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Zum geographischen Horizont der Ras-Schamra-Texte Von Otto Eißfeldt, Halle (Saale)

Bei den Jcleineren, teils akkadischen, teils ,, phönizischen' nnd „hurritischen" Ugarit-Texten, die meist geschäftlicher

Art sind, nürniich Listen, Briefe, Rechnungen und dergleichen

darstellen, herrscht über die geographische Zugehörigkeit der

in ihnen vorkommenden Namen von Städten und Ländern

im allgemeinen kein Zweifel: soweit sie überhaupt mit einiger

Sicherheit oder doch Wahrscheinlichkeit identifiziert werden

können, weisen sie nach Ugarit selbst und in seine nähere

und fernere Umgebung, jedenfalls nach Nordsyrien und seine

Nachbarländer. So kommt — um nur ein paar Beispiele zu

nennen — Ugarit selbst vor in dem ,, phönizischen" Text 2'),

in dem ,, hurritischen" 4 und im Kolophon des sumerisch

akkadischen Vokabulars Nr. 112), während Text 56, eine

genealogische Liste von Personennamen mit Angabe ihrei

Heimat'), neben Ugarit eine Reihe nordphönizischer und

iiordsyrischer Orte aufführt, darunter 'areme*) 100 km süd

lieh von 'el-lädiqlje (Laodicea am Meer) und dschebel (Bybios)

oder vielleicht eher das 25 km südlich von 'el-lädiqlje gelegene

dschebele (Gabala)'^). Der von Ch. Virolleaud, La Legende

Phenicienne de Danel, Paris 1936, S. 21—26 veröffentlichte

1) Die Texte werden nach Hans Backr, Die Alphabotischen Keil¬

schrifttexte von Ras Schamra, 1936, die darin nicht berücksichtigten nach der Original-Veröffentlichung zitiert.

2) F. Thureau-Dangin, Syria 13, 1932, S. 286—241.

3) Vgl. B. Maisler, A Genealogical List from Ras Shamra (Journid of the Palestine Oriental Society 16, 1936, S. 150—157).

4) R. Dussaud, Topographic Historique de la Syrie Antique et

M6di6vale, Paris 1927, Karte VBl und S. 91. 120. 511.

5) Dussaud, ebenda, Karte VII A 1 und S. VI. 2fr. 101. 111. 136«.

150. 422. 432 ff. 447.

(2)

60 O. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Sciiamra-Texte

Brief des Niqmepa an Ibira erwähnt eine Stadt Alalah, und

ein glüciclicher Zufall hat es gefügt, daß die 1937 von Sir

Leonard Woolley begonnene Ausgrabung des 30 km östlich

von 'antäqie (Antiochia) gelegenen teil 'atSana Keilschrift¬

tafeln eines Niqmepa, Königs von Alalah, zutage gefördert

und damit das in jenem Ugarit-Brief und in anderen antiken

Nachrichten bezeugte Alalah als auf dem teil 'atSana gelegen

identifiziert und zugleich den Niqmepa des Ugarit-Briefes

als König dieser Stadt bestimmt hat*). Hier ist also die An¬

setzung einer von den Ugarit-Texten erwähnten Stadt in

Nordsyrien ganz gesichert. Hinter den so z. T. eindeutig be¬

zeugten nordsyrischen Namen treten wenigstens in den

kleineren Texten solche aus dem südlichen Phönizien und

aus Palästina zurück. Denn das in Text 56 mehrfach vor¬

kommende 'elStm' etwa, das R. Dussaud 2) mit dem Jos.

15, 10; 21, 14; 1. Sam. 30, 28; 1. Chron. 4, 17. 19; 6, 42 ge¬

nannten 'eifmo'^', dem heutigen 'es-semü'a 20 km südlich von

Hebron, gleichsetzen möchte, braucht keineswegs dort ge¬

sucht zu werden. „Gott des Orakels" — das bedeutet 'eltSm' —

ist ein Name, der bei der Wichtigkeit des Orakelwesens in der

antiken Religion sehr wohl an mehreren Stellen denkbar ist').

So kann und wird mit dem in Text 56 genannten 'elStm' ein

Ort dieses Namens in der Nachbarschaft von Ugarit gemeint

sein.

Ganz anders als bei den kleineren Texten liegt es hin¬

sichtlich der Ansetzung geographischer Namen bei den grö¬

ßeren Texten, die, durchweg „phönizisch" abgefaßt, alle

mythologisch-sagenhafter Art sind. Zunächst ist es hier bei

einer nicht geringen Zahl von Worten strittig, ob sie über¬

haupt geographische Namen und nicht vielmehr einfache

Appellativa und Verba darstellen. Sodann gehen die Mei-

1) Vgl. Sir LioNABD WooLLET, Excavations at Atchana-Alalakh

1938 (The Antiquaries Journal 19, 1939, S. 1—33) und Sidnkt Smith,

A Preliminary Account of the Tablets from Atchana (ebenda, S. 38—48);

R. J. Bbaidwood, Mounds in the Plain of Antioch, Chicago 1937, S. 34.62.

2) Syria 16, 1935, S. 228; Les D6couvertes de Ras Shamra (Ugarit) at l'Ancien Testament, Paris 1937, S. 228.

3) Vgl. Hans Badbb, Orientalist. Liter.-Zeit. 38, 1935, S. 133.

(3)

0. EiBSFBLDT, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 61

nungen darüber, wo die tatsächlichen oder angeblichen Orte

zu suchen sind, weit auseinander: die Sinaihalbinsel, genauer:

der Nordostteil der Sinaihalbinsel, die spätere Arabia Petraea,

und Edom, das südliche Phönizien und Palästina, das nördliche

Phönizien und Nordsyrien sind als Schauplatz in Vorschlag

gebracht worden. Während Virolleaud und Dussaud und

mit ihnen andere wie Gl. F.-A. Schaeffer mit der Bestim¬

mung von Worten als geographische Namen sehr freigebig

sind, diese überwiegend auf der Sinaihalbinsel und im süd¬

lichen Palästina ansetzen und die hier spielenden Erzählungen

als Erinnerungen an die Herkunft der Phönizier von der

Sinaihalbinsel und ihrer allmählichen Wanderung nach

Norden erklären, sehen W. F. Albright, H. L. Ginsberg,

J. Aistleitner und andere in einer ganzen Reihe der hier in

Betracht kommenden Worte einfache Appellativa und Verba,

suchen, soweit sie auf eine Ansetzung nicht überhaupt ver¬

zichten, die übrigbleibenden Namen irgendwo in Nordsyrien

und verknüpfen die betreffenden Erzählungen so mit Ugarit

und seiner Nachbarschaft. R. P. R. dk Vaux*) aber und in

seinem Gefolge R. de Langhe') denken sich als Hauptschau¬

platz wenigstens eines der größeren Texte, des Keret-Epos*),

das südliche Phönizien und das nördliche Palästina, wie

Dussaud schon vorher für einen anderen dieser Texte, den

von Virolleaud in Syria 17, 1936, S. 150—173 veröffent¬

lichten Text ,,'Anat et la Genisse", angenommen hatte, daß

die zum Hinterland von Tyros gehörige Umgebung des

Hüle-Sees der Ort der Handlung sei*).

Aus den großen Texten kommen hier — neben der Nen¬

nung von Libanon-Holz und Sirjon-Zedern als Baumaterial

für einen Tempel in B VI, 18—21, die darum für unsere

1) In dem unten S. 110 ff. angezeigten Buche.

2) Le Cadre Geographique duPofeme de Ä^rt (Revue Biblique 46,1937, S. 362—372); Anzeige von Virolleaud's Erstveröffentlichung des Keret- Textes (ebenda, S. 443—447).

3) In dem unten S. 112ff. angezeigten Buche.

4) Ch.Virolleaud, La Legende de Keret Roi des Sidoniens, Paris 1936.

5) Dussaud, Cultes Canan6ens aux Sources du Jourdain d'aprfes

les Textes de Ras Shamra (Syria 17, 1936, S. 283—295).

Zeitschrift d. DMO Bd. M (Neue Folge Bd. 19) 5

(4)

62 0. EisspKLDT, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

Frage zunächst *) unergiebig ist, weil solches Holz weithin

verfrachtet worden ist, nach Ägypten ebenso wie nach Assy¬

rien und Babylonien, und so sehr wohl in einer Erzählung

vorkommen kann, die im übrigen in Nordsyrien beheimatet

ist — das außer in einigen kleinen Texten in A*, A, B, DaneP)

und 'Anat') erwähnte spn, Saphon, einerseits und eine Reihe

angeblich oder tatsächlich geographischer Namen in Text 60

und im Keret-Text anderseits in Betracht. Was Saphon an¬

geht, das ,, Norden" bedeutet und namentlich in der Ver¬

bindung b'l spn, Ba'al Saphon, ,, Ba'al des Nordens" vor¬

kommt, so sieht Dussaud*) hierin die Bezeichnung des

Libanon oder der Libanon-Gegend und in Ba'al Saphon den

Gott des Libanon, indem er sich diese Bezeichnung im Süden

von Palästina, der Heimat der Phönizier, aufgekommen

denkt, wo die Libanon-Gegend als Norden und ihr Gott als

,,Herr des Nordens" erscheinen mußte. In meinem Buche

„Baal Zaphon, Zeus Kasios und der Durchzug der Israeliten

durchs Meer" von 1932 habe ich dagegen Ba'al Saphon als

Vorgänger des Zeus Kasios, also als Gott des etwa 50 km nörd¬

lich von Ras Schamra 1780 m emporragenden dschebel ' eWaqra' ,

des Kasios der griechisch-römischen Zeit, zu bestimmen gesucht

und damit Saphon im nördlichsten Syrien angesetzt. Andere

haben sich in demselben Sinne ausgesprochen. Aber eine

Entscheidung der Frage ist noch nicht erzielt worden, wenn

auch die Tatsache, daß Gl. F.-A. Schaeffer 1937 auf der

Höhe des dschebel 'el-'aqra' eine bis in die griechisch-römische

Zeit benutzte altphönizisclie Opferstätte aufgedeckt hat*),

jedenfalls für die Heiligkeit des Berggipfels zeugt und damit

der Ansetzung des Ba'al Saphon auf ihm eine gewisse archäo¬

logische Stützung gibt*).

1) Siehe unten S. 82.

2) Virolleaud, La Legende Phenicienne de Danel, Paris 1936.

3) Vibolleaud, La Deesse 'Anat, Paris 1938.

4) Decouvertes, S. 69.

5) Syria 19, 1938, S. 323—327.

6) Mit dieser Identifizierung des Saphon fällt dann auch die —

übrigens mit glänzendem Scharfsinn und wundervoller Kombinations¬

gabe — von Dussaud in dem S. 61, Anm. 5 genannten .\ufsatz vollzogene

(5)

O. EissPKLDT, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 63

In Text 60 hat Dussaud^) im Anschluß an Virolleaud

mdl Spm als das Schilfmeer, hebräisch jam-sup, mdbr qdS als

die Wüste von Kades auf der Sinaihalbinsel, 'aSdd als Asdod

an der philistäiscben Küste und Sb'nj als den Heros der süd-

judäischen Stadt Beerseba bestimmen und damit die Sinai¬

halbinsel und den Süden von Juda als Schauplatz der Dich¬

tung nachweisen wollen. Aber Ginsberg*) und Albright')

entziehen diesen Gleichungen dadurch den Boden, daß sie

Spm als Appellativum mit der Bedeutung ,, kahle Hügel", das

'aSld zu lesende angebliche 'aSdd = Asdod als Verbum = ,,ich

habe erzeugt", die Sb'nj enthaltende und wÜSb'n j 'ast abzu¬

teilende Wortgruppe als ,,und seid gesättigt, o ihr beiden

Frauen" erklären und das qdS in mMr qdS auf die Stadt Kades

am Orontes, also in Nordsyrien, beziehen. Ähnlich liegt es

im Keret-Text. Virolleaud, Dussaud und andere finden

hier — außer den Namen der israelitischen Stämme Sebulon

und Ascher*) — eine ganze Reihe von Namen, die in den

Süden von Juda weisen, so vor allem Edom in 'udm und das

judäische Südland, den Negeb, in ngb, wie sie denn den Namen

des Helden der Erzählung, krt, dem k'rett in der 1. Sam.

30, 14 vorkommenden Benennung des Südlandes als negeb

ha-k'rett, ,, Südland des Keretiters" an die Seite stellen und

Ansetzung des Textes „'Anat et la G6nisse" in der Umgebung des

Hüle-Sees. Denn sie ist nur möglich, wenn das Kol. III, Z. 31 vorkom¬

mende spn, wie Düssaud das tut,| mit dem Libanon identifiziert wird;

die unter Berufung auf die bei Josephus Ant. V 5,1, §199; Bell.

III 10, 7, § 515, IV 1, 1, § 2jbezeugte Benennung des Sees als 2:eft,a{e)- XcoviTLs (vgl. auch P. F.-M. Abel, Geographie de la Palestine I, Paris

1933, S. 491) vorgenommene Deutung des Kol. II, Z. 9. 12 stehenden

'als ^'nk als „Sumpf von Semak" und die Beziehung dieser Bezeichnung

eben auf den Hüle-See ist zu unsicher, als daß sie die Ansetzung von

Saphon in Nordsyrien entkräften könnte.

1) Decouvertes, S. 57.

2) The Birth of the Gracious and Beautiful Gods (Journal Royal

Asiat. Soc. 1935, S. 45—72).

3) Was the Patriarch Terah a Canaanite Moon-God? (Bullet.

Americ. Schools Orient. Res. 71, 1938, S. 35—40).

4) Vgl. dazu DB Lanohe in seinem unten S. 112fr. angezeigten Buche, S. 75—82.

5*

(6)

64 0. Eissfbldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

dies als Erinnerung an den „phönizischen" König Keret, der

hier einmal Herr gewesen sei, erklären. So ist denn nach

Virolleaud und Dussaud der Schauplatz der Keret-Er-

zählung, die sie auf weite Strecken als Bericht von Kampf¬

handlungen verstehen, eben der Negeb und Edom^). Andere

wie Albright*), Aistleitner'), R. P. R. de Vaux und dk

Langhk geben eine Reihe der von jenen als geographische

Namen in Anspruch genommenen Worte wieder als Appella¬

tiva oder Verba aus — wobei ein Teil von ihnen, dk Vaux

und DK Langhk und anscheinend auch Albright*), freilich

ihrerseits einige der von Virollkaud als Appellativa oder

Verba verstandenen Worte als Ortsnamen deuten — und

setzen die von ihnen belassenen oder neu gefundenen geo¬

graphischen Namen weiter im Norden, in Nordsyrien oder

doch im nördhchen Palästina an*).

Der flüchtige Überblick über die hinsichtlich des Schau¬

platzes der großen Ugarit-Texte, insbesondere der Keret-Er-

zählung, bisher vorgetragenen Ansichten rechtfertigt trotz

seiner Unvollständigkeit doch vielleicht das Urteil, daß hier

das Bemühen, die in der Erzählung vorkommenden Orts- und

Landesnamen zu den sonst — aus Bibel, ägyptischen Listen

syrisch-palästinischer Orte, Amarna-Briefen sowie aus der

heutigen Benennung — bekannten geographischen Namen

ähnlichen Aussehens und vermutlich oder tatsächlich ähn¬

licher Lage in Beziehung zu setzen und so ihre Heimat zu

bestimmen, nicht zum Ziele geführt hat. Es konnte auch gar

nicht anders sein. Denn einmal kommen im antiken wie im

gegenwärtigen Vorderen Orient eine Fülle von Ortsnamen an

vielen Stellen vor; sodann läßt die Tatsache, daß die Ugarit-

Texte nur den Konsonanten-Bestand der Namen enthalten,

eine sichere Aussage über die genaue Form des betreffenden

1) Vgl. Dussaud, Decouvertes, S. 57—59. 101—113.

2) New Canaanite Historical and Mythological Data (Bullet. Americ.

Schools Orient. Res. 63, 1936, S. 23—32).

3) Die Keret-Legende. Deutschsprachiger Auszug aus der Zeit¬

schrift Theologia, Budapest 1938.

4) Bullet. Americ. Schools Orient. Res. 70, 1938, S. 22f.

5) Siehe unten S. 82 fT.

(7)

0. Eissfbldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 65

Namens meistens nicht zu, vervielfacht damit die Zahl der

etwa vergleichbaren Namen aus anderen Quellen und ver¬

größert im selben Maße die Unsicherheit der Vergleichung.

So gibt es im antiken und im modernen Syrien-Palästina

eine ganze Reihe von Ortsnamen mit den drei Konsonanten ',

d und m^), und neben dem biblischen Negeb ist uns aus der

Grabinschrift des ägyptischen Generals Amenemheb aus dem

15. Jahrhundert v. Chr.*) ein die drei Konsonanten n, g, b ent¬

haltender Ort bekannt, der wahrscheinlich nicht im Süden

von Juda, sondern wohl in Nordsyrien zu suchen ist. So soll

im folgenden von der Identifizierung der im Keret-Epos, auf

das sich die Untersuchung hinfort beschränken muß, vor¬

kommenden geographischen Namen zunächst abgesehen und

der Versuch gemacht werden, aus immanenter Interpretation

des Textes und seines Erzählungsganges über die Frage des

von ihm vorausgesetzten Schauplatzes Klarheit zu gewinnen.

Vorauszuschicken sind nur ein paar kurze Bemerkungen über

Inhalt und Aufbau der Erzählung, die dankbar die von den

bereits genannten Autoren zur Erklärung des Textes ge¬

lieferten Beiträge benutzen.

Die bisher veröffentlichte Tafel des Keret-Epos — zwei

weitere harren noch der Veröffentlichung — erzählt, wie

König Keret mit großem Truppenaufgebot sich zu Pebel-

melek, König von Udum, begibt und ihn um die Hand seiner

schönen Tochter bittet, und ist so angelegt, daß — nach den

schwer deutbaren, weil stark beschädigten, Zeilen 1—61 —

Z. 62—155 mitteilen, wie Gott El im Traume Keret den Be¬

fehl zum Handeln gibt und ihm den Gang der Dinge voraus¬

sagt, und daß Z. 156—300, weithin mit denselben Worten, die

Ausführung bringen, während der Schluß, Z. 300—306, wohl

den anscheinend auf Fortsetzung angelegten Anfang einer neuen

Szene bildet und daher zunächst noch unverständlich bleibt.

1) Siehe unten S. 74.

2) Deutsche Übersetzung von H. Rankb bei H. Gbebsmahh, Alt¬

orientalische Texte zum Alten Testament, 2. Aufl. 1926, 8. 88—90,

hier freilich mit Deutung von ngb auf den judäischen Negeb; siehe im

übrigen db Lanohe in seinem unten S. 112 ff. angezeigten Buche, 8. 63 f.

(8)

66 0. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

Keret wird deutlich „König" genannt, aber über welches

Land oder welche Stadt er König gewesen ist, wird nirgends

gesagt. Die, auch im Titel von Virolleaud's Erstveröffent¬

lichung zum Ausdruck kommende, Benennung Kerets als

„König der Sidonier" beruht, wie Albright *) und W. Baum¬

gartner*) einleuchtend dargetan haben, auf falscher Er¬

gänzung von Z. 279. 280 und muß daher preisgegeben werden.

Wohl aber ist ersichtlich, wo Keret die Vorbereitungen zu

seinem Zuge trifft: in ngb (Z. 85f. 176f.). Möchte Aistleitner

auch dies Wort als Appellativ ansehen und — unter Ver¬

gleichung der arabischen Worte nagb „vornehm", nugaba

„Held" — als die „Edlen" erklären, so bleibt die Auffassung

als geographischer Name doch wahrscheinlicher. Z. 86—88,

in der Ankündigung des Kommenden, stehen nämlich sb'e ngb

,,das Heer von ngb" und sb'uk ,,dein Heer" und Z. 177 f., in

der Erzählung des Geschehenen, sb'e ngb ,,da8 Heer von ngb"

und sb'uk ,,sein Heer" parallel, und das läßt, da mit ,,dein" und

„sein Heer" sicher das des Keret gemeint ist, bei ,,dem Heer

von ngb" am ehesten an das seines Landes oder vielleicht eines

Teils davon denken'). Kerets Land oder der hier in Betracht

kommende Teil seines Landes wird hier also ngb genannt.

Angesichts der Tatsache, daß im Alten Testament negeb für

,, Trockenland" und für ,, Süden" gebraucht wird und daß der

hier gemeinte Süden, nämlich das im Süden von Juda gelegene

Gebiet, wirklich ein Trockenland ist, liegt, da „Trockenland"

möglicherweise die Grundbedeutung des Wortes darstellt, die

Annahme, daß es nur in Palästina die Bedeutung,,Süden" habe

annehmen können und daß daher auch das ngb des Keret-

Textes sich nur auf diese Gegend beziehen könne, nahe, um so

näher, als neben ngb das als Edom deutbare 'udm in dem Texte

erscheint und der judäische Negeb und Edom ja in Wahrheit

benachbart sind. Aber sicher ist es keineswegs*), daß negeb

1) Bullet. Americ. Schools Orient. Res. 63,1936, S. 31; 70,1938, S.23.

2) Theol. Liter.-Zeit. 63,1938, Sp. 14; Journ. Palest. Orient. Soc. 18,

1938, S. 50—53. 3) Siehe unten S. 68.

4) Albbioht, Bullet. Americ. Schools Orient. Res. 63, 1936, S. 32

vertritt geradezu die Auffassung, dafi ngb von Haus aus „Süden" be-

(9)

O. EiasPKLDT, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 67

von Haus aus „Trockenland" bedeutet, und wenn es der Fall

sein sollte, so ist doch damit noch lange nicht ausgemacht,

daß die Bedeutungsentwicklung zu „Süden" sich an dem

südlich von Juda gelegenen trockenen Lande vollzogen habe

und darauf beschränkt geblieben sei. War negeb „Süden" bis¬

her nur aus dem Hebräischen bekannt, so liegt das doch bei

sapön ,, Norden" nicht viel anders: erst die Ras-Schamra-

Texte haben es uns als phönizisches Wort kennen gelehrt und

damit gezeigt, daß es eine über das Hebräische hinausgehende

Verbreitung gehabt hat. Dasselbe gilt, wie nun das ngb des

Keret-Textes dartut, von negeb ,, Süden", und von hieraus

bedarf nun auch das Urteil über das umstrittene Verhältnis

von arabischem dschanübun „Süden" zu hebräischem negeb^)

einer Nachprüfung, die wohl das Ergebnis haben wird, daß

beide vom selben Stamme gebildet sind. Es darf schließlich

auch daran erinnert werden, daß in vielen Sprachen, beson¬

ders auch in indogermanischen, Ursprung und Grundbedeu¬

tung der Bezeichnungen für die Himmelsrichtungen völlig

im Dunkeln liegen und daß es auch hier unmöglich ist,

darüber einigermaßen zuverlässige Aussagen zu machen.

Nach alledem liegt es bei einem in Ugarit aufgetauchten Text

doch wohl am nächsten, ein darin vorkommendes ngb „Süden"

auf den Süden von Ugarit zu beziehen. Nun hat, wie Virol¬

leaud am 30. Juni 1939 auf Grund neuer Textfunde der

Pariser Academie des Inscriptions berichten konnte*), das

Königreich von Ugarit etwa hundert Städte und Dörfer um¬

faßt und einigermaßen dem heutigen Gebiet der Alauiten»)

entsprochen, also im Süden bis ziemlich an den nahr el-kebir,

den Eleutheros der griechisch-römischen Zeit, herangereicht.

deutet, während die Bedeutung „Trockenland südlich von Palästina"

sekundär und auf Palästina beschränkt sei.

1) Vgl. J. Babth, Etymologische Studien, 1893, S. 4f. und Wurzel¬

untersuchungen, 1902, S. 55 einerseits und S. Fbabmkbl, Zum spora¬

dischen Lautwandel (Beitr. z. Assyriologie III, 1898, S. 60—86), S. 65 anderseits.

2) Vgl. E. F. Wbidsbb, Archiv für Orientforschung 13, 1939, S. 88.

3) Vgl. „GoiDB BtBD", Syrie-Palestine, Paris 1932, S. 85 und Karte am Kopf des Bandes.

(10)

68 0. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

Da ist es leicht denkbar, daß die südliche Hälfte dieses Rei¬

ches, dessen nord-südliche Länge seine west-östliche Breite

um das Doppelte oder Dreifache übertrifft, einen eigenen

Namen gehabt und als das „Südland" bezeichnet worden ist.

Es kommt hinzu, daß nach Ausweis der neuen, wie die alten

um 2000 V. Chr. geschriebenen, ägyptischen „Ächtungstexte",

über die G. Poskner*) kürzlich der Pariser Akademie einen

Bericht vorlegen konnte, die hier wie in den älteren, von

K. Sethe veröffentlichten Berliner Texten vorkommenden

Fälle, daß für ein Land zwei Fürsten genannt werden, mit

Sicherheit so zu deuten sind, daß der eine von ihnen den

Süden des Landes, der andere den Norden beherrscht hat.

So mag auch das Reich von Ugarit in zwei Territorien, ein

nördliches und ein südliches, geteilt gewesen sein und Keret

davon das südliche beherrscht haben, oder — noch wahr¬

scheinlicher — Keret ist König der nördlichen Hälfte mit

Ugarit als Residenz gewesen und hat für den Zug, von dem

der Keret-Text erzählt, auch das Heer der Südhälfte mit zur

Hilfe gerufen. Die Nebeneinanderstellung von Kerets eigenem

Heere und dem des Negeb, wie sie Z. 86—88. 177 f. vorgenom¬

men wird, wäre dann so zu verstehen, daß Keret neben den

Truppen seines unmittelbaren Herrschaftsbereichs auch die

des mittelbar ihm gewiß ebenfalls gehorsamspflichtigen*)

Südbezirks aufbietet.

Nach dieser Nennung von ngb tauchen in der Erzählung

geographische Namen erst da wieder auf, wo Kerets Aufbruch,

sein Marsch zum Ziel und die Ankunft dort angekündigt und

später berichtet wird, also in Z. 106—124 und 194—228. Die

1) Figurines Egyptiennes d'Envoütement (Comptes Rendus de

l'Acad. Inscr. 1939, S. 70—74).

2) DaB der König von Ugarit außer über seinen eigentlichen Besitz,

Ugarit, auch über andere Territorien eine Oberherrschaft ausübte und

daß hier seine staatsrechtliche Stellung jeweilig besonders geartet war,

zeigt das Kolophon von Tafel A, wo Niqmed „König von Ugarit, Herr

von jrgb, Gebieter von srmrt" (nqmd mlk 'ugrt ''adn jrgb b'l armn) genannt wird ; leider sind jrgb und armn — dies auch Text 1,12; 2,19 un(} sonst — noch nicht identiflzierbar.

(11)

O. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 69

beiden Abschnitte haben, lateinisch transkribiert und ins

Deutsche übersetzt, diesen Wortlaut^):

Z. 106—124 lk jm wsn stö rb' jm

^mS sds jm mk Ipim bSb' wtmgj l'udm rbm wl 'udm srrt wgr nn 'rm Srn pdrm s't bSdm

"« htbh bgrnt Jpit

"» s't bn{p)k S'ebt bbqr

"* mmVat dm jm wsn

»is rb' jm JimS sds jm l^k 'al tS'l qrth 'abn jdk

mSdpt whn SpSm

bSb' wl jSn pbl mlk Iqr s'egt 'ebrh Iql nhqt bmrh

"» Ig't 'aip hrs zyt

»«* klb spr wjl'ak ml'akm

Geh einen Tag und zwei, drei, vier Tage,

fünf, sechs Tage. Dann bei der Sonne

am siebenten, da Icommst du nach Udum,

dem großen, und nach Udum, dem wasserreichen, und verweile bei der Stadt Srn,

bei dem Ort s't. Auf den Feldern

sein Holzhauer, auf den Tennen die Suchende von s't. An der Quelle eine Schöpfende, am Brunnen eine Füllende. Halte dich ruhig einen Tag und zwei, drei, vier Tage, fünf,

sechs Tage. Deinen Pfeil schieß nicht in seine Stadt, der Stein deiner Hand

ungenutzt! Und siehe, bei der Sonne

am siebenten, da wird fürwahr ändern Pebel-

melek zum Laut sein Stiergebrüll, zur Stimme seinen Eselsschrei

zum Muh eines pflügenden Rindes das Gekläff

eines wütenden Hundes un4 wird schicken

Boten.

Z. 194—228

IN tlkn Sie gingen

m jm wsn 'ahr einen Tag und zwei. Nach

IM ipSm bsls der Sonne am dritten

197 jmgj IgdS kam er zum Heiligtum

198 'aSrf srm wl'elt der Ascherat der Tyrer und zur Elat

in fdjnm sm der Sidonier. Dort

iOOjdbh krt s' opferte Keret eine Gabe:

»1 'e'est 'asrt ?rm ,,Ich will heiraten, Ascherat der Tyrer

301w'elt fdjnm und Elat der Sidonier;

«a hm hrj btj wenn ich ein Mädchen in mein Haus

1) Auf Kenntlichmachung der Ergänzungen des beschädigten

Textes mußte hier ebenso verzichtet werden wie auf die Begründung

der Übersetzung; für die Ergänzungen wird auf die Erstveröffentlichung

des Textes durch Vibolleaud, für die Übersetzung außer darauf auf

die bereits genannte und S. 72, Anm. 2 noch zu nennende Literatur sowie

auf die Anzeige von Vibollbaüd's Ausgabe durch Th. Gasteb in Pale¬

stine Exploration Quarterly 69, 1937, S. 203—206 verwiesen.

(12)

70 O. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte nehme, einführe eine Jungfrau

in meinen Hof, ihr Doppeltes an Silber gebe ich und ihr Dreifaches an Gold."

Er ging einen Tag und zwei,

drei, vier Tage.

Nach der Sonne am vierten

kam er nach Udum, dem großen,

und Udum, dem wasserreichen, er verweilte bei der Stadt i'arn'a, bei dem Ort

s't. Auf den Feldern ein Holzhauer,

und auf den Tennen die Suchende

von s't. An der Quelle eine Schöpfende und am

eine Füllende. [Brunnen

Er hielt sich ruhig einen Tag und zwei, drei, vier Tage,

fünf, sechs Tage.

Dann bei der Sonne am siebenten, da änderte türwahr Pebel- melek Laut sein Stier¬

gebrüll, zur Stimme seinen Esels¬

schrei, zum Muh eines pflügenden Rindes das Gekläff eines wütenden Hundes und schickte

Boten.

Die Ankündigung in Z. 106—124 und die Ausführung in

Z. 194—228, die sich im übrigen, von ein paar geringfügigen

Varianten abgesehen, genau entsprechen, unterscheiden sich

also darin voneinander, daß einerseits die Ankündigung in

Z. 116—118 das von der Ausführung nicht berücksichtigte

Verbot des Angriffs auf die Stadt Pebelmeleks enthält, und

daß anderseits die Ausführung in Z. 195—206 von einem in

der Ankündigung nicht vorgesehenen Aufenthalt Kerets

beim Heiligtum der Ascherat der Tyrer und der Elat der

Sidonier^) zu erzählen weiß. Von diesen Unterschieden ist der

1) A. GoBTZE, The Tenses of Ugaritic (Journal Amer. Orient. Soc.

58, 1938, S. 266—309), S. 295 läßt bei der Wiedergabe von Z. 201 f.

frm und fdj'nm unübersetzt, hält also — wohl unter dem Eindruck

des S. 66 erörterten Tatbestandes von Z. 279 f. — offenbar die übliche Auffassung der beiden Wörter als „Tyrer" und „Sidonier" für unzu- trefrend.oder doch ungesichert. Indes ist diese Skepsis kaum berechtigt.

'egj aS rb glmt K?r/ snh kspm 'atn w slsth Jrsm jlk fm wsn sis rb' fm 'ajr SpSm brb' jmyf Vudm rbt w'udm srrt

*" (/)grnn 'rm

"^^ i'arn'a pdrm s't bSdm htb wbgrnm hpSt

*i« s't bnpk S'ebt wb mqr mml'at

dm jm wsn

sis rb' jm

*" hmS sds jm

«1 mk IpSm bSb' wl jSn pbl

*ö mlk Iqr s'eqt 'ebrh Iql nhqt hmrh Ig't 'aip

»*« hrs zrjt klb spr wjl'ak

*** ml'akm

(13)

O. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 71

zweite für die Frage nach dem geographischen Horizont des

Keret-Textes sehr bedeutsam. Zunächst nennt er nämhch

einen neuen, ofTenbar als ganz bekannt vorausgesetzten geo¬

graphischen Punkt. Sodann macht er deutlich, daß die Zahl

der für Kerets Marsch zum Sitze Pebelmeleks angegebenen

Tage nicht etwa willkürlich gewählt ist und nur eine größere,

aber nicht klar durclidachte Entfernung ausdrücken soll,

sondern daß dem Erzähler eine ganz bestimmte, ihm und

auch seinen Hörern und Lesern wohlbekannte Wegstrecke

vorschwebt. Die Ankündigung sieht nämlich Kerets Ankunft

am Ziel für den siebenten Tag vor, die Ausführung aber

erzählt, daß er bis zum tyrisch-sidonischen Heiligtum drei

und von da bis zum Ziel noch vier weitere Tage, also im

ganzen auch sieben, gebraucht habe*). Das wird kein Zufall

sein, sondern ist damit zu erklären, daß es sich hier nicht

um einen Zug in mythische Fernen handelt, wie Albright *)

annehmen möchte, sondern um einen Marsch in ein Er¬

zähler wie Hörern wohlbekanntes Land.

Besonders reich an geographischen Angaben sind in den

eben mitgeteilten beiden Abschnitten die sich entsprechenden

Versgruppen Z. 108—114 und Z. 210—217. Hier wird zu¬

nächst das Ziel von Kerets Marsch genannt, nämlich 'udm

rbm^) w'udm srrt in Z. 108f., 'udm rbt w'udm srrt in Z. 210f.,

Namen, die noch in Z. 134 f. 276 f. vorkommen, wobei sich in

1) Nach Z. 107 f. mk SpSm bSb' soll Keret „bei der Sonne am sieben¬

ten" in Udum eintreffen, nach Z. 209 f. kommt er — 'a^r SpSm bsls ,,nach der Sonne am dritten" beim tyrisch-sidonischen Heiligtum angelangt

(Z. 195—199) — von dort aufbrechend 'hr SpSm brb' ,,nach der Sonne

am vierten" in Udum an. Z. 107 f. scheint also Kerets Ankunft am Ziel für den Morgen des siebenten Tages oder doch vor dessen Sonnenunter¬

gang in Aussicht zu nehmen, während er in Wirklichkeit infolge des

nicht vorgesehenen Aufenthalts am tyrisch-sidonischen Heiligtum erst

nach Sonnenuntergang — denn das bedeutet doch wohl 'ajr SpSm —

am siebenten Tage Udum erreicht. Ist die hier mit Vorbehalt gegebene Interpretation von mk SpSm und 'ajr SpSm richtig, so wäre völlig deut¬

lich, daß dem Erzähler eine ganz bestimmte und ihm wohlbekannte

Wegstrecke vorschwebt.

2) Bullet. Americ. Schools Orient. Res. 63, 1936, S. 32.

3) rbm hier ist wohl Fehler für sonstiges rbt.

(14)

72 O. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

Z. 135. 277 neben dem Doppelnamen auch das alleinstehende

'udm fmdet. Virolleaud, Dussaud und andere deuten dies

'udm als Land, nämlich, wie schon gesagt, als Edom und

erklären dabei 'udm rbt als Groß-Edom und — jedenfalls gilt

das von Dussaud*) — 'udm srrt als Edom von Sera und

sehen in dem ersteren den westlich des 'Araba-Grabens ge¬

legenen größeren Teil des antiken Edom, in dem letzteren

den östlich davon gelegenen kleineren, der heute 'e§-Serä'

heißt. Auch Aistleitner sieht in 'udm offenbar ein Land —

freilich nicht Edom —, erklärt aber srrt neben rbt „groß" als

„wasserreich", indem er an die arabischen Wörter tarr

„wasserreich" und tarära „Überfließende Quelle" erinnert.

Andere hingegen wie Albright, de Vaux, de Lanohe,

Fr. Rosenthal*) fassen 'udm als Stadtname und deuten

dann das srrt im Blick auf das assyrische Serru „klein" als

„klein", verstehen 'udm rbt, 'udm srrt also als die Doppel¬

stadt Groß-Udum und Klein-Udum. So hat sich die Mehrheit

der Erklärer für das Verständnis von 'udm als Stadtname

ausgesprochen, und es sieht fast so aus, als ob diese Auf¬

fassung schon als gesichert betrachtet werden könnte. Aber

in Wahrheit kann sie vor der Nachprüfung des Zusammen¬

hanges von Z. 108 ff. 210 ff. nicht bestehen, vielmehr legt

dieser das Verständnis von 'udm als Landesname näher und

zwingt gar dazu: Z. 108 f. 210f. kommt Keret in 'udm an,

und Z. 110 ff. 210 ff. hält er sich in Städten auf, ohne „seine",

d. h. Pebelmeleks, Residenz anzugreifen. Das kann doch nur

80 verstanden werden, daß jene Städte und die Residenz in

dem Z. 108f. 210f. genannten 'udm liegen, daß dieses also

der Name von Pebelmeleks Land ist. Dann verliert auch das

Verständnis von srrt als ,, klein" seine Anziehungskraft, wäh¬

rend die von Aistleitner für das Wort vorgetragene Er¬

klärung als „wasserreich" an Wahrscheinlichkeit gewinnt.

Es ist nämlich gar nicht nötig, wie manche anzunehmen

scheinen, rbt und srrt als Gegensätze zu fassen. Vielmehr kann

1) Decouvertes, S. 58.

2) Die Parallelstellen in den Texten von Ugarit (Orientalia N. S. 8, 1939, S. 213—237), S. 229.

(15)

O. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 73

es sich sehr wohl um parallele Ausdrücke handeln, wie denn

gerade der Keret-Text eine Fülle paralleler Glieder, und zwar

auch ganz kleiner*), aufweist. Sind die beiden Ausdrücke

aber parallel, so muß auch srrt ein positives Werturteil über

Udum enthalten, und dann paßt seine Erklärung als ,, wasser¬

reich" sehr gut, um so mehr, als Z. 113. 216 f. von Quelle und

Brunnen in Udum die Rede ist. Auch das läßt sich für diese

Auffassung des Wortes anführen, daß Udum in Z. 135 f. 277 f.

als „Geschenk Eis und Gabe des Vaters der Menschheit" be¬

zeichnet wird. Denn im wasserarmen Orient gilt gut bewässer¬

tes Land im besonderen Sinne als Gabe Gottes, wie das nicht

zum wenigsten manche Stelle des Alten Testaments bezeugt*).

So werden Virollkaud und Dussaud trotz des entschie¬

denen Widerspruches, den sie erfahren haben, mit der Auf¬

fassung von Udum als Landesname doch recht behalten.

Aber damit ist nicht gesagt, daß dann mit ihnen dieses Land

Udum als Edom verstanden werden müsse. Gewiß erinnert

die Form udumu, wie sie die assyrischen Inschriften für

Edom gebrauchen, an das Udum des Keret-Textes, für das

nach Ausweis der Schreibung 'udm jedenfalls in der ersten

Silbe der «-Vokal gesichert ist, und gewiß legt die Tatsache,

daß neben dem auf den judäischen Negeb gedeuteten ngb

ein Udum in unserem Text genannt wird, dessen Deutung

auf Edom nahe. Aber die Beziehung von ngb auf das judäische

Südland ist, wie gezeigt wurde, unsicher und unwahrschein¬

lich, und ein udumu — in diesem Falle als Name einer Stadt —

fmdet sich auch in dem Amarna-Brief Knudtzon 256, 24 und

kann hier, auch abgesehen davon, daß es Stadtname ist,

1) So sind auch 'asri ?rm und 'elt sdj'nm in Z. 198f. 201f. jedenfalls insofern parallel, als es sich bei dem tyrisch-sidonischen Heiligtum ofTenbar um einen Tempel handelt, in dem die — bei den Tyrern Asche¬

rat, bei den Sidoniern Elat genannte — weibliche Gottheit verehrt

wird, vgl. unten S.75ff. Beachtenswerte Ausführungen über „die strenge Kongruenz des Sinnes der Satzglieder ... in den ugaritischen Texten"

bei Rosenthal in dem S. 72 Anm. 2 genannten Aufsatz, S. 213.

2) Lev. 26, 4; Dtn. 11,11 usw., besonders auch Gen. 13,10, wo der Jordangau als „gut bewässertes Land .. . wie der Garten Jahwes"

bezeichnet wird.

(16)

74 0. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

keinesfalls mit Edom gleichgesetzt werden. Überhaupt sind,

wie in aller Welt, so auch im antiken und modernen Orient

Benennungen von geographischen Gegebenheiten nach Far¬

ben, insbesondere auch nach der roten — Udum bedeutet ja

ebenso wie Edom ,,Rot(land)" — überaus zahlreich. Schon

eine flüchtige Durchsicht des Alten Testaments*) und eines

Reiseführers oder einer Karte von Palästina-Syrien*) ergibt

eine ganze Reihe hierher gehöriger Namen: Jos. 3, 16 'ädäm

„Roter (Ort)", heute unter Anknüpfung an den alten Namen

teil 'ed-dämije; Jos. 15, 7 ma'Heh 'adummim ,, Aufstieg bei

den roten (Felsen)", heute taV'at ed-damm ,, Blut-Aufstieg";

Jos. 19, 33 "^dämt ha-neqeb ,, Roter (Ort) am Engpaß", heute

unter Anknüpfung an die alte Namensform hirhet 'ed-dämije^) ;

Jos. 19, 36 "^dämäh ,,Rote (Erde)", heute hadschar 'ed-damm ,, Blut-Stein"; dschebel oder teil 'el-'ahmar ,, Roter Berg" als

Name einer ganzen Anzahl von Bergen oder Erhebungen, bei

Alexandrette etwa oder am nördlichen Euphrat am Wege von

Aleppo nach Urfa (Edessa), das alte Til Barsip*), oder südlich

von bänijäs (Caesarea Philippi) oder im Hauran. Unter diesen

Umständen sieht man in der Tat von vorzeitiger Identifi¬

zierung unseres Udum mit einer anderweit bezeugten geo¬

graphischen Gegebenheit dieses Namens besser ab und ver¬

sucht vielmehr aus dem Gang der Erzählung heraus einen

Anhaltspunkt für die Lage des Landes zu finden. Da hilft

dann die schon berührte Angabe weiter, daß Keret aus seinem

Gebiet, dem Negeb, zunächst in drei Tagen nach dem tyrisch-

sidonischen Heiligtum und von da in vier Tagen nach Udum

marschiert sei.

1) Vgl. das , .Verzeichnis der Ortsnamen" in M. Noth, Das Buch Josua, 1938, S. 113—122.

2) Vgl. K. Baedeker, Palästina und Syrien, 7. Aufl. 1910; H. Güthe, Bibelatlas, 2. Aufl. 1926; Dussaud, Topographie, 1927; „Guide Bleu", Syrie-Palestine, 1932; A. Reifenbbro, Die Entstehung der Mediterran- Roterde ('lerra Rossa) in: Kolloidchemische Beihefte, Band 28 (1929),

S. 55—147 mit reichem Literaturverzeichnis auf S. 142—147; G. Dal¬

man, Arbeit und Sitte in Palästina I 2, 1928, S. 333; II, 1932, S. 26f.

3) So DE Vaux, Rev. Bibl. 46,1937, S. 366; anders Noth, Josua, S.92.

4) Dussaud, Topographie, Karte XIII AI; S. 450. 462.

(17)

0. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 75

Dies Heiligtum, das, wie wir schon sahen, eine weithin

bekannte Stätte gewesen sein muß, sucht man gewöhnhch

in Tyrus oder Sidon oder doch in der Nähe dieser beiden

Städte, und de Vaux und de Langhe begründen mit dieser

Ansetzung des Heihgtums ihre Auffassung, daß Udum mit

der etwa 15 km nordwesthch von der Südspitze des Sees

von Tiberias hegenden hirbet 'ed-dämije identisch sei*), da

die Entfernung zwischen diesem Ort und der Gegend von

Tyros und Sidon etwa vier Tagemärsche betrage. Aber die

Annahme, daß das den Tyrern und Sidoniern gemeinsame

Heihgtum im Gebiet dieser beiden Städte gelegen habe, ist

weniger leicht als die, daß es sich um eine im Kolonialbereich

von ihnen zusammen vorgenommene Gründung handle. Was

in der Heimat als Gegensatz oder doch als Konkurrenz emp¬

funden wird, erscheint auf dem Kolonialboden vielfach als

zusammengehörig und sich gegenseitig stützend, und das gilt

auch von Gottheiten und ihren Kulten. Fragt man aber, wo

dann etwa eine solche, von Tyrern und Sidoniern gemeinsam

vorgenommene koloniale Kultgründung am ehesten anzu¬

nehmen sei, so wird man jedenfalls an eine Insel oder eine

Küste des Mittelmeeres denken müssen, da so gut wie alle

Niederlassungen der Phönizier da zu finden sind. Wenn, wie

es wahrscheinhch ist, unsere Erzählung sich das Reich von

Ugarit oder seinen Südbezirk als Kerets Heimat und den

Ausgangspunkt seines Marsches vorstellt, schrumpfen die

eben eröffneten Möglichkeiten sofort dahin zusammen, daß

nur die syrische Küste in Betracht kommt, von der wiederum

für die uns hier angehende Zeit, das 2. oder auch schon das

3. Jahrtausend v. Chr., das Stück zwischen etwa Berüt oder

Dschebel (Bybios) im Süden und Ras Schamra im Norden

im besonderen Sinne tyrisch-sidonisches Kolonialland dar¬

stellt*). Nun ist uns gerade in diesem Bereich wenigstens aus

1) Siehe oben S. 64, unten S. 82 f.

2) Will man an der von Virolleaud und Dussaud vorgeschlagenen

Identiflzierung von ngb mit dem judäischen Negeb und von 'udm mit

Edom festhalten, so würde man das tyrisch-sidonische Heiligtum am

ehesten in Askalon zu suchen haben, wo uns schon sehr früh (vgl. unten

(18)

76 0. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

späterer Zeit, nämlich vom 6. oder 5. Jahrhundert v. Chr.

ab, eine den Tyrern und den Sidoniern und außerdem den

Aradiern gemeinsame Gründung bekannt, Tripolis, heute

taräbulus mit der Hafenstadt 'el-minä, am Ausgang des nahr

qadUa^). Über das Alter der Stadt und ihren doch sicher

vorauszusetzenden phönizischen Namen wissen wir nichts.

Man hält sie meistens für eine ziemlich späte, keinesfalls vor

dem 8. Jahrhundert v. Chr. anzusetzende Gründung*), und

nach Galling handelt es sich hier gar „um eine künstliche

Stadtgründung auf Befehl des persischen Satrapen, der sich

für die gemeinsam zu stellende Flotte mit den Vertretern der

drei Phönikerstaatan an einer Stelle jeweils beraten wollte

und andrerseits die Selbständigkeit der Staaten unterein¬

ander respektierend die drei getrennten Quartiere schaffen

ließ')". Nun mag und wird der persische Satrap in der Tat

auf die Gestaltung dieser phönizischen Bundesstadt als der

Stätte seiner Verhandlungen mit den drei maßgebenden

phönizischen Städten Einfluß genommen haben. Aber das

bedeutet keineswegs, daß es sich hier um eine völlige Neu¬

schöpfung durch ihn handeln müsse. Vielmehr liegt die An¬

nahme, daß die persische Regierung und die phönizischen

Städte selbst bei der Auswahl einer Stätte für ihre gemein¬

samen Beratungen an ältere Traditionen angeknüpft haben,

doch wohl näher. Eine nicht unbedeutende Siedlung muß in

der Gegend von Tripolis jedenfalls auch schon in früher Zeit

bestanden haben; denn man hat die hier ziemlich breite und

sehr fruchtbare Küstenebene gewiß auch schon damals nicht

S. 77, Anm. 2), jedenfalls vom Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. ab,

der Kultus der Astarte-Atargatis-Derketo bezeugt ist (vgl. W. W. Graf

Baudissin, Kyrios, 1929: II, S. 41; III, S. 509; IV, S. 60. 509) und

Beziehungen zu Tyros und Sidon für das 2. und 3. Jahrtausend v. Chr.

anzunehmen sind (vgl. unten S. 77, Anm. 2).

1) Skylax, §103 (vgl. K. Galling, Die syrisch-palästinische Küste nach der Beschreibung bei Pseudo-Skylax in: Zeitschr. Deutsch. Paläst.-

Ver. 61, 1938, S. 66—96), Strabo XVI 754, Diodor XVI 41 (vgl. Gal¬

ling a.a.O., S. 90—96), Plinius Nat. Hist. V 20, 78.

2) Vgl. R. PiETscHMANN, Gcschichtc der Phönizier, 1889, S. 41 f.

3) Galling, a. a. O. (Anm. 1), S. 73.

(19)

O. Eissfbldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 77

ungenutzt liegen lassen. Galling*) möchte hier denn auch:

genauer in dem 6 km nordöstlich von taräbulus gelegenen der

'ammär das semer von Gen. 10, 18; 1. Chron. 1,16; Hes.

27, 8*), das sumur der Amarnabriefe, ansetzen, das man nach

M. Noth') freilich vielmehr ,,wohl am besten an der von

Tyrus nach Osten (abil usw.) führenden Straße, etwa in der

Gegend der heutigen kal'at märän" sucht*).

Ist aber anzunehmen, daß an oder bei der Stätte von

Tripolis schon vor der Perserzeit eine Siedlung bestanden hat,

so erklärt sich der aus der Perserzeit bezeugte Charakter der

Stadt als ein den Tyrern, Sidoniern und Aradiern gemein¬

samer Besitz am ehesten daraus, daß sie eine Gemeinschafts¬

gründung der drei Städte war oder — da Arados nach Strabo

XVI 753 von Flüchtlingen aus Sidon gegründet sein soll und

daher nicht von vornherein den älteren Städten, Tyros und

Sidon, an Rang gleich gestanden haben wird — vielleicht

zunächst nur von Tyros und Sidon, neben denen dann später

auch Arados sich hier ein „Quartier" geschaffen hat. Mittel¬

punkt dieser tyrisch-sidonischen Gründung ist — wie könnte

es in der Antike auch anders sein! — gewiß ein Heiligtum

gewesen, das dann selbstverständlich einer den beiden

Städten gemeinsamen, wenn auch bei ihnen verschieden be¬

nannten, Gottheit*) geweiht war, und es könnte sogar sein,

1) Galling, Palästina-Jahrbuch 34, 1938, S. 62.

2) Unter Voraussetzung der Korrektur von sor in semer.

3) Zeitschr. Deutsch. Paläst.-Ver. 60, 1937, S. 229-—239.

4) S. 239.

5) Daß in Sidon eine, jedenfalls später 'aitrt ,, Astarte" genannte

weibliche Gottheit ganz große Bedeutung gehabt hat, wußten wir aus

den verhältnismäßig zahlreichen, bis ins 5. Jahrhundert v. Chr. zurück¬

reichenden Sidonischen Inschriften längst, vgl. Baudissin, Adonis und

Esmun, 1911, S. 15f. 22f. 226. 231ff. 251f. 265f. 270 und zu ihrem

Tempel Lukian, De Dea Syria 4. Auch für Tyros war uns durch Philo

Byblius fr. 2, 24 (ed. C. Müller), wonach Astarte einen vom Himmel

gefallenen Stern nach Tyros, der — offenbar ihr — heiligen Insel, geweiht hat, durch Josephus Ant. VIII 5, 3, § 146, wo vom Bau eines Tempels der Astarte durch Hiram von Tyros um 950 v. Chr. die Rede ist, durch Josephus c. Ap. 1 18, § 122 f., wo mit , .Astarte" gebildete Namen lyrischer Könige erwähnt werden und es von einem König, Ittoba'al, ausdrücklich

Zeitachrift d. DMQ Bd. 94 (Neue Folge Bd. 18) 6

(20)

78 O. Eissfbldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

daß dieser Tempel zuerst bestanden und daß sich die Siedlung

erst allmählich um ihn herum gebildet hat. Eine „ansehnliche

heißt, daß er Priester der Astarte gewesen sei, und auch wohl durch den

Vertrag Asarhaddons mit Ba'al von Tyros, in dem Rs. II, Z. 18 neben

anderen phönizischen Gottheiten Astarte erwähnt wird (vgl. E. F. Wbid- ifBB, Archiv f. Orientforsch. 8, 1932/33, S. 32), der Kult einer weib¬

lichen, hier ebenfalls Astarte genannten Gottheit jedenfalls seit Anfang des 1. Jahrtausends v. Chr. bekannt. Aber mit der inschriftlichen Bezeu¬

gung der lyrischen Astarte war es schlechter bestellt; es standen dafür

nur die aus umm 'el-'awämid und ma'süb, also aus dem Hinterland von

Tyros, stammenden phönizischen Inschriften Lidzbabski, Altsemit.

Texte I, 1907, Nr. 13. 14. 16 aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. mit den

Gottesnamen mlk 'aStrt und 'Strt zur Verfügung sowie die noch jüngere griechische, in Tyros selbst gefundene Düssaüd, Rev. Hist. Relig. 63, 1911, S. 331—339 mit der Nennung von 'HgaxXfig und 'Aatfovöri, in der 'Aaxgovöri offenbar griechische Wiedergabe von Astarte ist und — ebenso wie in der Stelle aus Philo Byblius und in der Benennung der Göttin als 'AaTQodgxri bei Herodian, Hist. V 6, 4 — Astarte etymologisch mit (itfTij'e ,, Stern" in Zusammenhang gebracht werden soll. Nun bietet

uns der Keret-Text schon für die Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr.

einen inschriftlichen Beleg für den Kultus der weiblichen Gottheit in

Tyros und in Sidon, und da hier unmittelbar nur ein von dem Kultus

der beiden Städte abhängiger Filialkult genannt wird, kommen wir für

jenen in noch ältere Zeit zurück, ganz abgesehen davon, daß die Keret-

Erzählung gewiß erheblich älter ist als seine uns vorliegende, um

1400 V. Chr. verfaßte Gestalt. Die lyrische Göttin heißt in unserem Text 'asrt, Ascherat, die sidonische 'elt, Elat, Namen, die, wiewohl sonst für die oder eine weibliche Gottheit der Phönizier vorkommend, sich in den uns bisher für Tyros und Sidon vorliegenden Zeugnissen

nicht fanden, sondern durch Astarte ersetzt erscheinen, wie denn die

Aufsaugung verschiedener Namen für die weibliche Gottheit, so noch

des Namens 'Anat, durch Astarte längst beobachtet worden ist (vgl.

etwa ViBOLLEADD, Lcs Pommes de Ras-Shamra [Extrait de la Revue

historique 185, 1939], S. 21) und überhaupt für die ältere wie für die

jüngere Zeit mit der Möglichkeit, die weibliche Gottheit mit ver¬

schiedenen Namen — außer mit den genannten noch mit ba'alat —

zu benennen, weithin gerechnet werden muß. Indes ergibt sich bei

näherem Zusehen, daß uns für die Benennung der Göttin von Tyros

als Ascherat doch noch Belege erhalten sind. Mustert man nämlich

das Vorkommen von 'Heräh im Alten Testament, so ist — wie hier

nur angedeutet werden kann und bei anderer Gelegenheit einmal aus¬

führlicher dargelegt werden muß — der Tatbestand dem bei den Stellen mit ba'al, die ich Zeitschr. Alttest. Wiss. 57, 1939, S. 1—31 behandelt

habe, merkwürdig ähnlich: Neben den deuteronomistischen, prophe-

(21)

O. Eissfbldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 79

Stadt" {nöhg ä^iökoyog), die „von den phönizischen Städten

die größte Würde hat" {ä^icofia d'^x^i fidyiarov aSrrj rwv xara tischen und chronistischen Stellen, die in blasser, allgemeiner, historisch

kaum auswertbarer Weise von den Äscheren oder Ascherot im Plural

sprechen (Ex. 34,13; Dtn. 7,5; 12,3; Jdc. 3,7; 1. Reg. 14,15. 23;

2. Reg. 17, 10; 23,14; Jes. 17, 8; 27, 9; Jer. 17. 2; Mich. 5,13; 2. Chron.

14, 2; 17, 6; 19, 3; 24,18; 31,1; 33, 3. 19; 34, 3. 4. 7), stehen eine Reihe anderer, die, Aschera im Singular aufweisend (Dtn. 16, 21; Jdc. 6, 25.

26.28.30; 1. Reg. 15,13 = 2. Chron. 15,16; l.Reg. 16, 33; 18,19;

2. Reg. 13, 6; 17,16; 18, 4; 21, 3. 7; 23, 4. 6. 7. 15), größtenteils histo¬

risch zuverlässig sind und die Aschera als mit dem lyrischen Ba'al,

also mit Ba'alsamSm, nach Israel eingedrungen erkennen lassen. Hier

liefert das Alte Testament eine Bestätigung der Angabe des Keret-Textes über die lyrische Ascherat, wie umgekehrt dieser die hierher gehörigen Stellen des Alten Testaments erst ganz verständlich macht und die etwa von A.. Alt, Aschera (Reallexikon der Vorgeschichte I, 1924, S. 235 f.)

vermißte Konkretheit der im Alten Testament genannten Aschera zur

Stelle schafft. — Die vom Keret-Text genannte Elat der Sidonier kommt im Alten Testament nicht vor. Wohl aber kennt es eine Astarte der Sido¬

nier. Denn auch bei dieser Göttin, deren Name im Alten Testament zu

'astöret entstellt ist und damit (Vokale ö und e!) an böSet ,, Schande"

erinnern, die Göttin also als einen schändlichen Götzen brandmarken will, liegt es so, daß einige deuteronomistische Stellen in blasser, histo¬

risch nicht auswertbarer Weise die Pluralform des Namens enthalten

(Jdc. 2,13; 10, 6; 1. Sam. 7, 3f.; 12,10), daß andere Stellen aber die singularische Form für eine ganz bestimmte Göttin gebrauchen, nämlich für die Astarte der Sidonier (1. Reg. 11, 5. 33) oder Sidons (2. Reg.

23,13), wobei „Sidon" und „Sidonier" hier offenbar die bestimmte Stadt und ihre Bewohner, nicht etwa, wie sonst gelegentlich, die Phö¬

nizier überhaupt meint. Auch 1. Sam. 31,10, wo der überlieferte Text den Plural 'aitärot aufweist und dieser kaum, wie es freilich meistens geschieht, in den Singular 'aStöret oder vielmehr 'aUeret ,, verbessert"

werden darf, wird doch wohl — ähnlich wie bei dem Namen des ost¬

jordanischen Ortes 'oitörot von Dtn. 1, 4; Jos. 9, 10; 12, 4; 13, 12. 31;

1. Chron. 6, 56; Gen. 14, 5 — an ein, zwei (oder mehreren) Göttinnen geweihtes, dem tyrisch-sidonischen Tempel des Keret-Textes analoges Heiligtum zu denken sein, von denen die eine zu Sidon und die andere

zu Tyros Beziehungen aufweisen mag. Denn Askalon — hier und nicht

etwa in Beth-Sean (besän) ist der 1. Sam. 31,10 erwähnte Astarte-

Tempel zu suchen (vgl. Baudissin, Kyrios IV, 1929, S. 60) —, das nach dem Zeugnis Herodots (1 105) den ältesten Tempel der oi(javiri'A(fQoäLxri, also der Astarte, sein eigen nennt, hat, wie in persischer Zeit, wo es zu Tyros gehörte (vgl. Galling, Zeitschr. Deutech. Paläst.-Ver. 61,1938, S. 83f.), so gewiß schon im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. bis zu seiner

6 • «•

(22)

80 0. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

TTjr 0oivixr]v noieav) nennt Diodor XVI 41 Tripolis, und diese

ihre Ehrenstellung würde sich dann am allerersten erklären,

wenn die Stadt auf eine lange kultische Tradition zurück¬

blicken könnte. Darf man aber für Tripolis einen in alte Zeit,

ins 2. oder gar 3. Jahrtausend v. Chr., zurückreichenden

tyrisch-sidonischen Tempel annehmen und ist das im Keret-

Epos genannte Heiligtum der tyrischen Ascherat und der

sidonischen Elat am ehesten in der Gegend von Tripolis zu

suchen, so darf man dies mit einiger Zuversicht in oder bei

Tripolis ansetzen und als Keimzelle der Stadt Tripolis be¬

trachten.

Vom Sammelpunkt seiner Truppen bis zu dem tyrisch-

sidonischen Heiligtum ist Keret nach Z. 195—199 drei Tage

marschiert. Der Aufbruch wäre dann etwa in der Höhe von

bänijäs, dem antiken Balanaia, anzusetzen, wo die Grenze

zwischen den beiden Teilen des Reiches Ugarit gegangen sein

mag, von denen oben S. 68 die Rede war. Der Marsch vom

Heiligtum bis nach Udum aber hat nach Z. 207—211 vier

Tage in Anspruch genommen. Es fragt sich, in welche Rich¬

tung marschierend man sich Keret zu denken hat. Drei Mög¬

lichkeiten kämen da vor anderen in Betracht: gerade weiter

an der Küste entlang nach Süden, im rechten Winkel das

Tal des nahr 'el-kebir hinauf nach Osten, im stumpfen Winkel

über den Libanon nach Südwesten in die bikä' hinein. Im

ersten Falle wäre nach vier Tagen etwa die Gegend zwischen

Berüt und Sidon, im zweiten etwa homs, das antike Emesa,

im dritten die Landschaft südlich von Ba'albek erreicht. Nun

um 1200 V. Chr. geschehenen Besetzung durch die Philister (vgl. Eiss¬

fbldt, Philister und Phönizier, 1936) mit der phönizischen Metropole,

damals eher Sidon als Tyros, in Verbindung gestanden und mit ihr

kultische Gemeinschaft gepflegt. Herodot I 105 (vgl. Pausanias I 14)

gibt denn auch, indem er das Aphrodite-Heiligtum in Kythera von

Phöniziern aus ,,eben diesem Syrien" {Ik tavtris tiit ^qIcs), also doch

wohl aus dem Teil von Syrien, zu dem Askalon gehört, gegründet sein

läßt, den Astarte-Kultus von Askalon geradezu als phönizisch aus. Vgl.

auch die Inschrift CIS 1 115, nach der einem in Athen bestatteten Aska- lonier, Sohn eines 'ahd-'aitart, von einem Sidonier ein Grabmal gesetzt isl., und im übrigen S. 75, Anm. 2.

(23)

0. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 81

ist uns die politische Aufteilung der phönizischen Küste für

die hier in Betracht kommende Zeit, die erste Hälfte des

2. Jahrtausends v. Chr., mit den damals geltenden geogra¬

phischen Namen verhältnismäßig gut bekannt, so daß man

einen dieser Namen erwarten müßte, wenn sie das Ziel des

Marsches Kerets gewesen wäre. Ebenso wäre im zweiten

Falle — wo übrigens immerhin ein kleiner Rückmarsch in

Kauf genommen werden müßte — anzunehmen, daß der

Endpunkt des Marsches mit dem Namen der Stadt bezeichnet

wäre, die damals jene Gegend beherrscht hat: Kades am

Orontes. Im dritten Falle würde Kerets Weg in die Talhoch¬

ebene zwischen Libanon und Antilibanen führen, die — bei

ihrer Fruchtbarkeit auch ganz selbstverständlich! — nach

dem Zeugnis zahlreicher hier sich findender Teils bereits im

2. und 3. Jahrtausend v. Chr. dicht besiedelt gewesen sein

muß und uns doch für diese Zeit noch fast ganz unbekannt

ist*). Es ist eigentlich nur das kumidi der Amarna-Briefe, das

heutige kämid 'el-löz 60 km südwestlich von Ba'albek, das

wir hier für jene Zeit kennen. So wird man das Ziel für Kerets

Marsch, Udum, am ehesten in der fruchtbaren Senke zwischen

Libanon und Antihbanon ansetzen dürfen. Zu ihr paßt gut

die Bezeichnung als „groß" und „wasserreich", und sie ist

wirklich ,,ein Geschenk Eis, eine Gabe des Vaters der Mensch¬

heit", wie denn anscheinend in einer Bibel-Stelle, Amos 1, 5,

für sie geradezu der Name biq'at 'el „Ebene Gottes" voraus¬

gesetzt ist*). Daß in ihr, nämlich 10 km nordwestlich von

Ba'albek, ein mit ,,Rot" gebildeter geographischer Name

vorkommt, nämlich der Ort der 'el-ahmar ,, Rotkirch", so

genannt nach dem vielen roten Gestein, das hier zutage tritt*),

ist gewiß Zufall, liefert aber doch einen neuen Beleg für die

oben S. 74 erörterte Neigung des antiken und des modernen

1) Vgl. Düssaud, Topographie, 1927, S. 396—412; P. F.-M. Abel,

Geographie de la Palestine II, Paris 1938, S. 7f.; A. Jirku, Zeitschr.

Deutsch. Paläst.-Ver. 53, 1930, S. 155—162 und Zeitschr. Deutsch.

Morgenländ. Ges. 86, 1933, S. 174—183; „GumB Bleu", Syrie-Pale¬

stine, 1932, S. 103 ff. 290.

2) Vgl. Eissfeldt, Ras Schamra und Sanchunjaton, 1939, S. 34f.

3) Vgl. K. Baedeker, Palästina und Syrien, 7. Aufl. 1910, S. 306.

(24)

82 0. Eissfeldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

Orientalen, geographische Gegebenheiten nach einer dort

hervortretenden Farbe, insbesondere der roten, zu benennen,

und läßt damit die Annahme, die Senke zwischen Libanon

und Antilibanon oder wohl nur ein Teil von ihr habe im 2.

oder 3. Jahrtausend v. Chr. einmal den Namen Udum „Rote

Erde" getragen, als eine Vermutung erscheinen, die auf ernst¬

hafte Beachtung Anspruch machen kann. Beziehungen zwi¬

schen diesem Lande und Ugarit haben jedenfalls bestanden.

Das zeigt die schon berührte Tatsache*), daß nach Text

B VI, 18—21 vom Libanon und vom Sirjon, also von den

jene Senke einschließenden Gebirgen, Holz zum Tempelbau

nach Ugarit — denn hier, genauer: auf dem Saphon, dem

heutigen dschebel 'el-'aqra'^), wird man sich den Tempel er¬

richtet denken müssen — hergeholt wird, und läßt sich viel¬

leicht auch damit begründen, daß in Text 58 ein bqHj, also

ein aus der „Ebene" (bqH) Stammender, genannt wird und

mit dieser ,, Ebene" sehr wohl die gemeint sein kann, die

heute noch den Namen biqä' trägt, eben die Senke zwischen

Libanon und Antilibanon.

Die Zeilen 110—114. 212—217, die wenigstens wahr¬

scheinlich den einen oder anderen geographischen Namen

enthalten, sind eben bei dem Versuch, Udum zu lokalisieren,

nicht berücksichtigt worden. Es läßt sich auch in dieser Hin¬

sicht kaum etwas mit ihnen anfangen. Zunächst ist ungewiß

nicht nur, wieviel Namen hier vorkommen, sondern ob hier

überhaupt ein Wort als Name in Anspruch genommen werden

darf). Virollkaud betrachtet die beiden Worte, die auch in

der oben wiedergegebenen Übersetzung so verstanden worden

sind, also Srn und sH, als Ortsnamen. De Vaux, dem de

Lanohe folgt, sieht dagegen auch in htb, S'ebt, mml'at, die

oben mit „Holzhauer", ,, Schöpfende", ,, Füllende" wieder¬

gegeben sind, Ortsnamen und setzt sie im Umkreis der von

ihm ja mit 'udm identifizierten hirbet 'ed-dämije, also westlich

1) Oben S. 62.

2) Oben S. 62.

3) Vgl. oben S. 61.

(25)

O. Eissfbldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 83

des Sees von Tiberias an wo sich in der Tat fünf, teilweise

auch literarisch und archäologisch als antik nachweisbare

Orte mit Namen finden, die eine auffallende Ähnlichkeit mit

srn, sH, Mb, febt, mmVat aufweisen und schon zu der Identifi¬

zierung mit ihnen reizen könnten, wenn nicht, außer anderen

Gründen*), dem, wie gezeigt, die Tatsache entgegenstände,

daß der Erzählungsgang des Keret-Epos nötigt, das auch

nicht als Stadt — so de Vaux —, sondern als Land zu ver¬

stehende Udum weiter nördlich zu suchen. Umgekehrt will

Aistleitner auch die beiden Worte, Srn und s't, die oben als

Ortsnamen wiedergegeben sind, als Appellativa verstanden

wissen, indem er sie unter Vorbehalt mit „Getreide" und

„Dinkel" („"" Es dreschen (dort) die Ortschaften Getreide (?),

die Marktflecken Dinkel (?)") übersetzt. Unter diesen Um¬

ständen sieht man, zum mindesten fürs erste, bei dem Ver¬

such, den geographischen Horizont der Keret-Erzählung zu

bestimmen, von der Verwendung jener fünf Worte aus

Z. 110—114. 212—217 besser ab. Wohl aber darf noch ge¬

fragt werden, was — wenn die oben gegebene Übersetzung

richtig ist — die Erwähnung von ,, Holzhauer", ,, Schöpfende"

und „Füllende" zu bedeuten haben mag. Nach Virolleaud ')

soll sie zeigen, daß die Gegend in tiefstem Frieden daliegt.

Besser ist aber vielleicht die Annahme, daß hier dem Keret

,, Zeichen", hebräisch 'ötöt, vorausgesagt werden, deren Ein¬

treffen seine Zuversicht zum Gelingen seiner Werbung stärken

imd die ihm Z. 114—118. 218—220 auferlegte Geduldsprobe,

nämlich sechs Tage tatenlos vor Pebelmeleks Residenz zu

liegen, erleichtern soll. Man kann an die ,, Zeichen" erinnern,

die Samuel nach 1. Sam. 10, 2—7 dem Saul als Bestätigung

der ihm eben zuteil gewordenen Berufung zum König voraus¬

sagt, oder noch besser an die schöne, auch von einer Wer¬

bung handelnde Erzählung Gen. 24, wo der Brautwerber von

1) Vgl. bei DB Vaux, Rev. Bibl. 46, 1937, S. 362—372 die Karte

auf S. 364.

2) Vgl. Albbioht, Bullet. Americ. Schools Orient. Res. 70, 1938,

S. 23.

3) La Legende de Keret, S. 80.

(26)

84 0. Eissfbldt, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte

Jahwe eine Fügung erbittet, um die zu erkennen, die seinem

Herrn als Frau bestimmt ist, ein Geschehen übrigens, das sich

wie Keret Z. 112—114. 215—217 an der Quelle abspielt.

Das im Vorhergehenden gewonnene Ergebnis, daß der

geographische Horizont der Keret-Erzählung auf das Reich

von Ugarit und seine Nachbarschaft beschränkt sei, läßt sich

durch allgemeine Erwägungen weder schlüssig stützen noch

entscheidend widerlegen. Denn einerseits ist es sehr wohl

denkbar, daß die phönizischen Einwohner von Ugarit,wenn

ihre Vorfahren wirklich von der Sinaihalbinsel her allmählich

nach Norden vorgedrungen sind, die Erinnerung an diese

Urheimat über die Jahrhunderte festgehalten haben, und

noch leichter läßt es sich erklären, daß das phönizische

Ugarit, das ja jedenfalls zu Tyros und Sidon Beziehungen

aufweist und von hier kolonisiert sein wird, eine literarische

Tradition pflegt, die den Bereich der beiden Mutterstädte

und ihr bis an den Jordan und den See von Tiberias reichendes

Hinterland zum Schauplatz hat. Wenn Dussaud die Sinai¬

halbinsel und DE Vaux das Hinterland von Tyros als Schau¬

platz der Keret-Erzählung betrachten, so läßt sich das, bei

Anerkennung ihrer Voraussetzungen, also vollauf recht¬

fertigen. Auch die Tatsache, daß die kleinen Texte durchweg

einen nordsyrischen Horizont aufweisen*), liefert keinen

Gegenbeweis. Denn diese kleinen Texte, meistens, wie wir

sahen, geschäftlichen Inhalts, sind der Gegenwart, also dem

15. oder 14. Jahrhundert v. Chr., zugewendet und müssen den

praktischen Forderungen dieser eben um Ugarit kreisenden

Gegenwart Rechnung tragen. Die großen Texte aber ent¬

halten mythologisch-sagenhafte Dichtung, die, wie sie jeden¬

falls zeitlich der Gegenwart entrückt ist, nämlich in der Ver¬

gangenheit spielt, 80 auch sehr wohl die von romantischer

Erinnerung an die Heimat der Väter umsponnene räumliche

Ferne zum Schauplatz haben kann. Anderseits ist es aber

auch verständlich und nur zu erwarten, daß das Reich von

Ugarit, das zur Zeit der Abfassung unseres Keret-Epos, also

1) Oben S. 59 f.

(27)

0. EissPBLDT, Zum geograph. Horizont der Ras-Schamra-Texte 85

um 1400 V. Chr., schon auf eine tausendjährige stolze Ge¬

schichte zurückblicken kann, damals längst über Mythen und

Sagen verfügte, die sein Geschick, insbesondere auch die

Gestalten seiner Könige, dichterisch verklärten, Erzählungen

von der Art, wie sie nach dem hier vorgeschlagenen Ver¬

ständnis das Keret-Epos verkörpert. Es bleibt abzuwarten,

ob die noch der Veröffentlichung harrenden beiden Tafeln

des Epos diese Auffassung bestätigen werden oder nicht.

(28)

Zu Björn Collinder's osmanisch-türkischen Lautstudien Von Herbert W. Duda, Breslau

In den Vorbemerkungen zu Björn Collinder's Buch

„Reichstürkische Lautstudien*)", S. 3—7, erfährt man, daß

der Verfasser unter „Reichstürkisch" nicht etwa die durch

die vorislamischen türkischen Literaturdenkmäler auf uns

gekommene Sprache meint, sondern seine Lautstudien auf

die bisher in der internationalen Wissenschaftswelt mit

Osmanisch-Türkisch benannte Türksprache angewandt hat.

Termini technici sind ein Ergebnis der Übereinkunft; es ist

daher nicht von allzu großer Bedeutung, wenn der Terminus

technicus selbst zu speziell, zu allgemein oder etwa schief ist.

So wird also kein Turkologe einen Augenblick über den Be¬

deutungsinhalt der in allen Standardwerken der Türkologie

gebrauchten Bezeichnung Osmanisch-Türkiscli im unsicheren

sein*). Sollte man es dennoch für nötig finden, für Osmanisch-

Türkisch einen neuen Namen zu suchen, dann käme nur die

von P. Wittek vorgeschlagene Bezeichnung ,,Rüm-Türkisch"

in Frage*). Die Türken der Türkei selbst möchten ihre Sprache

Anadolu türkcesi nennen*), doch müssen Selbstbezeichnungen

der einzelnen Völker und Sprachen allein noch nicht ma߬

gebend für die Fassung einer auch wissenschaftlich gültigen

Bezeichnung sein. Wenn die Franzosen ,,les Allemands"

1) Björn Collindeb, Reichstürkische Lautstudien (Uppsala Uni¬

versitets Arsskrift 1939: 1), Uppsala-Leipzig 1939. 8». 104 S.

2) Vgl. auch T. Kowalski bei J. Rypka im A(rchiv) O(rientälni) III (1931), S. 200, Anm. 3.

3) Vgl. P. WiTTBK, Le Sultan de Rüm in L'Annuaire de l'Institut de Philologie et d'Histoire Orientale et Slave, t. VI, 1938, S. 30 und F. Tasschnbb in OLZ 42 (1939), Sp. 76ff.

4) Vgl. Th. Menzel, Der I. turkologische Kongreß in Badcu, in Der Islam 16 (1930), S. 21, Anm. 1.

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