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Künstliche Intelligenz: "Die Alternative ist: Irgendwann ist dein Arbeitsplatz fort"

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Künstliche Intelligenz: "Die

Alternative ist: Irgendwann ist dein Arbeitsplatz fort"

Interview: Sophia Schirmer

16-19 Minuten

2013 veröffentlichten die Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael Osborne eine Zahl, die viele schockierte: Fast die Hälfte der Arbeitsplätze in den USA könnte durch Automatisierung bedroht sein, schrieben sie in der Studie "The Future of

Employment" (Die Zukunft der Beschäftigung). In den folgenden Jahren wurde die Studie als übertrieben kritisiert und aktualisiert.

Doch sie setzte eine große Frage auf die öffentliche Agenda: Wie wird künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändern? Das

Bundesarbeitsministerium plant inzwischen eine Art TÜV für die Anwendung von künstlicher Intelligenz in Unternehmen.

Shirley Ogolla erforscht die Prozesse um KI in der Arbeitswelt am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin. Josef Bednarski begleitet die Umsetzung in der Praxis, er ist

Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der Deutsche Telekom AG. Mit ZEIT ONLINE haben die beiden über die Risiken, aber auch die Chancen von KI am Arbeitsplatz diskutiert: Richtig eingesetzt könnte sie Menschen von drögen Routinetätigkeiten befreien – und dazu führen, dass alle weniger arbeiten müssen.

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"Die Alternative ist: Irgendwann ist dein Arbeitsplatz fort"

ZEIT ONLINE: Frau Ogolla, Herr Bednarski, haben Sie eigentlich Angst vor künstlicher Intelligenz?

Josef Bednarski: Ich habe keine Angst. Ich muss mich mit dem Thema auseinandersetzen und Lösungen finden. Angst ist da ein schlechter Berater.

Shirley Ogolla: Da stimme ich zu. Der öffentliche Diskurs in Deutschland ist generell eher pessimistisch, wenn es um neue technologische Phänomene geht. Wir sollten aber nicht

angstgetrieben auf künstliche Intelligenz zugehen, denn letztendlich können wir sie für uns nutzen.

ZEIT ONLINE: Frau Ogolla, einfach erklärt: Was ist künstliche Intelligenz?

Ogolla: Der Begriff der künstlichen Intelligenz ist umstritten.

Viele haben Fantasien von starker oder selbst agierender

künstlicher Intelligenz, die ist aber eigentlich noch nicht wirklich einsatzfähig. Wenn wir über das reden, was wir heute bereits anwenden, dann reden wir über Machine Learning oder lernende Algorithmen. Das sind Systeme, die auf Basis von Datensätzen lernen, Muster zu erkennen und Probleme eigenständig zu lösen.

ZEIT ONLINE: Herr Bednarski, wo wird KI bei der Telekom schon eingesetzt?

Bednarski: Im Kundendienst gibt es Chatbots, die einfache

Kundenanfragen beantworten. Wenn also ein Kunde ein Problem hat, meldet er sich im Servicecenter und das Problem wird durch

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den Bot bearbeitet. Wir haben auch in der Finanzbuchhaltung intelligente Systeme, um einfache Abrechnungsvorgänge zu bearbeiten. Die Grenzen dessen, was als einfach gilt, werden aber stetig verschoben. Das heißt, je intelligenter diese Systeme durch uns Menschen werden …

Ogolla: … weil wir sie mit Daten füttern und sie dadurch lernen

Bednarski: … genau, die werden ja nicht von allein intelligent.

Also, je intelligenter wir diese Systeme machen, desto mehr finden sie Einzug ins Arbeitsleben.

Ogolla: Wenn wir heute intelligente Systeme einsetzen, dann vor allem, um einzelne Tätigkeiten in einem Arbeitsprozess zu

automatisieren, nicht den kompletten Job auf einmal. Vieles davon ist unsichtbar – dass ein Roboter kommt und sich an meinen Arbeitsplatz setzt, ist also ein falsches Bild. Und letztendlich gibt es in Tätigkeiten immer auch menschliche Komponenten, die wichtig sind.

ZEIT ONLINE: Zum Beispiel?

Ogolla: Um beim Kundendienstbeispiel zu bleiben: Es gibt Aufgaben, die ein Bot super bearbeiten kann – ganz einfache Anfragen wie "Wann kriege ich meine nächste Rechnung?". Aber wenn die Kundin oder der Kunde große Probleme hat, sich sehr aufregt, sehr emotional ist, dann braucht es natürlich einen Menschen, der die Person betreut.

ZEIT ONLINE: Warum wollen Arbeitgeber KI einsetzen?

Ogolla: Ich habe den Eindruck, dass die Motivationen ganz unterschiedlich sind. Es gibt diejenigen, die sagen: Alle machen irgendwas mit KI, wir wollen auch was mit KI machen. Dann gibt es diejenigen, die merken: Wir können in unserem

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Geschäftsmodell etwas verbessern mit KI. Und, ich glaube, viele setzen KI einfach ein, weil sie sich erhoffen, Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten und höhere Gewinne zu erwirtschaften.

Bednarski: Letzteres teile ich absolut. Wir leben im

Kapitalismus, jedes Unternehmen will so viel Profit machen wie nur möglich. KI ersetzt den Menschen als Produktionsfaktor, dadurch kann ich Effizienz steigern und Lohnkosten senken.

ZEIT ONLINE: Aus Arbeitgebersicht klingt das super, für Arbeitnehmende dagegen furchtbar. Oder?

Ogolla: In meinem persönlichen Arbeitsalltag gibt es auf jeden Fall Dinge, die ich gern an einen Bot abgeben würde,

Reisekostenabrechnungen zum Beispiel. Da wäre ein Bot eine Entlastung. Andererseits wäre es auch nicht gut, wenn wir alle Routinetätigkeiten abgeben würden. Denn dadurch würden die Anforderungen steigen, man müsste sich viel häufiger auf viel komplexere Aufgaben konzentrieren.

Sollten Menschen weniger arbeiten, weil sie

komplexere Aufgaben lösen?

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Shirley Ogolla erforscht am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, wie künstliche Intelligenz in der

Wissensarbeit eingesetzt werden kann. Sie sagt: "Durch KI werden neue Arbeitsplätze entstehen." © Jakob Weber für ZEIT ONLINE

ZEIT ONLINE: Sie haben vorhin ja auch erklärt, Frau Ogolla, dass es immer dann einen Menschen im Kundendienst braucht, wenn sich ein Kunde sehr aufregt. Die schwierigen Aufgaben bleiben also. Wird KI unser Arbeitsleben anstrengender machen?

Ogolla: Da möchte ich keine Vorhersage machen. Aber ich denke schon, dass man solche Phänomene beobachten wird.

Das macht genau die Komplexität des Themas aus: Einerseits reden wir von Entlastung, andererseits von einer möglicherweise höheren Belastung. Wobei man sich dann vielleicht auch fragen darf, ob Menschen weniger arbeiten sollten, weil sie komplexere Aufgaben lösen.

Bednarski: Genau, da kommen wir an die Kernfrage: Müssen wir Arbeit anders verteilen? Ich teile die Auffassung, dass

Menschen mehr belastet sind im Arbeitsprozess, wenn einfache Tätigkeiten wegfallen. Und es kann ja auch nicht jeder

hochkomplexe Dinge tun. Es gibt Menschen, die nur einfache Tätigkeiten verrichten können – denen nehme ich die Arbeit weg.

Ich bin überzeugt, dass wir viele Arbeitsplätze verlieren werden, wie viele, darüber kann man streiten.

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Josef Bednarski

ZEIT ONLINE: Damit sind wir bei der wohl größten Sorge vieler – dass die Einführung von KI Arbeitsplätze kosten wird.

Bednarski: Ich bin überzeugt, dass wir viele Arbeitsplätze verlieren werden, wie viele, darüber kann man streiten. Und ich glaube nicht, dass KI das alles kompensieren kann, wir können nicht alle Entwicklerinnen und Entwickler von Software werden.

Also muss man darüber nachdenken, wie man die verbleibende Arbeitsmenge verteilt. Und das muss natürlich zu einer

Arbeitszeitabsenkung für den Einzelnen führen. Die

Effizienzgewinne können nicht nur in den Unternehmen und bei den Aktionären landen, die müssen doch auch den Menschen zugutekommen.

ZEIT ONLINE: Aber wie soll so eine Umverteilung funktionieren, wenn vor allem die Jobs wegfallen, in denen einfache

Routinetätigkeiten verrichtet werden – und die anspruchsvollen übrig bleiben?

Ogolla: Der Stanford-Forscher Kenji Kushida hat mir von einem Konzept namens Intelligence Augmentation erzählt, der

japanische Baumaschinenhersteller Komatsu setzt es bereits ein.

Komatsu baut KI in seine Maschinen ein, um die Bedienung zu erleichtern. Aufgaben, die viel Wissen voraussetzen, werden also zu einem Grad digitalisiert, automatisiert, KI-isiert – je nachdem, wie man es nennen möchte. Menschen, die eine geringe

Qualifizierung haben, können dann mit der Technik gemeinsam diese Aufgaben erfüllen, sozusagen als Kollegen. Das finde ich sehr spannend: Man hat eine geringqualifizierte Person, dazu komplexe Technik – und gemeinsam können sie eine Arbeitskraft abbilden, die hochqualifiziert ist.

ZEIT ONLINE: KI hilft der Person also, einen Job zu behalten –

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der wird aber anspruchsvoller?

Ogolla: So könnte es sein, ja. Durch KI werden neue Arbeitsplätze entstehen, wir brauchen Innovation und wir brauchen Leute, die Technikentwicklung gestalten. Aber das werden nicht genau die Leute sein, die entlassen wurden, zum Beispiel aus dem Service- oder Finanzbereich. Viele

Unternehmen entwickeln deswegen gerade Programme, um Leute umzuschulen oder weiterzubilden. Quasi von der

Buchhalterin zur Programmiererin.

Durch KI werden neue Arbeitsplätze entstehen Shirley Ogolla

Bednarski: Ja, das gibt es bei uns auch. Wir als Betriebsräte sagen: Wir müssen Skillmanagement betreiben, also die

Kompetenzen der Mitarbeitenden kontinuierlich weiterentwickeln.

Wir müssen nach vorn schauen und uns fragen: Was haben wir heute? Was brauchen wir künftig? Und: Wie bringen wir

Menschen dahin?

ZEIT ONLINE: Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen nicht besonders glücklich darüber sind, wenn sie plötzlich

geschult werden sollen, um einen ganz anderen Job zu machen.

Bednarski: Ja, aber wir Betriebsräte müssen sie davon überzeugen, was die Alternative wäre. Die Alternative ist:

Irgendwann ist dein Arbeitsplatz fort. Wir haben jetzt eine

Chance, dich in Arbeit zu halten – gegebenenfalls noch mit dem Effekt, dass du …

Ogolla: … mehr Gehalt kriegst.

Bednarski: Genau. Das ist Überzeugungsarbeit, wir müssen den Menschen vermitteln: Wir tun etwas Gutes für dich, wir bemühen uns, dass dein Arbeitsplatz erhalten bleibt, dass du

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Karrierechancen hast oder behältst. Dafür musst du dich aber permanent weiterentwickeln – während deiner Arbeitszeit, natürlich.

"Es gibt mehr als Algorithmen"

Josef Bednarski beschäftigt sich als Vorsitzender des

Konzernbetriebsrats der Deutsche Telekom AG mit künstlicher Intelligenz. Er sagt: "Ich bin überzeugt, dass wir viele

Arbeitsplätze verlieren werden." © Jakob Weber für ZEIT ONLINE

Ogolla: Gleichzeitig müssen wir auch ganz dringend diejenigen, die in zehn Jahren in den Arbeitsmarkt gehen, jetzt unterstützen.

Manche sagen, data literacy – also gebildet zu sein im Umgang

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mit Daten – ist heute genauso wichtig, wie früher lesen und schreiben zu lernen. Wir müssen Informatikkurse haben in den Schulen und das Thema interessant machen, auch für Frauen und Mädchen.

Bednarski: Ja, aber ohne dass wir ein Volk von

Programmiererinnen und Programmierern werden. Wir müssen schon breit aufgestellt sein. Es gibt mehr als Algorithmen.

Ogolla: Natürlich. Aber ich glaube, es ist extrem wichtig, dass sich jede Person damit auseinandersetzt. Wie möchte ich

arbeiten? Wie stelle ich mir meine Arbeit in fünf, zehn, zwanzig Jahren vor? Und auch: Welche Rolle spielt Digitalisierung dabei?

Das sind natürlich schwierige Fragen. Aber wir müssen uns alle Gedanken machen, weil wir alle davon betroffen sein werden.

Wir müssen uns alle Gedanken machen, weil wir alle davon betroffen sein werden.

Shirley Ogolla

ZEIT ONLINE: Wir haben jetzt viel über Belastung gesprochen, über den Verlust von Arbeitsplätzen. Herr Bednarski, wenn KI das alles mit sich bringt, müssten Sie als Betriebsrat ihre Einführung doch eigentlich ablehnen, oder?

Bednarski: Indem ich es ablehne, löse ich das Problem ja nicht.

Als Betriebsrat muss ich überlegen, wie ich die Menschen bestmöglich schütze. Zum Beispiel wie ich vermeide, dass sie überhaupt in Überlastungssituationen kommen. Das ist meine Aufgabe, da muss ich beharrlich sein. Ich muss allerdings auch darauf achten, dass das Unternehmen läuft …

Ogolla: … und nicht den Anschluss verliert.

Bednarski: Ja genau, ich muss wettbewerbsfähig bleiben, denn nur durch diese Wettbewerbsfähigkeit können die Menschen

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auch ihren Arbeitsplatz behalten. Das ist ein riesen Spannungsfeld.

ZEIT ONLINE: Wie wollen Sie diese Spannungen auflösen?

Bednarski: Ich will vorn dabei sein, in der Entwicklung der KI.

Ich will nicht erst zustimmen, wenn alles fertig ist. Das war früher vielleicht mal gut, aber mittlerweile ist alles nicht nur sehr

dynamisch geworden, sondern auch hochkomplex. Deshalb müssen wir am Anfang dabei sein, um die Dinge, die uns wichtig sind, einzubringen – ohne irgendwelche Algorithmen verstehen zu müssen, natürlich.

Ogolla: Und man sollte auch die Menschen, bei denen KI eingesetzt werden soll, von Anfang an in den Prozess

einbeziehen. Menschen, die seit 20 Jahren an ihrem Arbeitsplatz sitzen, kennen ihre Arbeit am allerbesten. Dieses Wissen ist unheimlich wertvoll für die KI. Und es gibt ja auch das Problem, dass sich Menschen weigern, das System am Ende zu benutzen, oder versuchen, drumherum zu arbeiten. Die

Technologieakzeptanz ist nicht immer gegeben, die braucht es aber.

Bednarski: Fürwahr, fürwahr.

ZEIT ONLINE: Eine weitere große Angst ist, dass KI Diskriminierung verstärkt. Eine KI von Amazon, die aus

Bewerbungen die vielversprechendsten Kandidaten auswählen sollte, hat zum Beispiel Frauen benachteiligt. Wie kann man das lösen?

Ohne Regeln werden wir es nicht hinkriegen.

Josef Bednarski

Ogolla: In der Wissenschaft nennt man das Machine Learning Bias. Das Problem ist, dass die Datensätze, mit denen die KI

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oder die Machine-Learning-Modelle trainiert werden, nicht heterogen genug sind. Wir sind eine diskriminierende Gesellschaft und das wird wiederholt und verstärkt durch Technologie. Es gibt viele technische Möglichkeiten, das zu umgehen und die Datensätze zu diversifizieren: Daten sollten beispielsweise aus mehr als einer Quelle gewonnen werden und nicht nur aus einer bestimmten Region stammen, sondern aus verschiedenen. Aber es ist eben auch eine Bewusstseinsfrage.

Das Problem ist ein gesellschaftliches und kein technisches.

Bednarski: So ist es. Und dafür brauchen wir Regeln.

Bewusstsein ja, aber ohne Regeln werden wir es nicht

hinkriegen. Wir Menschen sind diejenigen, die KI formen. Und wir Menschen können doch sagen, was wir wollen und was nicht.

Transparenzhinweis: Shirley Ogolla war im März 2019 als

Speakerin zu Gast bei Z2X, dem Festival für junge Visionärinnen und Visionäre von ZEIT ONLINE. Nach welchen Regeln wir als Veranstalter über das Festival und unsere Weltverbesserer- Gemeinschaft Z2X berichten, lesen Sie in unserem Glashaus- Blog.

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