Bücherbesprechungen
Edward Alexander Parsons, The Alexandrian Library. Glory of the
Hellenic World. Ita Riae, Antiquitiea and Deatructiona, Third Printing,
January 1967, New York, American Elsevier Publishing Company, Inc.
XIII, 468 Seiten, 6 Abbildungen, 6 Karten.
Wer die richtige Einstellung zu dem vorliegenden Buch gewinnen will,
muß wissen, daß es nicht von oinem Fachmann geschrieben ist. Parsons ist
ein enthusiastischer Bücherfreund, der sich mit großer Begeisterung in die
Geschichte der alexandrinischen Bibliothek vertieft hat. Das Ergebnis ist
keine kritische Geschichte der Museions-Bibliothok. sondern eine nützliche
Zusammenstellung antiker und moderner Aussagen, zumeist mit einem
Kommentar des Verfassers. Auf diese Weise ergibt sich eine Doxographie
die jeder Benutzer — in Ermangelung von etwas Besserem — mit Dank
begrüßen wird. Selbständige Beiträge fehlen nicht ganz, aber sie bilden die
Ausnahme. So wird der Kenner bald merken, daß der Verfasser, was seine
Kenntnisse der hellenistischen Geschichte betrifft, mehr oder weniger von
dem von ihm benutzten modernen Historikern, vor allem W. W. Tarn und
E. Bevan abhängt.
Den Kern des Buches bildet das 3. Kapitel mit der Überschrift: ,,The
Founding of tho Museum and the Library". Hier findet sich mancherlei
Material ausgebreitet. Wer sich aber ein wirkliches Bild von Museion, seinen
Gelehrten und seiner Bibliothek machen will, der wird doch wohl eher boi
Rudolf Pfeiffer, History of Classical Scholarship (Oxford 1968), auf seine
Kosten kommen als in dem Buche Parsons'. In der immer wieder aufge¬
worfenen Frage, ob die große Museions-Bibliothek im Alexandrinischen
Krieg zerstört worden ist oder nicht, kommt Parsons, nachdem er, wie
immer, die Quellen in Übersetzungen vorgeführt hat, zu folgendem Ergebnis :
,,We venture the belief, that the library building was not destroyed and that
if anything was burned it was an unknown quantity of booka from the
library waiting to be shipped to Rome" (S. 297). Ich verweise hierzu er¬
gänzend etwa auf Heinz Heinen, Rom und Ägypten von 51 bis 47 v.Chr.
(Diss. Tübingen 1966) S. 107, und vor allem auf das Urteil von Rudolf
Pfeiffer (a.a.O. S. 274): ,, Alexandria, where the libraries were but slightly
damaged". Wenn Caesar hiervon schweigt (b.c. III 111), so kann dies für
uns nicht maßgebend sein. Hier wird man eher Cassius Dio XLII 38 Glauben
schenken müssen, der die Vernichtung von Büchern durch Feuer ausdrücklich
bezeugt. Welchen Umfang diese Schäden gehabt haben, ist schwer zu sagen.
Für den Orientalisten werden insbesondere die islamischen Quellen
(S. 371ff., ferner der Appendix S. 413ff.) von Interesse sein. Parsons ver¬
tritt hier die Ansicht, die alexandrinischen Bibliotheken seien zum mindesten
bis Justinian, sehr wahrscheinlich sogar bis zur arabischen Eroberung er¬
halten geblieben. Die Bücher seien dann aber durch Amr auf Anordnung
Omars verbrannt worden (S. 411).
Von Einzelheiten sei hier schließlich noch auf die Behandlung des Scholium
Plautinum (aus Tzetzes' Prolegomena ad Aristophanem) aufmerksam gemacht.
Bücherbespreohungen 309 das für die Geschichte der alexandrinischen Bibliothek nicht ohne Interesse ist (Parsons S. 106 ff., mit der Abbildung auf dem Vorsatzblatt des Buches;
vgl. zu diesem Scholium R. Pfeifer, a.a.O. S. 100 A. 2).
Für nicht gerade glücklich halte ich die Anordnung der Bibliographie
(S. 433—461). In ihr stehen antike Quellen und moderne Bücher alphabetisch
geordnet, in buntem Durcheinander. Es wäre lohnend, diese Bibliographie
zu ordnen und auf den neuesten Stand zu bringen. Es fehlen von neueren
Studien z.B. das Buch von Erich Bayer, Demetrios Phalereus der Athener
(Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft. 36), Stuttgart-Berlin 1942,
und der Boitrag von Willy Peremans, Bibliotheek en bibliothecarissen te
Alexandrie, Scrinium Lovanienso, Melanges historiques iStienne van Cauwen-
bergh, Louvain 1961, S. 79—88.
Hermann Bengtson, München
Cyrus H. Gordon, Homer and Bible. The Origin and Character of East
Mediterranean Literature, Ventnor Publishers, Ventnor, N.J. (1967),
72 Seiten, Preis: 1,95 Dollar.
Bei der Broschüre handelt es sich um einen Neudruck des im Hebrew
Union College Annual. Vol. XXVI (1955), S. 43—108, erscbienenen Auf¬
satzes, der seinerzeit die gebührende Beachtimg gefunden hat (vgl etwa
A Lesky, Gnomon 1957, S 321—325),
Der Verfasser, der das maßgebende Handbuch für das Ugaritische ver¬
faßt hat, ist ein vorzüglicher Kenner der altorientalischen Literatur ein¬
schließlich des Alten Testaments. Er hat sich bemüht, gewisse Beziehungen
zwischen dieser Literatur und den homerischen Gedichten aufzuzeigen, wobei
er Ugarit (Ras Schamra, bei Laodikeia in Nordsyrien) die Rolle der großen
Vermittlerin zuteilt. Das Problem als ganzes ist außerordentlieh komplex:
niemand wird heute mehr leugnen, daß Beziehungen zwischen der griechi¬
schen Welt imd Vorderasien schon in früher Zeit, etwa im 2. Jahrtausend
v.Chr., bestanden haben. Eine andere Frage ist die. ob sich diese Beziehungen
in der Literatur im einzelnen nachweisen lassen. Ich möchte hier nur ein
einziges Beispiel anführen: S. 21 ff. behandelt Gordon die Beziehungen
zwischen der Erzählung des Ägypters Wenamon und der Odyssee. Er findet
die beiden Erzählungen sehr ähnlich und gelangt zu dem Schluß (S. 23):
,,The Odyssee is the Greek masterpiece of the same East Mediterranean
theme going back to Egyptian origins". Ich selbst vermag zwisehen den
beiden Erzählungen nur wenig Gemeinsames zu entdecken, insbesondere ist
die Wenamon-Erzählung geradezu ein historischer Bericht mit Angabe von
Ortsnamen und ähnlichem Detail, was man doch gerade von der Odyssee
nicht behaupten kann. Der Vergleich scheint mir daher gezwungen und über¬
zeugt nicht. Überhaupt ist es problematisch, die Odyssee gewissermaßen als
eine historische Quelle zu betrachten und sie als solche mit orientalischen
Geschichtsquellen zu konfrontieren (z.B. S. 47). Hier liegt vielleicht die
eigentliche Schwäche des Buches: es fehlt eben vielfach an vergleichbarem
griechischem Material, und auch die von Gordon ohne weiteres akzeptierte
Entzifferung der Linearschrift B hat für dieses Problem nichts Wesentliches erbracht.
Gordons Versuch, in 187 Paragraphen Homer mit der Bibel zu ver¬
gleichen, ist zweifellos ernst zu nehmen. An Materialfülle (und teilweise auch an Kritik) steht Gordons Unternehmen weit über den sehr problematischen 22 ZDMG 120/2
310 Bücherbesprechungen
Versuchen Dobnseiffs — als überzeugend wird man aber Gordons Argu¬
mente schwerhch bezeichnen können. Doch sind die von ihm beigebrachten
Parallelen sehr nützlich, so daß die Abhandlung ihren Wert behält — gleich¬
gültig, ob man dem Verfasser im Grundsätzlichen zustimmt oder nicht.
Hermann Bengtson, München
Annelies Kammenhuber: Die Arier im Vorderen Orient. Heidolberg:
Carl Winter Universitätsverlag 1968. 295 S. 8°. (Indogermanische Biblio¬
thek, 3. Reihe: Untersuchunge). Preis DM 68,— (Ganzleinen), DM 60, ■
(Broschüre).
Fast könnte man dieses Bueh ,,Die beiden Arier im Vorderen Orient"
nennen ; denn viel mehr als zwei wirklich hieb- und stichfest arische Personen¬
namen glaubt die Verfasserin in der zweiten Hälfte des II. Jts. v.Chr. im
Vorderen Orient nicht anerkennen zu dürfen. Gegenüber dem zeitweilig
äußerst großzügigen Verfahren, ar. PN in Keilschrifttexten anzusetzen^,
tendiert die Forschung im letzten Jahrzehnt, zumal auf Grund der strengen
Kriterien des Indogermanisten Mayehofer", zu einer immer stärkeren Ein¬
engung des Bestandes. Frau K. geht von dem sehr vernünftigen Kriterium
aus, grundsätzlich erst dann ar. Etymologie zu wagen, wenn die Deutungs¬
möglichkeiten aus den im Orient breit imd sicher nachgewiesenen Sprachen
voll ausgeschöpft sind. Andererseits urteilt sie zurückhaltend, auch wenn
sich ar. Etymologie noch so sehr aufdrängt, bei Namenträgern, über deren
nahe Angewandte samt Onomastiken wir nichts wissen. Das bedeutet,
daß En-dar-ü-ta/In-tar-ü-da und Su-ba-an-dujdi nicht mit letzter Gewißheit
= vedisch Indra-üta-jlndrotd- und Su-bdndhu- gesetzt werden dürfen
(S. 163f.). Methodisch ist sehr verdienstvoll, daß Frau K. stets die orthogra¬
phischen Systeme der verschiedenen Sehroiberschulen berücksichtigt. Es
ist z.B. nicht dasselbe, ob man ein [s] in den Silbenzeichen aS, &a usw. aus
Bogazköy oder aber aus Babylonien für idg. [s] beansprucht. Im ersten Fall
ist es legitim, da heth. [s] mit S-haltigen Silbozeiohen dargestellt wird; in
Babylonien dagegen wäre zu fragen, weshalb keine Zeichen der Reihe as,
SA usw. gewählt wurden. Schließlich ist es ein besonderes Verdienst der Verf., daß sie die Rolle der Hurriter und dos Hurritischen als bedeutsame Faktoren
in der Geschichte des II. Jts. auch demjenigen näherbringt, der der Keil¬
schriftforschung fernsteht. Mit gutem Grund : das Milieu, in dem die (wenigen)
Arier lebten bzw. in das sie ihre (geringen) Einflüsse ausstrahlton, war
hurritisch.
Zum Inhalt: Auf einen knappen wissenschaftgesohiohtlichen Abriß,
Rechtfertigung der Untersuchung und Angabe der Hauptquellen (S. 13—16)
sowie einen wertenden Bericht zur rezenten Forschung (S. 17—22 ,,Zur
vorderorientalischen Seite der Arierfrage, anknüpfend an Hippologia hethi¬
tica"') folgt als Kap. III ein ,,Synchroni8cher Überblick" (S. 23—46):
Themen wie Chronologie, Fundorte und Perioden hurritischer Texte, An-
* Vgl. P.-E. Dumont apud R. T. O'Callaghan, Aram Naharaim = AnOr
26 (1948) S. 56ff., 149ff. Ausführlichste Bibliographie: M. Mayrhofer, Die
Indo-Arier im Alten Vorderasien (1966).
2 Vgl. IF 70 (1965) S. 146—163 „Zur kritischen Sichtung asiatisch-arischer Personennamen' '.
' Gemeint ist das so betitelte Werk der Verf. (1961).
Bücherbesprechungen 311
kunft der Hethiter und die Regierungsdaten hethitischer Könige — all dies
zur Erläuterung der historischen Umwelt, in der das (wenige) Arier be¬
herbergende Mitanni lag.
Kap. IV „Kassiten und Arier" (S. 47—60) beantwortet die Frage nach
ar. Spuren in den kümmerlichen kassitischen Sprachdenkmälern negativ.
Umstritten ist zwar mu- noch Suri'as (Name oder Beiname des kassitischen
Sonnengottes), der nach Frau K. niehts mit dem altindischen Süryah zu tun
haben kann (der s-Auslaut in Suri'as ist stammhaft; der Anlaut hätte mit
dem Silbenzeiohen SU bezeiehnet werden sollen) ; doch werden aueh sonstige
früher als arisch beanspruchte Namen behandelt, darunter ausführlich
Abirattas
Kap. V ,,Zur politischen imd kulturellen Bedeutung der Hurriter"
(S. 61—141) ist bei weitem am umfangreichsten. Im Abschnitt ,, Mitanni"
(S. 62 ff.) bleiben als sichere Kandidaten für ar. PN nur Artadäma und
Artasumara übrig; freilieh legt die Verf. nahe, daß angesichts dieser zwei
Namen wohl die Namen auch der übrigen Herrseher der Dynastie ar. ge¬
wesen sein dürften. In ,,Knikien/Kizzuwatna" (S. 87ff.) stellt die Verf. ar.
Deutung des Herrschernamens Sunassura als höchst unwahrscheinlich hin.
Sie legt damit und mit gleichzeitiger Zurückweisung sonstiger ar. Namon-
etymologien die Axt an die Wurzel der Theorie von einer ar. Eroberung
Kilikiens. Dagegen wäre diese Landsehaft Ausgangspunkt für starken hurri¬
tischen Einfluß auf das Hethiterreich. Der Abschnitt ,,Zur hurrischen
Expansion im 15. und 14. Jahrh." (S. 109ff.) bespricht im wesentlichen
Namen aus Alalah und Nuzi: Fehlanzeige betr. ar. PN; s. besonders S. 115ff.
für Nuzi. Willkommen ist ,, Kulturelles" (S. 119ff.), wo die Verf. sumerische
und akkadische Lehnwörter im Hurritischen bespricht — wülkommen auch
dann noch, wenn hier einiges Ungenaue oder Unbeweisbare steht (vgl. unten
zu S. 125ff.). Das Kapitel schließt mit einem Exkurs zu hurr. mat- und mati-, das nichts mit indischen mati- ,, Verstand" zu tun hätte, so daß der ar. Deu¬
tung von [mati] enthaltenden PN ein schweres Hemmnis entgegengesetzt
wäre.
Kap. VI ,,Die arischen Göttemamen und Thiemes Argumente zugunsten
vedisch-arisoher Sprache"* (S. 142—155) geht auf die Frage ein, ob die am
Ende der Schwurgötterreihe in den Vorträgen zwischen Kurtiwazza (früher
„Mattiwazza") von Mitanni und Suppiluliuma I. genannten vier ar. Götter
Mitra, *Varuna, Indra und die Näsatyä-Zweiheit sprachlich bereits alt¬
indisches (so P. Thieme) oder noch gemein-indoarisches Müieu (so die Verf.)
widerspiegeln. Dann legt Frau K. dar, daß sie den in hethitischen Texten
vorkommenden Gott Ag/kni- nicht als arisch (= Feuergott Agni) oder
überhaupt indogermanisch beweisbar ansieht („Feuer" = heth. palihur-).
[Akni nach K. K. Ribmschneidbe, StBot. 9 (1970) 45ff., mit akk. Nergal
(Unterwelts-) oder Erra (Pestgott) vergleichbar.]
Kap. VII „Zur Problematik der arisch gedeuteten PN" (S. 156—180)
enthält anfangs eine Auseinandersetzung mit den Methoden anderer For¬
seher, um dann ausgehend von dem in Anm. 2 zitierten Aufsatz M. Mayb-
hofebs kritisch weiterzusichton. S. 171f. ein Katalog laut Verf. entfallender ar. PN (solcher, die nach M. Maybhofeb *atithi- ,,Gast" enthielten, was sich
keUschriftlich als -at-ti widergespiegelt habe). Das Kapitel mündet in die
positive Feststellung, daß die Träger der mit ar-ta- = *rta- anlautenden PN
* Bezogen auf P. Thieme, JAOS 80 (1960) S. 301—317 „The 'Aryan' Gods
of the Mitanni Treaties".
22»
312 Bücherbesprechungen
Sprecher einer noch ungeteüt indoarischen Sprache gewesen seien und nicht
schon Inder bzw. Urinder; das fragUche Namenelement ist nämlich oinige
Jahrhimderte später nur für den iranischen Bereich typisch.
Kap. VIII „Die arischen Appellativa" (S. 181—183) ist eigentlich nur
Eirdeitung zu Kap. IX „Beispiele für Fehldeutungen" (S. 184—194):
Methodische Kritik betr. Verweohlung von idg. Erb- und Lehnwörtern im
Hethitischen sowie zu Kap. X „Die Bodeutungssphäre der arischen Glossen"
(S. 195—232). Hier diskutiert die Verf. ar. Lehnwörter nach Bedeutungs¬
gruppen. Das Ergebnis verblüfft : Beibehalten werden die Zahlwortkomposita mit -wartanu „Wendung" sowio die etymologisch nicht sicher bestimmbaren
Wörter waSanna „Rennbahn" und aääuSSanni „Pferdetrainer" (man fragt
sich: weshalb ar., wenn nicht sicher deutbar?). Abgelehnt werden diverse
Farb(?)bezeiclmungon für Pferde wie babrunnu-, angeblich < indisch babhni- ,,lohfarben"*. S. 220ff. sieht sich die Verf. auf Grund morphologischer Er¬
wägungen gezwamgen, dem für Ariertum im Vorderen Orient zentral ange¬
sehenen Begriff maryanni- die ar. Legitimation zu entziehen. Das hurritische
Abstraktum maryannarti- ,,maryanni-tum" zeige nämlich, daß die Endung
[ni] stammhaft und nicht etwa der hurritische Artikel sei ; folglich könne das
Wort bis zum Beweise des Gegenteils nicht mit altindisch marya- ,, junger
Mann" zusammengebracht werden. Schließlich noch Zweifel an zahlreichen weiteren 'arischen' Wörtern, wobei sich zur Hälfte als ar. gedeutete Wörter zuweilen als echt hurritisch entpuppen.
Kap. XI ,, Ergebnisse" (S. 233—239) resümiert endgültig: vier Götter¬
namen, zwei (drei, vier?) PN, einige hippologische Termini. Die Verf. schließt
mit der Frage: Woher immerhin die Wertschätzung des ar. Elementes in
Mitanni? Ihre Hypothese : ,, Hatten die Arier etwa, nachdem sie in Berührung
mit Mesopotamien don Streitwageneinsatz des Pferdes kennen gelernt hat¬
ten, so schnelle vmd gute Trainingserfahrungon gesammelt, daß die Mitanni-
Hurriter sie als Lehrmeister empfanden und akzeptierten?". Sie hält für
möglich, daß ,,eine kleine arische Oberschicht zu den Mitanni-Hurritem
gelangte, die in der Zeit der Maehtentfaltung Mitannis zwischen ca. 1450
1350 v.Chr. aber schon hurrisiert war".
Ohne Zweifel hat Frau K. der historischen und sprachlichen Forschung
ein wichtiges Werk beschert. Sio hat Klischees beseitigt, scheinbar Sicheres
angezweifelt oder zu widerlegen versucht und bereits Angezweifeltos noch
einmal im Nachvollzug gründlich erledigt. Ihr Buch hat Aussicht, in der
Arierfrage auf längere Zeit als das erste Naohschlagwerk benutzt zu werden.
Wir können aber nicht umhin, auch Kritik anzumelden.
Das Buch ist nicht besonders klar gegliedert und enthält nicht wenige
Wiederholungen. Sein Hauptanliegen war, angeblich arisches Sprachmaterial
(Namen, Appellativa) zu überprüfen. Das geschieht praktisch in jedem
Kapitel, auch den historischen (III und V), aber nicht straff und systematisch
zusammengefaßt. Man hätte eine stärkere Trennung in einen darstellenden
historischen und einen kritisch wertenden philologischen Teil bevorzugt.
Letzterer hätte alle bisher irgendwann arisch gedeuteten PN übersichtlich
aufführen und die ursprüngliche, jetzt widerlegte bzw. in Frage gestellte
Deutung samt Alternativvorsohlägen angeben sollen. Man beachte aller¬
dings die sehr ausführlichen Indizes S. 252—295°.
5 W. von Soden, ZANF 18 (1957) S. 336f.
° Hier hätte durch Fettdruck die zentral wichtige Stelle hervorgehoben werden sollen; s.v. Tusratta findet man S. 281 nicht weniger als 35 Seiton¬
verweise.
Bücherbesprechungen 313
Nicht angeschnitten ist folgende Frage: Wie genau könnten indoariscbe
Wörter und Namen überhaupt mit dem Silbenschriftsystem der Keilschrift
dargestellt werden? Welche Abweichungen im Genauigkeitsgrad der Wieder¬
gabe sind noch tolerabel? Die Frage läßt sich nicht leicht beantworten. Es
würde aber verlohnen, zwei , .Modelle" zum Vergleich heranzuziehen:
1. Die Keilschriftnotierung der achämenidischen Namen; 2. Die Wiedergabe
griechischer PN in der Seleukidenzoit'. [Mustergültig W. Hinz, Festschrift W. Lentz (Vorabdruck 1970) über ,,Neuo Wege im Altpersischen".]
Nicht genau beantwortet ist m.E. die Frage, weshalb es zur ,, Wert¬
schätzung" des arischen Elementes gekommen sei (vgl. Zitat oben zu Kap. XI).
Frau K.s als Frage formulierte Hypothese über die arischen Fremdwörter im
Kikkuli-Tcxt (s. ebd.) erscheint uns so, wie wenn einer argumentierte, das
Hockey sei zwar auf dem westeuropäischen Festland erfunden worden;
dann aber hätten es die Engländer aufgegriffen, und sie wären so begeisterte Hockeyspieler geworden, daß Ausdrücke wie „bully", „back-hand", „foul", ,, sticks" Eingang in die Spielregelhefto der Festlandseuropäer gefunden hätten.
Schließlich : Frau K.s Buch ist stark geprägt von Polemik gegen die ihrer
Ansicht nach irrige Meinung anderer. Sie weist mit Recht auf das Beharrungs¬
vermögen gerade des Falschesten hin. Aber von ,, Forschung" zu sprechen (in ,,..." S. 20, 53*^', 157), eines anderen Hypothese für ,, kurios" zu halten (S. 209"'^), Forscher ,, Untersuchungen" treiben zu lassen (in ,,..." S. 58), ,, Kostproben" zu geben (S. 212^^^), einem Gelehrten eine ,, Privatmeinung"
zu unterstellen (S. 31'") — dergleichen scheint mir auf so diffizilem Gebiet unnötig. Man ist kein Prophet ; aber man fragt sich, wie das vorliegende Buch
nach 20 .lahron beurteilt werden wird : war es ein genialer Wurf — oder auch
nur ,, Forschung"?
Einzelbemerkungen
S. 54: Sumerogramm ad ,, Vater" für niehtsemitisches abi- geht doch
wohl auf das semitische Namenelement abi ,,mein Vater" zurück und nicht
auf den Genetiv von abu.
S. 55 unten: ma-ri-a-na-te in a-na in. kein ,, unklarer Dativ", sondern Genetiv nach der Präposition ana „zu, für".
S. 56 Z. 5: a-bi-na-A.n-mi = abl-na'mi ist gut semitisch ,,mein Vater ist
meine Huld".
S. 123 Anm. 388: Inzwischen korrigiert in MSS 24 (1968) S. 113 Anm. 6.
S. 123 Mitte: Die nach A. Falkenstein (AnOr 28 S. 61) zitierte sumerische Etymologie für den Tigris: idig{i)na = *id-gina ,, (schnell) fließender Fluß"
läßt sich nicht mehr halten; denn gen-na (nicht gin-na) kann nicht
„gehend" (marii) heißen, sondern nur ,, gegangen, gekommen" (hamfu).
Ob akkadisch idiqlat (ältester syllabischer Beleg [i]-di-iq-la-at UET 6/2
Nr. 399, 16) Entlehnung aus dem Sumerischen ist, bleibt m.E. fraglich.
S. 125ff. : Die Darstellung der sumerischen und akkaischen Lohnwörter
im Hurritischen ist an einigen Stellen fraglich, urudhu- ,, Kupfer" aus dem
Sum. oder unmittelbar aus jener Ausgangssprache, die auch dem Sum. urudu
vermittelte? —• hiyaruhhe- ..Gold" kann lautlich wohl kaum auf huräsu
zurückgeführt werden. — Die Angaben zu en<a-(referiert nach E. Laroche)
' Vgl. W. Röllig, OrNS 29 (1960) S. 376—391 „Griechische Eigennamen
in den Texten der babylonischen Spätzeit".
314 Büoherbesprechungen
sind nicht ganz scharf: Das nach AHw. und CAD E zitierte ennu dürfte
falsch aus EN-nw abgeleitet sein, d.h. das der Schreibung Sumerogramm +
Lautindikator; das sum. Grundwort bedeutet nicht ,,Herr" (dies vielmehr
lugal), sondern ist genusmäßig indifferente Bezeichmmg für eine(n) hohe(n)
Priester(in) ; nin ist weibliches Gegenstück zu lugal, nicht zu en. — Der
„Kaufmann" heißt akk. tamkärum, nicht *tamqäru (so C. Bezold), das
,, Elfenbein" iinnipiri, nicht *senmpiri (so C. Bezold). — Bei den S. 129
genaimten Pflanzennamen handelt es sich vielleicht größtenteils um vorder-
orientalische Wanderwörter von nicht ohne weiteres klärbarer Herkunft.
paini- ..Tamariske" läßt sich lautlich nur schwer von akk. hinu ableiten.
S. 214: Türkisierimg von arabiscben Vorben mit etmek 'machen' ist un¬
scharf; gemeint ist die Verwendung arab. (Verbal)nomina in türkischen
zusammengesetzten Verben.
S. 246—252: Die Erklärung der Umschriftzeichen ist dankenswert aus¬
führlich. Man hätte allerdings in jedem Fall streng phonetische Definition
nach neuestem Forschungsstand vorgezogen anstelle gelegentlicher unge¬
nauer oder populärer Formulienmgen (z.B. S. 250 ,,h (west-)semit. heiserer
Reibelaut, tiefer im Kehlkopf gesprochen alsh". S. 248 ,,r ähnlich gesprochen wie in deutsch . . . Vaterschaft").
Die Diskussion um die arischen Personennamen wird weitergehen. Aber
die Verf. hat hoffentlich zur Genüge gezeigt, daß es gefähiiich ist, der
Phantasie freien Lauf zu lassen und um joden Preis arisch deuten zu wollen.
Sio hat den radikal-mutigen Versuch unternommen, zunächst im Wesent¬
lichen abzubauen. Die Ausgangsbasis ist schmaler, aber vielleicht sicherer
geworden. Und dafür müssen wir der Verf. danken.
D.O. Edzard, München
Gusmani, Roberto: Lydisches Wörterbuch. Mit grammatischer Skizze und
Inschrijtensammlung. 280 S. Brosch. DM 40.—, Geb. DM 45,—. Heidelberg,
Wmter 1964.
Zu den am schwierigsten zu erforschenden Sprachen gehören die altklein- asiatischen Restsprachen des l.Jt.s v.Chr. Das überlieferte Sprachmaterial ist durch die Bank so dürftig, daß es keine definitive Klärung ermöglicht.
Nur beim Lykischen ist schon jetzt mit Sicherheit die Zugehörigkeit zu
den luwischen Sprachen des (idg.) Hothitisoh-Luwischen bewiesen; und da
die grundsätzliche Zuordnung feststeht, darf in diesem Fall auch die (so oft
mißbrauchte) etymologische Methode zur Hilfe genommen werden. Aber
selbst in diesem günstigen Sonderfall sind die Vergleichsmöglichkeiten be¬
schränkt: im Keilschrift-Luwischon (14.—13. Jh.) sind fast nur magische
Rituale bezeugt, aus denen wir nur selten einen ganzen Satz übersetzen
können; im Hieroglyphenluwisohen (früher Hieroglyphenheth., Bildheth.)
liegen die reichhaltigsten Textarton innerhalb der luwischen Sprachen vor
(1300 — 8. .Ih.), aber gerade keine magisch-rituellen Texte ; außerdem ist die Erschließung der Schrift noch längst nicht abgeschlossen ; im Lykischen aber
(5.—4. Jh. V. Chr.) haben wir es vor allem mit Grabinschriften zu tun, die
in den beiden anderen luwischen Sprachen fehlen.
Beim Lydischen des 7.—4. Jh.s v. Chr. (Gusmani, S. 17f.; O. Masson,
Kratylos 10, 1965, S. 73f.), dessen Deutung (im Gegensatz zum Lykischen)
durch zwoi lydisch-griechische vmd zwei lydisch-aramäische Inschriften ge-
Bücherbesprechungen 315
fördert wurde (S. 22), fehlen engere Vergloichsmöglichkeiten. Wenn es zu
der idg. hethitischduwischen Sprachgruppe gehört, ist es auf jeden Fall keine
direkte Fortsetzung des Hethitischen (mit G. S. 26f. — gegen B. Hrozn^
1917, F. Sommer 1947. Rez. 1956, 1959 und O. Carruba seit 1959), sondern
setzt eine eigene, in der Hethiterzeit (ca. 1650—1200 bzw. ca. 1590—1200)
nicht schriftlich fixierte Sprache fort. Da jene idg. Sprachen, die schon im
frühen 2. Jt. v. Chr. nach Kleinasien gelangt sind, sehr schnell ihre Sprach¬
struktur gewandelt haben — im Gegensatz zu den idg. Sprachen, die wie z.B.
das Phrygische erst im 1. Jt. bzw. irgendwann nach 1200 v. Chr. vom Balkan
her nach Kleinasien gelangt sind —. gehört das Lydische (falls es idg. ist) zu
den schon im 2. .Jt. nach Kleinasien gelangten idg. Sprachen vmd in diesem
Fall am ehesten zum Hethitisch-Luwisohen.
Auf diesem skizzierten Hintergrund muß man Gusmanis Lydisches
Wörterbuch beurteilen. Er bietet darin eine sorgfältige vmd kluge Zwischen¬
bilanz zimn Lydischen, dio weit mehr als ein Wörterbuch enthält. Zusammen
mit dem Beitrag ,, Lydisch" von A. Heubeck aus dem Handbuch der Orien¬
talistik 1. Abt., 1. und 2. Abschn. Band II. 2 ,, Altkleinasiatische Sprachen"
(1969) S. 397—427 ist es für jeden, der sieh zur Zeit mit dem Lydischen
laeschäftigt, ein unentbehrliches Hilfsmittel. Trotzdem ist der Zeitpunlct für oin Urteil , .richtig" oder „falsch" bei diesem — überwiegend aus dem 4. Jh. V. Chr. stammenden — dürftigen Spraclimaterial (rund 65 Inschriften und Graffiti) noch nicht gekommen.
Für einen Teil des skizzierten Hintergrundes bietet derselbe Band des
Hb. Or. das restliche Material des Hethitisch-Luwisohen : Hethitisch, Palaisch.
Luwisch und Hioroglyphenluwisch (l.c. S. 119—357) von Rez.; Lykisch
(I.e. S. 358—427) von Günter Neumann. Vgl. dazu die Register l.c. S. 556—
588 \md Rez., MSS Beih. 4 (1969); ferner Rez., Die Sprachen des vorhelle¬
nistischen Kleinasien in ihrer Bedeutung für die heutige Indogermanistik, MSS 24 (1968) S. 55—123.
Die Beiträge zu den nicht-idg. Sprachen Hurrisch (Churritisch) (Hb. Or.
I.e. S. 1—30) und Urartäisch (l.c. S. 31—53) von Jon. Friedrich, Elamisch
(l.c. S. 54—118) von Erica Reiner und Hattisch (l.c. S. 428—546) von Rez.
könnten darüber hinaus deutlich machen, daß die Erkenntnis einer idg. oder
nicht-idg. Sprache nur bei einem umfänglicheren, etwas variierten Sprach¬
material möglich ist. (Man vergleiche den langen, mit dem vorhandenen
Sprachmaterial m.E. nicht lösbaren Streit um das Etruskische.)
Zur Beurteilimg des Lydischen und von Gusmanis Ld. Wb. vgl. darüber
hinaus die bereits erschienen Rezensionen (K. Deller, Orientalia 35, 1966,
5. 101*), vor allem: O. Carruba, OLZ 1969 Sp. 14—19 (der bei seinen
Arbeiten zum Lyd. vielfach andere Ergebnisse erzielt hat); A. Heubeck,
IF 70 (1965) S. 83—86); O. Masson, Kratylos 10 (1965) S. 73—76; G. Neu¬
mann, Gnomon 37 (1965) S. 271—276; R. Stbrnemann, Orientalia 34 (1965)
S. 484—488.
Gusmanis Lyd. Wb. bringt nach einem Vorwort (S. 7f.) und einer Biblio¬
graphie (S. 9ff.) eine Einleitung (S. 17ff.) über das Alter der Sprachdenkmäler,
ihre Fundorte, das Alphabet, Schriftrichtung und Worttronnung (die in den
meisten Inschriften durchgeführt ist), über den Inhalt der Texte und die
Bilinguen sowie die Erforschung der Sprache, das Problem der Sprach¬
verwandtschaft und einiges Grundisätzliche zur Beurteilung von Glossen und
Eigennamen.
Au eine Tabelle des lydischen Alphabets mit den verschiedenen vorge¬
schlagenen Lesungen (S. 29) schließt sich die ..Grammatische Skizze"
316 Bücherbesprechungen
(S. 30—48) mit Lautlehre (S. 30ff.), Formenlehre (Nomen S. 30fr., Pronomen S. 38ff., Verbum S. 40ff.) sowie die Syntax (S. 44ff.) an.
Den Hauptteil bildet das lyd. Wb. (S. 49—228) nebst einer Liste der
fragmentarischen Wörter (S. 229ff.), einem Verzeichnis der Eigennamen aus
den lyd. Inschriften S. 232ff.) und einem rückläufigen Wörterverzeiclmis
(S. 235—248). Gegenüber dem von W. H. Buckler, Lydian Inscriptions in:
Sardis VI. 2 (Leyden 1924) gebotenen Index der damals vorliegenden 51 In¬
sehriften bietet G. in seinem — zu stark aufgegliederten — Wortverzeiclmis (S.49ff.) zusätzlich die wichtigste Literatur bei den einzelnen Stichwörtern
und — mit Maßen —- Vergleiche mit Wörtern aus den übrigen hethitisch-
luwischen Sprachen oder idg. Wortwurzeln. Vieles davon dürfte sich in dem
Moment, wo wir mehr von den Insehriften verstehen werden, als oin interes¬
santes, aber wenig brauchbares Stück Wissenschaftsgeschichte erweisen.
Von den auf weit über 500 (Stbrnemann, Orientalia 34. 486) bzw. über
750 (Neumann, Gnomon 37. 273) geschätzten lydischen Wortstämmen bei
G. S. 49ff. sind nach Neumanns Berechnung (l.c.) mehr oder weniger sichere
BedeutuRgsvorschlägo bei rund 90 Nomina, 80 Verba und etwa 40 Prono¬
mina, Partikeln imd Konjunktionen gemacht. Aus diesem geringen Verständ¬
nis der Texte versteht sich, daß im Moment, wo die engere Beziehung des
Lydischen zu einer überlieferten idg. Sprache des Hothitisch-Luwischen
—• im Gegensatz zum Lykischen — sich nicht bewährt hat, Zurückhaltung
über das Wesen, die Struktur der lydischen Sprache geboten ist.
G. bietet abschließend eine Umschrift der bis 1964 vorliegenden Ol lyd.
Inschriften (S. 250—270), die als lydisch überlieferten Glossen (S. 271ff.) und einen Nachtrag S. 279 f.).
Wir haben Gusmani für seine mit viel Fleiß erarbeitete, didaktisch ge¬
schickt dargestellte Arbeit zum Lydischen sehr zu danken. Sie erschien zum
richtigen Zeitpunkt, da die wieder aufgenommenen Ausgrabungen in Sardi.s
unter der Leitung von G. M. A. Hanfmann berechtigte Hoffnimg auf neue
lydische Inschriften erwecken. (Für die seit 1964 entdeckten Texte s. bereits
Gusmani, Gedenkschrift Wilhelm Brandenstein, Innsbrucker Beiträge zur
Kulturwissenschaft 14, 1968, S. 49ff.). — Verfohlt wäre Gusmanis Einleitung
zum Lydischen jedoch in dem Moment, wo man seine Toxtumschrifton als
vollwertigen Ersatz der Autographien betrachten würde: von fragmentari¬
schen Zeichen, Passagen sowie Lüokenbereclmungen abgesehen, erweisen
sich bekanntlich die Autographien als eine Hilfe bei der Korrektur von vor¬
läufigen Buchstabenlesungen wie dem Kreuz-Zeichen als q und dem Pfeil-
Zeichen, das G. ziemlich vorläufig als c liest (S. 29, 32f.).
Annelies Kammenhuber, Rom
Wolfgang Helck: Ägyptologie an deutschen Universitäten. Franz Steiner
Verlag GmbH., Wiesbaden 1969; 57 Seiten, broschiert DM 9,60.
Vorliegendes Heft gehört zu einer Veröffentlichungsreihe, die in Zusam¬
menarbeit mit Inter Nationes in Bad Godesberg entstanden ist und mono¬
graphisch die Entwicklung einzelner Disziplinen an den deutschen Hoch¬
schulen behandelt. Neben Ägyptologie ist bisher — teilweise auch in eng¬
lischer Sprache — über die Fächer Arabistik und Islamkunde, Sinologie,
Mongolistik und Äthiopistik referiert worden, wobei Ausführung und Kon¬
zeption der einzelnen Hefte weitgehend denselben Richtlinien folgen.
Weitere Abhandlimgen befinden sich in Vorbereitung oder sind geplant.
Büoherbesprechungen 317
W. Helck beginnt mit drei einleitenden Kapiteln, in denen er — vor¬
nehmlich auf den deutschsprachigen Raum begrenzt — die Beschäftigung
mit dem Erbe Altägyptens vor der Entzifferung der Hieroglyphen, den Beginn
einer wissenschaftlichen Ägyptologie und die Ausgräbertätigkeit deutscher
Archäologen in Ägypten beschreibt. Im Zusammenhang damit werden be¬
stimmte Charakteristika der deutschen Forschung während des vorigen
Jahrhunderts — etwa die imterschiedlicho Arbeitsweise an den Lehrstühlen
in Berlin und Göttingen oder die Ursachen für dio Entstehung einer ,, Ecole
de Berlin" — deutlich gemacht.
Danach bespricht Verf. gesondert die einzelnen ägyptologisehen For-
sehungszweige sowio ihre Repräsentanz an den deutschen Universitäten und
zeigt dabei die Entwicklung auf, die die Fachbereiche, etwa der Philologie,
der Geschichte, Religion, Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft usw., irmerhalb
der deutschen Forschung seit Mitte des vorigen Jahrhunderts genommen
haben, ohne zu verschweigen, auf welchen Gebieten sich deutsche Gelehrte
niemals oder doch nur vereinzelt betätigt haben. Zu begrüßen sind die in
diesem Zusammenhang gegebenen Hinweise auf Desiderata, da sie vor allem
den Studenten auf Themen aufmerksam machen können, deren Bearbeitung
wünschenswert und lohnend wäre. Bei einem so weit gespannton Überblick
auf relativ kleinem Raum kann Vollständigkeit nicht erwartet werden,
weshalb os sich erübrigt, nach Ergänzungen zu suchen und sie aufzuzählen.
Abschließend wird über Selbstverständnis und Ausblick der deutschen
Ägyptologie gesprochen und vor allem die moderne Frage nach der Existenz¬
berechtigung der Ägyptologie als Wissenschaft gestellt. Verf. kommt dabei
zu dem Schluß, daß die Aufgabe der Ägyptologie vornehmlich darin bestehe,
Erkenntnisse über die besondere Form der Auseinandersetzung des ägypti¬
schen Menschen mit seiner Umwelt zu gewinnen, um dadurch dem Ver¬
ständnis unserer eigenen Welt näherzukommen. Ägyptologie als Wissen¬
schaft dürfe nicht Selbstzweck soin, sondern müsse sich für eine dauernde
Beeinflussimg anderer geistesgesohichtlicher Fächer offen haiton und ihnen
Hilfestellung bieten. Daß eine Wissenschaft wie die Ägyptologie ihre Existenz¬
berechtigung daneben auch kultureller Verpflichtung verdanken könnte,
muß wohl — und das mag symptomatisch sein — als zu wenig überzeugendes
Argument von vornherein ausscheiden.
Wie Verf. mit Recht schreibt, ist es ,,für eine von so wenigen getragene
Wissenschaft wie die Ägyptologie charakteristisch, daß man sie eigentlich
nicht nur in einem nationalen Rahmen betrachten kann". Und in der Tat läßt
sich die Entwicklung einer Wissenschaft nur sehr unbefriedigend innerhalb
von Grenzpfählen abhandeln; denn immer wieder wird man notwendiger¬
weise auf Impulse stoßen, die von ausländischen Kollegen gekommen sind
und im eigenen, sehr viel kleineren Bereich Reaktionen auslösten, doren
Verständnis unerklärt bleiben müßte, wollte man ihre Ursachen übergehen.
Vorf. hat deshalb auch dort, wo es nötig schien, auf die Forschung im Aus¬
land verwiesen, und wir finden im abschließenden Personenregister eine
ganze Reihe ihrer wesentlichsten Vertreter genarmt.
Winfried Barta, München
Festschrift für Siegfried Schott zu seinem 70. Geburtstag am 20. August 1967.
Herausgegeben von Wolfgang Helck. Wiesbaden, Otto Harrassowitz
1968. 131 S., 4 Tf., 1 Portr., 17 Textabb. DM 38,—.
318 Bücherbesprechungen
In Siegfried Schott besitzt die Ägyptologie oinon der letzten Vertreter jener Gelehrten-Generation, die in ihrer Vielseitigkeit noch ein ganzes Fach¬
gebiet souverän überblicken und beherrschen konnte. Dieser Breite seines
Sehaffensbereiohes trägt eine Festschrift Rechnung, die ihm ein kleiner
Kreis von zwölf Freunden stellvertretend für die ganze Ägyptologie, mit der
ihn so viele internationale Kontakte verbinden, zu seinem 70. Geburtstag
gewidmet hat.
S. 1—6: R. Anthes, Orion, Fuß und Zehe, versucht eine Festlegung des
astronomischen Terminus äih. In den Pyr. mehrmals als Stem oder Sternbild
des Orion erwähnt, kann äih ganz allgemein auch ,,Zehe" heißen; da nun
der ,,Fuß" des Orion heute mit dem arabischen Namen Rigol = ,,Fuß"
bezeichnet wird, könnte äih den Zehenstem des Orion bezeichnen. Dieser
Stem geht für einen Beobachter in Heliopolis um das Jahr 3000 v.Chr. am
Neujahrstag etwa 154 Std. vor dem Sirius an genau derselben Stelle des
Horizonts wie dieser auf. wird somit zum Herold dos Kalendergestims und
gewinnt von hier aus seine Bedeutung in der Mythologie. Hervorzuheben ist
die unkonventionelle Beweisführung des Verf., der sich in einem Planetarium
die Gestirnskonstellation des fraglichen Datums herstellen ließ und erst von
hier aus zu seinen Ergebnissen kam.
S. 7—12: H. Brunner, „Eure Rede sei Ja Ja, Nein Nein" im Ägyptischen,
zeigt Parallelen zwischen dieser Ermahnung zur Wahrhaftigkeit in Mt 5,37
und der ägyptischen Metapher der Übereinstimmung von Herz und Zunge
auf, die sich als Ermahnung zur Rechtschaffenheit von Horapollon über
Pap. Insinger und Amonemope bis zu Ptahhotep und zum Denkmal inemphi-
tischer Theologie zurückverfolgen läßt und im Totengericht anklingt. Dem
Herz als dem Organ, mit dem der Mensch Gottes Wille erkennen kann, ist die
Zunge unterzuordnen.
S. 13—44 mit Tf. I — II: E. Brunner-Traut, Ägyptische Mythen im
Physiologus (zu Kap. 20, 25 und 11), weist nach, daß ,,die sogen. Naturlehr en"
des Physiologus ,,großteils aufklärerisch mißverstandene Mythen älterer
Schichten" sind und oft auf altägyptische Vorstellungen zurückgehen. Bei
dem in Kap. 26 und 25 berichtoten Kampf von Ichneumon und Fischotter
gegen Schlange und Krokodil läßt sich der Kampf von Sonnonhelfem gegen
Sonnenfeinde als ursprünglicher Mythos herausschälen, wobei nur die Rolle
des Fischotters unklar bleibt, der bisher in mythologischen Darstellungen
und Texten der Ägypter nicht nachgewiesen werden konnte. Verf. weist
aufgnmd genauer zoologischer Beobachtung überzeugend nach, daß die
„aufgerichteten Ichneumonen" eigentlich Otter-Figuren sind. Sie sind
sämtlich der Uto geweiht und werden so über das Flammenauge und den
Uräus zum Sonnenrcttor, der als Wassertier gegen den Sonnenfeind im
Wasser, das Krokodil, kämpft, so wie das Ichneumon zu Lande die Schlange
vernichtet. Ägyptische Parallelen in Text und Bild werden in reicher Zahl
herangezogen imd machen die Deutung der Geschichte absolut sicher. Zu
Kap. 11 stellt Verf. fest, daß die Angst der Schlange vor dem nackten Men¬
schen auf das Bild dos nackten Horuskindes auf den Horusstolon zurück¬
zuführen ist.
S. 45—49: J. .1. Cläre, La Ugende d'une seine d'oracle, gibt einen kleinen Beitrag aus seinem reichen Material zur 'religion of the poor', indem er eine bisher ungelöste Passage der Stele Kairo JdE 43649 (vgl. ASAE 16, 161—170) erklärt. Paser, ein kleiner abydonischer Priester, erhält im 14. Jahr Ramses' II. von dem vergöttlichten Amosis I. oin für ihn günstiges Orakel und widmet
daraufhin dem hilfreichen Patron einen kleinen Hymnus, in dem er ihn
Bücherbesprechungen 319
emem Wesir vergleicht, der Roelit spricht. Die höchste ihm vorstellbare
Verwaltungsinstanz wird ihm also zum Bild des Gottes auf unterster Ebene
Amosis, ein sprechendes Bild für den Versuch des einfachen Gläubigen,
Zugang zur Gottheit zu erlangen.
S. 50—60: G. Fecht, Zu den Inschriften des ersten Pfeilers im Grab des
Anchtifi (Mo'alla), beweist einmal mehr die Bedeutung der von ihm ent¬
wickelten Regeln der altägyptisehen Metrik für eine neues und meist richti¬
geres Verständnis selbst längst bekannter Texte. Neben interessanten Detail-
ergebnisson (Unterscheidung von mit dem gleichen Ideogramm geschrie¬
benen Vorben — hier dj und Ssp — aufgrund der Metrik ; eine bislang unbe¬
kannte Art des Strafvollzugs durch Aussetzen des Hingerichteten auf oinem
kaum tragfähigen Brett im Nil, wo er alsbald untergehen muß) gewinnt
Verf. aus den Anchtifi-Texten durch die Anwendung der Metrik des AR vor
allem Aufschlüsse über die politische Haltung des Anchtifi, der sein Ein¬
greifen im Gau von Edfu mit einem Auftrag seitens des Gaugottes Horus
legitimiert; Gottesfurcht und Selbstherrlichkeit gehen eine raffinierte Ver¬
bindung ein. Leider wird die metrische Analyse der Texte erst durch die
Hinzuziehung von nicht weniger als zweieinhalb Seiten Korrigenda ver¬
ständlich, die von Verf. dem Beitrag beigefügt worden sind.
S. 61—70 mit Tf. III: L. Habachi, Tomb No. 226 oj the Theban Necropolis
and its Unknown Ovmer, zioht aus der ihm wie kaum oinem anderen zu
Gebote stehenden Quelle der Aswän-Graffiti Informationen, die es ihm er¬
lauben, als den Besitzer des theb. Grabes 226 (Zeit Amenophis' III.) mit
großer Wahrscheinlichkeit Hki-räw zu ermitteln, den Vater des bislang als
vermutlicher Inhaber dieses Grabes angesehenen Hki-r-nhh. Die von Verf.
nicht herangezogenen Bemerkungen zu dieser Frage von H. Bbunneb, in
ZÄS 86 (1961) 95, Anm. 4 und D. B. Redfobd, in JEA 51 (1965) 113, Anm. 6
bieten der von Vorf. vertretenen Identifizierung keine Hintornisse.
S. 71—72: W. Helck, Zur Chronologie Amenophis'' I., erschließt eine
Gruppe von Festdaten für die historische Forschung: In der Ramessidenzeit
werden mehrfach für ganz bestimmte Tage des Jahres Feste für den längst
verstorbenen König Dsr-ki-B' Amenophis, der mittlerweilen zum Orts¬
heiligen der thebanisehen Nokropole geworden ist, erwähnt, die Verf. ent¬
sprechenden Ereignissen im Leben des Königs zuordnen möchte. So glaubt
er, die Daten des Todes (21. des 3. pr.i), der Bestattung (27. des 1. Smwt
und von hier aus nach Manetho auch der Thronbesteigung (Ende des 1. ih.a)
ermitteln zu können. Daß als Hauptfest offenbar das Fest dos Begräbnisse)
galt, zeigt deutlich den Rang des Königs als Totongott in der Nekropole und
spricht gegen ein realitätsbezogenes Andenken an diesen Herrscher.
S_ 73 79: H. Kayseb, Die Opjertajel des Minpriesters Dedhor in Heidel¬
berg, veröffentlicht die ptolemäische Opfertafel Heidelberg Inv. 11, die aus
Achmim stammen dürfte und dem Priester Dd-Hr, Selm des Ir.t-n.t-Hr-ir.w
gehört, der bereits von der Stele CGC 22045 (Kamal) bekannt ist. Die von
Verf. gegebenen Übersetzungen der aus Titelreihungon und genealogischen
Angaben bestehenden Texte sind an mehreren Stellen unvollständig imd
fehlerhaft, da für Parallelen und Interpretationsfragen nicht einmal H.
Gauthieb, Le personnel du dieu Min (1931) herangezogen wird (um von der
übrigen relevanten Literatur ganz zu schweigen). Als besonders bedauerlich
muß das Fohlen jeglicher Abbildungen bezeichnet werden, die erst eine
Überprüfung der Lesungen des Verf. ermöglichen würden.
S. 80—86 mit Tf. IV 1: E. Lüddekens, Urkunde eines Soldaten über den
Verkauj seines Ernteertrages, veröffentlicht einen kleinen demotischen Papyrus
320 Bücherbesprechungen
(8,4 X 10,5 em), der auf den 14. 3. 246 v.Chr. datiert ist und von dem
Schreiber Ij-m-htp, Sohn dea Mnh-pi-R', ■veri&ßt wurde. In ihm überschreibt der in seiner sozialen Stellung als ..Grieche" bezeichnete, seinem Namen nach
aus Nubien oder dem Sudan stammende Soldat Bdjisj den Ertrag seines
Krautackers einem Suchospriester Hr, der ihm offenbar Steuergelder vor¬
gestreckt hatte. Die Ansprüche Dritter werden ausdrücklich als gegenstands¬
los bezeichnet. Der Text ist die bisher einzige demotische Urkunde aus dom
1. Jahr Ptolemäus' III.; der Schreiber Ij-m-htp ist hier erstmals belegt; das
kleine Format des Papyrus läßt daran denken, daß es sich um den Teil einer
Doppelurkunde handelt.
S. 87—93: M. Malinine, Un contrat deinotique de societe {Pap. Loeb n^n"
47 et 46). Lediglich drei demotisohe Urkunden (Pap. Loeb 41 und 47, Pap.
Louvre E. 7843) handeln von der Vergesellschaftung eines Besitzes. Der von
W. Spiegelbbrg nur in extenso bearbeitete Pap. Loeb 47 wird von Verf.
wegen seiner außerordentlichen Bedeutung neu übersetzt und interpretiert und um dio Erstübei-setzung von Pap. Loeb 46 bereichert, der sich ebenfalls
mit dem Gegenstand des anderen Dokuments beschäftigt. Im Jahr 34 des
Darius kommen in Gebelen zwei Männer überein, Gewiim und Verlust aus
der Haltung von zehn heiligen Gänsen dos Amun gemeinsam zu tragen.
Bemerkenswert ist, daß das Objekt nicht ein fester Besitz, sondern nur dio
Nutzung fremden Gutes ist, die gewissermaßen als Naturalienvergütung für
erbrachte Dienstleistungen erstattet wird. In diesem Zusammenhang erhebt
Verf. die Frage, ob man im alten Ägypten überhaupt von Privateigentum
sprechen kann oder ob nicht vielmehr bis in die Spätzeit die Fragwürdigkoit
dieses Begriffes als selbstverständlich gegenüber der Tatsache angesehen
wurde, daß aller Besitz letzlich Eigentum der Götter (und ihres irdischen
Statthalters, des Königs) bleibt. Vgl. auch Verf. in: Annuaire EPHE IV
Section, 1968/1969, 66.
S. 94—98: Ch. F. Nims, A problem oj syntax in demotic doeuments. iio-j ir
pi si ,, indem ich dieses Dokument gemacht habe" leitet oft in demotisehen
Doppelurkunden Nordägyptens dio Schlußklausel des zweiten Dokuments
ein. Diese Übersetzung wird durch eine bisweilen belegte Parallelkonstruktion i.ir-j ir . . . fraglich. Ebenso wenig kann das Praesens II als Übersetzungs¬
möglichkeit aufrecht erhalten werden, da oin determiniertos Objekt folgt.
So bleibt das ebenfalls vorgeschlagene Futur III als Ausweg, wobei lodiglich das Verbum ir nicht als , .anfertigen" des Schriftstücks, sondern als , .auf¬
führen" dor darin enthaltenen Bestimmungen übersetzt zu werden braucht.
iv>-j idm kann also als die normale Form des demotischen Futur III ange¬
sehen werden.
S. 99—105 mit Tf. IV 2: E. Otto, Eine Darstellung der „Osiris-Mysterien"
in Theben. In Raum 19 des Sethos-Tempols in Qurna bofindot sich eine
schlecht erhaltene Darstellung der posthumen Zeugung des Horus durch den
toten Osiris. Über der Szene steht ein Osiris-Hymnus. Der König hat also
für das Bildprogramm seines Totentempels den Mythos der Vater-Sohn-Folge
Osiris-Horus als Symbol der Kontinuität des Königtvuns gewählt und damit
offenbar der zeitgeschichtlichen Situation Rechnung zu tragen versucht : Er
ist der erste durch Erbfolge legitimierte Herrscher naeh der Amaranazoit und sucht daher den Ausgleich mit alten religiösen Vorstellungen, fügt seine
Regierung in das dogmatisch gesichorte Gebäude des Königtums ein und
bereitet gleichzeitig den Osirismysterien der Spätzeit den Boden.
S. 106— III : G. PosENEK, Amenimope, 22, 9—10 et l'infirmite du crocodile.
Das 21. Kapitel des Amenemope ermahnt zur beherrschten Rede und warnt
Bücherbesprechungen 321
vor leerer Prahlerei. Dabei bringt es als Bild das ..Krokodil, das . . . schreit,
aber seine Kraft ist leicht" (H. O. Lange). Diese Übersetzung bleibt von
mehreren Seiten her unbefriedigend. Auch „a crocodile . . . void of pro¬
claiming, inveterate is the dread of it" (F. Ll. Griffith) verkennt, daß das
Krokodil sehr wohl mit Stimme begabt war. Verf. schlägt für das Wort njS
des Textes (,, schreit", ,, proclaiming") eine Korrektur in ursprüngliches nä
„Zunge" vor und übersetzt ,,le crocodile qui est prive de la langue, son
prestige est antique". Die klassischen Autoren sind sich darin einig, daß das
Krokodil keine oder nur eine verkümmerte Zunge habe, und auch mehrere
ägyptische Texto spielen auf diese Anomalie an. Für den Autor des Amene¬
mope (wie auch für Plutarch, der geradezu diese Stolle zu zitieren scheint) ist freilich das Schweigen des Krokodils ein respektgebietendes Indiz seiner Göttlichkeit.
S. 112—120: P. Posener-Kriegär, Remarques sur l'ensemble funeraire de
Neferirkare Kakai ä Ahu Sir. Mit der Freude über das Erscheinen der vor¬
bildlichen Publikation der Abusir-Papyri vor wenigen Jahren ist zugleich
das Bedauem darüber verbunden gewesen, daß die Herausgober ihre profunde
Kenntnis der Texte nicht auch in einem Übersetzungs- vmd Kommentarband
niederlegen konnten. Umso erfreulicher ist, daß mmmehr Verf. einen ersten
Einblick in den Reichtum der Texte gewährt, wenn sie pl. 31—32 der Publi¬
kation vmtersucht, die das Protokoll einer Tompelrevision enthalten. Unter
optimaler Auswertung des Textes ist es möglich, die Marschroute der
Revisionsmannschaft um die Pyramide und durch don Tempel zu verfolgen
und die dabei namentlich genannten Bauteile mit den von Borohardt frei¬
gelegten Tempelteilen (Toren, Barkon, Pfeilern und Säulen) zu identifizieren.
Darüberhinaus ist es möglich, Bauteile zu erschließen, die von Borohardt
nieht ausgegraben wurden, so z.B. je eine Barke südlich und nördlich der
Pyramide — erstere offenbar mit Oberbau — sowie zwei weitere nicht
lokalisierbare Barken. Zu der akuten Frage ihrer Bedeutung liefert der Text
keine Informationen.
S. 121—124: J. Vandier, Deux textes religieux du Moyen Empire. Unter
der Nummer E. 25485 besitzt der Louvro einen aus vier z.T. beidseitig
reliefierten Platten zusammengesetzten Kasten eines Ameniseneb, der von
Verf. bereits 1963 publiziert und als Serdab gedeutet wurde. (Revue du
Louvre XIII 1 [1963] 1—10, fig. 1—7, pl. I). Die damals einer späteren Ver¬
öffentlichung vorbehaltenen Texte des Denkmals werden nun von Verf. in
hieroglyphischer Abschrift vmd epigraphischem Kommentar vorgelegt.
Inschrift I liefert einen neuen sehr frühen Beleg zu dem von H. Kees (ZÄS
57, 92 120) „Ein alter Götterhymnus als Begleittext zur Opfertafel" benarmten
Spruch und nermt in Z. 3 erstmals dessen Titel ,, Spruch vom täglichen
Blumenstrauß, der zum Grab gebracht wird". Eine ausführliche Interpreta¬
tion dos Textes hat inzwischen H. Altenmüller, in: MDAIK 23(1968) 1—8.
vorgelegt. Der zweite bisher vmbekannte Text ist überschrieben mit ..Spruch vom Abwehren der rrfc-Schlange", oin Titel, der zwar anderweitig mehrfach belegt ist, aber stets anderen Texten vorangeht.
S. 125—131: W. Westendorf, Sinuhe B 160. Die von A. H. Gardiner
„come to help mo; a happy event has occured" übersetzte Stelle im Gebet
des Sinuhe nach seinem Sieg über den Starken von Retenu ist von allen Über¬
setzern als fraglich und urvklar bezeichnet worden. Verf. sieht diese Textstelle
im Zusammenhang mit dem unmittelbar vorangehenden ,,Lied" Sinuhes
(B 149—156), das als Kulminationspimkt der ganzen Geschichte zu gelten
hat und die Peripetie, die Rückkehr Sinuhes in die Heimat, vorbereitet. In
322 Bücherbesprechungen
dem anschheßenden Gebet an den Schicksalsgott malt Sinuhe die Vor¬
stellung eines Begräbnisses in der heimatlichen Erde aus und ruft dabei den
Gott an: „Komme mir zu Hilfe! Was, wenn das gute Ereignis eintritt?", wobei sp njr in Parallele zu Siw njr ,,das gute Geschick" als Euphemismus für ,,Tod" zu verstehen ist.
Dieser letzte Beitrag der Festschrift ist gleichzeitig der einzige, der nicht
dm-ch sinnentstellende Druckfehler beeinträchtigt wird, die in den anderen
Texten in übergroßer Zahl wuchern. Sie sind wohl ebenso wie die meist höchst
mangelhafte typographische Ausführung des Bandes auf eine übereilte
Redaktion zurückzufüluen (Rez. wurde noch im April 1968 von einem der
Autoren nach dem zuständigen Herausgeber gefragt, dem Beiträge einge¬
reicht werden könnten! Vgl. S. 121). Da jedoch bei einem Geschenk imter
Freunden (auf die sich Herausg. im Geleitwort beruft) die nachlässige Ver¬
packung hinter dem eigentlichen Wert einer Festgabe zurücktreten mag,
kann dem Jubilar zum Empfang der ,, Melanges Schott" nur gratuliert werden.
Dennoch sei es gestattet, gewissermaßen als Beitrag der Jugend zum
äußeren Gewand, zur Erleichterung der Lektüre und zur Vervollständigung
der Festgabe folgende Korrekturen und Zusätze anzubringen, wobei die
Großzahl der reinen Druckfehler übergangen werden soll :
S. 1. Z. 42 lies: w'b n.f pidti; S. 3, Z. 4 lios: sih; S. 18, Z. 27 lies: whr^^);
S. 28, Z. 2 lies: (s. u. S. 41); S. 32, Anm. 86: zu Sobek die wiehtigen Bemer¬
kungen von J. YoYOTTB, in Annuaire EPHE 73 (1965) 76ff. ; 74 (1966) 84ff. ;
S. 35: zur Geburt der Sonne aus dem Krokodil vgl. W. Westendobf, Das
AUe Ägypten (1968) 226; S. 36, Z. 30 lies: also; S. 38, Z. 24 lies: fügt. S. 42,
Z. 11 lies: einschleichen lassen; Anm. 15: zur löwenköpfigen Uto und ihrer
Beziehung zum Ichneumon ausführlich J. Vandibb, in Monuments Piot 55
(1965) 18ff., 53f.; S. 43. Z. 29 ist zu streichen; Anm. 118: Die Formulierung
läßt erkennen, daß im Text eine Passage gestrichen wurde, wodurch die
Anmerkung weitgehend sinnlos wurde. Zum Beitrag Fecht (S. 50—60) vgl.
oben. S. 64, Z. 4: Die zitierte Abb. auf Tf. III bildet nieht die Grabmalerei, sondem das Aswan-Graffito ab. S. 72, Anm. 1, Z. 5 lies: (lyj.in.f bzw. h'j.n.f);
S. 74, Z. 18 (ebenso S. 77, Z. 13ff.) lies: Priester des Min, des Horus und der
Isis (vgl. Gauthieb, Personnel du Min, 18f. ; H. de Meulenaebe, in : OMRO
44 [1963] 3, Anm. 9); S. 74, Z. 20 lies: vierter Priester; Z. 22: des Min ist zu
streichen; S. 76—77: Tanzender mit Pavian = hb Dhwtj; S. 77, Anm. 4:
S".t bezeichnet ein Onuris-Heiligt.um in This, nicht den Ort selbst; S. 78,
Anm. 11: zu Nepri vgl. J. Leibovitch, in .INES 12, 106f. ; zum Buch vom
Atmen jetzt J. C. Goyon, Le papyrus du Louvre N. 3279 (1966) hier S.
50—61; S. 84, Z. 19 lies: Lehen; S. 88, Z. 10 lies: ibd 3; Z. 29 lies: mois de Phamenoth; S. 91, letzte Z. lies: rimundration; S. 92, Z. 16 lies: Prärogatives;
Z. 24 lies: terrienne; Z. 36 lies: souvent; S. 94, Z. 7 lies zweimal: pi ss; S.
100, Anm. 9: Viel aufschlußreicher als die zitierte Parallolszeno in Raum
(R)[ll] im Abydos-Tempel sind doch die gut erhaltenen Bilder in Raum
(U)[9] desselben Tempels (E. Otto-M. Hibmeb, 0«iris uiul Amun (1966) Tf.
16—17); S. 103—104: zu den Osirismysterien jetzt E. Chassinat, Le mystlre
d'Osiris au mois de Khoiak (1966—1968); S. 106, Anm. 1 lies: Amenemope,
III; S. 108. Z. 20 lies: 1.86; S. 109, Z. 17 lies: Solin, 32, 22; S. 110, Z. 28 in Ä'd: statt Sign List F 43 steht F 37; S. III, Z. 2 lies: qui soit trempS. dans l'eau (? cf. Onom. Ram., 216 A); Z. 10 in ä": statt Sign List V 31 steht T 30; Z. 17 lies: craint; S. 118, Z. 23 lies: au-dessus; S. 119, Z. 23 lies:
pourtant; Anm. 20, Z. 6 lies: p. 128—9); S. 120, Z. 4 lies: dont; S. 123, Z. 28 lies : ces formules.
Dietrich Wildung, Mimchen
Bücherbesprechungen 323
Erik Hornung : Geschichte als Fest. Zwei Vorträge zum Geschichtsbild der —/
frühen Menschheit. Reihe „Libelli", Band CCXLVI, Wissenschaftliche
Buchgesellschaft Darmstadt 1966. 69 S., 7 Abb., 8°, Ln.
Die Lektüre des in die zwei Kapitel Vom Geschiclvtshild der alten Ägypter ~i
(S. 9—29) und Der Untergang Mexikos im indianischen Geschichtsbild (S. 30—•
47) gegliederten Bändchens wird tunlichst mit dem Nachwort (S. 49—52)
begonnen. Hier erfahren wir, daß Verf. das Manuskript des ersten Kapitels
vorliegender Arbeit 1964 als Antrittsvorlesung in Münster bekanntgemacht
hat imd es hier lediglich um die (82 ausgezeichnet dokumentierten) Anmer¬
kungen vermehrt publiziert. Kapitel II scheint hier erstmals vorgelegt zu
werden. Die Zusammenstellung der beiden ausdrücklich als Vorträge formu¬
lierten Themen läßt zunächst befürchten, daß Verf. die ihm so wohlver¬
trauten Gefilde der strengen Wissenschaft und der fundierten Populärin¬
formation verlassen hat, um sich auf die Suche nach Atlantis zu machen oder
mit Heyerdahl im Papyrusboot vom Mittelmeer in die Neue Welt zu fahren.
Wenn er z.B. Unidentified Flying Objects und das Sendungsbeumßtsein eines
de GauUc (S. 49f.) ins Gespräch bringt, so verstärkt sich nur der Verdacht,
die Grenze der Seriosität soi erreicht. Indes wird alsbald klar, daß Verf.
einen der so selten gewordenen Versuche untemimmt, über den „fachidioti¬
schen" Bereich einer kleinen Wissenschaft hinauszugreifen und Parallelen (nicht Verbindungen!) zwischen Kulturen aufzuzeigen, die in den mythischen
Urgrund der Menschheit zurückreichen. Daß dabei eine bisweilen verein¬
fachende Darstellungswoiso angewandt wird, entschuldigt sich aus der
Themenstellimg heraus. Nicht hoch genug kann geschätzt werden, daß die
Stellung des Dichters zur historischen Wissenschaft in der Person Thomas
Manns in ihrer großen Bedeutung hervorgehoben wird. Freilich muß gerade
hier dem Verf. die Frage gestellt werden, ob der Fachgelehrte, also im
Normalfall der Nicht-Dichter, die Fähigkeit zu zusammenfassenden Visionen
besitzen kann oder ob ihm nur die Funktion, einen gelehrten Kommentar zu
ihnen (S. 51) zu schreiben, zukommt.
Vom Geschichtsbild der alten Ägypter vermittelt Verf. auf 20 Seiten einen
ausgezeichneten Eindruck, dem in der ägyptologisehen Literatur nur wenig
Ebenbürtiges zur Seite gestellt werden kann. Geschichtsschreibung in unserem
Sinne kennt der alte Ägypter nicht. Ihm ist alles historische Geschehen die
zyklische Wiederholung eines einmal fixierten Weltplans, wobei die Einmalig¬
keit eines Ereignisses letzlich nur zur Bestätigung der Richtigkeit einer
allgemeinen Regel dient. Die Denkmäler der Frühzeit definieren die Dar¬
stellung historischer Ereignisse erstmals durch die Schrift, legen aber, wie
die auf ilmen basierenden Annalen des Alten Reiches zeigen, den Schwer¬
punkt nicht auf einmalige Leistungen des Königs, sondem auf stets wieder¬
holbare, als Mythos im Kult stets nachvollziehbare Geschehnisse. Hier sei
dem Rez. die Bemerkung erlaubt, daß ja auch die ägyptische Art der Jahres¬
zählung, die mit jedem König von Neuem anhebt, letzlich auf der Vor¬
stellung von der zyklischen Kontinuität der Geschichte beruht.
Der literarische und bildliche Bericht über historische Ereignisse bedient sich fester Ausdruoksformen, denen die Fakten oft so stark untergeordnet
werden, daß nach modernen Gesichtspunkten von Geschichtsfälschung ge¬
sprochen werden müßte. Der authentische Bericht wird oft durch die
Schablone ersetzt. Geschichte wird zum Mythos, ihr Vollzug zum rituellen
Fest, in dem der Pharao als homo ludens agiert, zu einem kultischen Drama,
dessen Rituxübuch .. . mit den ägyptischen Annalen identisch ist.
324 Bücherbesprechungen
Generell müssen gegenüber dieser Darstellung in ihrer vom Verf. bean¬
spruchten Allgemeingültigkeit zwei Einwände erhoben werden:
1. Verf. versteht unter Oeschichtsbewußtsein vor allem die Stellung zur
eigenen Gegenwart, die Reflexion der eigenen Rolle im augenblicklichen
Weltgeschehen. Damit wird aber auf unzulässige Weise ein Begriff eingeengt,
der ebenso die Haltung des Menschen zur Vergangenheit, zur Geschichte als
Geschehenem, nicht als Geschehendem, umfaßt. Freilich überschneiden sich
beide Definitionen, doch ist das, was als ,, geschichtlich" relevant von der
lebenden Generation aufgezeichnet wird, nicht primär identisch mit dem,
was späteren Generationen als charakteristisch für eine vergangene Epoche
erscheint. Eine eingehendere Untersuchung der letzteren Frage zeigt, daß —
abgesehen von den Königslisten — nichtzeitgenössische Quollen nur in
Ausnahmefällen Informationen zur ägyptischen Geschichte liefern. Die
hauptsächliche Aussage von Kapitel I hätte eine wesentliche Stütze und eine
notwendige Ausweitung in der Tatsache gefunden, daß die posthumen Er¬
wähnungen alter Könige prinzipiell aller historischen Motivierung entbeh¬
ren* und, selbst werm sie rein materialistisch-ökonomisch bedingt sind (wie
z.B. bei Totenpriesterämtem des Alten Reiches), dem ahistorisehen Bereich
der Religion zugewiesen werden müssen.
2. Aus diesem einseitigen Verständnis des Begriffs Oeschichte als Zeit¬
geschichte resultiert ein gravierendes Mißverständnis, das umso schwerer
wiegt, als es dem Nioht-Ägyptologen, den vorliegende Arbeit ebenso an¬
sprechen will wie den Fachmann, ein völlig falsches Bild altägyptischer politischer Wirklichkeit vermittelt.
Oeschichte als Fest sieht der alte Ägypter in seiner nationalen Vergangen¬
heit, die, wie oben angedeutet, viel mehr als die Gegenwart als Mythos
verstanden wird. Oeschichte als Fest ist dem alten Ägypter in seiner Gegen¬
wart ein ideologischer Überbau ohne reale Konsequenzen für das aktuelle
Geschehen. Geschichte als Fest aber müßte, als Realität empfunden, zu
politischem Fehlverhalten katastrophalen Ausmaßes führen, wie es ja Verf.
in Kapitel II seiner Studie (s.u.) am Beispiel der Azteken vorführt. Dem
König des Dogmas, der als Hauptakteur des kultischen Spiels Geschichte
auftritt, steht der leibliche König als raffinierter Diplomat, als selbstbewußter
Feldherr, als autonomer Politiker gegenüber, dessen Handlungen nicht dem
Regieplan der Annalen, sondern der akuten politischen Lage unterworfen
sind.
Wenn Verf. fordert : Im Rahmen des Geschichtsbildes darf uns zunächst nur das Überpersönliche am Königtum interessieren (S. 23), so übergeht er damit
die Spannungen zwischen Idealbild des Dogmas und politischer Realität
und entschließt sich bedauerlicherweise zu einer keimfreien Darstellung eines
Mythos. Eine genaue Definition des Grundbegriffes Geschichte hätte zwangs¬
läufig zu einer Betonung des rein dogmatischen Charakters des hier aus dem
Gesamtkomplex ausgewählten Sektors geführt.
Kapitel II kommentiert den in der Geschichte der Königreiche, bei Saliagün
und im Memorial breve überlieferten indianischen Bericht vom Untergang
* Ausnahmen bilden Denkmäler seit der Perserzeit, die wohl unter fremdem Einfluß erstmals „historische Forschung" erkennen lassen, so z.B. die In¬
schrift des Hnm-ib-R' im Wädi Hammämät oder die Hungersnotstele. In
beiden Texten werden Persönlichkeiten der Vergangenheit historisch richtig
miteinander in Verbindung gebracht. Die Frage nach der Kausalität histori¬
scher Ereignisse bleibt aber auch in dieser Zeit noch ungestellt.
Bücherbesprechungen 325
Mexikos beim Emfall der Spanier in Mittelamerika. Geschichte als kultisches
gpiel — eine im alten Ägypten nur im Dogma ausgeprägte, nicht im politi¬
schen Vollzug verwirklichte Vorstellung : hier wird sie als grausames Drama
bis zur blutigen Katastrohe durchgespielt. Wenn wir den authentischen
Quellen glauben dürfen, so empfand sich der Herrscher Mexikos als ein nach
der unabänderlichen Weltordnung eingesetzter und jederzeit nach derselben
Ordnung wieder ablösbarer Vollstrecker vorgegebener Richtlinien. Eine
solch ausschließliche Gültigkeit des Königsdogmas auch in politischer imd
militärischer Hinsieht wäre im alten Ägypten allein schon aufgrund seiner
intemationalen Verflochtenheit innerhalb des Vorderen Orients nicht prak¬
tizierbar gewesen.
So können die von Verf. für das altägyptische Geschichtsverständnis als
kennzeichnend herausgestellten Motive zwar für die Endphase der indiani¬
schen Geschichte Mexikos als gültig anerkannt werden, müssen aber für
Ägypten in der von Verf. geforderten Verbindlichkeit abgelehnt werden.
Das große Verdienst des Verf. beruht darin, unsere Kenntnis vom Wesen
altägyptischen Denkens erheblich vertieft zu haben und nicht nur viel
Material, sondem vor allem Ermutigung beigesteuert zu haben zum Bemühen
um die Einsicht in eine altägyptische ,, Philosophie".
Zu den Anmerkungen von Kapitel I sind folgende Ergänzungen nach¬
zutragen :
Anm. 1 A. Klasens. Egyptologie avant la lettre (1961); E. Otto, Geschichts¬
bild und Geschichtsschreibung in Ägypten, Die Welt des Orients, Band III/3
(1966) 161—176; L. Kakosy, Urzeitmythen und Historiographie im alten
Ägypten, Neue Beiträge zur Geschichte der alten Welt (1964) 57—68; E.
Otto, in: Saeculum 20 (1969) 385—411.
Anm. 4 Vor Menes überliefern die Annalen auch Könige mit der Doppel¬
krone: J. H. Breasted, in BIFAO 30 (1931) 709—724.
Anm. 26 Zu den Ächtungstexten aus Mirgissa zuletzt A. Vila, in Journal
des Savants 1963, 13,5—160 sowie G. Poseneb. in Syria 43 (1966) 277—287.
Anm. 33 Die bauliche Einheit Tempel-Palast läßt sich jetzt auch für
Abydos belogen: E. Ghazouli, in ASAE 58 (1964) 99—186, pl. I—XXXIII.
Anm. 43 Zu den Annalen das neue Kairener Fragment : J.-L. de Cenival,
in BSFE 44 (1965) 13—17.
Dietbich Wildung, München
Peteb Kaplony : Kleine Beiträge zu den Inschriften der ägyptischen Frühzeit.
Ägyptologische Abhandlungen. Band 15. O. Harrassowitz, Wiesbaden,
1966.
Der vorliegende Band stellt die Fortsetzung des Werkes Die Inschriften
der ägyptischen Frühzeit des Verfassers dar, von dem bereits drei Bände und
ein Supplement erschienen sind ; die Numerierung der Abbildungen setzt die
des Supplementbandes fort. Das umfangreiche, leider etwas unübersichtliche
Work hat dio Erschließung der archaischen ägyptischen Texte zum Ziel, also
der hieroglyphischen Inschriften aus der Zeit der beiden ersten Dynastien.
Sie flnden sich vor allem als Aufschriften von Siegeln, Elfonbeinplättchen und Gefäßen, aber auch auf Grabstelen und Grabplatten.
In den Abschnitten 1.—9. der ,, Kleinen Beiträge" werden 9 neue Grab¬
platten aus Helwän, dem Hauptfundort dieser Gattung, ausführlich be-
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sprochen (alle im Tafelteil abgebildet), im Anschluß an die 43 bereits ver¬
öffentlichten Stücke (26 aus Helwän, 10 aus Saqqära, die übrigen unbekann¬
ter Herkunft). Im Gegensatz zu den Grabstelen, dio meist mu den Namen
und allenfalls den Titel, später auch die (stehende) Figur des Verstorbenen
geben, ist auf den Grabplatten der Grabherr vor dem Speisetiseh sitzend
dargestellt imd umfangreiche Opferlisten zählen seine Versorgung''für das
.lenseits auf. Sie stellen eine wichtige Quelle für die Wirtschaftsgeschichte der Frühzeit — und neben den Siegeln die hauptsächlichste Quelle archaischer Inschriften — dar.
Daran schließen sich in vier weiteren Abschnitten Spezialuntersuchungen an: Uber die Hieroglyphe für bji ,, Kupfer", zu einigen Zeichen auf Etiketten der I. Dynastie und auf dem ,, Palermostein", zur Hieroglyphe des Esels¬
kopfes und zu einigen erstmals veröffentlichten kleinen, beschrifteten Denk¬
mälern, darunter einer Pavianflgur der Königin Merit-Neit. Hierauf folgt
ein sehr umfangreicher Anmerkungsteil, endlich die hier besonders not¬
wendigen Indices (Titel, Orts- und Amtemamen, Schiffsnamen, Personen,
Königsnamen, Götter und religiöse Begriffe, ägyptische Wörter). Am Schluß
sind noch 11 Seiten Nachträge angefügt, die besser vor den Indices stehen
und in diesen verzettelt sein sollten.
Im Text und in den Anmerkungen ist ein Fülle von Material zur Wirt¬
schaft, Soziologie und Religion der Frühzeit verstreut, besonders aber zur
ägyptischen Wortforschung. Die Geschichte der ägyptischen Frühzeit wird
erst geschrieben werden können, wenn die bisher noch weitgehend uner¬
forschte archaische Hieroglyphenschrift verständlich geworden ist, wozu die
umfassende Sammlung des Verfassers die notwendige Grundlage schafft,
auch da, wo man gelegentlich seinen oft recht apodiktisch vorgetragenen
Deutungen nicht folgen mag.
J. V. Beckerath, München
Elmar Edel: Die Felsengräber der Qubbet elHawa bei Assuun. II. Ahto'dung.
1. Band. 1. Teil. Otto HarrassowitzT Wiesbaden 1967. 8 Seiten, 396 Tafeln.
4°. DM 40.—.
Die Qubbet el Hawa, der seit dem Alten Reich als Nekropole boniitzte
Gräberberg auf dem Westufer des Nils gegenüber von Assuan, ist — abge¬
sehen von den kursorischen Ausgrabungen durch Sir F. Grenfell und Colo¬
nel H. Smith (1885—1887) sowie Lady Cecil (1905), der Beschreibung durch
J. DE Morgan (1894) und den Forschungen H. W. Müllers (1934/35, 1937)
—• nie systematisch untersucht worden. Zudem ist eine große Zahl der einst
freigelegten Gräber heute wieder weitgehend versandet und bisweilen unauf¬
findbar, was zusammen mit den verschiedenartigen Numerierungssystemen,
die zur Kennzeichnung der Gräber angewandt wurden, zu einer kaum über¬
bietbaren Verwirmng führte.
Im März 1958 imtemahm E. Edel eine Bestandsaufnahme der Gräber
und begann 1959 mit ihrer gründlichen Säuberung und vollständigen Aus¬
grabung und Aufnahme ; seither setzt er seine Arbeiten alljährlich (mit Aus¬
nahme der Jahre 1964 und 1966) fort*. Die bisher bekannten Pläne der
* Vgl. die Vorberichte in ASAE 57 (1962) 33—41; ZÄS 93 (1966) 48—55;
Archäologischer Anzeiger 1966/4 (1967) 581—585; ASAE 60 (1968) 74—94.
Femer J.Lbclant, inOrientoKa 30 (1961) 188f.; 31 (1962) 203; 32 (1963)^89;