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Tempuskategorie im Hindi und Urdu

und zu seiner Charakteristik

Von Helmut Nespital, Kiel

1.1. Unter dem Begriff „Kategorie" versteht man in der Linguistik

zumeist bestimmte Abstraktionsklassen oder auch Systeme^. Beträcht¬

liche Unterschiede bestehen jedoch, bedingt durch die Unterschiedlich¬

keit sowohl der objektiven sprachhchen Erscheinungen als auch des

Untersuchungsbereichs und der zugrundegelegten linguistischen Kon¬

zeptionen, hinsichtlich der Art, des Umfangs und der Zahl von Kate¬

gorien. Im engeren Sinne wird von Kategorien hn Bereich der Gram¬

matik gesprochen, also von grammatischen Kategorien. Diese werden —

entsprechend ihres Bezugs auf die Morphologie oder auf die Syntax —

in morphologische und syntaktische Kategorien differenziert.

1.2. Die morphologischen Kategorien zeichnen sich durch ihre je¬

weihge formale und semantische Repräsentation durch die betreffende

Wortart aus. Im folgenden limitieren wir uns gemäß der Zielstellung

dieses Beitrages auf die morphologischen Kategorien des Verbs. Zu

diesen gehören im Hindi und Urdu die Kategorie des Tempus, des

Aspekts, des Modus, des Genus verbi, der Person, des Numerus und —

wenigstens partiell, d. h. mit Hinbhck auf bestimmte Formen des Verbs

— des Genus.

1.3. Jede dieser Kategorien enthält eine bestimmte Zahl von Be¬

deutungen, grammatischen Bedeutungen, die allgemeine und abstrakte

Inhalte darsteUen, die den Gliedern bzw. Einheiten der Wortart „Verb"

in ihrer Gesamtheit inhärent ist.

Jede verbale Kategorie wird ferner durch bestimmte Formen, d.h.

sog. grammatische Formen des Verbs, repräsentiert. Dabei sind, werm

wir uns z.B. auf das finite Verbsystem des Hindi und Urdu begrenzen,

einige wesenthche Phänomene zu beachten:

' Vgl. hierzu u. a. Kleines Wörterbuch sprachunssenschaftlicher Termini.

Leipzig 1975; sub voce ,, Kategorie". — Ferner wird u. a. auch im Band 2,

S. 118f., der Allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin 1975, z.B. mit Bezug

auf Phoneme von ,, Systemeinheiten" und ihrer Zusammenfassung zu be-

stinunten ,, Klassen (Kategorien und Subkategorien)" gesprochen.

(2)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi imd Urdu 491

1. eine Kategorie kann für jede ihrer Bedeutungen eine ganz bestimmte

grammatische Form besitzen,

2. eine Kategorie drückt mehrere ihrer Bedeutungen simultan durch

ein und dieselbe Form aus,

3. mehrere Kategorien werden zugleich durch dieselbe Form oder Teil¬

form wiedergegeben,

4. die Relevanz bzw. Wertigkeit einer bestimmten Kategorie ist für

unterschiedhche grammatische Formen unterschiedhch.

So ist für die Tempusformen des Indikativs die Wiedergabe der Be¬

deutungen der Tempuskategorie von primärer Relevanz, vmd zwar in

Verbindung mit der „Wirkhchkeitsmodalität" als der Hauptmodalität

des polysemen und insgesamt merkmallosen Modus des Indikativs.

Dieses ist insofern wesenthch, da im konkreten Kommunikationsakt

jede konkrete Wortform des Verbs simultan bestimmte Glieder und

deren Bedeutungen auch aller anderen verbalen Kategorien wiedergibt.

Im Vergleich zu den Tempusformen des Indikativs sind für die anderen

Modi des Hindi und Urdu, den Imperativ, aber auch den Subjunktiv

und den Irrealis, die Bedeutungen der Tempuskategorie gegenüber

ihren dominierenden modalen Bedeutungen von sekundärer Relevanz.

1.4. Hinsichtlich ihrer primären Zugehörigkeit zu einer bestimmten

Kategorie lassen sich die grammatischen Formen innerhalb dieser wie¬

derum in mehrere hierarchisch und integrativ angeordnete Teilsysteme

ghedern, und zwar nach bestimmten gemeinsamen kategorialen Be¬

deutungen bzw. —- genauer formuliert — minimalen, kategorialen Be¬

deutungselementen bzw. -komponenten. Am deutlichsten sind diese Be¬

ziehungen wiederum innerhalb der Tempuskategorie und ihrer Gheder

vertreten. Nach der Wiedergabeart der, wie wir noch sehen werden,

grundlegenden Bedeutung der Tempuskategorie, und zwar der Re¬

lation der Aktzeit (A) des von der betreflFenden grammatischen Form

dargesteUten verbalen Geschehens zum Sprechmoment (S)/ = der

,, Sprechergegenwart"/, lassen sich grammatische Formen (Tempusfor-

men) der drei Zeitstufen: Gegenwart (A = S bzw. A liegt in der Zeit¬

spanne, in der auch S lokalisiert ist), Vergangenheit (A vor S) und

Zukunft (A nach S) unterscheiden. — Innerhalb dieser 3 Teilsysteme

der Tempusformen gehören diese entsprechend ihrer jeweils analogen

bzw. (teil)-idcntischen Morphemstruktur und der gleichartigen Wie¬

dergabe weiterer disthiktiver Bedeutungselemente bzw. Seme einem

gemeinsamen kategorialen Teilsystem an, das wir Grammem nennen

wollen. Somit haben wir im Rahmen der Tempuskategorie eine fort¬

schreitende hierarchisch-integrativ angeordnete Reihe von der Kate-

(3)

gone selbst angefangen über die einzelnen Tempusgrammeme bis hin

zu den grammatischen Formen eines jeden Grammems.

1.5. Auf der Basis der bisherigen Ausführungen ließe sich eine gram¬

matische Kategorie, und zwar eine morphologische, allgemein wie folgt

definieren: eine grammatische (morphologische) Kategorie ist

ein Gesamtsystem von korrelativen Grammemen oder bzw. und gram¬

matischen Formen verbunden mit einem entsprechenden Gesamtsy¬

stem korrelativer Bedeutungen, und zwar Semen. Der semantische

Gesamtinhalt bzw., was damit gleichbedeutend ist, das semantische

Inventar oder Potential einer grammatischen Kategoriewird

also durch die Zahl und die Gesamtheit an Semen der sie konstituieren¬

den Glieder, d.h. der Grammeme, bestimmt, die miteinander in for¬

maler und semantischer Hinsicht Bündel verschiedenartiger Oppo¬

sitionen bilden.

2.1. Aus dieser Charakteristik einer grammatischen Kategorie er¬

geben sich also, appliziert man sie auf die verbale Kategorie des Tem¬

pus im Hindi und Urdu, folgende Voraussetzungen für ihre formale

und semantische Bestimmung:

1. Es müssen die diese Kategorie konstituierenden und repräsentierenden

Glieder, d.h. die einzelnen Tempusgrammeme, ermittelt werden und

2. zugleich müssen durch die semantische Analyse dieser Einzelgram-

meme die durch sie wiedergegebenen Seme, die das Seminventar der

Tempuskategorie bilden, eruiert werden.

Für die Ermittlung der Tempusgrammeme ist zunächst die Tatsache

zu berücksichtigen, daß das Hindi und Urdu 1. auch die Aspektkategorie

besitzen und 2. auch über spezielle, (fast) merkmalhaft aktuelle Tem¬

pusgrammeme verfügen. Die Hervorhebung dieser Erscheinungen des

Verbsystems ist nicht nur auf Grund ihrer Existenz als solcher und

wegen ihrer Relevanz für den Inhalt und Umfang der Tempuskategorie

wesentlich, sondem auch deshalb, da in diesem Bereich beträchthche

Abweichungen, Widersprüche und z.T. auch Unzulänglichkeiten der

bisherigen Erforschung dieser Sprachen bestehen.

Die Aspektkategorie ist durch die Trichotomie von (a) merkmalhaft

perfektiven Grammemen in Gestalt modifizierender Verbalausdrücke

(mVA) vom Typ ä jänä, khä lenä, kah denä, kho baithnä u.ä., von (b)

insgesamt aspektuell neutralen bzw. merkmallosen unmodifizierten

Verben (u. m. V) und (c) durch merkmalhaft nicht-perfektive Gram¬

meme vertreten, wobei letztere zugleich als merkmalhaft prozessuale

und (fast) merkmalhaft aktuelle charakterisiert sind.

Mit Ausnahme der unter (c) genannten Grammeme wie z.B. das

(4)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 493

aktuelle Präsens vah ä rahä hai, das aktuelle Imperfekt vah ä rahä thä,

das aktuelle Futur vah ä rahä hogä und die sog. habituell-aktuellen

Tempusgrammeme wie z.B. das habituell-aktuelle Präsens vah ä rahä

hotä hai sind alle anderen Tempusgrammeme formal, d.h. hinsichthch

ihrer Morphemstruktur, durch die Aspektdifferenzierung binär ge¬

ghedert: in das Präsens eines u.m. V (vah ätä hai) und in das Präsens

eines mVA (z.B. vah ä jätä hai), in das Imperfekt eines u.m. V (vah ätä

thä) und in das Imperfekt eines mVA (z.B. vah ä jätä thä) usw. Es gibt

also in concreto kein Präsens als solches, ebenso kein Imperfekt, Prä¬

teritum, Futur I usw., sondern jeweils das eines u. m.V und das eines

mVA. Diese formale, durch die Aspektkategorie bewirkte Zweiteilung

dieser Tempusgrammeme hat auch ihre semantischen Konsequenzen in

der Weise, daß z.B. die merkmalhaft (abgekürzt: mh) perfektiven

Tempusgrammeme in der Form eines mVA a) bestimmte Seme der

Tempuskategorie von vornherein nicht wiedergeben können oder b)

diese nur modifiziert ausdrücken oder c) dm-ch die Verbindung perfek¬

tiver Aspektseme mit bestimmten temporalen Semen neue Seme ,, er¬

zeugen" können, wie wir noch an anderer Stelle darlegen werden.

2.2. Aus dem vorigen geht für die Erfassung der Tempusgrammeme

als Konstituenten der Tempuskategorie hervor, daß diese sich in vier

große Komplexe gliedern lassen, und zwar:

1. in die Tempusgrammeme in der Form eines u. m. V,

2. in die Tempusgrammeme in der Form eines mVA,

3. in die aktuellen Tempusgrammeme und

4. in die sog. habituellen Tempusgrammeme.

Zu letzteren rechnen wir, was wir nur kurz angedeutet hatten, alle

jene Grammeme, in denen das Hilfsverb honä ,,sein; werden..." als

eine ihrer formalen Komponenten nicht in der Form Ituij thä} hogäj

hotäj, sondern in der Form hotä haij hotä thäj hotä hogä} auftritt. Eine

etwas ausführhchere Behandlung dieser Grammeme werden wir später

vornehmen. Unter Berücksichtigung der bisher genannten Komplexe

sowie der Unterscheidung, ob es sich (a) um synthetische (das Futur

I), (b) einfache Formen (das Präteritum) oder (c) um analytische For¬

men (Partizip I oder II eines Vollverbs -f Hilfsverb honä) handelt,

gehören zur Tempuskategorie des modernen Hindi und Urdu folgende

Grammeme, die wir in Form einer tabellarischen Übersicht anführen

wollen, wobei wir ihre primäre Zeitstufenzugehörigkeit als Klassifika¬

tionsprinzip wählen:

a) Tempusgrammeme der Gegenwart bzw. Präsensgrammeme :

1. das Präsens eines u. m. V: vah ätä hai

2. das Präsens eines mVA : vah ä jätä hai

(5)

3. das aktuelle Präsens : 4. das habituelle Präsens : 5. das habituell-aktuelle Präsens:

vah ä rahä hai vah ätä hotä hai vah ä rahä hotä hai

h) Tempusgrammeme der Vergangenheit :

6. das Imperfekt eines u. m. V:

7. das Imperfekt eines mVA:

8. das aktuelle Imperfekt :

9. das habituelle Imperfekt:

10. das habituell-aktueUe Imperfekt :

11. das Präteritum eines u. m. V:

12. das Präteritum eines mVA:

13. das Perfekt eines u. m. V:

14. das Perfekt eines mVA :

15. das habituelle Perfekt eines u. m. V :

16. das habituelle Perfekt eines mVA:

17. das Plusquamperfekt eines u. m .V:

18. das Plusquamperfekt eines mVA:

19. das habituelle Plusquamperfekt eines u. m. V :

20. das habituelle Plusquamperfekt eines mV A :

21. der Habitual I eines u. m. V:

22. der Habitual I eines mVA:

23. der Habitual II eines u. m. V:

24. der Habitual II eines mVA:

25. der aktuelle Habitual :

26. der Habitual III eines u. m. V:

27. der Habitual III eines mVA:

vah ätä thä vah ä jätä thä vah ä rahä thä vah ätä hotä thä

vah ä rahä hotä thä

vah äyä vah ä gayä

vah äyä hai

vah ä gayä hai

vah äyä hotä hai

vah ä gayä hotä hai

vah äyä thä

vah ä gayä thä

vah äyä hotä thä

vah ä gayä hotä thä vah ätä

vah ä jätä vah ätä hotä vah ä jätä hotä vah ä rahä hotä vah äyä hotä vah ä gayä hotä

c) Tempusgrammeme der Zukunft bzw. Futurgrammeme:

28. das Futur I eines u. ra. V:

29. das Futur I eines mVA :

30. das Futur II eines u. m. V :

31. das Futur II eines mVA:

32. das aktuelle Futur:

33. das habituelle Futur II eines u. m. V :

34. das habituelle Futur II eines mVA :

35. das habituell-aktuelle Futur:

36. das Futur III eines u. m. V :

37. das Futur III eines mVA:

vah äegä vah ä jäegä vah ätä hogä vah ä jätä hogä vah ä rahä hogä

vah ätä hotä hogä vah ä jätä hotä hogä

vah ä rahä hotä hogä

vah äyä hogä

vah ä gayä hogä

(6)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 495 38. das habituelle Futur III eines

u. m. V: vah äyä hotä hogä

39. das habituelle Futur III eines raVA : vah ä gayä hotä hogä

2.3. Das Hindi und Urdu verfügen also im Rahmen des Indikativs

über die äußerst hohe Zahl von 39 Tempus-plus-Aspekt-Grammemen,

und zwar (a) 5 Präsens-, (b) 22 Vergangenheits- und (c) 12 Futurgram¬

memen. Diese von uns hier vorgenommene Aussonderung und Klassi¬

fikation von 39 Grammemen stellt insgesamt ein Novum dar, weshalb

wir kurz einige Gründe für ihre Berechtigung nennen wollen.

2.3.1. Hinsichtlich der Zugehörigkeit der angeführten Grammeme in

der Form eines u. m. V zur Tempuskategorie bestehen in der Hindi-

und Urdu-Linguistik die geringsten Bedenken. Dennoch gibt es auch

hier z.T. unterschiedhche Auffasungen und Interpretationsverfahren.

Diese betreffen im wesenthchen zwei Komplexe :

a) die Frage der Zugehörigkeit dieser Grammeme zur Aspektkategorie

und

b) die z.T. sehr heterogene Behandlung der Futurgrammeme.

2.3.1.1. Vor dem Erscheinen der grundlegenden Monographie V. Po-

EfzKAs zur Aspektkategorie im Hindi* wurde, wenn überhaupt, die

aspektuelle Polarität bzw. Opposition der verbalen Grammeme in der

Gegenüberstellung zwischen den vom „imperfektiven" Partizip (bzw.

Partizip Präsens oder Partizip I) gebildeten Grammemen und denen

vom „perfektiven" Partizip (bzw. Partizip Präteritum oder Partizip

II) gebildeten gesehen. Diese Differenzierung wird z.T. auch heute

noch, obwohl PoäIzka die Unhaltbarkeit dieser Konzeption überzeu¬

gend nachgewiesen hat, beibehalten, vor allem auch in der sowjetischen

Indologie^. Die Tempusgrammeme in der Form eines u.m. V sind —

' V. PoÄizKA: On the Perfective Verbal Aspect in Hindi, Some features

of parallelism between New Indo-Aryan and Slavonic languages. In: ArOr

1/35 (1967), S. 64—88; 11/35 (1967), S.208— 231; III/36 (1968), S. 233

bis 251; IV/37 (1969), S. 19—47 und V/37 (1969), S. 345—364. — Im fol¬

genden abgekürzt : PoäIzkaI.

* Zu PoÄlzKAs Argumentation vgl. u. a. PoMzka\ IV, S. 37ff. — So

spricht z.B. G.A.Zogbaf in seiner Monographie Morfologiöeskij stroj novych

indoarijskich jazykov. Moskau 1976, nieht nur mit Bezug auf das Hindi und

Urdu, sondern auch auf andere nouindoarisohe Sprachen von einem „pri-

öastije nesoveriennogo vida" und einem „pri6astije soveriennogo vida", S.

214f., womit er einmal ein Partizip I wie ätä (im Hindi und Urdu), zum

anderen ein Partizip II wie äyä meint. — In Wirklichkeit sind, wie PobIzka

nachgewiesen hat, die Partizipien I und II in der Form eines u. m. V (z.B.

ätä — äyä) aspektuell insgesamt merkmallos, die Partizipien I und II in

der Form eines mVA (z. B. ä jätä — ä gayä) dagegen mh perfektiv. — Vgl.

hierzu auch die Beispiele, die PoeIzka zu dieser Thematik in HindStina/

Hindi Language Course. I. 2. Aufl. Praha 1972, S. 651—653, anführt.

(7)

global gesprochen — m aspektueller Hhisicht. nicht markiert, ebenso

wie alle anderen Grammeme und infiniten Verbfijrmen, darunter auch

die Partizipien, in der Form eines u. m. V.

2.3.1.2. Die Futurgrammeme wurden früher nicht und werden auch

heute noch oftmals nicht aspektuell differenziert. Doch über diese Pro¬

blematik hinausgehend bestehen beträchtliche Divergenzen betreffs der

temporalen und modalen Charakteristik der aspektuell undifferenziert

behandelten Grammeme des Futur I, des Futur II und des Futur III.

Im wesenthchen lassen sich drei Auffassungen unterscheiden:

1. Die Behandlung aller drei Grammeme als Futura, d.h. als Tempus¬

formen der Zukunft und Gheder des Indikativs,

2. Die Klassifikation des Futur I als eines Futurgrammems, die des in

unserer Terminologie Futur II und Futur III nicht als Futura, son¬

dern als ,, Präsumtive Gegenwart" bzw. als „Präsumtive Vergangen¬

heit" und

3. Die vom österreichischen Indologen S. Lienhabd vorgenommene In¬

terpretation aller Futurgrammeme als Glieder eines Modus sui ge¬

neris, d.h. als eines ,, Futur-Modus"*.

Im Rahmen dieses Beitrages können wir keine detaillierte Analyse der

Futurgrammeme vornehmen, sondern werden im folgenden nur einige

grundlegende Fragen behandeln. Partiell sind wir auf diese Problematik

bereits in einigen früheren Publikationen eingegangen^. Wie die Unter¬

suchung eines umfangreichen Belegmaterials ergibt, sind alle genannten

Grammeme primärfunktional bzw. in ihren Primärbedeutungen tat¬

sächlich Futura, d.h. Tempora der Zukunft, und gehören dem Modus

des Indikativs an insofern, als sie zukünftige und objektiv reale bzw.

vom Sprecher als Urheber der Modalität als reale eingeschätzte Ge¬

schehen bezeichnen. Ihre häufige Verwendung zur Bezeichnung mh

präsumtiver Geschehen in der Gegenwart und Vergangenheit basiert

auf Zeitstufentranspositionen, che durch die entsprechende Semantik

* Siehe S. Lienhard : Tempusgehrauch und Aktionsartenbildung in der

modernen Hindi. Stockholm 1961. (Acta Universitatis Stockholmiensis,

Stockhobn Oriental Series.) I. u.a. S. 193 u. 206.

* Siehe z.B. H. Nespital: Einige Bemerkungen zum Futur im modernen

Hindi. In: Neue Indienkunde-New Indology. Festschrift Walter Ruhen zum

70. Geburtstag. Berlin 1970. (Deutsche Akademie der Wissenschaften. In¬

stitut für Orientforschung. Veröfienthohung. 72.), S. 369—394 und H. Nes¬

pital: Zur syntaktischen Verwendung der Verbalaspekte im Hindi und Urdu

(uniersucht am Beispiel temporaler Satzgefüge mit einmaligem Zeitbezug). In:

Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsfor¬

schung 28 (1975), S. 398—431.

(8)

Seminventars der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 497

des Kontextes bzw. der Sprechsituation als obligatorischem Faktor er¬

zeugt wird unter gleichzeitiger Neutrahsation des temporalen Primär¬

sems dieser Grammeme, nämlich des Sems ,, zukünftig" bzw. ,,A nach S".

2.3.2. Über die Notwendigkeit der aspektuellen Differenzierung und

der Einbeziehung der Tempusgrammeme in der Form eines mVA in

das Tempussystem des Hindi und Urdu haben wir bereits gesprochen.

2.3.3. Auch die Bewertung des grammatischen Status der aktuellen

Tempusgrammeme vom Typ vah ä rahä hai usw. und ihre Einordnung

in das finite Verbsystem erfolgt in der Hindi- und Urdu-Lingihstik recht

unterschiedlich. V. PoMzka hat als erster diese Grammeme bzw. —

allgemeiner formuhert — verbalen Syntagmen als merkmalhaft aktuelle

Formen beschrieben*, vorausgesetzt, daß das Verb rahnä in der Form

rahä in ihnen völhg grammatikalisiert ist'. Doch behandelt er nur das

aktuelle Präsens näher und geht nicht, zumindest nicht expressis ver¬

bis, so weit, auch alle anderen, analog gebildeten Grammeme der an¬

deren Zeitstufen als aktuelle Tempusgrammeme anzusehen und sie

dementsprechend ins Tempussystem einzubeziehen. Auch zahlreiche an¬

dere Forscher, u.a. S. Lienhard, sprechen von einem aktuellen Präsens

und aktuellen Imperfekt*. In der sowjetischen Indologie ist die Cha¬

rakterisierung dieser Grammeme als „formy frodolzennogo vida" ver¬

breitet®. Problematisch ist hierbei der Terminus ,,prodolzennyj vid", zu deutsch: ,, fortgesetzter bzw. kontinuativer Aspekt" oder ,, Aspekt der

Kontinuität". Diese Grammeme bezeichnen weder 1. primär die Fort¬

setzimg eines Geschehens, noch 2. stellt diese einen besonderen Aspekt

dar, sondern zumeist eine besondere Aktionsart, und zwar Phasen¬

aktionsart. Das Adjektiv „prodolzennyj" kann auch ,, anhaltend, dau¬

ernd" bedeuten, so daß „prodolzennyj vid" soviel wie ,, durativer As¬

pekt" bedeuten würde. Doch auch einen solchen Aspekt gibt es nicht:

stattdessen gibt es hn Hindi und Urdu — vergleichbar mit den sla¬

wischen Sprachen — nur einen perfektiven Aspekt und als Gegenghed

einen nicht-perfektiven Aspekt, semantisch formuhert: die Differen¬

zierung zwischen der ,, Darstellung eines verbalen Geschehens als ge¬

schlossenem, ganzheithchem Komplex" und weiteren perfektiven As¬

pektsemen und der ,, Darstellung eines verbalen Geschehens als as-

" Siehe z.B. V. PoftizKA: On Some Verbal Expressions in Hindi. In:

Orientalia Pragensia (1970), S. 70ff. — Im folgenden abgekürzt: PoÄizKA^.

' Ebd. S. 70—77.

* Siehe Lienhabd a. a. O. S. 53—58 u. S. 79—92.

'Vgl. z.B. 1. S. K. GoBODNiKOVA, L. B. KiBiKKäTiS: Uöebnik Jazyka

Urdu. Öast 1. Moskva 1969, S. 127—129. — 2. Z. DymSic: Jazyk Urdu.

Moskva 1962, S. 79.

(9)

pektuell-aktional nicht-geschlossenes, offenes, entfaltetes". Die zur Dis¬

kussion stehenden Grammeme sind nun mh nicht-perfektiv. Die ,, Du¬

ration eines Geschehens" können sowohl a) die Grammeme in der Form

eines u. m. V, b) in der eines mVA und c) die mh nicht-perfektiven

und aktuellen Grammeme bezeichnen. Ferner ist die Duration oftmals

durch 1. den allgemeinen Verbalcharakter des betreffenden Verbs, d.h.,

daß es sich um ein „duratives Verb" handelt (z.B. jinä „leben", sonä

„schlafen" u.a.), 2. durch eine besondere, „durative Aktionsart" ge¬

geben (als solche fungiert primär das Syntagma -tä + rahnä) imd 3.

wird sie explizit durch Elemente des Kontextes, d.h. Temporalbestim¬

mungen der Dauer, indiziert. — Zustimmen kann man den sowjeti¬

schen Indologen, so u.a. Z.M. Dym§ic, jedoch in folgendem: 1. In der

semantischen Bestimmung, daß sie — z.B. das — in unserer Termino¬

logie — aktuelle Imperfekt wie vah ä rahä thä ein Geschehen bezeich¬

nen, protekajus6ij „v kakoj — to moment v proSlom"^" und 2. darin, daß sie

diese Syntagmen nicht auf die Gegenwart hmitieren, sondem auch auf

die anderen Zeitstufen imd alle Modi außer dem Imperativ beziehen. In

der Tat sind diese Grammeme nicht nur mh nicht-perfektiv, sondem

geben mh die Seme der Tempuskategorie: 1. „Nicht-Abschluß des

Geschehens" und 2. „Darstellung des Geschehens im Verlauf seiner

Reahsiemng" sowie fast mh das Sem 3. ,, Darstellung des Geschehens

als aktuelles" wieder. Den Begriff „aktuell" beziehen wir sensu stricto

auf solche Geschehen, die, auf den grundlegenden Fall, nämlich die

Sprechergegenwart (S), bezogen, auf die Frage antworten: „Was macht

er gerade /jetzt/1" Es handelt sich also um Geschehen, die während der

Zeit von S, und zwar kommunikativ vordergründig nur während dieser

(und nicht vor und während dieser und auch nicht vor, während und

noch nach dieser) stattfinden. Als solche setzen sie das Sem ,, Nicht¬

Abschluß" voraus. Ferner verbinden sie sich äußerst häufig mit dem

Sem „Darstellung des Geschehens im Verlauf seiner Realisierung". Die¬

ses setzt seinerseits ein weiteres Sem, nämlich die ,, (implizite) Dura¬

tion der Aktzeit (A)" voraus. Dennoch können auch Geschehen, deren

Aktzeit von einer punktuellen Dimension ist, gerade stattfinden, d.h.

aktuelle sein. Das spezifische Sem der Grammeme vom Typ vah ä rahä

hai ist also das Sem ,, aktuell". Hierauf basiert ihre Bezeichnung als

,, aktuelle Tempusgrammeme". Auch wenn der Bezug auf S der ein¬

deutigste und der grundlegende Fall für die „Aktuahtät" ist, so kann

diese auch mit Bezug auf andere Zeitstufen vorhegen: wenn nämlich

ein Geschehen während eines bestimmten Lokahsierungspunktes seiner

Aktzeit in der Vergangenheit gerade stattfand bzw. in der Zukunft ge-

" DvMäic a.a.O. S. 79.

(10)

Seminventax der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 499

rade stattfinden wird. Diese inhaltUche Analogie ist besonders greifbar,

wenn sie — wie das u.a. im Hindi und Urdu der Fall ist — durch be¬

sondere Grammeme formal bezeichnet wird. Aus diesen Gründen ist

es also u.E. durchaus berechtigt, auch von einem „aktuellen Imperfekt", von einem ,, aktuellen Habitual", von einem ,, aktueUen Futur" usw. zu sprechen.

Nicht ganz folgen können wir in diesem Zusammenhang der Inter¬

pretation V. PofifzKAs, der diese Ausdrücke, bezogen auf das ,,aktueUe

Präsens", als merkmalhaft aktuelle ansieht. ,, Merkmalhaft" bedeutet,

daß ein Grammem (bzw. eine grammatische Form) ein bestimmtes Sem

(oder mehrere Seme) in markierter Weise bzw. als ein ihm inhärentes

Element, d.h. also stets, wiedergibt. Nun sind zwar die Grammeme wie

vah ä rahä hai in bezug auf die Wiedergabe des Sems ,, aktuell" mar¬

kierter als z.B. das Präsens eines u. m. V wie vah ätä hai, das in dieser

Hinsicht neutral ( graphisch ausgedrückt : I ist, dennoch bezeichnen

sie nicht nur bzw. in nicht jedem Falle aktuelle Geschehen, sondem

können auch Geschehen wiedergeben, die (a) schon vor der Zeit von S

begonnen haben und in S noch stattfinden, (b) solche, die während

einer größeren Zeitspanne in der Gegenwart unter Einschluß der Zeit

von S stattfinden, ferner (c) auch wiederholte, (d) gewohnheitsmäßige

und (e) auch — durch Zeitstufentransposition bewirkt — zukünftige

Geschehen, die nicht (unbedingt) aktuelle, zukünftige sindhi. Sie sind

also nicht merkmalhaft, sondern fast merkmalhaft I graphisch bezeichnet :

aktuelle oder haben, von der Wertigkeit der Einzel bedeutung aus

geurteilt, die Bezeichnung aktueller Geschehen als ihre Haupt- bzw.

Primärbedeutung.

2.3.4. Axif die — aUgemein gesprochen •— verbalen Ausdrücke vom

Typ vah ä rahä hotä hai, vah äyä hotä hai, vah ä gayä hotä hai usw.,

die z.B. in der modernen Hindi-Prosahteratur sowie in der mündhchen

Variante der Hindi- und Urdu-Literatursprache recht häufig verwendet

werden, fehlt in der grammatischen Literatur zumeist jeder Hinweis.

Etwas ausführhcher haben diese Ausdrücke, wenn auch nur einzelne

von ihnen, V. M. Beskkovnyj und V. PoäIzka behandelt^*. Jedoch

" Zu den verschiedenen Bedeutungen des aktuellen Präsens siehe auch

PoÄfzKAä, S. 70—73.

"Siehe PoÄfzxA^, S. 74—75 imd V. M. Beskbovnyj : 0 soöetanijach

glagolnych oanov chindi s rahnä. Leningrad 1960. (Uöennyje zapiski Lenin¬

gradskogo universiteta. 279.) (Serija vostokovedöeskich nauk. Vypusk 9:

Istorija i Filologija Indii.), S. 81—103.

(11)

gehen sie nicht nur in der Bewertung des grammatischen Status dieser

Ausdrücke auseinander, sondern erörtern auch nicht die Frage, ob es

sich hierbei 1. um Tempusgrammeme handelt, und 2. wenn ja, ob diese

in das Tempussystem des Hindi und Urdu einzubeziehen sind. Aus

einer Reihe von Gründen sind wir der Ansicht, daß sie in der Tat be¬

sondere Tempusgrammeme und als solche Gheder des Tempussystems

darstellen. Zu diesen Gründen gehören:

1. Der gesamte „verbale Ausdruck" ist formal, d.h. hinsichthch seiner

Morphemstruktur ein einheitliches Grammem, in dem das Verb honä

in der Form hotä hai, hotä thä und hotä hogä nicht als Kopula, son¬

dem als (grammatikalisiertes) Hilfsverb fungiert^^.

2. Alle diese Grammeme drücken mh das temporale Sem ,, zeitliche

Nicht-Lokahsierbaikeit bzw. wiederholter Bezug des Geschehens auf

die Zeitachse" aus; diese kann im einzelnen, d.h. im Rahmen eines

Einzelsemems, (a) als ,, habituell bzw. usuell" (daher die Bezeichnung ,, habituelle" Grammeme) oder (b) als (zumeist) ,, regelmäßig wieder¬

holt" reahsiert werden.

3. Hinsichtlich der Wiedergabe eben dieses Sems ,, zeithche Nicht-Loka-

lisierbarkeit des Geschehens" steht jedes dieser habituellen Gram¬

meme in einer binären und graduellen Opposition zu seinem ,,Part-

nergrammem", in dem das Hilfsverb in der Form hai {thäjhogä)

auftritt, und zwar in der Weise, daß ersteres dieses Sem merkmal¬

haft: + , letzteres dieses Sem jedoch nur in neutraler oder gar

hmitierter Weise wiedergibt, d.h. mit notwendiger Unterstützung

durch kontextuelle Mittel (graphisch bezeichnet:

" Darüber hinaus können hotä hai, hotä thä etc. auch als Kopula fun¬

gieren, und zwar mit dem — in diesem Falle — prädikativ gebrauchten

Partizip II des betreffenden Vollverbs, zumal wenn dieses durch huä er¬

weitert ist. PoRfzKAs Ausführungen haben ihre Gültigkeit für eben diese

Fälle. Diese Verbindungen fungieren im Satz als nominales Prädikat und

bezeichnen statische Zustände, die zugleich als merkmalhaft iterierte bzw.

habituelle gekennzeichnet sind. Dazu ein Beispiel:

Der se khäne par to aur bhi acchä lagtä hai, bhükli barhi hui hoti liai. (Agy.,

4,13) / Wenn ich mit Verspätung esse, so gefällt mir das noch mehr, denn

dann ist der Hunger stets größer (wörtl. 'ist stets angewachsen').

Etwas ausführlicher haben wir die Problematik dieser habituellen Tem¬

pusgrammeme und der — selteneren — habituellen statischen Zustandsbe-

zeichnungen in zwei anderen Arbeiten behandelt: 1. in unserer Habilita¬

tionsschrift (vgl. hierzu Anm. 17 im folgenden) und 2. im Aufsatz Zur

sprachlichen Wiedergabe, Semantik und Differenzierung von Zuständen ala

Inhaltsvariante des prädikativen Merkmals — primär dargelegt anhand des

Neuindoarischen und des Deutschen. — Dieser Aufsatz erscheint demnächst.

(12)

Seminventar der Tempuslcategorie im Hindi und Urdu 501

Dieses wollen wir an zwei Textbeispielen verdeutlichen:

1. Jab-jab jätä hü'', apne cabütre par tahal rahä hotä hai aur ... bä¬

däm ki girlyä" .. . khä rahä hotä hai. (Patriyä", 13) / Jedesmal

wemi ich (zu ihm) gehe, geht er / gerade/ auf der Terrasse seines

Hauses spazieren und ... ißt /gerade/ Mandelkerne.

2. .. .jab dekho, vah. .. kuch parh rahä hai. (Bij, 57) / ... wann

immer man ihn sieht (,,du ihn sehen magst"), liest er /gerade/

etwas.

Während im Beispiel (2) die Semantik des Kontextes, d.h. des

Temporalsatzes jab dekho, hier einzig und allein auf den wieder¬

holten Bezug des aktuellen Präsens parh rahä hai auf die Zeitachse

hinweist und deshalb ein notwendiges Element zur Bezeichnung

dieses Sems ist, wird dieses im Beispiel (1) durch die Grammeme

tahal rahä hotä hai und khä rahä hotä hai selbst ausgedrückt. Der

Kontext, d.h. der temporale Vordersatz jab-jab jätä hü^, hat

ledighch eine unterstützende bzw. korrespondierende Funktion.

4. Hinsichthch der Wiedergabe der weiteren, vor allem der dominierenden

und distinktiven, Seme der Tempuskategorie (und auch der Aspekt¬

kategorie) stimmen die jeweihgen „Partnergrammeme" überein: so

z.B. das angeführte aktuelle Präsens betreffs der Wiedergabe der Seme

,, Nicht-Abschluß des Geschehens", ,, Darstellung des Geschehens in

seinem Verlauf", ,, aktuell", ,,A = S" und einiger weiterer.

6. Aus den unter 2.—4. genannten Gründen bzw. Kriterien geht hervor,

daß diese habituellen Grammeme selbst — so wie die anderen Tem¬

pusgrammeme — die für sie relevanten Seme der Tempuskategorie

(und der Aspektkategorie) wiedergeben. Allein diese Gründe in ihrer

Gesamtheit rechtfertigen es, die habituellen Grammeme ebenfalls als

Gheder —• wenn auch spezifischen Charakters — in das Tempus¬

system des Hindi und Urdu zu inkludieren.

3.1. Das semantische Inventar der Kategorie Tempus im Hindi und

Urdu ist also die Gesamtzahl der temporalen und aktionalen Seme,

die von den im vorigen angeführten 39 Grammemen in ihrer Gesamtheit

wiedergegeben werden. In diesem Zusammenhang erweist es sich als

erforderlich, den Begriff ,,Sem eines Grammems" zu bestimmen. Unter

einem Sem von Grammemen verstehen wir ein minimales, diffe¬

renzierendes (distinktives) und konstitutives Bedeutungselement, mit

Bezug auf dessen Wiedergabe sich wenigstens zwei oppositionelle Glieder

(Grammeme) einer bestimmten grammatischen Kategorie voneinander

unterscheiden.

3.2. Die zu einer bestimmten ifategorie gehörenden Seme werden

von Grammemen dieser Kategorie nun jedoch nicht abstrakt, nicht

86 ZDMGISO/S

(13)

isoliert, sondern konkret und in bestimmten Kombinationen im Kom¬

munikationsakt wiedergegeben. Ferner treten das betreffende Gram¬

mem und die von ihm bezeichneten kategorialen Seme in der sprach¬

hchen Äußerung in Verbindung mit einem bestimmten Kontext und i

dessen Semantik auf. So wie ein Grammem simultan nicht alle kate¬

gorialen Seme ausdrücken kann, so sind auch andererseits die Elemente

des Kontextes und ihre Semantik unterschiedhch. Mit anderen Wor¬

ten : sowohl das Grammem als auch der Kontext sind potentiell polysem.

Hinzu kommt noch, daß auf der Ebene der parole multiple Kombina¬

tionen von Semen aller zum Verbsystem der betrefFenden Sprache ge- I

hörenden Kategorien (Tempus, Modus, Aspekt, Person, Numerus, Genus

verbi) realisiert werden, so daß auch in dieser Hinsicht eine Polysemie ;

vorhegt. Schheßhch können auch solche verbsemantischen Faktoren j

wie der allgemeinen Verbalcharakter, die Aktionsarten, die Charakte- '

risierung als Handlungs-, Vorgangs- oder Zustandsverb an der Er- ;

Zeugung bestimmter Bedeutungen eines Grammems auf der Ebene der

parole, d.h. emes Semems, beteiligt sein. Ein Semem eines Gram¬

mems ist also ein syntagmatisch-semantischer Komplex, der folgende

Kon- stituenten und ihre Semantik umfaßt:

a) in erster Linie das betreffende Grammem selbst und eine bestimmte

Anzahl von Semen aller Kategorien, wobei für die Tempusgrammeme

besonders die Seme der Tempuskategorie relevant sind,

b) in der Regel ein Sem (mitunter auch mehrere Seme) des Kontextes I

bzw. der Sprechsituation,

c) die Semantik der im Grammem verwendeten Verben. |

Mit Hinbhck auf die Tempusgrammeme des Hindi und Urdu xmd die

für sie drei piimären Kategorien des Tempus, des Aspekts und des

Modus erweist sich eine etwas andere Gliederung dieser Konstituenten

als sinnvoller:

a) die betreffenden Seme dieser drei Kategorien,

b) der Kontext bzw. die Sprechsituation und seine/ihre Seme,

c) die sogenannten formgebundenen Kriterien und ihre Seme bzw.

Semantik, wobei zu diesen alle weiteren verbalen Kategorien und

alle relevanten verbsemantischen Faktoren gerechnet werden. j

Wesenthch ist zur Bestimmung eines Semems von Grammemen noch

folgendes: selbst ein Semem bzw. eine konkrete Einzelbedeutung eines

Grammems hat einen standardisierten, abstrakten und invarianten Cha¬

rakter, d.h., es stellt eine semantische Durchschnittsgröße dar. Damit

ist gemeint, daß es nicht an einen einzigen, individuellen Sprechakt

mit einem ganz bestimmten Verbum in dem betreffenden Grammem

(14)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 503

und an einen einzigen, konkreten Kontext und dessen individuelle Se¬

mantik gebunden ist, sondem das Gemeinsame, Allgemeine imd In¬

variante dieser gleichartigen singulären Äußerangen bzw. konkreten

Kommunikationsakte in sich vereint. Hinzu kommt, daß die katego¬

rialen Seme, die in das Semem eingehen, ohnehin allgemeine, invariante

Bedeutungselemente darstellen. Auf der Grandlage dieser schrittweise

behandelten Charakteristika eines Semems von Grammemen läßt sich

ein solches etwa wie folgt definieren: ein Semem von Gram memen

ist ein invarianter sjmtagmatisch-semantischer Komplex zu seiner Er¬

zeugung notwendiger Konstituenten mit einem Grammem als zentralem

Element und einem durch diese in ihrer Verbindung bezeichneten In¬

ventar an Semen, wobei sich dieser Komplex zunündest hinsichtlich

der Wiedergabeart eines Sems von (a) aUen anderen Sememen desselben

Grammems unterscheidet und auch (b) von denen der anderen Gram¬

meme derselben Kategorie, wenigstens in ihrer Wertigkeit.

3.3. Hieraus und aus den weiter oben dargelegten Prinzipien und

Verfahren zu Ermittlung des Seminventars einer verbalen Kategorie,

in concreto der Tempuskategorie, ergeben sich folgende weitere

Schritte :

1. Es müssen durch minutiöse Einzelanalysen sämtliche Sememe aUer

Tempusgrammeme herausgefunden werden;

2. Innerhalb der einzehien Sememe gehören nur die Seme der Gram¬

meme zur Tempuskategorie, die:

a) hinsichtlich ihres Inhalts als temporale und aktionale ausgewiesen sind,

b) die nicht ausschheßhch einer anderen als der Tempuskategorie

angehören, sondern entweder und vor allem nur dieser selbst

oder dieser auch, und

c) die nicht ausschheßhch Seme des Kontextes oder der Sprech¬

situation sind;

3. Für die inhalthche Bestimmung eines Sems und seine Abgrenzung

von anderen müssen sowohl (a) alle Sememe ein und desselben Tem¬

pusgrammems, als auch (b) die sämthcher Sememe aller Tempus¬

grammeme untereinander hinsichtlich ihrer Widergabeart in Form

einer Oppositionanalyse miteinander verghchen werden.

3.4. Auf die unter 1. bis 3. genannten Bedingungen werden wir,

wenigstens teilweise, noch später zurückkommen. Daram wollen wir

hier nur kurz einige grundsätzhche Bemerkungen zur Oppositionsana¬

lyse anfügen. In ihrem Kern bezieht »ie sich auf die Art der Wiedergabe

der kategorialen Seme durch die Grammeme einer Kategorie und ghe¬

dert sich in vier Arten von Oppositionen:

36«

(15)

1. äquipollente, 2. kontradiktorische, 3. graduelle und 4. neu¬

tralisierbare.

3.4.1. Um äquipollente bzw. gleichwertige Oppositionen han¬

delt es sich, wenn jedes Oppositions- bzw. Korrelationsglied sein eigenes,

positives und chstinktives semantisches Merkmal (= Sem) besitzt:

so z.B. das Präsens eines u. m. V das temporale Sem „gegenwärtig", das Futur I eines u. m. V das Sem „zukünftig".

3.4.2. Kontradiktorische Oppositionen hegen dann vor, wenn

ein Ghed ein bestimmtes Sem wiedergibt, das andere Glied jedoch

nicht : so gibt das Präsens eines mVA das primäre Sem des perfektiven

Aspekts ,, Darstellung des Geschehens als geschlossenes Ganzes" mh

wieder, das aktuelle Präsens hingegen kann dieses Sem niemals aus¬

drücken.

3.4.3. Graduelle Oppositionen sind solche, bei denen sich die

korreherenden Glieder durch den unterschiedlichen Grad der Wieder¬

gabe eines bestimmten Sems voneinander unterscheiden. Diese Grade

stellen, zumal in dem äußerst formenreichen Tempussystem des Hindi

und Urdu, ein sehr subtil abgestuftes System dar. So gibt z.B. das

aktueUe Futur fast merkmalhaft ^graphisch ausgedrückt : '^Z^

,, aktuell" wieder, das Futur II eines u.m.V ist hierin neutral bzw. merk¬

mallos (~Z~j> Futur I eines u. m. V kann dieses Sem nur mit Bezug

auf das Verb „honä", nur in dessen Bedeutung „sein" und nur bei not¬

wendiger Unterstützung durch die Semantik des Kontextes bezeichnen,

was sich graphisch mit dem Symbol: (—) darstellen heße. Das Futur I

eines mVA und das Futur II eines mVA dagegen können dieses Sem

niemals wiedergeben, graphisch ausgedrückt: —.

3.4.4. Neutralisierbare Oppositionen stellen solche dar, bei

denen ein Ghed ein bestimmtes Sem wiedergibt, das KorrelationsgUed

jedoch ursprünghch nicht und nur durch die obhgatorische Semantik des

Kontextes unter Neutrahsation seines eigenen entsprechenden Pri¬

märsems dazu befähigt wird. Dieser Fall hegt in der Regel bei der

transponierten Verwendung von Grammemen vor. Er betrifft z.B. die

Aufhebung der ursprünghchen Opposition ,, gegenwärtig" : ,, zukünftig"

im Verhältnis des aktuellen Präsens zum aktuellen Futur durch die

Transposition des letzteren in die Zeitstufe der Gegenwart.

Auf der Grundlage der bisher dargelegten theoretischen und metho¬

dischen Prinzipien wollen wir im folgenden das Seminventar der Tem¬

puskategorie im Hindi und Urdu in Form eines Katalogs anführen.

(16)

Seminventar der Tempuslcategorie im Hindi und Urdu 505

Danach werden wir in vertretbarem Umfange die inhalthche Charak¬

teristik der einzelnen Seme und ihre Wiedergabe durch bestimmte

Tempusgrammeme, z.T. auch an Hand texthcher Belege illustriert, be¬

handeln.

4. Das Seminventar der Tempuskategorie im Hindi und Urdu

1. Hinsichtlich der grundlegenden Relation Aktzeit (A) des Geschehens:

Sprechmoment (S) lassen sich folgende Seme unterscheiden:

1.1. gegenwärtig (A ist — völlig oder wenigstens

partiell — gleichzeitig zu S),

1.2. vergangen (A liegt vor S),

1.3. zukünftig (A liegt nach S),

1.4. omnitemporal (die Aktzeit bezieht sich insgesamt auf alle

drei Zeitstufen);

2. Hinsichtlich der Relation der Aktzeit eines Geschehens zu seinem

zeithchen Referenzpunkt (= R/Temp) lassen sich folgende Seme

unterscheiden :

2.1. A liegt in R/Temp.

2.2. A hegt vor R/Temp,

2.3. A hegt vor R/Temp, reicht jedoch bis an diesen als ihren

Endpunkt heran,

2.4. A hegt vor und in R/Temp,

2.5. A hegt vor, in und noch nach R/Temp,

2.6. A hegt nach R/Temp.

Als R/Temp kommen in Betracht:

a) der Sprechmoment (S),

b) ein zeitlicher Referenzpunkt in der Vergangenheit (=R/Vght),

c) ein zeithcher Referenzpuiikt in der Zukunft (= R/Zuk) ;

3. Die Puiiktuahtät bzw. das punktuelle Ausmaß der Aktzeit:

4. Die zeitliche Dimension bzw. implizite Duration der Aktzeit;

5. Die Aktuahtät des Geschehens;

6. die Nicht-Aktuahtät des Geschehens;

7. Die Distanz der Aktzeit von S;

8. Die Darstellung des Geschehens im Prozeß bzw. Verlauf seiner

Realisierung ;

9. Die Darstellung des Geschehens als nicht-verlaufendes ;

10. Die Darstellung des Geschehens in seinem Abschluß bzw. als abge¬

schlossenes ;

11. Die Darstellung eines Geschehens in seinem Nicht-Abschluß bzw.

als nicht-abgeschlossenes ;

12. Die Darstellung eines Geschehens als aktional nicht näher gekenn¬

zeichneter bloßer Vollzugsfakt;

(17)

13. Die Bezogenheit bzw. Gerichtetheit des Geschehens auf einen seiner '

Aktzeit folgenden R/Temp; dieser R/Temp ist a) = S, b) ein

R/Vght, c) em R/Zuk;

14. Der aktionale Bezug eines Geschehens auf einen folgenden R/Temp

(d.h. S, einen R/Vght oder einen R/Zuk);

15. Die Bezeichnung eines resultierenden Zustandes in einem der Akt- ,

zeit des Geschehens folgenden R/Temp (cheser ist S, ein R/Vght !

oder ein R/Zuk);

16. Die zeitliche Lokalisierbarkeit bzw. der einmalige Bezug des Ge-

schehens auf die Zeitachse ;

17. Die zeitliche Nicht-Lokahsierbarkeit bzw. der wiederholte Bezug

des Geschehens auf die Zeitachse ;

18. Die Einmahgkeit eines Geschehens während einer Zeitspaime;

19. Die Mehrmaligkeit bzw. Wiederholung eines Geschehens während

einer Zeitspanne.

Einige Bemerkungen zum Inhalt dieser Seme und die Art ihrer Wieder¬

gabe durch einzelne Grammeme der Tempuskategorie:

4.1. Zu 1.: Die Relation A : S und die darauf basierende Einordnung

des verbalen Geschehens in eine der drei Zeitstufen ist die grundlegende,

das Wesen der Tempuskategorie bestimmende zeitliche Relation, und

zwar aus folgenden Gründen:

1. weü sie charakteristisch und spezifisch nur für diese Kategorie ist

und nicht für andere verbale Kategorien wie etwa den Aspekt, den

Modus oder das Genus verbi,

2. weil alle Gheder bzw. Grammeme dieser Kategorie ■— in dieser oder

jener Weise — diese Relation wiedergeben müssen,

3. weil sie demzufolge die dominierenden und konstanten Seme dieser

Kategorie umfaßt, und zwar: ,, gegenwärtig", ,, vergangen", ,, zu¬

künftig",

4. weil keine andere Relation und auch kein anderes Einzelsem dieser

Kategorie von allen Grammemen wiedergegeben wird und weim ja,

dann nur mit erhebhchen graduellen Unterschieden,

5. weil — was ihre Verbindung mit dem Indikativ betrifft — diese

Zeitrelation von A : S eindeutig gegenüber den modalen Relationen

und Semen dominiert, die durch die Grammeme des Indikativs aus- i

gedrückt werden, wohingegen die Wiedergabe der entsprechenden |

modalen Seme der anderen drei Modi, des Subjunktivs, Irrealis ^

(Konditional) und des Imperativs, durch die Grammeme dieser Modi

wesentlicher ist als die Bezeichnung der temporalen Relation A : S.

4.1.1. Der grundlegende zeitliche Bezugs- bzw. Orientierungspunkt ist

hierbei S, d.h. die Sprechzeit bzw. der Redemoment, die (a) mi t der ob-

(18)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 507

jektiven Gegenwart zusammenfallen können, die (b) aber auch auf

einem Punkt der Zeitachse lokalisiert sein können, der objektiv der

Vergangenheit oder der Zukunft angehört.

Schwierigkeiten bereitet hinsichtlich der Relation A : S weniger die

Bestimmung dessen, was „vergangen" oder „zukünftig" ist, als die

Abgrenzung des Begriffes „gegenwärtig". ,, Gegenwärtig" sensu stricto

sind Geschehen, die (a) nur zur Zeit von S stattfinden, also aktuelle

sind, und (b) solche, che nicht eindeutig nur der Vergangenheit bzw.

Zukunft angehören. Darüber hinaus gibt es jedoch zahlreiche Arten von

Geschehen, deren Aktzeit 1. während der Zeit von S liegt, darüber

hinaus aber auch Zeitsegmente der Vergangenheit bzw. der Zukunft

oder beider einschheßt, und 2. solche, die wiederholt in der Gegen¬

wart stattfinden und S nur als einen ihrer zeithchen Bezugspunkte

enthalten. Auch solche Geschehen sind als im weiteren Sinne ,, gegen¬

wärtig" anzusehen. Bezeichnenderweise werden alle diese Geschehen im

Hindi und Urdu mit Präsensgrammemen wiedergegeben, während an¬

dere Sprachen hier z.T. andere Tempusgrammeme verwenden'*. Auf

che einzelnen Arten ,, gegenwärtiger" Geschehen kommen wir im Rah¬

men der Behandlung der weiteren Seme der Tempuskategorie noch zu¬

rück.

4.1.2. Unter ,, omnitemporal" verstehen wir den Bezug eines Gram¬

mems auf alle drei Zeitstufen zugleich. Statt ,, omnitemporal" werden

in der Linguistik auch oftmals die Termini ,,atemporar', ,,extratempo-

ral", ,, zeitlos" und ,, panchronisch" verwendet. Wesentlich sind in diesem

Zusammenhang folgende Phänomene:

4.1.2.1. Das Sem „omnitemporal" ist in der Regel von den Semen

„wiederholter Bezug des Geschehens auf die Zeitachse" und „nicht-

aktuell" begleitet. Die ,, Nicht-Aktualität" erklärt sich daraus, daß

ein Geschehen, das sich simultan auf alle drei Zeitstufen bezieht, nicht

während eines bestimmten R/Temp, also während S, eines R/Vght oder

eines R/Zuk, gerade stattfinden kann. Der ,, wiederholte Zeitbezug" hat

seine Ursache darin, daß omnitemporale Geschehen solche sind, die

nicht nur einen Einzelfall betreffen, also konkret sind, sondem auf

'* So vei-wendet z.B. das Englische fiir Geschehen, die schon vor der

Zeit von S stattfanden und noch während der Zeit von S stattfuiden bzw.

andauern, das Present Perfect Progressive ("How long have you been

learning English?") bzw. auch das Simple Perfect ("Since when has he

lived here?"), vgl. z.B. A. Lampbecht: Orammatik der englischen Spraehe.

Berlin 1970, S. 231—235. — Dieselbe Art von Geschehen wird im modernen

Hindi und Urdu dagegen vorwiegend durch das aktuelle Präsens wiederge¬

geben, wie im Beitrag an anderer SteUe n(Jch gezeigt werden wird.

(19)

Grund ihrer oftmahgen, z.T. unendhchen Wiederholung einen verall¬

gemeinerten oder gar allgemeingültigen Charakter haben. Das schheßt

nicht aus, daß ein solcher Sachverhalt mitunter an Hand eines kon¬

kreten Einzelfalles exemphziert werden kann. Dieses kann z.B. bei j

subjektcharakterisierenden Geschehen vorhegen. i

4.1.2.2. Ähnhch wie auch andere Sprachen besitzen das Hindi und

Urdu keine speziellen Grammeme zur Wiedergabe der Omnitempora-

htät, sondern verwenden hierfür bestimmte Tempus-/Aspekt-Grammeme '

der drei Zeitstufen, und zwar in der Weise, daß ihr jeweiliger pri- ,

märer Zeitstufenbezug auf die beiden anderen Zeitstufen ausgedehnt |

wird. -— Besonders häufig werden im Hindi und Urdu das Präsens eines

u. m. V und eines mV A und das Futur I eines u. m. V und eines mVA

zur Wiedergabe des Sems ,, omnitemporal" verwendet. Im einzelnen

kann dieses Sem — in Verbindung mit den Semen ,, wiederholter Zeit¬

bezug" und ,, nicht-aktuell" und weiteren — sowie in Abhängigkeit

von der spezifischen Semantik des Kontextes seinen Ausdruck in drei

Einzelbedeutungen finden :

a) subjektcharakterisierend, b) generell und c) gnomisch.

Dazu einige Beispiele:

Zu a) Lekin cähe is tarah kitnä hi nuksän bardäst kar le'', apne

bahikhäte na dikhäe^ge. Yah inki ädat hai. (Premääram, 181) / Aber

wieviel Schaden er auf chese Art auch ertragen mag, er wird seine

Rechnungsbücher nicht zeigen (er zeigt ... nicht). Das ist seine Ange¬

wohnheit.

Zu b) Akelä canä bhär ?iaÄi" phor saktä. (H. K. K., 4) / (wörtl.):

„eine einzelne Kichererbse kann den Herd nicht zerstören".

Zu c) Jaisä hooge, vaisä kätoge. (HED, 1174) / Wie man säen wird,

so wird man ernten.

4.2. Zu 2.: Neben der grundlegenden Relation A : S ist für die Tem¬

puskategorie und ihre Grammeme eine zweite Relation wesenthch: die

der Aktzeit des von ihnen bezeichneten Geschehens zu ihrem zeithchen

Referenzpunkt (= R/Temp), der zumeist in derselben Zeitstufe loka¬

lisiert ist — ledighch im Falle des Perfekts als eines Vergangenheits¬

tempus ist dieser R/Temp = S, d.h. also ein Punkt einer anderen Zeit¬

stufe, nämlich der Gegenwart — und der zur genaueren zeitUchen Lo¬

kalisierung der Aktzeit dient. Dieser R/Temp, für den in der Linguistik

z.B. auch der Terminus „Betrachtzeit"'^ verwendet wird, ist nur dann

'5 Vgl. z.B. G. Helbig, J.Buscha: Deutsche Orammatik. Ein Handbuch

für den Ausländerunterricht. Leipzig 1972, S. 122ff.

(20)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 509

von vornherein „mitgesetzt", wenn er S ist, andernfalls muß er kon¬

textuell, d.h. durch bestimmte TB, indiziert werden.

Wesenthch ist in diesem Zusammenhang die Beachtung des Um¬

standes, daß diese Relation A : R/Temp bei absolutem Zeitgebrauch

der Tempusgrammeme vorhegt insofern, als:

1. sie gleichzeitig mit der grundlegenden Relation A : S ausgedrückt

wird,

2. die Relation A : S also die primäre zeitliche Orientierung aller Tem¬

pusgrammeme ist,

3. der R/Temp, wie gesagt, von vornherein mitgesetzt ist (im Falle

von R/Temp = S) oder dvu-ch den Kontext, d. h. in der Regel durch

TB, indiziert wird,

4. der R/Temp nicht primär che Aktzeit eines anderen firütcn Ge¬

schehens ist, und

5. die Orientierung auf die Aktzeit eines anderen finiten Geschehens

für ein bestimmtes Geschehen nicht vordergründig relevant ist, d.h.

also kein relativer Zeitgebrauch vorliegt.

Diese Relation A : R/Temp kann, wie aus dem im vorigen tabellarisch

aufgeführten Seminventar hervorgeht, sehr unterschiedlich sein. Ferner

gelten für die Tempusgrammeme betreffs der Wiedergabe dieser Re¬

lation folgende allgemeine Kriterien:

1. Jedes einzelne Grammem gibt diese Relation wenigstens in einer

bestimmten Weise wieder;

2. Einzelne Grammeme können diese Relation jedoch verschiedenartig

wiedergeben, und zwar je nach der Semantik des Kontextes;

3. Die Abhängigkeit der einzelnen Grammeme zur Wiedergabe dieser

Relation bzw. zu mehreren Varianten dieser Relation ist unter¬

schiedlich groß.

Im folgenden wollen wir diese Kriterien in Verbindung mit den ein¬

zelnen Realisierungsarten bzw. Varianten der Relation A : R/Temp und

den jeweils in Betracht kommenden Grammemen kurz erläutern.

4.2.1. Die Relation A = R/Temp wird vor allem von folgenden

Grammemen wiedergegeben :

a) vom Präterium eines u. m. V und eines mVA : diese stellen das Ge¬

schehen als abgeschlossen während eines R/Vght dar; sie benötigen

nicht den Kontext zur Wiedergabe dieser Relation als solcher, ledig¬

lich zur inhaltlichen Bestimmung des R/Vght;

b) vom aktuellen Präsens, vom aktuellen Imperfekt und vom aktu¬

ellen Futur; auf Grund der fast merkmalhaften Wiedergabe des

(21)

Sems „aktuell'" sind sie geradezu prädestiniert, diese Relation zu

bezeichnen, am meisten das aktuelle Präsens, da sehi R/Temp =

S ist, d.h. der stets mitgesetzte grundlegende zeithche Bezugspunkt.

Das aktuelle Imperfekt und das aktuelle Futur hingegen benötigen

che kontextuelle Indikation ihres konkreten R/Vght bzw. R/Zuk.

Gemeinsam ist jedoch allen drei Grammenicn, daß che Kontext¬

semantik die ,, Aktuahtät" und die Relation A = R/Temp zulassen

muß, d.h. andere, möghche Bedeutungen und Realisationen von

A : R/Temp ausschheßt;

c) vom Futur I eines u. m. V imd eines mVA, und zwar ebenfalls bei

minimalem und begünstigendem Kontext.

Einige Beispiele:

1. Do baj rohe the. (Kbh, 70) / Es schlug gerade zwei (Uhr).

2. Isi vaqt lied värdar ne . . . buläyä ... (Kariyä", 40) / In diesem

Augenbhck rief der oberste Gefängniswärter . . .

3. Cär baje ke qarib sab log cäy pine . . . äe''*gi. (Bant!, 80) / Gegen vier

Uhr werden sie alle ... Tee trinken kommen.

4.2.2. Das Sem „A vor R/Temp" wird vor allem vom Perfekt, Plus¬

quamperfekt und vom Futur III, jeweüs in der Form eines u. m. V

oder in der eines mVA, wiedergegeben, und zwar bei minimalem Kon¬

text. Im Falle des Perfekts ist S mitgesetzt, erfordert also keine kon¬

textuelle Indikation; diese ist jedoch für den konkreten R/Vght bzw.

R/Zuk des Plusquamperfekts und des Futur III erforderlich. Diese

Grammeme sind zur Wiedergabe des Sems ,,A vor R/Tcmp" speziali¬

siert, da sie zugleich (fast) mh die Seme „Abschluß des Geschehens"

und ,, zeithcher Bezug des (abgeschlossenen) Geschehens auf einen fol¬

genden R/Temp" ausdrücken.

Beispiele :

1. Amar ne ... kahä — Mai'' yah jorä läyä hü^. (Kbh, 159) / Amar

sagte: „Ich habe dieses Paar mitgebracht. .."

2. Taätri me" pän ä gaye the. Räy sähab ne mehmäno" ko pän ... dete

hue kahä ... (Godän, 58) / Auf einem Tablett waren die Betelblätter

gekommen (gebracht worden). Der Ray Sahab sagte, während er

den Gästen Betelblätter ... reichte, ...

3. (vah) tisre pahar hi jäegä, . .. tab tak Sasi ... uski kahäni aur kavitä parh cuki hogi . . . (Sekhar, II, 121) / ... er wird erst am Nachmittag

(zu ihr) fahren, ... bis dahin wird SasI seine Erzählung und sein

Gedicht (bestimmt) durchgelesen haben ...

(22)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi imd Urdu 511

Auch das Futur I eines u. m. V und eines mVA können das Sem „A

vor R/Temp", d.h. in der Variante ,,A vor R/Zuk", ausdrücken, sofern

folgende Bedingungen erfüllt sind:

1. der Kontext TB vom Typ (a) Zeitbegrifif + jsej fahle (u.ä.) ,,vor

..." oder vom Typ (b) Zeitbegriff + tak „bis. . ." enthält,

2. im Falle der TB vom Tjrp (b) im Futur I ein punktuelles Verb er¬

scheint (steht hier nämhch ein duratives Verb, so liegt die Relation

„A bis R/Zuk" vor).

Das Futur I/u. m. V und mVA sind — bei Vorhegen der obigen Be¬

dingungen — deshalb fähig, das Sem ,,A vor R/Zuk" auszudrücken,

da sie mh das Sem ,, Darstellung des Geschehens als bloßer Vollzugs¬

fakt" und fast mh das Sem ,,Punktuahtät der Aktzeit "wiedergeben.

Beispiele für das Futur I eines u. m. V und eines mVA:

(1) „... viväh se ek saptäh pahle ä jäü^'gä." (Sev., 171)/,,... eino

Woche vor der Hochzeit werde ich kommen."

(2) Ve äj säm tak äye^ge. (Log. 32) / Er wird bis heute abend kommen

(= zurück sein).

(3) „itne prsth, säm tak kaun täip kar degäV (G. k. d., 16) / ,,... so¬

viele Seiten, wer wird sie bis zum Abend (ab-)tippen?"

4.2.3. Das Sem „A bis R/Temp" besagt, daß die Aktzeit des be¬

treffenden Geschehens 1. über eine gewisse Dauer verfügt und 2. nur

bis zum R/Temp, d.h. als nicht noch während desselben, stattfindet. Im

Vordergrund steht hierbei die Dauer des zeitlich begrenzten Geschehens,

nicht die Betonung des Endpunktes. Aus cUesen inhaltlichen Charak¬

teristika ergibt sich, daß solche Seme wie ,, Abschluß des Geschehens",

,,Punktuahtät der Aktzeit" hier nicht bezeichnet worden, zugleich aber

auch die Seme ,, Verlauf des Geschehens" und , .aktuell" hier nicht in Betracht kommen.

Zu don Grammemen, die das Sem ,,A bis R/Temp" wiedergeben,

gehören (a) das Perfekt und das Plusquamperfekt und (b) das Futur I

eines u. m. V oder eines mVA. Die beiden ersten Grammeme sind zu¬

meist negiert und erscheinen darum in der Regel in der Form eines

u. m. V. Die beiden Futurgrammeme verlangen den Gebrauch durativer

Verben und die Präsenz von TB des Typs „Zeitbegrifif" -|- tak „bis

...". Der Unterschied zwischen beiden ist aspektueller Natur: das

Futur I/u. m. V stellt das Geschehen in seiner faktischen Dauer dar,

nicht aber zugleich in seinem aktuellen Verlauf und in der Regel auch

nicht als geschlossenes Ganzes, das Futur I/mVA hingegen gibt auf

Grund sehies mh perfektiven Aspektcharakters das durative Geschehen

zugleich als einen ganzlieithchen Komplex wieder.

(23)

Beispiele :

1. Do säl se ek dhelä süd nahi" diyü . . . (Godän, 193) / Seit zwei Jahren

hast du mir / bis jetzt / nicht einen Dhela (= eine halbe Paisa) an

Zinsen gezahlt . . ,

2. Iskä nirnay abhi tak na ho sakä thä . . . (Godän, 109) / Die Entschei¬

dung darüber hatte bis jetzt / = bis zu einem R/Vght/ noch nicht

getroffen werden können . . .

3. ,,. . . Bas, äj hi jäne kä vicär hai, khäna khäkar. Tab tak mai"

sou^gä. (E. n. d. p., 363) /

Kurz gesagt, ich gedenke, schon heute aufzubrechen, und

zwar nach dem Essen. Bis dahin werde ich schlafen."

4. ... chutti vah na le", av*kä,4 hote hT ä jäve" aur tab tak vah bät täl legi. (N. K. D., 67)

. . . Urlaub soll er sich nicht nehmen, aber sobald er frei sein wird,

möge er kommen und bis dahin wird sie die Angelegenheit auf¬

schieben.

4.2.4. Das Sem ,,A vor und in R/Temp" setzt zu einer Wiedergabe

das Sem ,, Nicht-Abschluß des Geschehens" voraus, wodurch von vorn¬

herein alle Grammeme, die das Sem ,, Abschluß des Geschehens" be¬

zeichnen (z.B. das Präteritum, das Perfekt, das Plusquamperfekt und

das Futur III eines u. m. V oder eines mVA), von vornherein ausschei¬

den. Im modernen Hindi und Urdu wird es vorzugsweise von den ak¬

tuellen Tempusgrammemen wiedergegeben, und zwar mit notwendiger

Unterstützung solcher TB wie 1. Zeitbegriff + se ,,seit ..." oder

2. solcherwie abhi tak, ab tak, ab bhi ,,bis jetzt; immer noch/noch immer".

Zwei Beispiele mit dem aktuellen Präsens und dem aktuellen Imper¬

fekt:

(1) Yah bari der se mujh se lar rahi hai. (Kbh, 120) / Sie streitet sich

schon seit langem /und jetzt auch noch/ mit mir.

(2) Hori abhi tak vahä" anäj mä"r rahä thä. (Godän, 264) / Hori drosch

dort noch immer Getreide (= war dort noch immer beim Getreide¬

dreschen).

4.2.5. Das Sem ,,A vor R/Temp, in R/Temp und nach R/Temp"

wird ebenfalls vorzugsweise von den aktuellen Tempusgrammemen wie¬

dergegeben, wobei sie der semantischen Unterstützung durch ent¬

sprechende TB bedürfen wie z.B. äjkal , .heutzutage, heute, gegenwär¬

tig", abhi , .jetzt, gegenwärtig, in diesen/jenen Tagen" u.ä. Da das obige Sem inhalthch den „Nicht-Abschluß" und die ,,Prozessuahtät"

voraussetzt, scheiden wiederum sämthche Grammeme, die das Sem

,, Abschluß" ausdrücken, sowie alle Grammeme in der Form eines mVA

für seine Wiedergabe aus.

(24)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 513

Beispiele :

1. Ab dädäji kä häl suniye. Vah äjkal ek thäkurdvärä banvä rahe hai^.

(Kbh, 162) / Jetzt hören Sie, was der Vater macht. Er läßt zur Zeit

einen Tempel errichten.

2. Yah naujavän abhi apne karorpati pitä ke paise par hi ais kar rahä

thä. (Bayän, 172) / Dieser junge Mann führte in jenen Tagen mit

dem Gelde seines Milhonen besitzenden Vaters ein verschwenderisches Leben.

4.2.6. Das Sem ,,A nach R/Temp" wird u.a. vom Futur I eines

u. m. V und eines mVA als sog. „Zukunft in der Vergangenheit" reah¬

siert. Hierbei handelt es sich um eine Teil-Transposition dieser Gram¬

meme: sie werden zwar aus der Zukunft (= ,,Nach-Gegenwart") in

die Vergangenheit transponiert, sie behalten jedoch auch unter die¬

ser Bedingung ilne Bezeichnung des ,, Zukünftigen bzw. Ausstehenden"

bei, nur daß eben der R/Temp ein R/Vght ist. Dieser muß dm'ch den

Kontext indiziert werden. Ferner verlangt die Bezeichnung des Sems

„A nach R/Vght" die Verwendung der beiden Futur I-Grammeme in

der Form der erlebten Rede bzw. des inneren Monologs.

Beispiel: Acchä khäsä ek dher ho gayä. Vah is dher ko Ga"gäji

me" dubä degi, aur ab se ek nae jivan kä sütr'''pät karegi. (Ghaban, 152) /

Es war ein recht großer Haufen (verschiedener Sachen) geworden.

Diesen Haufen wird sie in den Ganges versenken und von jetzt an ein

neues Leben beginnen.

Als Kontextmittel, die den Vergangenheitsbezug der Futurgrammeme

anzeigen, fungieren hier zumeist — so auch im obigen Beispiel —

Vergangenheitstempora. — Wesenthch ist auch ferner, daß es sich

hierbei um einen besonderen Fall der Verwendung der Futur I-Gram¬

meme bei absolutem Zeitgebrauch handelt und nicht um einen rela¬

tiven Zeitgebrauch zur Bezeichnung der Nachzeitigkeit im Vergleich zu

einem anderen, imd zwar vergangenen Geschehen. Dieser Fall hegt

dann vor, wenn diese —■ und auch andere — Futurgrammeme hn Prä¬

dikat der halb-direkten oder direkten Rede erscheinen und das rede¬

einleitende Verb in einem Vergangenheitstempus steht.

4.3. Das Sem „Punktuahtät der Aktzeit" wird fast mh, d.h. bei

begrenzter Kontextabhängigkeit, vom Präteritum, Perfekt, Plusquam¬

perfekt, Futur III und vom Futur I, jeweils eines u. m. V und eines

mVA wriedergcgcben. Dennoch schließen alle diese Grammeme anderer¬

seits nicht die Wiedergabe der Duration eines Geschehens aus, auch

wenn sie hierzu die obhgatorische Präsenz von TB der Dauer und die

Verwendung von durativen Verben verlangen. Die Duration ist also

(25)

„explizit" angegeben. — Im Unterrcliied dazu geben die aktuellen

Tempusgrammeme sowie das Präsens, Imperfekt, der Habitual II imd

das Futur II, jeweils in der Form eines u. m. V, das Sem „implizierte

Duration der Aktzeit" wieder, und zwar deshalb, da sie — wenn auch

im einzelnen unterschiedlich — die Seme ,, Nicht-Abschluß des Ge¬

schehens", ,, Darstellung des Geschehens im Verlauf seiner Reahsiemng"

und ,, aktuell" wiedergeben (können).

4.4. Über das Sem ,,aktueU" haben wir bereits an anderer Stelle ge¬

sprochen. Es wird fast mh von allen aktuellen Tempusgrammemen

und in neutraler Weise u.a. vom Präsens, Imperfekt und Futur II

eines u. m. V ausgedrückt.

4.5. Die in der im vorigen angeführten Tabelle enthaltenen Seme

8. bis 12. sind ihrem Inhalt nach ,, aktionale" Seme, d.h., sie betreffen

die Art mid Weise der Darstellung der verbalen Aktion. Als solche

gehören sie im Hindi und Urdu — wie auch in anderen Sprachen —

zu den Semen, die (Uc Tempusgrammeme der Vergangenheit und Zu¬

kunft jeweüs primär untereinander (Ufferenzieren. So differenzieren die

Seme „Nicht-Abschluß des Geschehens" bzw. „Abschluß des Gesche¬

hens" z.B. das Imperfekt vom Präteritum, den Habitual II vom Ha¬

bitual III und das Futur II vom Futur III. Das aktionale Sem ,, Dar¬

stellung des Geschehens als bloßer Vollzugsfakt" ist das spezifische Sem

des Futur I eines u. m. V und eines mVA.

4.6. Die in der TabeUe unter 13., 14. und 15. genaimten Seme sind

charakteristisch für das Perfekt, Plusquamperfekt, den Habitual III

und das Futur III, jeweüs in der Form eines u. m. V und eines mVA.

Ihre Bezeichnung setzt che simultane Wiedergabe der Seme ,, Abschluß

des Geschehens" und „A vor R/Temp" voraus. Dabei kann im kon¬

kreten Falle, d.h. in den entsprechenden Einzelbedeutungen der ge¬

nannten Grammeme, entweder nur das Sem 14. ,,der aktionale Bezug

eines Geschehens auf einen folgenden R/Temp" oder das Sem 15. ,,die

Bezeichnung eines resultierenden und zur Zeit von R/Temp vorhegen¬

den Zustandes" ausgedrückt werden, was von der Semantik des Kon¬

textes und von forragebundenen Kriterien (besonders der Verbsemantik

im Sinne des allgemeinen Verbalcharakters) abhängt. In beiden Fällen

wh'd jedoch das Sem 13. ,, (zeithcher) Bezug bzw. Gerichtetheit des

Geschehens auf einen seiner Aktzeit folgenden R/Temp" notwendiger¬

weise mitbezeichnet. — Der ,, aktionale Bezug" stellt sich in Form einer

Folge, einer Wirkung, eüier Gültigkeit, eines Ergebnisses u.ä. dar,

(üe aus dem vorzeitigen und abgeschlossenen Geschehen hervorgehen. —

Im folgenden wollen wir Beispiele mit dem Futur III eines u. m. V

(26)

Seminventar der Tempuskategorie im Hindi und Urdu 515

und eines mVA anführen, in denen im Falle (a) „das Sem aktional er

Bezug auf R/Zuk", im Falle (b) das Sem ,, resultierender vmd in R/Zuk

vorliegender Zustand" und im FaUe (c) keines dieser beiden Seme wie¬

dergegeben wird, sondern nur auf den „zeitlichen Bezug auf R/Zuk" hin¬

gewiesen wird:

Zu (a): Tisre pahar pahu^cegi, larkiyo" ko samar kaimp se lene

pati cale gaye ho"ge, ishe ghar khäli hogä . .. (U. Pr., M. pr. k., 13) /

Am Nachmittag (gegen 3 Uhr) wird sie ankommen, / zu dieser Zeit /

wird ihr Mann weggefahren sein, um die Töchter aus dem Sommer¬

lager abzuholen, darum wird das Haus leer sein.

Zu (b) : ,,.. . Aur us vaqt ki kalpanä kijiye jab äp piche lautnä cähe"ge aur yahä° kä har darväzä äp ke lie ba7id ho cukä hogä ..." (U. h. 1., 90) /

,,. . . Und stellen Sie sich jene Zeit vor, da Sie zurückkehren möchten

und jede Tür hier für sie geschlossen worden sein wird (und : geschlossen sein wird) ..."

Zu (c) : Jab tak vah unke yahä" pahu"cegä la°c taim khatm ho cukä

hogä. (B. n. n., I, 35) / Bis er zu Uim gelangen wird, wird die Mittag¬

essenszeit /wahi'scheinlich/ schon zu Ende gegangen sein.

4.7. Über das Sem 17. ,,die zeitUche Nicht-Lokahsierbarkeit eines

Geschehens bzw. sein wiederholter Bezug auf die Zeitachse" haben

wir bereits an anderer SteUe gesprochen. Es entspricht der Semantik

solcher Adverbialbestimmungen wie ,, wiederholt, regelmäßig, jeden Tag;

oftmals, gewöhnlich" u.ä. Eine Besonderheit des Hindi- und Urdu-

Verbsystems besteht — im Unterschied zu zahheichen anderen Spra¬

chen, darunter auch dem Deutschen, — darin, daß es in Gestalt der

habitueUen Tempusgrammeme vom Typ vah ä rahä hotä hai, vah äyä

hotä hai u.ä. über Grammeme verfügt, die mh dieses Sem 17. wieder¬

geben. Des weiteren bezeichnen auch die Habitual-Grammeme, als ein

spezifisches Teüsystem der Vergangenheitstempora, fast mh jenes Sem,

vmd zwar fast mh, da sie auch das Sem 19. ,,Die Mehrmaligkeit bzw.

Wiederholung eines Geschehens während einer Zeitspanne" (darunter

auch bei einmaUgem Zeitbezug) wiedergeben köimen. — Auf Grund der

Kreuzung des aktionalen Sems „Nicht-Abschluß" mit den perfektiven

Aspektsemen können das Präsens, Imjjerfekt und Futur II in der Form

eines mVA ebenfaUs nur ,, zeitlich nicht-lokalisiertc, d.h. wiederholte"

(mitunter, vmd zwar bei Präsenz entsprechender TB, auch „melir-

maUge Geschehen" /mit unterschiedhchem Zeitbezug/) Geschehen be¬

zeichnen. — Alle weiteren Tempus-plus-Aspektgrammerae sind entweder

neutral oder limitiert (d.h. zugleich äußerst kontext-abhängig) betreffs

der Wiedergabe des Sems 17., d.h. umgekehrt: sie geben bei mini¬

malem Kontext bzw. fast mh das antonyme Sem 16. ,, zeithche Loka-

Referenzen

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