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Zur Entzifferung der Pehlevipapyrus.
Von Paul Horn.
Eines der Hefte der „Mittheilungen aus den orien¬
talischen Sammlungen' der Königlichen Museen zu Berlin
soll ausschliesslich den Pehlevipapyrus gewidmet und mit sorg¬
fältigen photographischen Nachbildungen von einer Anzahl derselben
ausgestattet werden. Mit dem Erscheineu dieses Heftes wird die
Porschung über die Papyrus voraussichtlich mehr in Pluss kommen
und es dürfte angemessen sein , etwaige Entzifferungsversuche vor¬
läufig aufzuschieben, bis die Papyrus in guten Reproductionen all¬
gemeiner zugänglich geworden sind. Die folgenden Bemerkungen
mögen daher lediglich als Ergänzungen zu Seite 50 u. folg. dieses
Bandes der Zeitschrift bereits hier eine Stelle finden.
Die am angeführten Orte versuchte Entzifferung dreier grösserer
Stücke wird im Grossen und Ganzen das Richtige getroffen haben,
wenn auch im Einzelnen verschiedenes der Verbesserung bedarf.
Statt des zweifelnd, laktung gelesenen Hohlmaasses scheint vielmehr
iDPDb im Text zu stehen (ich bediene mich in diesem Aufsatz,
dem allgemeinen Usus folgend y zur Transscription der hebräischen
Buchstaben) oder nach Fr. 21, 2 iDSSb, was allerdings an sich
nicht deutlicher ist als jenes; vielleicht haben wir ein egyptisches
Wort vor uns, worüber weiter unten die Rede sein wird. Die Be¬
merkung über die Interpunktion war ganz verfehlt; es ist nämlich
die Zahl 10, welche hier erscheint, eine Entdeckung, die ich Herrn
Dr. F. C. Andreas verdanke. Zu "irrrn vergleiche man die unter
värdcä „Wachtel" von Hübschmann „Etymologie und Lautlehre
der ossetischen Sprache" zusammengestellten Worte, wenn auch die
Bedeutung „Wachtel" dem Pehlevi nicht ohne Weiteres zukommen
wird. Pür N^bn „Essig" ist besser sobn „Milch" zu lesen, worauf
mich die Herreu Dr. Andreas und Kirste unabhängig von
einander aufmerksam gemacht haben. Auch ich hatte ursprünglich
flüchtig an diese Lesung gedacht, war aber von derselben ab¬
gegangen, da ich mich scheute, das verkürzte b von Nsbn schon
auf die Papyrus zu übertragen ; man sieht also , wie alt die
610 Horn, Zur Entzifferung der Peiilevipapyrus.
Schreibungen des Pehlevi-Päzand -Glossary unter Umständen sein
können. Der indische, importirte Palmenwein war jedenfalls eine
bessere Sorte als der von der im Fajum wälderweise vorkommenden
Dattelpalme (Phoenix dactylifera L) gewonnene, welcher nach Her.
n, 86 bei der Einbalsamirung der Leichen benutzt ward und nach
Xen. Anab. II, 3 starke Kopfschmerzen hervorrief Letzterer bildete
neben dem Gerstenwein vorzugsweise das Getränk der Aermeren
(Woenig. Die Pflanzen im alten Egypten, 311) und wurde dem
Berliner medicinischen Papyrus (Ebers) zufolge mit anderen Ingre¬
dienzien auch zu Klystiren verwandt (Brugsch, Allg. Monatsschrift
fiir Wissenschaft und Literatur 1853, Seite 56). "^nONTin i on
ist vielleicht eine Art vinum conditum, wie er bei den Alten sehr
beliebt war. Die Lesung "ni „Wildesel" scheint eine Bestätigung
zu finden durch die Mittheilung Ker Porter's (I. 460), sowie
Polack's (I. 115), dass das Fleisch des Wildesels von den Persern
als Delikatesse geschätzt werde. Ueber das Vorkommen dieses
Thieres in Afrika berichten Aelian, De nat. an. XIV. 10: Mixgol fiiv
iSeiv slaiv oi Aißveg 'innoi, xai övot (nämlich ovot dypioi) und
Leo Africanus im 9. Buche s. v. Asinus silvaticus: Reperiuntur in de- sertis (Africae) vel desertorum confiniis maxima frequentia. Die Stelle
bei Spiegel, Avestaübersetzung II. XLIII *) über das Schwein war
mir früher entgangen. si3^ ist Druckfehler statt »^Jji'; es scheint
aber doch iDms, irgend ein „kleiner" Vogel, auf dem Papyrus zu
stehen.
Einige Fragmente weisen neben dem Pehlevitexte - auch noch
einen griechischen auf Herr Prof Wilken schätzte mir die¬
selben nach dem Typus der griechischen Schrift als dem 6.—7.
Jahrhundert unserer Zeitrechnung angehörig; der Inhalt dieser
Stücke lautet nach den Mittheilungen des genannten Herrn wie folgt :
t ' EnXr]Q(üd'i]v iyiia) naga aov ^Bvo{v)ipio(v) ro(C) E
TÜiv adiv dgovg(üv) xagn(ptg)
Von dem Pehlevitexte sind hier die Reste von 4 Zeilen er¬
halten, ich vermochte jedoch kein Wort sicher zu lesen.
Ein anderes Stück trägt uuter einer nur noch spärlich vor¬
handenen ZeUe Pehlevi die Worte : .
X a
K anavSttV xaß ß xtiur (bis hierher ist der Text nicht ganz
deutUch) vnig inoixj {Tv)ßiM{e)x(ig) fPafi{evw)d- aiT(ov) xg{i)d-(Tjg) ngox{eifisvoi) t
Endlich ein drittes Fragment enthält nur die Worte:
t Fewgyiog xolsxragiiog)
Das Stück liegt mit in der Pehlevisammlung , es entbehrt
jedoch voUständig aller Spuren von Pehlevischrift. Der Kokextagiog (Steuereinnehmer) begegnet häufig auf griechischen Papyrus.
Diese BUinguen sind von höchstem Interesse, da sie uns zeigen,
was möglicher Weise auf den Papyrus alles zu suchen sein kann.
Hom, Zur Entzifferung der Fehlevipapyrtis. 611
Wenn dem griechischen Texte ein Kreuz vor- oder nachgesetzt ist,
so beweist uns dies christliche Symbol, dass die Kontrahenten der
betreffenden Abmachungen oder wenigstens die eine Pai-tei derselben
Christen waren ; dass sie keine Perser waren , geht aus der An¬
wendung der griechischen Sprache hervor. Auf den in Pehlevi
abgefassten Stücken erscheint nirgends ein solches Kreuz.
Es können also sowohl egyptische (Sevovcpiog) wie griechische
Namen (Fecogyiog) auf den Papyrus begegnen. Soust sind mir nur
noch an drei Stellen Eigennamen vorgekommen uud zwar sind es
hier stets rein persische.
Ein Pergamentfragment enthält in kalligraphisch schöner Schrift
e H
(in der That ^lÄ-Jj «X-oLi Jb^. wie Firdüsi vom Pehlevi sagt)
die folgende Liste von Personen:
•< yiJTnD^JNi-na INmmniB INnTMimNPNI
■« •'iiomT':
INman-itt
IJomr 1 iDN-T'N
1 nNn2ine<M PNnriNn
Die andere Seite ist von einer anderen Hand mit sehr kursiven
Schriftzügen beschrieben.
Sodann, erscheint noch ein 5iN fTia "> nsrnniB und
auf einem dritten Stück heisst es im Texte inNis n:T by.
Was aber das Wichtigste ist, es wird nach egyptischen
Monaten gerechnet. Ich vermuthe daher den Tvßt auch noch auf
zwei anderen nur in Pehlevi abgefassten Fragmenten. Eben so
gut wie die Monatsnamen können auch andere Bestimmungen, wie
etwa die der Maasse, Gewichte u. dgl., in den betreffenden egyptischen
Vocabeln erscheinen (vielleicht erklärt sich so das oben erwähnte
iDnsb oder wie das Wort lauten mag), ein ümstand, der die Ent-
ziffenmg wieder beträchtlich erschwert. Auch griechische Titel sind, wie xoXexTccQiog zeigt, nicht ausgeschlossen.
Wie diese Bilinguen und die von mir entzifferte Verbrauchs¬
liste halte ich auch die übrigen Papyrnsfragmente für Privat-
ur k u n d e n. Zwar vermag ich kein einziges im Zusammenhang zu
lesen, aber die fortwährend begegnenden Zablen und Worte wie
"iJ<5"'n, nn .Anzahl', ins (iib) „an Werth' scheinen für eine solche
Annahme zu sprechen. So deutlich die letzteren Worte indess auch
zu sein scheinen, so könnten sie schliesslich doch etwas gauz anderes
bedeuten; die Entscheidung kann nur der Zusammenhang geben.
Positiv sicher sind mir bisher nur mehrere semitische Verba,
sowie ausser den unverkennbaren isn, rtn, tl3n, u. dgl. noch
einzelne Worte wie VIDN, nt<n -nnN, nsn Tinn, nmb („mit") und, wie schon erwähnt, eine Reihe Zahlzeichen.
612 Horn, Zur Entzifferung der Pehlevipapyrus.
Eine Bereicherung des erhaltenen spärlichen Materials wäre
sahr wünschenswerth; vielleicht sind in Kairo noch Fragmente von
Pehlevipapyrus vorhanden. Zu meinem Bedauern ist eine an das
Musee des antiquitas Egyptiennes gerichtete diesbezügliche Anfrage nicht beantwortet worden.
In der Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlands
III, 322 hat Kirste neuerdings die Theorie aufgestellt, die Endung der Infinitive im Pehlevi -teni (,d. h. langes e oder i") zu lesen, also
ebenso, wie ich bereits vor eiuem halben Jahre mit Dr. Andreas
umschrieben habe — im vorstehenden Artikel wollte ich alle nicht
zur Sache gehörigen Erörterungen vermeiden imd habe desshalb
in der bisher üblichen Weise den Auslaut mit i wiedergegeben.
Auch die Bemerkungen Kirste's über das Pehlevisuffix -man sind
daselbst schon praktisch angewendet worden. Wenn die Zeitschrift
S. 32 ff. zuerst eingeführten Lesungen des Herm Dr. Andreas,
denen derselbe bisher eine Begründung noch nicht folgen lassen
konnte, nunmehr auch die Billigung anderer finden, so muss
doch jedenfalls Herrn Dr. Andreas die Priorität ge¬
wahrt bleiben.
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61S
„Staub in den Mund".
Von W. Bacher.
Als beachtenswerthe Analogie zu der von Goldziher be¬
sprochenen arabischen Redensart (Z. d. D. M. G. XLII, 587) sei es
mir gestattet, die sowohl in ihrem Wortlaute, als in ihrer Anwendung entsprechende jüdisch-aramäische Redensart irimcb Nicy anzuführen.
Dieselbe wird von Räbä, dem bekannten babylonischen Amörä
des vierten Jahrhunderts, gebraucht, um Hiob ob seiner kühnen
und unschicklichen Aeusserungen gegen die Gottheit zu tadeln.
In Bezug auf Hiob 6, 2 sagt Räbä (Bäbä bathrä 16b): snsy
icbD Nm-ian m-iNT rr^^sisb, d. i. „Staub in Hiob's Mund!
Diese Vertraulichkeit (oder „Kameradschaft", wie Wünsche übersetzt)
dem Himmel gegenüber!" Und in Bezug auf Hiob 9, 33 (ib.): Nie?
■ian nN n^am© -lay w üiba avNn fr'msb, d. i. „Staub in Hiob's
Mund! Giebt es einen Knecht, der seinen Herrn zurechtweist?"
Nach einer unrichtigen, aber von Wünsche aufgenommenen Leseart
hätte R. dieselbe Redensart auch auf Hiob 31, 1 angewendet. Auf
diesen Vers passt jedoch die Redensart keineswegs, da nach der
Bemerkung des genannten Amora Hiob mit den Worten „Ich habe
einen Bund geschlossen u. s. w." nicht etwa Unschickliches sagt,
sondern sich einer Tugendhaftigkeit rühmt, in der ihn Abraham
weit übertroffen habe. Mit Unrecht hat Wünsche als Urheber der
zwei Aussprüche, in denen unsere Redensart vorkömmt, Rab ge¬
nannt, nach der Leseart der neueren Ausgaben ; denn die Münchener und ebenso die anderen Handschriften haben Na", die Ed. Venedig
'an, woraus einerseits mit Weglassxmg des Striches an wurde,
andrerseits mit falscher Auflösung der Abbreviatur das na- der
älteren Drucke (s. Rabbinowitz, Dikduke Sofrim XI, 75). Der
Amora Raba war es in der That, der in seiner Redeweise kräftige,
volksthümlicbe Ausdrücke anzuwenden liebte (s. meine Agada der
babylonischen Amoräer, S. 124), und als eine solche volksthümlicbe,
bei den Juden Babyloniens gebräuchliche Bedensart dürfen wir denn
auch den Ausruf trmcb Nncr anerkennen. Uebrigens lautet die¬
selbe ursprünglich wohl rr^mca Nnry, wie die Handschriften (bei