O. Schnürer, L. S. Krapp Universität Konstanz
Sommersemester 2020 Fachbereich Mathematik und Statistik
Übungen zur Vorlesung Analysis II
Blatt 10
Abgabe von:Musterstudent
Tutor(in):Mein Lieblingstutor 1 2 3 4 Σ
4 4 4 4 16 Allgemeiner Hinweis:Für die Bearbeitung dieses Übungsblatts werden alle Resultate bis ein- schließlich Theorem 6.17 vorausgesetzt. Alle Aussagen sind stets zu beweisen.
Aufgabe 10.1(Ableitungen und Gradienten) [2 + 2 Punkte]
Sein∈N>0. Überprüfen Sie die folgenden Funktionen auf Differenzierbarkeit und berechnen Sie die Ableitung sowie den Gradienten in allen Punkten, in denen die jeweilige Funktion differen- zierbar ist.
(i) f:Rn→R, x7→ kxk. (ii) g:Rn\ {0} →Rn, x7→ kxkx .
Lösung:Diese Lösung kommt ohne die Verwendung der Jacobi-Matrix aus und nutzt ausschließ- lich die Kettenregel und die direkte Berechnung von Ableitungen. Selbstverständlich können viele der Nachweise mit Verwendung der Jacobi-Matrix deutlich abgekürzt werden.
(i) Die Wurzelfunktion r:R>0 → R, α 7→ √
α ist für α > 0 differenzierbar mit Ableitung r0(α)hβi= 2√βα für alle β ∈R. Fürx∈Rn und ξ ∈Rn gilt
kx+ξk2=kxk2+ 2hx, ξi+kξk2 =kxk2+ 2hξ, xi+o(kξk).
s:Rn→R, x7→ kxk2 ist also differenzierbar mit Ableitung s0(x)hξi= 2hξ, xi für alleξ∈ Rn. Es giltf(x) =r(s(x)) und wir erhalten mit Hilfe der Kettenregel die Differenzierbarkeit von f in x6= 0. Die Ableitung lautet
f0(x)hξi=r0(s(x))s0(x)hξi= 2r0kxk2hhx, ξii= 2 hx, ξi 2qkxk2
= hx, ξi kxk
für alle ξ ∈Rn.
Nach Definition des Gradienten gilt
hξ,∇f(x)i=ξ, x kxk
für alle ξ ∈Rn. Daraus folgt∇f(x) = kxkx =g(x).
An der Stelle 0 istf nicht differenzierbar: Angenommen,f wäre in 0 differenzierbar. Dann wäre es insbesondere partiell differenzierbar. Wir erhalten
−1 = lim
t↑0
−t t = lim
t↑0
kte1k
t =D1f(0) = lim
t↓0
kte1k t = lim
t↓0
t t = 1, ein Widerspruch.
(ii) Wir verketten folgende Funktionen:
α:Rn\ {0} 7→(R\ {0})×Rn, x7→(kxk, x),
β: (R\ {0})×Rn→(R\ {0})×Rn, (a, x)7→a−1, x, γ: (R\ {0})×Rn→Rn, (a, x)7→ax.
Es giltg=γ◦β◦α. Wir berechnen die Ableitungen, wobeix, ξ∈Rn und λ, ε∈Rsind:
α(x+ξ) = (kx+ξk, x+ξ) =kxk+ξ, x kxk
+o(kξk), x+ξ
=α(x) +ξ, x kxk
, ξ
| {z }
α0(x)hξi
+o(kξk),
β(λ+ε, x+ξ) = 1
λ+ε, x+ξ
=1 λ+ −ε
λ2 +o(|ε|), x+ξ
=β(λ, x) + −ε λ2, ξ
| {z }
β0(λ,x)h(ε,ξ)i
+o(k(ε, ξ)k),
γ(λ+ε, x+ξ) = (λ+ε)(x+ξ) =λx+εx+λξ+εξ
=γ(λ, x) + εx+λξ
| {z }
γ0(λ,x)h(ε,ξ)i
+o(k(ε, ξ)k).
Aufgrund der Kettenregel ist g also in x∈Rn\ {0} differenzierbar und es gilt g0(x)hξi= (γ0(β◦α(x))◦(β◦α)0(x))hξi= (γ0(β◦α(x))◦β0(α(x))◦α0(x))hξi
=γ0kxk1 , x◦β0(kxk, x) DDξ,kxkx E, ξE
=γ0kxk1 , x
*
−Dξ,kxkx E kxk2 , ξ
+
= ξ kxk−
Dξ,kxkx E
kxk2 x= ξ
kxk −hξ, xix kxk3 .
Aufgabe 10.2(Eigenwerte symmetrischer Matrizen II) [2 + 2 Punkte]
Sein∈N>0 und sei A∈Rn×n symmetrisch. Betrachte die Abbildung ϕ:Rn\ {0} →R, x7→ hAx, xi
kxk2 . (i) Zeigen Sie, dass es einx0∈Sn−1 mit
ϕ(x0) = inf
t∈Rn\{0}ϕ(t)
gibt, d. h. die Funktion ϕ nimmt ihr globales Minimum in Sn−1 an. Folgern Sie, dass Dϕ(x0) = 0 gilt.
(ii) Berechnen SieDϕ(x)hyi fürx∈Rn\ {0} undy∈Rn. Folgern Sie, dassx0 ein Eigenvektor der Matrix A ist. Was ist der zugehörige Eigenwert?
Lösung:
(i) Wir bemerken zunächst, dass für alle λ∈R\ {0}und alle x∈Rn\ {0}gilt:
ϕ(λx) = hA(λx), λxi kλxk2 = λ2
λ2
hAx, xi
kxk2 =ϕ(x).
Da ϕ als Komposition stetiger Funktionen stetig ist, nimmt ϕ|Sn−1 auf der Kompakten Menge Sn−1 sein Minimum an. Seix0 ∈Sn−1 mit
ϕ(x0) = inf
t∈Sn−1
ϕ(t).
Wir zeigen, dassϕ(x0) schon das globale Minimum vonϕist. Sei hierzuy∈Rn\ {0}. Dann gilt fürλ=kyk−1
ϕ(y) =ϕ(λy)≥ϕ(x0), da λy∈Sn−1.
Da ein globales Minimum insbesondere ein lokales Minimum ist und die Funktion ϕ in einer offenen Umgebung von x0 differenzierbar ist, erhalten wir mit Theorem 6.15, dass Dϕ(x0) = 0 gilt.
(ii) Seien
∆:Rn7→Rn×Rn, x7→(x, x) und
u:Rn×Rn→R, (x, y)7→ hAx, yi. Die Ableitung von ∆ ist durch
D∆(x)hyi= (y, y)
gegeben, da ∆(x+y) = ∆(x) + (y, y) gilt. Die Funktionuist eine Bilinearform.
Wir wenden die Ketten-, Produkt- und Quotientenregel, die Lösung von Aufgabe 10.1 (i) sowie Beispiel 6.7 an:
Dϕ(x)hyi=D
u◦∆ s
(x)hyi
=D(u◦∆)(x)
s(x) − (u◦∆)(x)Ds(x) s2(x)
hyi
= Du(x, x)◦D∆(x)
kxk2 −hAx, xiDs(x) kxk4
! hyi
= Du(x, x)h(y, y)i
kxk2 −hAx, xiDs(x)hyi kxk4
= 2hAx, yi
kxk2 −hAx, xi2hx, yi kxk4
Wir erhalten also für alle y∈Rn:
0 = hAx0, yi
kx0k2 −hAx0, x0i hx0, yi kx0k4
=hAx0, yi − hAx0, x0i hx0, yi
=hAx0, yi − hhAx0, x0ix0, yi
=hAx0− hAx0, x0ix0, yi.
Daraus folgt Ax0 − hAx0, x0ix0 = 0, also Ax0 = hAx0, x0ix0. Dies zeigt, dass x0 ein Eigenvektor vonA mit Eigenwert hAx0, x0iist.
Aufgabe 10.3(Wer lebt wo?) [4 Punkte]
Für ihre Vorbereitung auf die Analysis-Klausur findet eine Studentin folgende Zeilen in ihren Mitschriften:
Seien n, m∈N>0, sei A:R×R→Rn eine stetige bilineare Abbildung und seien f, g∈C1(Rm). Dann gilt für h(x) :=Ahf(x), g(x)i,
∆ : R
m→ R
m× R
m, x 7→ (x, x) und [f × g] : R
m× R
m→ R × R , (x, y) 7→ (f(x), g(y))
Dh(x0)hyi=D(A◦[f×g]◦∆)(x0)hyi
=DA [f×g](∆(x0))◦D([f ×g]◦∆)(x0)hyi
= DA(f(x0), g(x0))◦D[f×g](∆(x0))◦D∆(x0)hyi
= DA(f(x0), g(x0))◦D[f×g](∆(x0))h(y, y)i
=DA(f(x0), g(x0))h(Df(x0)hyi, Dg(x0)hyi)i
=Ahf(x0), Dg(x0)hyii+AhDf(x0)hyi, g(x0)i.
Helfen Sie der Studentin, diesen Beweis wieder zu verstehen, indem Sie
(a) die fehlenden Definitionen der auftretenden Funktionen ∆ und [f×g] ergänzen.
(b) für die folgenden Ausdrücke angeben, zu welchen Räumen sie gehören. Benutzen Sie dabei soweit möglich die SchreibweisenC...(. . .) undL...(. . .) anstatt Abb(. . .).
(i) x0 ∈Rm (ii) y∈Rm
(iii) A∈L2(R;Rn)
(iv) [f×g]∈C1(Rm×Rm,R×R) (v) ∆∈C∞(Rm,Rm×Rm) (vi) h∈C1(Rm,Rn)
(vii) [f×g]◦∆∈C1(Rm,R×R) (viii) D([f×g]◦∆)(x0)∈L(Rm,R×R)
(ix) DA(f(x0), g(x0))∈L(R×R,Rn) (x) D[f×g](∆(x0))∈L(Rm×Rm,R×R) (xi) D∆(x0)∈L(Rm,Rm×Rm)
(xii) Dh(x0)∈L(Rm,Rn) (xiii) Df ∈C0(Rm, L(Rm,R)) (xiv) AhDf(x0)hyi, g(x0)i ∈Rn
Lösung:Ist direkt in der Aufgabe eingetragen.
Aufgabe 10.4(Interpolationsungleichung II) [4 Punkte]
Für eine Funktion f:R2 →Rschreiben wirZ
R2
f für Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
f(x, y)dx dy.
In einem alten Buch hat ein Student auf der Suche nach der Lösung zu einer Übungsaufgabe folgenden Beweis gefunden, in dem leider einige Zeilen nicht mehr zu lesen waren:
Sei u∈C1(R2) eine Funktion mit kompaktem Träger.
u2(x, y) = 2Z x
−∞
u(t, y)∂u
∂x(t, y)dt≤2Z ∞
−∞
|u(t, y)| k∇u(t, y)k dt.
Daraus folgt Z
R2
u4≤4Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
|u(t, y)| k∇u(t, y)kdt
Z ∞
−∞
|u(x, s)| k∇u(x, s)kds
dx dy
= 4Z
R2
|u| k∇uk 2
≤4Z
R2
u2 Z
R2
k∇uk2
.
Formulieren Sie die Aussage, die hier bewiesen wurde, und begründen Sie die einzelnen Beweis- schritte, die hier durchgeführt wurden.
Lösung:Aussage: Seiu∈C1(R2) eine Funktion mit kompaktem Träger. Dann gilt Z
R2
u4 ≤4Z
R2
u2 Z
R2
k∇uk2
.
Da u einen kompakten Träger hat, gibt es ein M ∈N>1, sodass supp u ⊂[−(M−1), M −1]2 gilt. Also insbesondere gilt u(x, y) = 0, falls |x| ≥ M oder |y| ≥M (und selbiges gilt für beide partiellen Ableitungen).
•
u2(x, y) = 2Z x
−∞
u(t, y)∂u
∂x(t, y)dt – Es genügt
u2(x, y) = 2Z x
−M
u(t, y)∂u
∂x(t, y)dt zu zeigen:
2Z x
−Mu(t, y)∂u
∂x(t, y)dt=Z x
−M
∂
∂xu2(t, y)dt=u2(x, y)−u2(−M, y) =u2(x, y).
•
2Z x
−∞u(t, y)∂u
∂x(t, y)dt≤2Z ∞
−∞|u(t, y)| k∇u(t, y)k dt – Dies ist offensichtlich, dau(t, x)≤ |u(t, x)|sowie
D1u(t, y)≤q(D1u(t, y))2+ (D2u(t, y))2 =k∇u(t, y)k für alle t, y∈R2 gilt.
• Z
R2
u4≤4Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
|u(t, y)| k∇u(t, y)kdt
Z ∞
−∞
|u(x, s)| k∇u(x, s)kds
dx dy – Hier wurde schlicht u2·u2 durch oben gezeigte Gleichung (einmal für x, einmal für y) abgeschätzt.
•
4Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
|u(t, y)| k∇u(t, y)kdt
Z ∞
−∞
|u(x, s)| k∇u(x, s)kds
dx dy
= 4Z
R2
|u| k∇uk 2
– Es genügt Z M
−M
Z M
−M
Z M
−M
|u(t, y)| k∇u(t, y)kdt
! Z M
−M
|u(x, s)| k∇u(x, s)kds
! dx dy
= Z M
−M
Z M
−M
|u(x, y)| k∇u(x, y)kdx dy
!2
zu zeigen:
Z M
−M
Z M
−M
Z M
−M
|u(t, y)| k∇u(t, y)kdt
! Z M
−M
|u(x, s)| k∇u(x, s)kds
! dx dy
=Z M
−M
Z M
−M
|u(t, y)| k∇u(t, y)kdt
!Z M
−M
Z M
−M
|u(x, s)| k∇u(x, s)kds
! dx dy
=Z M
−M
Z M
−M
|u(x, s)| k∇u(x, s)kds
! dx·
Z M
−M
Z M
−M
|u(t, y)| k∇u(t, y)kdt
! dy
= Z M
−M
Z M
−M
|u(x, y)| k∇u(x, y)kdx dy
!2
,
wobei wir bei der letzten Gleichung Korollar 5.81 angewandt haben.
•
4Z
R2
|u| k∇uk 2
≤4Z
R2
u2 Z
R2
k∇uk2
. – Es genügt
Z M
−M
Z M
−M
|u(x, y)| k∇u(x, y)kdx dy
!2
≤ Z M
−M
Z M
−Mu2(x, y)dx dy
! Z M
−M
Z M
−M
k∇u(x, y)k2dx dy
!
zu zeigen. Wir wenden zweimal die Höldersche Ungleichung an:
Z M
−M
Z M
−M
|u(x, y)| k∇u(x, y)kdx dy
!2
≤
Z M
−M
Z M
−M
|u(x, y)|2dx
!12 Z M
−M
k∇u(x, y)k2dx
!12 dy
2
≤ Z M
−M
Z M
−M
u2(x, y)dx dy
! Z M
−M
Z M
−M
k∇u(x, y)k2dx dy
! .
Abgabe: Bis Freitag, 26. Juni 2020, 09:54 Uhr, direkt an die Tutorin / den Tutor. Wir bitten die allgemeinen Hinweise zur Abgabe von Lösungen (siehe Homepage) zu beachten.