Der Buchstabe Ghain im Ugaritischen von
Anton Jiektj, Bonn
In der „Zeitschrift für Assyriologie" NF. Bd. 20. 1961. S. 158flF. hat
0. Rösslee dem ugaritischen Buchstaben Ghain einen eigenen Artikel
gewidmet. Anlaß dazu war ihm die Ambivalenz dieses Buchstaben, der in
zahlreichen Fällen dem arabischen Ghain (bzw. dem hebräischen 'Ain)
entspricht, andererseits aber wiederum gebraucht wird, wo wir im
Arabischen und Hebräischen einen Sibilanten (z bzw. s) erwarten.
Das in Frage kommende Material veranschauliche ich in den beiden
folgenden Tabellen :
1. Ugarit. Ghain entspricht hebr. 'Ain und arab. Ghain:
Ugar. rgb (hungern) hebr. r'b arab. rgb
„ gmu'gmi't (du hast Durst)' ,, sm' ,, zm'
„ tgrTür „ s'r „ tgr
„ glm I (Jüngling) „ 'Im „ glm
II. Ugar. Ghain entspricht im Hebräischen und Arabischen einem Sibi¬
lanten :
Ugar. { l
glmt , . , hebr. slmt arab. zlm
Zimt (Finsternis)
jkg (erwachen) „ jks „ jkz
„ ngr (bewachen) „ nsr ,, nzr u. ö.
Es handelt sich hier zweifellos um einen singulären und erstaunhchen
Sachverhalt, der auch lange Zeit für die richtige Deutung dieses Buch¬
stabens hinderlich war. Wir stehen zweifellos vor der Tatsache, daß ugar.
Ghain in vielen Fällen dort steht, wo wir auf Grund anderer semitischer
Sprachen einen Sibilanten erwarten müssen.
Rösslee lehnt diese Ambivalenz des ugar. Ghain ab. Dort, wo es ihm
möglich erscheint, sucht er für eine Reihe ugar. Wörter mit Ghain eine
andere EtjTnologie als die bisher angenommene. Das Wort gr „Berg",
das man bisher hebr. sur gleichgesetzt hat, verbindet er mit arab. gaur,
obwohl letzteres eine ganz andere Bedeutung hat. Das Wort ngr, das
,, bewachen" bedeutet und das man bislang dem arab. nasara gleichsetzte,
erklärt er von einem Stamme gjr. Auch mgj „kommen", in dem man
bislang das arab. mdj wiederfand, will er mit arab. magaja (verleumden)
in Verbindung bringen, trotz der völlig verschiedenen Bedeutung.
Schwieriger gestaltet sich für Rösslee die Deutung der beiden ugar.
Wörter gm' „Durst haben" und jkg „wach sein, achtgeben". Denn gm'
' Ugaritisch aber auch zm'.
482 Anton Jerku, Der Buchstabe Ghain im Ugaritischen
ist durch das parallele rgb „Hunger haben" in seiner Bedeutung ein¬
deutig festgelegt ; wobei zu beachten ist, daß es für dieses Wort außer der
Schreibung gm' auch die normale zm' gibt. Und bei jkg lehrt es der Zu¬
sammenhang des Textes, daß nur an das arab, jakiza (hebr. jks) gedacht
werden kann. Also doch Ambivalenz des ugar. Ghain ?
Rössler macht es sich da leicht, indem er in diesen beiden Fällen eine
„Fehlschreibung" annimmt, da angeblich in der ugar. Schrift die Buch¬
staben Ghain und z sehr ähnlich seien. Dies ist aber nicht der Fall ! In der
Liste der Schreibfehler bei Gordon, Ugaritic Manual 1955 S. 19 findet
sich auch kein Beispiel, bei dem statt eines z ein g geschrieben wurde.
Und in dem einen Falle ist eine Fehlschreibung auch aus einem anderen
Grunde gar nicht möglich (gm'u gm'it), da gleich nacheinander der
gleiche Schreiber nicht den gleichen Schreibfehler gemacht hätte. Der
Grundsatz : ,,Und was ich nicht erklären kann, seh ich als Fehlschreibung
an", ist in der TextkritUc des Alten Testamentes ad absurdum geführt
worden. Der Verfasser dieses Artikels hat in seiner F.u.F 32.1958 S. 211 f.
erschienenen Abhandlung ,,Eine Renaissance des Hebräischen" gezeigt,
wieviele, bisher als Fehlschreibungen im hebräischen alttestamentlichen
Text angesehene Stellen gerade durch das Ugaritische eine plausible
Deutung erfahren haben.
Wir müssen also nach einer anderen Deutung dieser Ambivalenz des
ugar. Ghain Ausschau halten. In seinem ,, Grundriß der vergleichenden
Grammatik der semitischen Sprachen" Leipzig 1908 S. 134 weist
C. Beockelmann daraufhin, daß in den ältesten aramäischen Inschriften
altsemitisches d (arab. däd) als q erscheint (mauqa', 'arqa' u.a. vgl.
Jeremia 10, 11. 'arqa'). Später trat an die Stelle des q ein g, bzw. ein '
(Vgl. hebr. pss, arab. fadda und aram. p"; arab. da'an vgl. hebr. s'ön und aram. 'änä).
Mit aller Vorsicht möchte ich nun zur Diskussion stellen, ob bei dieser
ugaritischen Eigenart, an Stelle eines Sibilanten ein Ghain zu setzen,
nicht eine ähnliche lautliche Entwicklung vorliegt.
Wir können, abgesehen von der Frage des Ghain, im Ugaritischen eine
Erscheinung feststellen, die ich als „aramäische Welle" bezeichnen
möchte. In dem sonst durchaus ,, kanaanäisch" anmutenden Ugaritischen
können wir zahlreiche Wörter mit aramäischer Färbung feststellen; vgl.
das Pronomen d ,, welcher", 'udn „Ohr", 'ahd" ergreifen", dbh ,, Opfer", br „Sohn", d't ,, Schweiß", dkn ,,Bart", dr' ,, zerstreuen".
Ließe sich diese oben geschilderte Ambivalenz des ugar. Ghain nicht
so deuten, daß zu der erstmals kanaanäischen Bevölkerung von Ugarit
ein aramäischer Volkssplitter stieß, was nicht nur das Vorhandensein
der oben erwähnten aramäischen Wörter erklären würde, sondern auch
die oben geschilderte zwiespältige Rolle des Ghain ?
Zur Tier-Dämonologie der Bibel
Von Herman Wohlstein, Malmö
1. Die Schlange. Daß in dem Hauptbericht vom Paradiese, der
Gen. 3 vorliegt, außerisraelitische Bestandteile vorhanden sind, ist schon
aus der bedeutenden Rolle, die die Schlange hier einnimmt, sichtbar. Im
vorderasiatischen wie auch im althellenischen Kulturkreis ist die Schlange
das spezielle Symbol des über die Toten herrschenden Unterweltgottes.
Oft wird sie sogar mit der chthonischen Gottheit identifiziert. Nun wird
in der assyrischen Mythologie besonders deutlich die auch als chthonisch
geltende Liebes- imd Fruchtbarkeitsgöttin lätar in Beziehung zu Schlan¬
gen gesetzt. In einem von Bezold (Zeitschrift f. Ass. IX. S. 114 ff.)
herausgegebenen Text wird sie u.a. geschildert, wie ,,sie von Schuppen
wie eine Schlange bedeckt ist". Die Wände am Räucheraltare des
archaischen von W. Andkae ausgegrabenen Istartempels in Assur
waren mit Schlangendarstellungen geschmückt'. Bei den Ausgrabungen
in Sidon wurde eine Istarstatuette gefunden (nun verloren gegangen),
die die Brust der Göttin mit Schlangen umwunden darstellt-. Die
klassische Urkunde in der assyrischen Literatur, wo Istar als die ver¬
führerische und grausam tötende Macht erscheint, ist das bekannte
Gilgames-Epos. In der 6. Tafel dieses Heldengedichtes will sie, wie sie es
früher mit ihren anderen Liebhabern tat, auch Gilgames in die Falle
locken, seine geschlechtliche Gier aufreizen und ihn nachher in den Tod
schicken. Dasselbe wird bekanntlich von der Schlange im Paradies,
Gen. 3, berichtet. ,,Der Baum des Erkennens von Gut und Böse", dessen
durch göttlichen Entschluß dem Menschen vorenthaltene Frucht die
Schlange zuerst der Eva empfiehlt, soll das Öffnen der Augen bewirken,
wodurch das erste Menschenpaar gottähnlich werden würde. Daß diese
Erkeimtnis mit dem Verlust der geschlechtlichen Unschuld gleichgestellt
ist, berichtet deutlich die Bibel selbst, wenn es Gen. 3:7 heißt, daß seit
dem Moment des Essens von diesem Baum die Schamlosigkeit sich ent¬
wickelte. Die durch die Verführung der Schlange verlorene Glückseligkeit
enthält aber der monotheistisch gerichtete Verfasser auch der Schlange
als dem ,, primus motor" dieser Urzeitepisode vor. Wenn der Mensch in
Besitz „des Guten und Bösen" kommt, fürchtet Gott, daß dieser sich
^ A. Jeremias, Handbuch der altorientalischen Oeisteskultur^ 406. Daß aueh
der palästinensischen Astarte die Schlange als spezielles Symbol zukam, ist
durch die Ausgrabimgen in Beisan bestätigt worden.
2 L. c, 338.