Vakuumtherapie: Chancen und Grenzen
Vacuum assisted closure technique (VACT): indications and contraindications
Abstract
Vacuum assisted closure techniques (VACT) lead to an easier handling with chronic wounds and large soft tissue defects in septic surgery. On
Julia Seifert
1Axel Ekkernkamp
1the other hand, VACT caused plastic surgery techniques to be forgotten.
In the following we would like to discuss indications (chances) and
contraindications (limits) of VACT. 1 Klinik für Unfallchirurgie und
Orthopädie, Keywords:vacuum assisted closure technique, soft tissue defect, plastic
surgery Unfallkrankenhaus Berlin,
Deutschland
Zusammenfassung
Die Vakuumverbandtechnik hat den Umgang mit chronischen Wunden und großen Weichteildefekten in der septischen Chirurgie erheblich erleichtert. Sie hat allerdings auch dazu geführt, die Behandlungstech- niken und -konzepte der plastischen Chirurgie aus dem Blick zu verlie- ren. Im Folgenden sollen daher die Indikationen (Chancen) und Kon- traindikationen (Grenzen) der Vakuumverbandtherapie dargestellt werden.
Schlüsselwörter:Vakuumverband, Weichteildefekt, plastische Rekonstruktion
Einleitung
Die Verwendung von Vakuumverbandtechniken in der ambulanten und stationären Behandlung von Patienten ist weit verbreitet und ist z.B. beim diabetischen Fußsyn- drom erfolgversprechend [1]. Nach einer Phase der eu- phorischen Anwendung bei chronischen Wunden, Weichteilverletzungen und -defekten, offenen Frakturen, Verbrennungen und anderen Indikationen [2], z.B. im Bereich der Abdominalchirurgie, hat sich – zum einem unter dem Druck der Ökonomie, zum anderen aufgrund eines nach wie vor fehlenden Nachweises einer deutli- chen Überlegenheit dieser Methode gegenüber anderen Verbandtechniken – der Einsatz jedoch reduziert. Zugleich wird die Notwendigkeit weiterer RCT-Studien hervorgeho- ben [2], [3], [4]. Speziell für den Bereich der septischen Unfallchirurgie kann konstatiert werden, dass aus der zunächst sehr breiten Anwendung eines bestechenden Prinzips der kontinuierlichen Wundsäuberung und Durchblutungsförderung im Laufe des Einsatzes der Va- kuumverbandtechniken die Erkenntnis gewonnen wurde, dass sowohl Chancen als auch Grenzen für diese Technik bestehen. Deshalb sollen die Indikationen, aber auch die Limitationen der Vakuumverbandtechnik einer kritischen Wertung unterzogen werden.
Abwägung der Vor- und Nachteile und der sich daraus ergebenden Indikationen und
Einsatzmöglichkeiten
Es hat sich bewährt, dass ärztlicherseits der Prozess der Behandlung oft langwieriger Wund- und Weichteilproble- me aktiver gesteuert wird, wozu gehört, die Wunde und deren Heilungspotenz regelmäßig und in kurzfristigen Abständen zu beurteilen, die Risikofaktoren des Patienten zu (er-)kennen und zu therapieren sowie alternative Therapiemethoden zu beherrschen.
Das Konzept muss also sein, den Patienten und sein Problem zu evaluieren, wiederholt zu re-evaluieren, um ihn situationsgerecht und individuell zu behandeln, was die Anwendung des Vakuumverbandes nicht ausschließt, sie aber auch nicht zwangsläufig bedingt.
Wirksam für einen zumindest vorübergehenden Einsatz eines Vakuumverbands sind
• die kontinuierliche Wundsäuberung großflächiger oder stark sezernierender Wunden
• die Vermeidung täglicher schmerzhafter Verbandwech- sel bei großen und tiefen Weichteildefekten sowie
• die Sicherung von Meshgraft-Plastiken.
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Originalarbeit
OPEN ACCESS
Die Anwendung der Vakuumverbandtechnik entbindet uns jedoch nicht von der Sorgfaltspflicht, die Wunden, insbesondere die septischen und kontaminierten Wun- den, chirurgisch zu säubern und Nekrosen und minder durchblutetes Gewebe radikal zu entfernen (Abbildung 1, Abbildung 2, Abbildung 3, Abbildung 4), um so die Weichteile für eine spätere Deckung zu konditionieren und um zu vermeiden, dass Erreger auf unbelebtem oder verschmutztem Gewebe zu Infektionen führen.
Abbildung 1: Männlich, 42 Jahre. Z.n. Quetschtrauma.
Verlegung aus anderem Krankenhaus zur weiteren Therapie.
Lt. Epikrise erfolgte bereits mehrfaches radikales Debridement der Weichteile. Befund nach Abnahme des Verbands.
Abbildung 2: Nach Wunderöffnung finden sich noch ausgedehnte Nekrosen der Haut, der Subcutis und der
Muskulatur.
Abbildung 3: Nekrotische Muskulatur wird entfernt.
Abbildung 4: Radikales Debridement im Sinne der Tumorchirurgie. Belassen werden kann nur sicher vitales
Gewebe.
Als Kontraindikation für die Anwendung von Vakuumver- bänden sehen wir
• freiliegende Gefäße
• infiziertes Gewebe und
• Nekrosen.
Sicher ungeeignet für eine definitive Vakuumverbandthe- rapie zur sekundären Wundheilung sind
• freiliegender Knochen
• freiliegendes Osteosynthesematerial und
• freiliegende Sehnen.
In den letztgenannten Situationen kann die Vakuumver- bandtechnik bestenfalls kurzfristig angewandt werden, nämlich bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine plastische Deckung mit vitalem Gewebe (Lappenplastik) durchge- führt wird. Diese sollte möglichst innerhalb eines Zeitrau- mes von 5 d erfolgen, um ein Austrocknen und eine mi- krobielle Kontamination der Wunde zu verhindern.
Neben alternativen Verbandsmaterialien wie
• granulationsfördernde Kunsthaut
• Polyvinylschwamm ohne Sog
• Kolloidverbände und
• adhäsionsvermeidenden Auflagen
sollte das chirurgische Repertoire einige Techniken der plastischen Deckung umfassen, um individuelle Behand- lungskonzepte erstellen zu können. Hierzu gehören
• fasziocutane Verschiebelappen (Abbildung 5, Abbil- dung 6, Abbildung 7, Abbildung 8) und
• lokale Muskellappenplastiken (Abbildung 9, Abbildung 10, Abbildung 11, Abbildung 12, Abbildung 13).
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Abbildung 5: 3° offene Calcaneusfraktur mit verbliebenem rundlichem Weichteildefekt der medialen Ferse
Abbildung 6: Präparation eines Suralislappen (fasciokutane Lappenplastik) zur Defektdeckung
Abbildung 7: Defektdeckung mit Suralislappen. Die Entnah- mestelle wird gemesht.
Abbildung 8: Ergebnis nach 3 Monaten: vollständige belas- tungsfähige Einheilung des Transplants
Abbildung 9: Verlegung aus anderem Krankenhhaus: 3°
offene Fraktur mit deperiostiertem, avitalen Knochen. Bisher Vakuumtherapie über 4 Wochen. Mischbesiedelung mit
Pseudomonaden, E. coli und S. aureus
Abbildung 10: Verkürzung und Segmentresektion mit retro- grader Arthrodese. Kombinierte Muskelschwenklappenplas-
tik mit M. soleus und M. peroneus brevis
Abbildung 11: Primäre Meshgraft Deckung der Lappenplas- tik
Abbildung 12: Sicherung der Mesh durch Vakuumverband- technik
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Abbildung 13: Ergebnis 9 Wochen postoperativ
Hierdurch lässt sich ein großer Teil der Wunden und De- fekte einfach und in der Regel problemlos definitiv de- cken. Ist der Defektbereich zu groß für einen lokalen Lappen, muss eine freie Lappenplastik in Erwägung ge- zogen werden. Entsprechende sächliche Voraussetzungen sowie Kenntnisse und Fähigkeiten in der mikrochirurgi- schen Präpariertechnik und der Nachbehandlung sind notwendig. Aus unserer Sicht gehören die Lappentrans- plantationen (freie Lappenplastik) in die Hand erfahrener plastischer und septischer Chirurgen.
Schlussfolgerungen
Im Ergebnis der Auswertung unserer klinischen Erfahrun- gen lässt sich ableiten, dass die temporäre Vakuumthe- rapie bei großen, stark sezernierenden Wunden zur Vor- bereitung auf eine definitive plastische Deckung sowie zur Sicherung von Meshgraft-Plastiken sinnvoll sein kann.
Allerdings müssen die Indikation und die Dauer der Vaku- umtherapie immer individuell geplant und in kurzen Ab- ständen überprüft werden. Eine definitive Vakuumthera- pie sehen wir nur dann als indiziert ist, wenn keine alter- native Defektdeckung möglich oder der Patient inoperabel ist.
Folgt man diesem Konzept einerseits unter Einbeziehung der Vakuumverbandtherapie, andererseits der plastisch-
chirurgischen Deckungsmöglichkeiten, lassen sich der überwiegende Anteil der Weichteilinfekte und -defekte erfolgreich therapieren.
Literatur
1. Armstrong DG, Lavery LA. Negative pressure wound therapy after partial diabetic foot amputation: a multicentre randomised controlled trial. Lancet. 2005;366(9498):1704-10. DOI:
10.1016/S0140-6736(05)67695-7
2. Ubbink DT, Westerbos SJ, Evans D, Land L, Vermeulen H. Topical negative pressure for treating chronic wounds. Cochrane Database Syst Rev. 2008;(3):CD001898.
3. Gregor S, Maegele M, Sauerland S, Krahn J, Peinemann F, Lange S. Negative pressure wound therapy: A vacuum of evidence?.
Arch Surg. 2008;143(2):189-96. DOI:
10.1001/archsurg.2007.54
4. Holle G, Riedel K, von Gregory H, Gazyakan E, Raab N, Germann G. Vakuumtherapie: Aktueller Stand der Grundlagenforschung.
Unfallchirurg. 2007;110(6):490-504. DOI: 10.1007/s00113- 007-1267-x
5. Willy C. Die Vakuumtherapie: Grundlagen, Indikationen, Fallbeispiele, praktische Tipps. Ulm: Anne Lindqvist; 2005.
Korrespondenzadresse:
PD Dr. med. Julia Seifert
Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie,
Unfallkrankenhaus Berlin, Warenerstr. 7, 12683 Berlin, Deutschland, Tel.: 0049 (0)30-5681-3018, Fax: 0049 (0)30-5681-3003
julia.seifert@ukb.de
Bitte zitieren als
Seifert J, Ekkernkamp A. Vakuumtherapie: Chancen und Grenzen . GMS Krankenhaushyg Interdiszip. 2009;4(2):Doc13.
Artikel online frei zugänglich unter
http://www.egms.de/en/journals/dgkh/2009-4/dgkh000138.shtml Veröffentlicht:16.12.2009
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