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BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT UND 110 SGB VII

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BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT UND § 110 SGB VII

OLG Dresden, Urteil vom 12.10.2016 — Aktenzeichen: 1 U 262/16 Leitsatz

1. Die klagende Trägerin der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, d.h. die Bundesagentur für Arbeit, ist kein „Sozialversicherungsträger“ i.S.d. § 110 Abs. 1 SGB VII.

2. In § 110 SGB VII fehlt es an einer § 116 Abs. 10 SGB X vergleichbaren Regelung, so dass eine Gleichstellung der Bundesagentur für Arbeit mit den

Sozialversicherungsträgern nach § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII gerade nicht geregelt worden ist.

Entscheidung

Ob die Bundesagentur für Arbeit (BfA) „Sozialversicherungsträger“ im Sinne des § 110 Abs. 1 SGB VII sein kann, ist in der Literatur umstritten. Gemäß § 116 Abs. 10 SGB X ist sie hinsichtlich des dort geregelten Regresses den

Sozialversicherungsträgern gleich gestellt. Dies könnte dafür sprechen, es bei § 110 SGB VII ebenso zu sehen, obwohl es freilich an einer klarstellenden

Gesetzesvorschrift fehlt.

Das OLG Dresden ist das erste Gericht, welches sich zu dieser Frage äußert. Im Ergebnis verneint es eine Regressberechtigung der BfA. Wegen der Bedeutung der zu klärenden Rechtsfrage wurde jedoch die Revision zugelassen. Das letzte Wort wird somit der BGH haben:

Nach dem OLG sei die BfA weiterhin kein Sozialversicherungsträger. Nicht alle Sozialleistungsträger seien einander gleichgestellt Der Gesetzgeber unterscheide u.a. zwischen Sozialversicherung, Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und Arbeitsforderung nach dem SGB III. Deshalb zähle der für die

Arbeitsförderung zuständige Träger, die Bundesagentur für Arbeit und der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch nicht zu den Versicherungsträgem nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Eine vergleichbare Regelung habe auch im Geltungszeitraum der RVO gefehlt. Mit Wirkung zum 01.01.1998 wurde nur der Absatz 10 in § 116 SGB X eingefugt und damit die BfA als Versicherungsträger fingiert. Wäre die BfA dagegen immer Sozialversicherungsträger im Sinne aller Normen des SGB gewesen, hätte es dieser Regelung nicht bedurft. Dem gegenüber fehle es in § 110 SGB VII an einer § 116 Abs. 10 SGB X vergleichbaren Regelung.

Eine Gleichstellung nach § 110 Abs. 1 S. 1 SGB VII sei gerade nicht geregelt worden. Somit sei durch die Gesetzgebungsgeschichte erkennbar, dass der

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Gesetzgeber mit der Regelung in § 116 Abs. 10 SGB X nur die vor dem 01.01.1998 bestehende Rechtslage fortschreiben wollte. Auch in anderen Normen des SGB sei die BfA ausdrücklich als den Versicherungsträgem gleichgestellt aufgeführt

worden, z.B. in § 1 Abs. 1 S. 3 SGB IV, § 94 Abs. 1a SGB X § 350 SGB III, § 18 f SGB IV, § 293 SGB V. Sofern eine Gleichstellung der BfA daher gewünscht wurde, sei dies auch immer ausdrücklich im Gesetz formuliert worden.

Zudem scheiterten Ansprüche der BfA nach § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB VII daran, dass die BfA keinerlei Leistungen „infolge des Versicherungsfalls“ erbracht habe.

Vielmehr beruhen ihre Leistungen allein auf dem Eintritt der Arbeitslosigkeit das Versicherten, womit sich das OLG der herrschenden Meinung in der Literatur

anschließt. Die seitens der Klägerin erbrachten Leistungen seien nicht allein infolge des Versicherungsfalles entstanden, was § 110 SGB VII aber voraussetze.

Für sich genommen sind insbesondere die auf eine Auslegung der Gesetzessystematik abstellenden Argumente des OLG Dresden gut

nachvollziehbar. Einen inhaltlich überzeugenden Grund für die vermeintliche Ungleichbehandlung der BfA im Verhältnis der §§ 116 SGB X und 110 SGB VII beinhaltet das Urteil jedoch nicht. Es bleibt daher die Frage, warum die BfA bei nur einfacher Fahrlässigkeit ihres Versicherten regressieren darf, wenn dieser jedoch vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat, nicht. Im letzteren Fall liegt auch im Verhältnis zur BfA grundsätzlich keine Schutzwürdigkeit vor. Ob die vom OLG Dresden gegen eine Ungleichbehandlung angeführten Argumente — nur

eingeschränkt Vergleichbarkeit der BfA mit den Unfallkassen / in die Unfallkasse zahlt der Arbeitgeber alleine ein — den BGH überzeugen, bleibt abzuwarten.

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VERJÄHRUNG GEM. §§ 110, 113 SGB VII:

OLG Rostock, Urteil vom 26.8.2016 — Aktenzeichen: 5 U 94/13 Leitsatz

1. Hatte die klagende Unfallversicherungsträgerin bereits nach der ersten Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft im Juli 2008 hinreichende

Kenntnisse von einer denkbaren Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1.) —

Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die Kindertagesstätte betrieben wird, wo ein Kind schwer verletzt wurde -, die sie in die Lage versetzt hätte, eine

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Feststellungsklage zu erheben, begann gemäß § 199 BGB die Verjährung am 01.01.2009 und endete mit Ablauf des 31.12.2011.

2. Für den Verjährungsbeginn eines Anspruchs aus § 116 SGB X i.V.m. § 823 BGB am 01.01.2009 ist unerheblich, dass die Klägerin erst mit Bescheid vom

17.02.2009 ihre Leistungspflicht anerkannt hat.

3. Für den Fristbeginn nach § 113 SGB VII ist nicht auf Zahlungen, die einen Realakt darstellen, abzustellen, da eine bindende Feststellung des

Sozialversicherungsträgers über seine Leistungspflicht erforderlich ist.

4. Die Regelung des § 199 Abs.1 BGB gilt nicht für die Fälle der §§ 110,113 SGB VII.

Es hat eine taggenaue Berechnung zu erfolgen. Ist der Zugang des Bescheides am 20.02.2009 erfolgt, trat Rechtskraft mit Ablauf des 20.03.2009 ein und die

Verjährung endete grundsätzlich am 20.03.2012.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt als Unfallversicherungsträgerin des am 06.03.2008

verunfallten Kindes von den Beklagten Schadensersatz sowie die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche Aufwendungen zu erstatten, die sie für die Versicherte aufgrund des Vorfalles leistet. Das Kind wurde bei einem Unfall auf der Rutsche der Kindertagesstätte schwer verletzt, ist seitdem behindert und befindet sich in komatösem Zustand. Ihre

Regressansprüche stützte die Klägerin sowohl auf § 116 Abs. 1 SGB X als auch auf

§ 110 SGB VII.

Entscheidung

Zum Regress nach § 116 Abs. 1 SGB X stellt das OLG zunächst fest, dass etwaige Ansprüche der Klägerin wegen grob fahrlässiger Unkenntnis gem. § 199 BGB nach Einsicht in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft verjährt sind:

Grob fahrlässige Unkenntnis i.S.d. § 199 BGB liege vor, wenn sich der

Anspruchsinhaber die Kenntnis in zumutbarer Weise ohne nennenswerte Mühe und Kosten beschaffen kann, dies aber unterlässt und sich somit einer sich

aufdrängenden Kenntnis missbräuchlich verschließt oder auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten nicht ausnützt. Dies sei zu bejahen, wenn die zur Geltendmachung eines Anspruchs zuständige Behörde eine bestehende

Wissenslücke nicht durch Beiziehung der ihr zugänglichen Akten oder eine ihr ohne weiteres mögliche Erkundigung schließe, oder der Anspruchsinhaber darauf

verzichte, das gegen den Schädiger anhängige Strafverfahren und dessen Ausgang zu verfolgen. Diese Voraussetzung sah das OLG Rostock hier als erfüllt an. Zwar hänge die Kenntnis, die aus dem Inhalt strafrechtlicher Ermittlungsakten

gewonnen werden könne, von den Umständen des Einzelfalles ab. Es könne

insbesondere nicht generell angenommen werden, dass der Anspruchsinhaber den Abschluss des Strafverfahrens abwarten dürfe mit dem Argument, dass erst zu diesem Zeitpunkt eine zuverlässige Beurteilung der dem Beklagten gegenüber erhobenen Beschuldigungen möglich sei. Gemessen an diesen Kriterien habe hier die Klägerin bereits nach der ersten Einsicht in die Ermittlungsakten der

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Staatsanwaltschaft hinreichende Kenntnisse von einer denkbaren Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1.) gewinnen können.

Auch die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus § 110 SGB VII seien nach § 113 SGB VII verjährt:

Zu den Voraussetzungen einer Verjährung hatte sich der BGH erstmalig in seiner Entscheidung vom 8.2.2015, Az.: VI ZR 37/15 geäußert, dabei jedoch etwa die Fragen nach der erforderlichen Kenntnis i.R.d. § 113 SGB VII oder der taggenauen Berechnung offen gelassen:

Die Frage der Kenntnis konnte das OLG hier ebenfalls offen lassen bzw. hatte es ja schon zuvor zu § 116 SGB X festgestellt, dass zumindest grob fahrlässige

Unkenntnis vorgelegen hatte.

Daneben müsse jedoch eine bindende Entscheidung des

Sozialversicherungsträgers vorliegen. Hierfür reichen nach Ansicht des OLG Geldzahlungen nicht aus. Denn für eine bindende Entscheidung sei ein Verwaltungshandeln mit Regelungsgehalt entweder im Wege des

Verwaltungsaktes nach § 35 VwVfG oder des öffentlich-rechtlichen Vertrages vorauszusetzten. Bloße Zahlungen genügten daher nicht, denn diese stellen nur Realakte dar, da es sich dabei um Verwaltungsmaßnahmen handelt, die nicht auf einen Rechtserfolg. Dies muss man nicht so sehen — vgl.: Möhlenkamp, Zur Verjährung von Regressansprüchen nach § 110 SGB VII, VersR 2013, 544, und Lemke, VersR 2012, 624, Anmerkung zum Urteil des OLG Dresden. Die

Besonderheit hier war jedoch, dass die Klägerin in einem Bescheid ausdrücklich aufgenommen hatte: „Die Vorschusszahlung erfolgt ohne Anerkennung der Entschädigungspflicht dem Grunde nach. Nach Abschluss meiner Feststellungen erhalten Sie einen Bescheid mit Abrechnung. Sollte sich ergeben, dass der

Anspruch auf Leistungen unbegründet ist …, behalte ich mir die Rückforderung … ausdrücklich vor (§ 42 Abs. 2 SGB I).“

Zudem schließt sich der Senat der Auffassung an, dass eine taggenaue Berechnung zu erfolgen habe — also die „Ultimo-Regel“ des § 199 BGB keine Anwendung finde:

Bereits der Wortlaut des Gesetzes zeige, dass das Kriterium der Feststellung der Leistungspflicht neben die Kenntniserlangung treten müsse, da anderenfalls die Verweisung auf § 199 BGB sinnentleert wäre. Gleichzeitig wird nach dem Wortlaut darauf abgestellt, dass die Verjährung von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt wird,

insoweit sei dem Gesetzgeber die Regelung des § 199 BGB bekannt gewesen. Es wäre daher ein Leichtes gewesen, auch insoweit auf den Jahresschluss abzustellen und die Verjährung etwa „mit Ablauf des Kalenderjahres“. Vielmehr sei davon auszugehen, dass angesichts der anderweitigen Regelung § 113 SGB VII eine Sondervorschrift zu § 199 BGB ist — vgl.: Möhlenkamp, Zur Verjährung von Regressansprüchen nach § 110 SGB VII, VersR 2013, 544.

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BAURECHT–VERSCHULDEN EINES MANGELS

BGH, Urteil vom 27.4.2016 — Aktenzeichen: VII 105/14 Leitsatz

Es entspricht der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (z.B. Urteil vom 25.02.2016, Az.: VII ZR 210/13), dass eine vom Unternehmer nicht zu verantwortende Mangelursache diesen nicht entlasten kann, wenn er seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen ist. Entscheidend für das Vorliegen eines Nacherfüllungsanspruchs im Werkvertragsrecht ist ausschließlich die objektive Mangelhaftigkeit des Werks. Ein Verschulden des Werkunternehmers ist nicht erforderlich. Mit dieser Frage hat sich auch das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 15.04.2014 (Az.: 7 U 57/13) beschäftig. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das diesbezügliche Urteil hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 27.04.2016 (Az.: VII 105/14) zurückgewiesen.

Sachverhalt

In dem Fall, den das Kammergericht Berlin zu entscheiden hatte, verlangte der Auftraggeber vom Auftragnehmer Vorschuss für Mangelbeseitigungsarbeiten, da sich ein Beschichtungsmaterial vom sich darunter befindlichen Beton gelöst hatte.

Das Beschichtungsmaterial oder ein gleichwertiges Produkt ist vom Auftraggeber vorgegeben worden. Der Aufragnehmer vertritt die Auffassung, dass das

Beschichtungsmaterial unter den vorhandenen „Baustellenbedingungen“ nicht schadenfrei verarbeitet werden konnte. Der Auftraggeber meinte, hierauf hätte ihn der Auftragnehmer hinweisen müssen.

Entscheidung

Das Kammergericht hat einen Kostenvorschussanspruch des Auftraggebers aus § 13 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B angenommen. Ein Mangel hat es bereits darin gesehen, dass die (abgefallene) Beschichtung ihrer Schutzfunktion nicht gerecht werde. Der Umstand, dass es schwierig sei, das Beschichtungsmaterial mangelfrei unter Einhaltung der Verarbeitungshinweise des Herstellers zu verarbeiten, entlaste den Auftragnehmer nicht. Dies sei Gegenstand des von ihm übernommenen Risikos.

Ein Mangel würde selbst dann vorliegen, wenn das Beschichtungsmaterial grundsätzlich ungeeignet gewesen wäre.

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Es ist die Aufgabe des Auftragnehmers die Herstellerangaben zur Verarbeitung eines Beschichtungsmaterials unter Berücksichtigung der

„Baustellenbedingungen“ zu prüfen. Wenn eine Verarbeitung des Materials an der konkreten Baustelle nicht möglich ist, hätte er den Auftraggeber darauf hinweisen müssen. Wenn dem Auftragnehmer Vorgaben fehlen, muss er selbst die

erforderlichen Erkundigungen einholen. Wenn ihm Erfahrungen mit dem Beschichtungsmaterial fehlen, hätte er auch darauf hinweisen müssen.

Praxishinweis

Wie bereits erörtert, kommt es auf ein Verschulden des Unternehmers zur Bejahung eines Mangels nicht an. Ein Mangel kann auch dann angenommen werden, wenn der Unternehmer seiner Hinweispflicht nicht nachgekommen ist.

Insbesondere hat der Unternehmer im Rahmen seines Fachwissens ein Produkt auf seine Geeignetheit für den Einsatz auf einer konkreten Baustelle zu prüfen. Ist ihm dieses nicht möglich, so hat er den Auftraggeber darauf hinzuweisen.

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ARCHITEKTENHAFTUNG BEI ÜBERSCHREITUNG DER BAUKOSTENOBERGRENZE

BGH, Urteil vom 6.10.2016 — Aktenzeichen: VII ZR 185/13 Leitsatz

Hält der Architekt eine vereinbarte Baukostenobergrenze nicht ein, haftet er dem Auftraggeber auf Schadensersatz in Höhe desjenigen Teils seines Honorars, das sich auf Grundlage der die Baukostenobergrenze überschreitenden anrechenbaren Kosten ergibt. Für die Vereinbarung einer solchen Baukostenobergrenze ist der Auftraggeber darlegungs- und beweisbelastet.

Sachverhalt

Die Beklagte beauftragte die Klägerin als Architekturbüro mit dem Umbau eines Betriebsgebäudes in ein Wohn- und Geschäftshaus im Umfang der

Leistungsphasen 1-4. Bereits vor Vertragsschluss teilte die Klägerin der Beklagten die Höhe des ihr zustehenden Honorars auf Grundlage anrechenbarer Kosten von 586.206,90 € mit. Mit ihrer Honorarschlussrechnung forderte die Klägerin

zusätzliche 31.795,83 € Honorar unter Verweis darauf, dass sich — dies ist

zwischen den Parteien unstreitig — die Baukosten auf fast 1,2 mio € erhöht hätten.

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Die Beklagte wandte ein, die Parteien hätten sich auf eine Baukostenobergrenze von 600.000,00 € geeinigt, sodass die Klägerin kein darüber hinausgehendes Honorar verlangen könne.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Auch die klägerseits durchgeführte Berufung vor dem Thüringer Oberlandesgericht blieb erfolgslos. Der Senat hat ausgeführt, die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass eine

Baukostenobergrenze nicht vereinbart worden sei. Diese Beweislastverteilung entspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur üblichen Vergütung im Sinne von § 632 Abs. 2 BGB.

Entscheidung

Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung an das OLG zurückverwiesen.

Zwar könne der Architekt im Falle der Überschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze den Teil des Honorars nicht verlangen, der aufgrund der überschrittenen Baukosten nach der HOAI entstanden sei. Denn diesbezüglich habe der Auftraggeber einen Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB, sodass dem Architekten die dolo-agit-Einrede aus § 242 BGB

entgegenzuhalten sei, da dieser das erlangte Honorar sofort wieder herausgeben müsse.

Allerdings sei der Auftraggeber – entsprechend der Grundregel, wonach jede Partei den für sie günstigen Rechtssatz darlegen und beweisen müsse – darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich der Vereinbarung einer konkreten

Baukostenobergrenze. Demgegenüber könne die Rechtsprechung zu § 632 Abs. 2 BGB nicht herangezogen werden, da die entscheidungserhebliche Tatsache vorliegend nicht das Honorar, sondern einen Schadensersatzanspruch betreffe.

Dementsprechend müsse die Beklagte nachweisen, dass eine

Baukostenobergrenze von 600.000,00 € zwischen den Parteien vereinbart wurde.

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ZURECHNUNGSZUSAMMENHANG

OLG Hamm, Urteil vom 15.11.2016 — Aktenzeichen: I-26 U 37/14

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Wie das bereits auf unserer Homepage besprochene Urteil des OLG Oldenburg vom 8.7.2015 (Az.: 5 U 28/15) stellt das OLG Hamm zunächst heraus, dass der Zurechnungszusammenhang etwa dann unterbrochen sein kann, wenn der zweitbehandelnde Arzt die ärztliche Sorgfaltspflicht in außergewöhnlich hohem Maße verletzt (besonders grober Behandlungsfehler). Die Annahme allein eines groben Behandlungsfehlers unterbricht den Zusammenhang dagegen nicht.

Wird aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers ein weiterer Eingriff erforderlich, der dem Patient bei korrektem medizinischem Vorgehen erspart geblieben wäre, hat der erstbehandelnde Arzt haftungsrechtlich für den weiteren Eingriff einzustehen. Dabei umfasst seine Einstandspflicht regelmäßig auch die Folgen eines Fehlers des nachbehandelnden Arztes.

Sind nach einem Behandlungsfehler durch den erstbehandelnden Arzt Folgeschäden aus einer Behandlung durch einen nachbehandelnden Arzt zu beurteilen, kann eine zur Unterbrechung des Zurechenbarkeitszusammenhangs führende Begrenzung der Einstandspflicht des Erstbehandlers jedoch dann angenommen werden, wenn es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang fehlt, das Schadensrisiko der Erstbehandlung im Zeitpunkt der Weiterbehandlung schon gänzlich abgeklungen war, sich der Behandlungsfehler des

Erstbehandelnden auf den weiteren Krankheitsverlauf also nicht mehr ausgewirkt hat. Gleiches gilt, wenn es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlass für die Erstbehandlung in keiner Beziehung steht.

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FHH FONDS NR. 29 MS TAMPA BAY – MS TURTLE BAY GMBH & CO. KG: LG HEILBRONN WEIST KLAGE AB.

LG Heilbronn , Urteil vom 23.11.2016 — Aktenzeichen: 5 O 134/15

Das LG kommt zu der Auffassung, dass die Fondsbeteiligung plausibel und der Emissionsprospekt fehlerfrei ist. Insbesondere hält das Landgericht die kalkulierte Anschlusscharter von 10.700 $/Tag für vertretbar.

Sachverhalt

Der wirtschaftlich äußerst erfahrene Kläger macht Schadensersatzansprüche aus

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angeblicher Fehlberatung bei der Vermittlung einer Kapitalanlage geltend. Er behauptet, er sei unzutreffend über die Risiken aufgeklärt worden. Er habe dem Berater mitgeteilt, Prospekte nicht zu lesen. Im Übrigen sei der Prospekt

insbesondere hinsichtlich der Berechnung der Chartereinnahmen fehlerhaft und die Anlage sei nicht plausibel. Es habe darüber hinaus auf die sogenannte 105 % Klausel und die Loan-to-value Klausel hingewiesen werden müssen. Der Berater tritt dem entgegen.

Entscheidung

Das Landgericht kommt zunächst zu dem Ergebnis, dass zur Aufklärung des wirtschaftlich erfahrenen Klägers die Übergabe des Emissionsprospektes kurz vor der Zeichnung ausreichend war und etwaige Fehler in übersandten Werbe- und Informationsschreiben jedenfalls durch den Emissionsprospekt geheilt wurden.

Eine gesonderte mündliche Aufklärung war über den Prospektinhalt nach Auffassung des Landgerichts Heilbronn nicht erforderlich.

Den Emissionsprospekt hält das Landgericht für fehlerfrei. Auf die 105 % Klausel und die Loan-to-value Klausel ist nach der Auffassung des LG nicht hinzuweisen, da diese Informationen nicht von Bedeutung für die Entscheidung des

Anlageinteressenten sind. Zudem konnte das Landgericht nicht erkennen, wie der Anlagevermittler im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung von der Existenz solcher Klauseln hätte Kenntnis erlangen müssen. Auch ein Hinweis auf eine Haftung nach den §§ 30, 31 GmbHG analog sieht das LG nicht als erforderlich an. Darüber hinaus meint das LG, dass eine Anschlusscharter in Höhe von 10.700 $ pro Tag im Jahre 2006 als realistisch zu bewerten ist.

Fazit

Erneut hat ein Landgericht festgestellt, dass in einem Emissionsprospekt nicht auf jede denkbare Klausel oder auf jedes denkbare Risiko hingewiesen werden muss.

Erst Recht muss ein Anlagevermittler nicht jede denkbare Konstellation ermitteln und einen Anleger auf diese möglicherweise fernliegenden Erwägungen hinweisen.

Vielmehr genügt es, wenn ein Vermittler den Prospekt auf innere Schlüssigkeit hin überprüft.

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HAFTUNG DES RECHTSANWALTS UND MITVERSCHULDEN DES MANDANTEN BEI

UNTERLASSENER RECHTSMITTELEINLEGUNG

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BGH, Urteil vom 13.10.2016 — Aktenzeichen: 9 ZR 214/15

Der Bundesgerichtshof beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mitverschulden des Mandanten im Rahmen der Anwaltshaftung anzusetzen ist.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihrem früheren Rechtsanwalt,

Schadensersatz. Die Klägerin macht geltend, der Beklagte habe in dem Vorprozess – in dem es um die Geltendmachung von Versicherungsleistungen ging –

unzutreffend nicht auf Hinweise des Gerichtes reagiert und nicht zu der Einlegung einer Berufung geraten. Hierdurch seien ihr Ansprüche entgangen und Mehrkosten durch die dann erfolglose Führung des Prozesses entstanden. Das

Oberlandesgericht hat die Klage unter anderem deshalb abgewiesen, da es zu der Auffassung kam, es bestünde kein Regressanspruch der Klägerin, weil es ihr selbst zurechenbar sei, dass das Urteil im Vorprozess rechtskräftig geworden sei. Die Klägerin habe auf die Zusendung des Terminsprotokolls hin nicht reagiert, kein Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wollen und den Beklagten darum gebeten, sich um Ratenzahlungen zu bemühen. Vor diesem Hintergrund läge nach

Auffassung des Oberlandesgerichts ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin vor, welches die Haftung des Beklagten ausschließe.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der BGH führt aus, dass sich nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf ein Mitverschulden des Mandanten berufen kann, soweit sich der Regressanspruch aus seiner rechtlichen Tätigkeit ergibt. Es sei nach dem Inhalt des Anwaltsvertrags allein Sache des Anwaltes, einen Schaden seines Auftraggebers zu verhindern. Bei einer gerichtlichen Fehlentscheidung ist der Rechtsanwalt vertraglich verpflichtet, dieser entgegen zu wirken. Vorliegend kommt der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis, dass der Rechtsanwalt zu den Hinweisen des Gerichtes im Vorprozess hätte Stellung nehmen und die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass eine Berufung gute Aussichten auf Erfolg hat. Da der Beklagte einen solchen Hinweis und eine solche Tätigkeit nicht vorgenommen hat, kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass ein Mitverschulden nicht anzusetzen ist.

Fazit

Der BGH führt die Rechtsprechung fort, dass sich ein Rechtsanwalt regelmäßig nicht auf ein Mitverschulden des Mandanten berufen kann. Im vorliegend

entschiedenen Fall ist allerdings zu erwähnen, dass das Verschulden des Anwaltes und die Pflichtverletzung derart gewichtig waren, dass schon vor diesem

Hintergrund die Ansetzung eines Mitverschuldens ausschied. So ging es

insbesondere um Rechtsfragen, zu denen die Klägerin naturgemäß schwer Stellung nehmen konnte. Ein Mitverschulden kann aber dann in Betracht kommen, wenn ein Mandant dem Rechtsanwalt nicht die erforderlichen Sachinformationen zur

Verfügung stellt, um den Prozess erfolgreich zu betreiben. Bei

Anwaltshaftungsprozessen sollte daher auch weiterhin ein Blick auf die Frage des

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Mitverschuldens geworfen werden.

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VERSICHERUNGSMAKLERHAFTUNG – WIDERLEGUNG DER VERMUTUNG BERATUNGSRICHTIGEN

VERHALTENS

OLG Naumburg, Urteil vom 30.9.2016 — Aktenzeichen: 10 U 2/16 Leitsatz

Hat ein Kunde nach Erlangung der Kenntnis der (behaupteten) unzureichenden Versicherung oder einer unzureichenden Versicherungssumme diese nicht angepasst, obwohl dies möglich war, kann er sich nicht auf die Vermutung beratungsrechtlichen Verhaltens berufen.

Sachverhalt

Der klagende Arzt schloss im Jahre 2003 einen Praxisausfall-Versicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme in Höhe von 90.000,00 €. In den Jahren 2009 – 2012 ließ er sich vom Beklagten als Versicherungsmakler beraten. Im Jahr 2014 kam es dann zu einem Unfall des Klägers.

Der Kläger macht geltend, seine fixen Betriebsausgaben hätten im Jahr 2011 bei über 200.000,00 € gelegen. Die Versicherungssumme der Praxisausfall-

Versicherung hätte daher angehoben werden müssen. Hierauf hätte ihn der Beklagte hinweisen müssen. Durch die (geringe) Versicherungssumme habe er nach dem Unfall im Jahr 2014 geringere Versicherungsleistungen erhalten, die ihm der Beklagte im Rahmen der Versicherungsmaklerhaftung zu erstatten hätte.

Der Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Erhöhung von Versicherungssummen und Prämien gewünscht. Auch nach Eintritt des Unfalls im Jahr 2014 habe der Kläger die Versicherungssumme nicht

angepasst.

Entscheidung

Der Senat hat festgestellt, dass es an der erforderlichen Kausalität der

behaupteten Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden fehlt. Zwar trifft grundsätzlich dem Makler die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der

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Geschädigte sich über die aus der Aufklärung und Beratung folgenden

Verhaltensempfehlungen hinweg gesetzt hätte und deshalb der Schaden auch bei vertragsgerechter und pflichtgemäßer Aufklärung und Beratung eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 23.10.2014, Az.: III ZR 82/13). Die Vermutung

beratungsgerechten Verhaltens gilt allerdings nur, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten nahegelegen hätte (BGH, Urteil vom 21.07.2005, Az.: IX ZR 49/02). Da der Kläger unstreitig, auch nachdem er von der von ihm behaupteten zu geringen

Versicherungssumme Kenntnis erlangt hat, die Versicherungssumme in der Praxis- Ausfallversicherung nicht seinen fixen Betriebskosten angepasst hat – was die Zahlung höherer Prämien bedeutet hätte –, hat der Kläger gezeigt, dass er dies auch vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht gewünscht hätte. Die Vermutung beratungsrichtigen Verhaltens ist widerlegt.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG Naumburg zeigt nochmals eindeutig, wie sich in vielen Fällen der Versicherungsmaklerhaftung die zu Ungunsten des Maklers

angenommene Vermutung beratungsrichtigen Verhaltens durch das eigene Verhalten des Kunden/ Versicherungsnehmers widerlegen lässt.

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ANWALTSPFLICHTEN BEIM VERGLEICHSABSCHLUSS

BGH, Urteil vom 14.7.2016 — Aktenzeichen: IX ZR 291/14 Sachverhalt

Der beklagte Rechtsanwalt vertrat den Kläger in einem Verfahren wegen der Kündigung eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages. Ein

Vermittlungsunternehmen nahm den Kläger in diesem Vorprozess auf Zahlung von etwa 60.000,00 € in Anspruch.

In der ersten mündlichen Verhandlung wurde ein Vergleich vorgeschlagen und vom Kläger abgelehnt.

In der zweiten mündlichen Verhandlung wies das Gericht ausdrücklich auf die Darlegungs- und Beweislast des Klägers für den Abschluss einer

Sondervereinbarung hin, nach der ein zeitliches Limit für den vereinbarten

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Arbeitseinsatz bestehen sollte, und schlug vor, sich auf eine Zahlung in Höhe von 30.000,00 € zu einigen. Das Arbeitsvermittlungsunternehmen hätte diesen

Vergleichsschluss angenommen.

Der Kläger lehnte den Vergleichsabschluss nach Beratung durch den Beklagten ab.

Er verlor den Prozess dann anschließend, weil er die für ihn günstigen Umstände nicht beweisen konnte.

Der Kläger nahm daraufhin den Beklagten in Anspruch und behauptete, dieser habe ihm pflichtwidrig nicht zum Abschluss des Vergleichs geraten, sondern davon abgeraten. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das KG Berlin hat den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, weil er nicht in allen Einzelheiten den Gang der Beratung geschildert habe; sein Bestreiten sei daher nicht ausreichend gewesen.

Entscheidung

Der BGH hat das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt und die Klage abgewiesen.

Zunächst hat der BGH die Grundsätze seiner ständigen Rechtsprechung wiederholt:

Beweisbelastet für eine Pflichtverletzung in einer Beratungssituation bleibt der Kläger. Der Rechtsanwalt muss den Vorwurf der Fehlberatung aber substantiiert bestreiten und darlegen, wie im Einzelnen beraten wurde. Liegt qualifiziertes Bestreiten vor, obliegt es dem Anspruchsteller den Nachweis zu führen, dass die Schilderung des Rechtsanwalts nicht zutrifft.

Im vorliegenden Fall hatte der beklagte Rechtsanwalt schriftsätzlich dargelegt, dem Kläger schon in der ersten mündlichen Verhandlung zum Vergleichsabschluss geraten zu haben; der Kläger habe aber abgelehnt. Ferner hatte der Beklagte ausgeführt, er habe — nachdem das Gericht in der zweiten mündlichen

Verhandlung Hinweise zur Beweislast erteilt habe — ausdrücklich auf die Unwägbarkeiten der Beweisaufnahme hingewiesen und zu dem Abschluss des Vergleichs geraten; der Kläger sei jedoch der Ansicht gewesen, den ihm

obliegenden Beweis führen zu können.

Nach Auffassung des BGH war diese Schilderung für ein qualifiziertes Bestreiten ausreichend, zumal nach den Hinweisen des Gerichts kein gesonderter Hinweis mehr erforderlich war, welche Risiken die Beweisaufnahme barg. Der BGH fordert in einer solchen Situation keine besonders eindringliche Belehrung.

Nach dem BGH bestand auch keine Verpflichtung, zum Abschluss des Vergleichs zu raten. Im Rahmen gerichtlicher Vergleichsverhandlungen besteht lediglich die Pflicht, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Der Mandant muss eigenständig über den Abschluss (oder Nichtabschluss) des Vergleichs entscheiden können, weshalb ihm Vor- und Nachteile des Vergleichs darzulegen

(14)

sind.

Dabei stellt der BGH klar, dass ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung entbindet.

Von einem Vergleich kann nur dann abgeraten werden, wenn der Vergleich eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten darstellt und insbesondere

begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen.

In diesem Fall greift nach Auffassung des BGH dann auch eine Vermutung, dass der Mandant dem Vorschlag, von einem Vergleichsschluss abzusehen, gefolgt wäre.

Nimmt der Mandant auf Anraten seines Rechtsanwalts eine günstige

Vergleichsmöglichkeit also nicht wahr, kommt es für einen Pflichtverstoß darauf an, ob im Zeitpunkt der Vergleichsverhandlung objektive Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, die den Vergleich günstiger erscheinen ließen als dessen Ablehnung.

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SEKUNDÄRE DARLEGUNGSLAST DES KRANKENHAUS BEI BEHAUPTETEN HYGIENEVERSTÖSSEN

BGH, Urteil vom 16.8.2016 — Aktenzeichen: VI ZR 634/15 Sachverhalt

Der Kläger (K) nimmt die Beklagte (B) u.a. wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in Anspruch.

Nach bereits länger anhaltenden Beschwerden im rechten Ellenbogen wurde K an die B überwiesen. Nach erfolglosen konservativen Behandlungen und

entsprechender Indikationsstellung erfolgte am 09.03.2010 bei B eine Operation des Ellenbogens. Nachfolgend wurde K bei reizlosen Verhältnissen entlassen. Ca.

einen Monat später stellte sich K erneut bei B wegen anhaltender Schmerzen im rechten Ellenbogen vor. Es wurde eine deutliche Schwellung festgestellt und eine

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Revisionsoperation empfohlen, die am 23.04.2010 auch durchgeführt wurde. Dabei entleerte sich Eiter. Ein Abstrich wurde genommen, ein Debridement durchgeführt und eine Antibiotikatherapie eingeleitet. Der Abstrich ergab eine Wundinfektion mit Staphylococcus Aureus. Trotz weiterer Nachoperationen verblieben K

Bewegungseinschränkungen.

Das LG hatte die Klage des K abgewiesen. Die Berufung vor dem OLG wurde zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendete sich K mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidung

Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg und führte gem. § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Beurteilung des OLG, der B sei ein Verstoß gegen Hygienestandards nicht vorzuwerfen, beruhe auf einer Verletzung des Anspruchs des K auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Zunächst bestätigt der BGH das Berufungsgericht in dessen Ausführungen, dass dem K eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen über das vollbeherrschbare Risiko nicht zugute komme. Die strikten Grundsätze für die Anwendbarkeit einer dahingehenden Beweislastumkehr verneint der BGH mit der Begründung, es stehe nicht fest, wo und wann sich K infiziert habe. Der bei ihm nachgewiesene Erreger sei ein physiologischer Hautkeim, der bei jedem Menschen vorzufinden sei. Es sei möglich, dass K selbst Träger des Keims war und dieser in die Wunde gewandert sei oder der Keim durch einen Besucher übertragen worden sei.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich nach Auffassung des BGH aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des OLG, K habe einen Verstoß gegen

Hygienestandards nicht bewiesen, er habe insoweit nur Mutmaßungen mitgeteilt.

Das OLG habe den Prozessstoff nicht vollständig gewürdigt und wesentliche, dem K günstige Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen unberücksichtigt

gelassen.

Der BGH betont sodann, dass — gerade in Arzthaftungsprozessen — auch ohne entsprechende ausdrückliche Erklärung davon auszugehen sei, dass eine Partei sich Ausführungen eines gerichtlichen Sachverständigen, die ihr günstig seien, zumindest konkludent zu Eigen mache. Es entspreche einem allgemeinen Grundsatz, dass eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden Umstände, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet seien, auch ohne dahingehende ausdrückliche Erklärung in ihr Klagevorbringen aufnehme. Dieser Grundsatz verdiene im Arzthaftungsprozess nach Einholung eines

Sachverständigengutachtens zugunsten des geschädigten Patienten umso mehr Beachtung, als der Patient im allgemeinen die medizinischen Vorgänge und Zusammenhänge nur unvollkommen zu überblicken vermöge und deshalb in gewissem Umfange darauf angewiesen sei, dass der Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufbereitet werde. Die Nichtberücksichtigung der die Rechtsposition des K stützenden Ausführungen des Sachverständigen bedeute, dass erhebliches Vorbringen des K im Ergebnis übergangen und damit

(16)

dessen verfassungsrechtlich gewährleisteter Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.

103 Abs. 1 GG) verletzt worden sei.

K sei nach eigenen Angaben er im Anschluss an die OP vom 9. März 2010 in einem Zimmer neben einem Patienten untergebracht, der unter einer offenen, eiternden und mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt, sein „offenes Knie“ dem K und allen anderen Anwesenden bei den verschiedenen Verbandswechseln zeigte und darüber klagte, dass man den Keim nicht „in den Griff“ bekomme. Die

gemeinsame Unterbringung eines solchen Patienten neben einem Patienten mit unauffälligem postoperativem sei nach den Ausführungen des gerichtlichen

Sachverständigen nicht zu beanstanden, wenn konkret aufgezeigte Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert- Koch-Institutes eingehalten worden wären.

Die Feststellung des OLG, der gerichtliche Sachverständige habe keine

Anhaltspunkte für eine Verletzung der von ihm beschriebenen Hygienestandards gefunden, finde in den Ausführungen des Sachverständigen keine Grundlage. Der Sachverständige habe vielmehr angegeben, es entziehe sich seiner Kenntnis, inwieweit die veröffentlichten Empfehlungen beachtet worden seien; hier müsse ggf. eine entsprechende Recherche betrieben werden. Dies könne er aus den ihm vorgelegten Unterlagen nicht ableiten. Er selbst vermeide derartige

Patientenkonstellationen, um derartige Diskussionen nicht führen zu müssen.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das OLG bei der gebotenen

Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre.

Bei der neuen Verhandlung werde das OLG Gelegenheit haben, auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken. Es werde dabei zu berücksichtigen haben, dass die B die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Maßnahmen treffe, die sie ergriffen habe, um sicherzustellen, dass die vom Sachverständigen als Voraussetzung für ein behandlungsfehlerfreies Vorgehen aufgeführten

Hygienebestimmungen eingehalten wurden. Zwar müsse grundsätzlich der

Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten, aus denen sich sein Anspruch herleite.

Dieser Grundsatz bedürfe aber einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden

Geschehensablaufs stehe und ihr eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht zumutbar sei, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kenne oder unschwer in Erfahrung bringen könne und es ihm zumutbar sei, nähere

Angaben zu machen. So verhalte es sich hier. Der Kläger habe darauf hingewiesen, dass er als frisch operierter Patient neben einen Patienten gelegt worden sei, der unter einer offenen, mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt und sein

„offenes Knie“ allen Anwesenden zeigte. Dieser Vortrag genüge, um eine erweiterte Darlegungslast der Beklagten auszulösen. Denn an die

Substantiierungspflichten der Parteien im Arzthaftungsprozess seien nur maßvolle und verständige Anforderungen zu stellen. Vom Patienten könne regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet und gefordert werden. Er sei insbesondere nicht verpflichtet, sich zur ordnungsgemäßen Prozessführung

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medizinisches Fachwissen anzueignen. Vielmehr dürfe er sich auf Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes

aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet. Zu der Frage, ob die B den vom Sachverständigen genannten Empfehlungen zu Hygienestandards nachgekommen sei, könne und müsse der K nicht näher vortragen. Welche Maßnahmen die B getroffen habe, um eine sachgerechte Organisation und Koordinierung der

Behandlungsabläufe und die Einhaltung der Hygienebestimmungen sicherzustellen (interne Qualitätssicherungsmaßnahmen, Hygieneplan, Arbeitsanweisungen), entziehe sich seiner Kenntnis.

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