und 52 Bügelfibelpaare, die anscheinend nur wenig abgenutzt waren. H.F. Müller nahm deshalb an, man dürfe „aus dem Sterbealtcr nicht a priori auf die Tragzeit der beigegebenen Trachtbestandteile schließen“ (ebd. 108.111).

24 Für das Gräberfeld von Schretzheim (Koch, wie Anm. 21) liegen leider nur von den Gräbern 345—630, d.h. von sieben Gräbern mit paarweise (6x) bzw. einzeln (lx) getragenen Bügelfibeln aus Silber (Gräber 372,

(12)

der Altenerdinger Fibeln weder klar bestätigen noch widerlegen. Sollte diese Tendenz übli­

che Verhältnisse aufzeigen, wäre folgendes zu postulieren: Zur Merowingerzeit erhielten weibliche Angehörige der wohlhabenden Oberschicht im juvenilen Alter ein Bügelfibelpaar, das gewöhnlich — abgesehen von Ausnahmen wie im Falle von Verlust oder (nicht reparier­

barer) Beschädigung und Abnutzung25 — bis ans Lebensende, also nicht selten länger als drei Jahrzehnte getragen wurden. Es ist in diesem Zusammenhang an die werkstattfrische langobardische Bügelfibel aus Zäluzi (Celäkovice) in Böhmen zu erinnern, die wohl in die norddanubische Phase, also vor 526/27 zu datieren ist und zu der J. Werner auf — aller­

dings stark abgenutzte — „mustergleiche Gegenstücke“ aus Värpalota Grab 5 und aus Civi- dale hingewiesen hat26, die erst in der Zeit zwischen 546/47 und 56827 hzw. nach 568 in den Boden gelangten. Falls jungen Langobardinnen im zweiten Lebensjahrzehnt, beim Ein­

tritt ins Erwachsenenalter, hier also um 525/35, derartige Fibeln als Ausstattung gegeben wurden, konnten sie von Besitzerinnen, die ein hohes Alter erreichten, sehr wohl bis gegen 570 getragen worden sein.

472, 487, 502, 513, 516, 586) anthropologische Bestimmungen vor. Ohne Autopsie läßt sich zur Zeit nur sagen, daß fast alle der in maturem Alter (4x), aber auch die adult (lx) und juvenil (lx) Verstorbenen „abgeriebene“

bzw. „stark abgeriebene“ Bügelfibeln besaßen; allein die Fibeln der in maturem Alter verstorbenen Frau des Grabes 586 sind „sehr gut erhalten und nicht abgenutzt“ (ebd. 126).

25 Je nach Vermögensstand könnten schadhaft gewordene Fibeln repariert oder eben durch neue ersetzt wor­

den sein.

26 J. Werner, Die Langobarden in Pannonien (1962) 40 f. und Taf. 2,1.2; 24,3.7.8.

27 Zur Datierung der Gräber von Värpalota vgl. M. Martin, Das fränkische Gräberfeld von Basel-Bemerring (1976) 194, Anm. 1 und W. Menghin, Die Langobarden (1985) 58 ff.

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