RELIGION HEISST DIENST AN DEN GÖTTERN
Eine kultur- und religionswissenschaftliche Untersuchung zu den Grundlagen des
m e s o a m e r i k a n i s c h e n P o l y t h e i s m u s
Das Deckblatt zeigt zwei Repräsentanten des mesoamerikanischen Kernpantheons. Es handelt sich um den Regen- Gewitter- und Erdgott TLALLOC(links im Bild), zu Deutsch <flach wie Land...> oder <flach auf dem Land liegt er da>, der sein Handlungsprofil mit dem der Göttin CHALCHIUHTLI ICUE (rechts im Bild), zu Deutsch <[aus] Jade ist ihr Rock> verbindet, die seine Frau und/oder Schwester war und die in Bächen, Flüssen und Seen, also insgesamt im Süßwasser, Gestalt annahm. Diese ist in der Signalfarbe <rot> der Göttin CHICOME COATL, zu Deutsch <sieben [als] Schlange> dargestellt, die in Gestalt der Kulturpflanzen auftrat. Sie ist daher am ganzen Körper rot geschminkt und auch vollständig rot gekleidet. Die üblicherweise für CHALCHIUHTLI YCUE verwendete rituelle Signalfarbe war <blau>.
RELIGION HEISST DIENST AN DEN GÖTTERN
Eine kultur- und religionswissenschaftliche Untersuchung zu den Grundlagen des
m e s o a m e r i k a n i s c h e n P o l y t h e i s m u s
Dissertation
zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie
des Fachbereichs Kulturgeschichte und Kulturkunde
der Universität Hamburg
vorgelegt von
Hans Juergen Kremer
aus Schwerte a. d. Ruhr
1. Gutachter PD Dr. Andreas Koechert
2. Gutachter Dr. Alexander Voß
Datum der Disputation: 10. November 2010
Danksagung
An erster Stelle bedanke ich mich bei Herrn Professor Dr. Michael Schnegg für die Möglichkeit, unter seiner Ägide als Sprecher des Fachbereichs Kulturgeschichte und Kulturkunde der Fakultät für Geisteswissen-schaften der Universität Hamburg, im Fach Mesoamerikanistik promovieren zu können.
Die in meiner Dissertation präsentierten Einsichten und Erkenntnisse wären dennoch vermutlich <Papiertiger> geblieben, hätte Herr PD Dr. Andreas Koechert sich nicht meiner Arbeit angenommen und mir bei der Bewältigung des umfangreichen Stoffes, seiner akademisch angemessenen Aufbereitung und schließlichen Darstellung in Form einer Dissertation mit Rat und Tat zur Seite gestanden, mir für die Hauptlinien meiner Argumentation Perspektiven eröffnet und Grenzen aufgezeigt.
Auf einfühlsame und zugleich professionell zuverlässige Art und Weise hat Herr PD Dr. Koechert als Erstgutachter auch den zweispurig-komplementären, zugleich mesoamerikanistisch und religionswis-senschaftlich unterfütterten Diskurs meiner Arbeit moderiert und mir dabei <Kurs und Fahrt> gewiesen, bis ich schließlich bei dem nunmehr vorgelegten Konzept eines <analytischen Rahmens> mit sechs getrennten und dennoch eng miteinander verflochtenen <Analysekomplexen> angekommen war. Dass er dabei stets unnachgiebig die akademischen Maßstäbe und das hohe wissenschaftliche Niveau der Universität verfolgte, in deren Namen und Auftrag er tätig ist, gibt mir die Gewissheit, eine epistemisch rundum fundierte Arbeit geleistet zu haben, die geeignet ist, der Mesoamerikaforschung neue Impulse zu geben und der Religionswissenschaft neue Perspektiven zu eröffnen.
Bei dem Unternehmen, die vermeintlich <historisch> intendierten Text- und Bildaussagen der Mayamonumente und Mayahandschriften aus dem Rahmen ihrer bisherigen, vorwiegend säkularistisch angelegten Interpretations- und Deutungsmuster herauszulösen und sie in den jeweils zutreffenden Kontext von Kulthandlungen und kultunterstützenden Maßnahmen einzuordnen, war mir mein Zweitgutachter, Herr Dr. Alexander Voß, eine große Hilfe. Herr Dr. Voß hat sich dieser kritischen Aufgabe mit großer epigraphischer Sachkenntnis und bemerkenswertem Einfühlungsvermögen in die «polytheistisch geprägte Mentalität» (BRELICH 1960: 132), die die geistig-religiösen Ausdrucksformen mesoamerikanischer Kultur hervorgebracht hat, gestellt und mir damit die Gewinnung von Erkenntnissen ermöglicht, die im Vorhinein so nicht absehbar waren. Ihm sei an dieser Stelle ganz herzlich für seinen tatkräftigen Einsatz gedankt.
Darüber hinaus haben mir mit Hinweisen auf Quellen und einschlägige Publikationen, sowie durch Überlassung noch nicht veröffentlichten Materials helfend und beratend die folgenden Wissenschaftler zur Seite gestanden: Prof. (em.) Dr. Hanns J. Prem, ehemals Universität Bonn, was die religiösen Ausdrucks-formen der Kultur Mesoamerikas, sowie Prof. (em.) Dr. Burkhart Cardauns, ehemals Universität Karlsruhe, was den römischen Polytheismus und seine Besonderheiten betrifft. Ihnen sei an dieser Stelle ausdrücklich für ihre stets prompte und bereitwillige Hilfeleistung gedankt.
Bei der Identifizierung religionswissenschaftlicher Fachliteratur war Herr Ulrich Vollmer MA, Universität Bonn, eine unschätzbare Hilfe. Herrn Jürgen Weschler, Puebla, gilt mein besonderer Dank für die über viele Jahre geleistete logistische Unterstützung auf der Schiene Deutschland-Mexiko-Deutschland. Organisatorisch war mir meine Tochter Annette Kremer-Königs eine unschätzbare Hilfe. Für die technische Beratung und Unterstützung sage ich ein ganz herzliches Dankeschön meinem Sohn Jens Kremer Flores. ¡Gracias, hijo! Meiner Frau Amira de Jesús Flores Pech gilt mein ganz besonderer Dank. Ihr und ihren amerindischen Vorfahren ist diese Arbeit gewidmet.
Inhalt Seite
Abkürzungen 14
Konzeptionelle, methodische und arbeitstechnische Informationen 22
Einleitende Bemerkungen 22
1. Zitate und Schreibweisen von Eigennamen 23
2. Begriffe und ihre Markierung 23
3. Sprachen und Übersetzungen 24
4. Quellennachweis im Literaturverzeichnis 25
5. Wissenschaftliche Grundlagen und Vorarbeiten 25
6. Forschungslage und Forschungsziel 29
7. Investigative Vorgehensweise 31
8. Einschränkungen und Auslassungen 35
9. Aufbau und Gliederung 36
10. Didaktische Gesichtspunkte 37
11. Quellen und Fachliteratur 38
Anmerkungen zu den konzeptionellen etc. Informationen 42
Prolegomena zum Studium der Religion Mesoamerikas 43
Einleitende Bemerkungen 43
1. Kultur und Religion Mesoamerikas nach den Quellen 43 2. Mesoamerika als religionswissenschaftlich gewonnene Vorstellung 45 3. Götter und Menschen auf dem Boden Mesoamerikas 48 4. Die bestimmenden Merkmale des Forschungsvorhabens 49
a. Der religionswissenschaftliche Forschungsansatz 50
b. Die der Realität verhafteten Göttinnen und Götter 51
c. Die Götter und Göttinnen nach monotheistischem Verständnis 55
4. <Religion> als kulturelle Ausdrucksform Mesoamerikas 96
a. Der reaktivierte polytheistische Religionsbegriff 96
b. Der Begriff <Mesoamerika> und seine Ableitungen 97
c. Modelle von Mesoamerika 100
Das aztekische Modell 100
Die Maya-Modelle 102
d. Religion als der <kulturelle Wirkstoff> Mesoamerikas 103
e. Religion als das Eigentliche an Mesoamerika 105
f. Das kognitive Defizit in der Mesomerikaforschung 108
5. <Vorwissenschaftliche Normierungen> bei Mesoamerikanisten 111
a. Religion in der Archäologie Mesoamerikas 111
b. Religion als kulturelle Ausdrucksform der Vereinigten Staaten 112 c. Die <sakralisierte Demokratie> als politische Religion 113 d. Religion im <kulturellen Gedächtnis> der Vereinigten Staaten 115 6. Religion in der Fachliteratur zu Mesoamerika 115
a. Wissenschaftlichkeit und Aussagewert 115
Robert J. Sharer zur <Religion der Maya> 116
Claude François Baudez zur <Geschichte der Mayareligion> 117
Henry B. Nicholson zur <Religion Altmexikos> 119
Alfredo López Austin zur <Religion Mesoamerikas> 121
b. Auswertung und Ergebnisse 125
c. Das Dilemma und seine Bereinigung 128
7. Religion als Forschungsobjekt der Religionswissenschaft 129 a. Die europäischen Kennlinien der Religionswissenschaft 129
b. Zum epistemischen Profil der Religionswissenschaft 130
c. Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft 132
d. Religionswissenschaft und Textwissenschaften 132
5. Abgrenzungen und Vorbehalte des Forschungsvorhabens 59
a. Zur Epigraphie und Ikonographie des Mayaraumes 59
b. Zur ethnologischen und anthropologischen Vorgehensweise 59
c. Zur Vorstellung von <Religion an sich> 60
6. Das religiös fundierte Gesellschaftsgefüge Mesoamerikas 61
a. Die Doppelrolle der Clanführer 62
b. Die Einheit von Kult und Gesellschaft 63
c. Götter in der Führung - Clanführer im Kultdienst 65
7. Religionswissenschaft und Mesoamerika 67
a. Die epistemologische Position der Religionswissenschaft 68
b. Bedeutsame religionswissenschaftliche Axiome 68
c. Religion als Produkt und Ausdruck von Kultur 70
d. Religionswissenschaftliche Begriffe und ihr Gebrauch 71
Anmerkungen zu den Prolegomena 74
A. Der Westen und die Religion Mesoamerikas 79
Einleitende Bemerkungen 79
1. Religion als Ausdruck westlicher Kultur 79
a. Zur Religion des Westens als der <einzig wahren> 80
b. Zur Kultur des Westens als der <stets überlegenen> 81 2. Zum <religiös-diesseitigen> Erbe des Christentums 83
a. Das Irrationale an <Christlicher Gewalt> 84
b. Epistemisches zur <Christlichen Gewalt> 86
c. Mit Gewalt zum <Christentum> 88
Die <Bekehrung> der Maya 88
Das <Religions- und Kulturgeschenk> der Spanier 90
3. Zur <religiös-diesseitigen> Ordnung in der Religion des Westens 92
a. Die <Apparate> westlicher Religion 92
B. Die Quellenwerke zur Religion Mesoamerikas 139
Einleitende Bemerkungen 139
1. Zur kritischen Auswahl der Quellen 139 2. Zu den Besonderheiten mesoamerikanischer Quellen 140
a. Die Faltbücher (Codices) 141
b. Die lateinschriftlichen Quellen 142
c. Die indianischen Wörterbücher 147
3. Die Quellenwerke religiösen Inhaltes und ihre Entstehung 149 a. Die <transkulturellen> Bild- und Text - Handschriften 151
Zum quellenkritischen Forschungsstand 151
Zum religionswissenschaftlichen Untersuchungsansatz 153
Die Herkunft der exzerpierten Faltbücher 153
Die Bilder und Zeichen, Beischriften und Erklärungen 155
Der Ursprung der in Spanisch abgefassten Informationen 156
Der Verwendungszweck der Codices vom Typ <Magliabechi> 161 Die Anzeichen <polytheistisch geprägter Mentalität> 165 Die Ergebnisse im religionswissenschaftlichen Zusammenhang 172
d. Zur verschrifteten oralen Tradition 173
e. Zu den vorspanischen Bilderhandschriften 175
f. Zu den lateinschriftlich verfassten Quellenwerken 177
g. Die Texte und Bilder des Mayaraumes 178
C. Die Religion Mesoamerikas als empirisch gewonnene Vorstellung 180
Einleitende Bemerkungen 180
1. Die Bestimmung der eigenen Vorstellung von Religion 180
a. Das epistemische Erfordernis 181
Die <ostensive Definition> 181
Die <religio Romana> 182
b. Operationalisierung 183
2. Zur Definition der <Religion Mesoamerikas> 187
a. Anforderungen an die Definition 188
b. Beabsichtigte Vorgehensweise 188
c. Melford E. Spiro’s <anthropologische Definition> 189
d. M. Tullius Cicero’s <polytheistische Definition> 190
e. Bernardino de Sahagún’s <franziskanische Definition> 191
3. Sahagún’sCOLLOQUIOS in genetischer und formaler Analyse 192
a. Zur Textvorlage derCOLLOQUIOS und ihrer Bearbeitung 193
b. Zum Inhalt und Aussagewert 196
c. Zur Authentizität und Genese 198
d. Zum indigenen Charakter der Informationen 203
e. Zur Urheberschaft des Nahuatl-Textes 204
f. Zur Stellung derCOLLOQUIOS unter den Werken SAHAGÚN’S 206 4.SAHAGÚN’S COLLOQUIOS- Gewährsleute und Sprachmittler 207
a. Die Kultfunktionäre (sacerdotes, papas) 209
b. Die örtlichen Führer (señores, caçiques) 210
c. Die Ausbildung imCALMECAC 212
d. Die alten Männer (viejos, ancianos principales) 216
e. Die Schüler und Studenten vonTLATELOLCO (latinos, gramáticos) 221
Zum Eintritt in denCALMECAC 222
Zur Schließung desCALMECAC 226
Zu den biographischen Daten derTLATELOLCO-Zöglinge 231
Erläuterungen zu den Übersichten 235
f. Kritische Überlegungen und Schlussfolgerungen 239
Zu den Zöglingen desTLATELOLCO-Kollegs 239
Zu den vier <Alten Männern> 241
Zu Fray Bernardino de Sahagún 243
5. Die HUEHUETLATOLLI 249
a. Zur Bedeutung des Begriffes 249
c. Zur Klassifizierung derHUEHUETLATOLLI 250 d. DieHUEHUETLATOLLI als <gesprochene Kultobjekte> 251 e. Das siebente Kapitel derCOLLOQUIOS alsHUEHUETLATOLLI 254 6. Die Bedeutung derCOLLOQUIOSals Quellenwerk 260
a. Leben durch die Götter 262
b. Wesen und Funktion der Götter 263
c. Die Liste der Nahrungsmittel 264
d. Die Liste der Indikatoren gesellschaftlicher Wertigkeit 264 7. Die <deskriptiven Listen> als Ausdruck polytheistischer Mentalität 272
a. DasHUEY TECUILHUITL- Fest 273
b. Das HUEY TOZOZTLI- Fest 274
c.TOLLAN undTEOTIHUACAN 276
d. Orthopraxie und wahrnehmbare Realität 279
8. Religion - definiert für Mesoamerika 281
a. Wortlaut 281
b. Erläuterungen 281
Götter 282
Ortsansässigkeit und Raumstabilität 285
Dienst 290
Wohlergehen 293
9. Die Einheitlichkeit mesoamerikanischer Religion 294
a.TONALPOHUALLI- die Kalkulation der Tagesprognosen 295
Der Grundgedanke des Rituals und seine praktische Umsetzung 295 Die Verkennung des Rituals durch Angehörige westlicher Kultur 297
Zeittiefe und räumliche Verbreitung des Rituals 299
b.XIHUITL- das <Kultjahr> der 18 Götterfeste 304
c. Zur Kritik an der <unidad religiosa mesoamericana> 308
KUBLER 308
JIMÉNEZ MORENO 314
Abschließende Überlegungen 325 d. Die Einheitlichkeit der Religion Mesoamerikas als Axiom 326 e. Die Einheitlichkeit der Religion Mesoamerikas als Perspektive 327 f. Die religionsgeographischen Beobachtungen vonLAS CASAS 328 10. Religion und Kultur in Mesoamerika 332
Anmerkungen zu Abschnitt C 337
D. Die Götter und Göttinnen Mesoamerikas 344
Einleitende Bemerkungen 344
1. Vom Wesen der Götter 345
a. Die Götter als handelnde Personen 345
b. Das Handeln der Götter in <Handlungsprofilen> 346
2. Der Polytheismus als die Religionsform Mesoamerikas 348
a. Quellenaussagen zum mesoamerikanischen Polytheismus 348
b. Die bisherigen Erkenntnisse zum Polytheismus Mesoamerikas 349
c. Zur Fremdartigkeit des mesoamerikanischen Polytheismus 351
d. Zur Morphologie des mesoamerikanischen Polytheismus 353
e. Polytheismus definiert für Mesoamerika 354
f. Vom Wesen, Wollen und Wirken der Götter 355
3. Das Pantheon 357
a. Erklärung und Erläuterung des Begriffs 359
b. Funktion 361
c. Stärke 362
4. Plausibilität im Handeln der Götter und Göttinnen 364
a. Die Götter als personifizierte Wirklichkeit 366
b. Unsterblichkeit 369
c. Gestaltannahmen 375
Anthropomorphe Gestaltannahmen 376
Die Kultbilder 380
Die <lebenden Kultbilder> 389
CHICOME COATL / CHALCHIUH CIHUATL 390
ILAMA TEUHCTLI / CIHUACOATL 393
TEZCATL IPOCA / TITLACAUAN 397
Der Status des Kultempfängers 400
Metamorphe Gestaltannahmen 403 Die Bündel 404 Götterspezifische Metamorphosen 417 Berge 418 Tiere 421 Bäume 422
Die Dinge, die Angst und Schrecken einjagen 423
Unsichtbarkeit 425
Zusammenfassung 426
d. Die Handlungsprofile 427
5. Die Ordnung der Götter und Göttinnen 430
a. Die Handlungsprofile als Ordnungsmittel 435
b. Beabsichtigte Vorgehensweise 435
c. Die naturgegebenen Handlungsprofile 438
TLALLOC/TLALLOC TLAMACAZQUI 442
DieTEPICTOTON / TLALOQUE 449
QUETZALCOATL I 452
CHALCHIUHTLI YCUE 455
OPOCHTLI 457
Die Passatgötter im Verbund 458
d. Die sozial ausgelegten Handlungsprofile 462
TEZCATLIPOCA 463
Das Kultbild als Wiedergabe des Handlungsprofils 466
Bestandsaufnahme der Morpheme 467
Der GötternameTEZCATLIPOCAund seine Bedeutung 471
Das Handlungsprofil in der rituellen Praxis 475
Der emotionale Faktor 476
Die Dominanz der Verbalriten 476
TEZCATLIPOCAund die Einsetzung der Clanführer 484
Die Kultanleihen derMEXICA 486
TEZCATLIPOCAim Mayaraum 489
TEZCATLIPOCA aus früher religionswissenschaftlicher Sicht 491
HUITZILOPOCHTLI undPAYNAL 493
HUITZILOPOCHTLI 494
PAYNAL 490
Der GötternameHUITZILOPOCHTLIund seine Bedeutung 496
HUITZILOPOCHTLI als Kultbild und Kultempfänger 500
Die <Polytheisierung> desHUITZILOPOCHTLI 504
QUETZALCOATL II 511
Die Berichte der Quellen 512
DasQUETZALCOATL- Ritual 515
QUETZALCOATL als Kultstifter 519
Die Untersuchungen HenryB. NICHOLSON’S 520
Das vermeintlich <Historische> anQUETZALCOATL 521
Die mitQUETZALCOATL bezeichneten Kultfunktionäre 523
Der GötternameQUETZALCOATL und seine Bedeutung 524
DerQUETZALCOATL-Kult der Mexica 525
6. Götter und Handlungsprofile: Zusammenfassung 527
Anmerkungen zu Abschnitt D 530
E. Heiliges und Sakrales in Mesoamerika 535
Einleitende Bemerkungen 535
1. <heilig / sakral> als Vorstellung 536 a. <heilig> / <sakral> nach römischer Vorstellung 536
b. <heilig> / <sakral> nach Josef PIEPER 539
c. Die Bedeutung von K’UUL im Mayaraum 540
d. <heilig> / <sakral> für den kognitiven Gebrauch 542
e. <heilig> / <sakral> im kultischen Kontext 543
f. <heilig> / <sakral> in der Kultur Mesoamerikas 545 2. <Heiliges / Sakrales> als Objektklasse 547
a. Eingrenzung von Inhalt und Umfang der Analyse 547
b. Lage und Funktion <sakraler Orte> 548
c. Anlage und Betrieb <sakraler Orte> 550
Das <fanum> und <profanum> in der Antike 551
Das <fanum> und <profanum> in Mesoamerika 552
3. Die heiligen Orte Mesoamerikas 554
a.TEOTIHUACAN 555
TEOTIHUACAN auf dem Gelände von TOLLAN 555
TLALLOC als der führende KultempfängerTOLLAN’S 557
Das Kultbild desTLALLOC inTOLLAN 558
Art und Umfang des inTOLLAN praktizierten Kultes 559
Das <Opferritual> im KultTOLLAN’S 561
TEOTIHUACAN als Kultstätte - der Bericht derCOLLOQUIOS 564
TEOTIHUACAN als Kultstätte - der BerichtSAHAGÚN’S 569
Das Toponym TEOTIHUACANund seine Bedeutung 572
TEOTIHUACAN als die führende KultstätteTOLLAN’S 574
b.TLALOCAN 575
TLALLOC- der Berg, <derTLALLOCist> 575
TLALOCAN- der <Ort, woTLALLOC ist> 578
Anmerkungen zu Abschnitt E 584
F. Der Götterkult Mesoamerikas 590
Einleitende Bemerkungen 590
a. Inhalt und Umfang 590
b. Die Kernrituale als Analyserahmen 592
2. Der morphologische Teil der Kultanalyse 593
a. Zur Morphologie des TLALLOC - Kultes 596
b. Zur Morphologie desHUITZILOPOCHTLI- Kultes 597
c. Zur Morphologie desCHICOME COATL- Kultes 598
d. Zur Morphologie desTEZCATLIPOCA- Kultes 598
e. Zur Morphologie desQUETZALCOATL- Kultes 599
f. Zur Morphologie der Kulthandlungen: Zusammenfassung 601
3. Der systematische Teil der Kultanalyse 603 a.TLACOQUIXTILIZTLI -das Ritual des <Hindurchziehens von Ruten> 603
Die Syntax desTLACOQUIXTILIZTLI-Rituals 604
IN UITZTLI- die <Agavestacheln> 605
TLATICATLAHUILIZTLI- die <brennenden Fackelleuchten> 605
MAMALHUAZTLI- das Sternbild des <Feuerbohrers> 606
YOALTEUHCTLI YACAUITZTLI- der Gott im <Feuerbohrer> 608
ÇACATAPAYOLLI- die <Grasballen> zur Ablage der Agavestacheln 609
Das TLACOQUIXTILIZTLI-Ritual im Mayaraum 611
Die Adressaten des TLACOQUIXTILIZTLI-Rituals 612
Anlässe und Ziele desTLACOQUIXTILIZTLI-Rituals 613
b.HUEY TOZOZTLI -das Ritual des <großen Ausschau Haltens> 617
DerTLALLOC-Teil des Festes 617
DerCHICOME COATL- Teil des Festes 619
DerQUETZALCOATL- Teil des Festes 620
c.TLATLATLACUALILIZTLI - das Ritual der <Ernährung der Götter> 622
Die Beschaffung der Götternahrung 622
Das sogenannte <Menschenopfer> 623
Die Schlachtung der Senatoren und Ritter vonPERUSIA 626
d.TLAMICTILIZTLI - das Ritual des <Schlachtens von Artgenossen> 630
Der Ablauf der Schlachtung im mexikanischen Hochland 632
Vor- und Nachbereitung der Schlachtungen 634
Der Ablauf der Schlachtung im Mayaraum 636
Die Beköstigung der Götter 638
Der Verzehr derTEOMICQUE 640
Die transkulturellen Informationen 641
Die gesetzlichen Regelungen der spanischen Krone 645
Die Seinsform <Mensch> in Mesoamerika 649
e.TONALPOHUALIZTLI- das Ritual der <Abzählung der Tage> 650 Technik, Struktur und Funktionsweise des Prognoserituals 651
Die Anwendung des Prognoserituals nach den Quellen 653
Das Prognoseritual in der Gedankenwelt der Missionare 655
Das Prognoseritual in der Hand von Mesoamerikanisten 656
4. Das rituelle Gefüge 658
Anmerkungen zu Abschnitt F 661
G. Epilegomena zur Analyse des mesoamerikanischen Polytheismus 670
Einleitende Bemerkungen 670
1. Ergebnisse und Erkenntnisse 671
a. Zu Religion als kultureller Ausdrucksform 672
b. Zur Religionsform des Polytheismus 673
c. Zum polytheistischen Kult 673
d. Zum verbundenen Gefüge von Kultur und Religion 674
e. Zur Mesoamerikanistik als wissenschaftlicher Disziplin 676
2. Was offen bleiben musste 676
a. Die Morphologie 677
b. Die Mythen 677
c. Die Magie 678
d. Der Krieg 679
f. Die <Streckung des Kultjahres> 682
Anmerkungen zu Abschnitt G 684
H. Literaturverzeichnis 688
1. Wissenschaftliche Veröffentlichungen 688
2. Quellenwerke in griechischer und lateinischer Sprache 732
3. Quellenwerke in / Veröffentlichungen zur Maya-Hieroglyphenschrift 733
4. Vorspanische Codices aus Zentralmexiko 735
5. Transkulturelle Codices aus Zentralmexiko 736
6. Quellenwerke in Maya, lateinschriftlich 737
7. Quellenwerke in Nahuatl, lateinschriftlich 748
8. Quellenwerke in spanischer Sprache 740
9. Quellenwerke in deutscher und englischer Sprache 745
10. Lexika und Grammatiken 746
11. Kataloge und Nachschlagewerke 750
I. Erläuterungen zu den Bildtafeln 752
Einleitende Bemerkungen 752
1. Erläuterungen zu den Tafeln im Einzelnen 754
2. Bildnachweise 765
Bildtafeln
Abkürzungen
ADEVA Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz
AlvarI Volumen I des Diccionario etnolingüistico del idioma maya yucateco colonial von Cristina Álvarez (UNAM 1980) AlvarII Volumen II des Diccionario etnolingüistico del idioma maya
yucateco colonial von Cristina Álvarez (UNAM 1984) AlvarIII Volumen III des Diccionario etnolingüistico del idioma maya
yucateco colonial von Cristina Álvarez (UNAM 1997)
AnQuauh Die Annalen von Quauhtitlan. Erster, so bezeichneter Teil der HistColMex (Lehmann 1938: 49 - 321)
AnTlaK Die Anales de Tlatelolco in der Transkription und Übersetzung ins Spanische von Susanne Klaus (Verlag A. Saurwein 1999)
AnTlaT Anales de Tlatelolco. Paleografía y traducción por Rafael Tena (CONACULTA 2004)
Ara Das Vocabulario de lengua tzeldal des Fray Domingo de Ara (UNAM 1986)
AZ Archäologische Zone
BEARC The Boundary End Archaeological Research Center of Barnardsville, NC BenHist Benavente (Motolinia), Historia (Ausgabe Porrua 2001)
BenMem Benavente (Motolinia), Memoriales (Ausgabe Colegio de México 1996) BMTV Bocabulario de Mayat’an, Viena (UNAM 1993)
CantDzit Die Cantares de Dzitbalché in der Ausgabe von Alfredo Barrera Vásquez (INAH 1965)
CantMex Die Sammlung der unter der Bezeichnung <Poesía Náhuatl> von Ángel María Garibay herausgegebenen kultischen Tanzlieder, bekannt unter den Bezeichnungen <Romances de los Señores de la Nueva España> (Tomo I) und <Cantares Mexicanos> (Tomos II & III) (Ausgabe UNAM 2000) ChilBal Die Bücher des Chilam Balam in der von Helga-Maria und Wolfgang
Miram besorgten Gesamtausgabe (Hamburg: Toro, 1988)
ChimMem Chimalpahin: Das „Memorial Breve“ und weitere ausgewählte Teile aus den „Diferentes Historias Originales“. Text und Übersetzung von Walter
ChimRelT Chimalpahin: Las Ocho Relaciones y el Memorial de Colhuacan, 2 Bände. Text und Übersetzung von Rafael Tena (CONACULTA 2003)
ChimRelZ Die Relationen Chimalpahin’s zur Geschichte México’s, 2 Teile. Text
herausgegeben von Günter Zimmermann (Hamburg 1963)
ChimSepRel Chimalpahin: Séptima Relación de las Différentes Histoires Originales in der Ausgabe von Josefina García Quintana (UNAM 2003)
ChonAcal Das Chontal von Acalan, eine Ch’ol-Sprache, in der das
sog. Paxbolon-Maldonado Dokument von 1610/12 abgefasst ist. CMHI Corpus of Maya Hieroglyphic Inscriptions (Cambridge (1975-dato)
CMM Der Calepino Maya de Motul in der von Ramón Arzápalo Marín besorgten dreibändigen Ausgabe (UNAM 1984)
CodBod Códice Bodley (SMA 1960)
CodBorb Codex Borbonicus (ADEVA 1974)
CodBorg Codex Borgia (ADEVA 1976)
CodCalk Códice de Calkini (UNAM 2009)
CodChim Codex Chimalpahin I und II (University of Oklahoma Press 1997)
CodCol Códice Colombino (SMA 1966)
CodCos Codex Cospi (ADEVA 1968)
CodDresF Codex Dresdensis (sog. Förstemann II-Ausgabe, Dresden 1892) CodDresV Codex Dresdensis (sog. Villacorta-Ausgabe, Guatemala 1930) CodDresB Codex Dresdensis (Ausgabe Berlin 1962)
CodDresA Codex Dresdensis (ADEVA-Ausgabe, Graz 1975)
CodDresS Codex Dresdensis (elektronische Version der Förstemann II-Ausgabe im PDF-Format, besorgt von Linda Schele)
CodDurMs Fray Diego Duran’s <Historia de las Indias de Nueva España e islas de la tierra firme> von 1579 (Códice Durán). Digitalisierte Kopie des
Manuskriptes in der Biblioteca Nacional de España
CodFlor die in der <Biblioteca Medicea-Lorenziana> in Florenz aufbewahrte, als <Códice Florentino> oder <Florentine Codex> bezeichnete Handschrift
von Bernardino de Sahagún’s <Historia general de las Cosas de Nueva
España> als Originalmanuskript in digitalisierter Form
CodLaud Codex Laud (ADEVA 1960)
CodMaglia Codex Magliabechiano (ADEVA 1970)
CodMagliaB Codex Magliabechiano mit Kommentar von Elizabeth H. Boone (Berkeley 1968)
CodTelRem Codex Telleriano-Remensis (UT Press 1995) CodTroCo Codex Tro-Cortesianus (ADEVA 1967)
CodTud Codex Tudela (Ediciones Cultura Hispánica, Madrid 1980) CodVatA Codex Vaticanus A 3738 (Edition Loubat 1900)
CodVatB Codex Vaticanus B 3773 (ADEVA 1972)
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WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
Z Der Buchstabe <Z> mit nachfolgender ein-, zwei-, drei- oder vierstelliger Zahl bezeichnet ein Graphem der Maya-Hieroglyphenschrift nach dem Zimmermann-Katalog (Zimmermann 1956)
ZA Zona Arqueológica
Zorita I Alonso de Zorita’s Relación de la Nueva España (Ausgabe in zwei
Konzeptionelle, methodische und arbeitstechnische Informationen
Die vorliegende Untersuchung gilt den <religiösen Ausdrucksformen> mesoamerika-nischer Kultur. So liegt es nahe, dass sie sich der Erkenntnisse und Methoden der Religionswissenschaft als der «einzig legitimen Wissenschaft von der Religion und ihren Objektivationen» bedient (KÖRBER 1988: 208). Auch wennKÖRBERS Einschätzung, was den Aspekt der <Legitimität> betrifft, angesichts radikal neuer Forschungsperspektiven und ebensolcher Methoden, die eine <rechnergestützte Wissenschaftlichkeit> eröffnet (MÜHLMANN 1996: 1-11, 98 ff.) aber auch in Anbetracht zunehmend durchlässiger werdender Grenzen zwischen den in Deutschland und Europa historisch gewachsenen und gesellschaftlich etablierten <Wissenschaften> (RÜPKE 2007: 153 ff.) nicht mehr so recht zu stimmen scheint, eines ist sicher:
Für einen Forschungsansatz, der okzidentaler Denkweise verpflichtet ist und daher <wissenschaftlich> zu sein hat, hält allein die Religionswissenschaft mit dem Angebot einer strikt auf beobachtetes und beobachtbares religiöses Verhalten reduzierten und daher auch nur empirisch zu verfolgenden Forschungsperspektive (KÖRBER 1988: 205, 208) ein methodisches und begriffliches Instrumentarium bereit, mit dem sich wissenschaftliche Erkenntnisse zu den - aus christlich-abendländisch geprägter Sicht - höchst fremdartigen, bisweilen befremdlichen religiösen Ausdrucksformen mesoamerikanischer <Kultur> über-haupt nur gewinnen, verständlich beschreiben und verifizierbar veröffentlichen lassen.
Von den verschiedenen und sehr unterschiedlichen Auffassungen, was unter dem Begriff <Kultur> in geisteswissenschaftlicher Anwendung zu verstehen ist, eignet sich die von HeinerMÜHLMANNvorgeschlagene Vorstellung von Kultur als eines <Lebewesens> (MÜHLMANN 1996: 7) im Kontext der vorliegenden Untersuchung deswegen noch am ehesten, weil sie auf eine konkrete Entsprechung in den COLLOQUIOS, einer der wichtigsten Quellen zur mesoamerikanischen Religion überhaupt, trifft (COLLOQUIOS
765-766). Das bedeutet jedoch nicht, dass MÜHLMANNS <kulturgenetische Theorie> hier <in toto> übernommen und auf mesomerikanische Verhältnisse angewendet oder gar übertragen werden soll. Jedoch liefern seine Gedankengänge eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, aus denen sich okzidentales Verständnis für <mesoamerikanische Kultur> ohne unzulässige Simplifizierung oder forcierte Uminterpretation ihrer Ausdrucksformen entwickeln lässt, was den Versuch, hier das <kulturelle Rad> noch einmal neu zu erfinden, überflüssig macht.
Wenngleich Inhalt und Rahmen der Analyse eindeutig dem Arbeitsbereich und Promotionsfach der <Mesoamerikanistik> zuzuordnen sind (jedenfalls gilt das im Rahmen der derzeit gültigen akademischen Strukturen), so entstammen die analytischen <Werkzeuge>, d.h. die Methoden, die Begriffe und die Metasprache, doch unverändert dem epistemischen Instrumentarium der Religionswissenschaft. Eine Verknüpfung dieser Art ist jedoch nichts grundsätzlich Neues, hat doch bereits Joachim WACH bei der <wissenschaftstheoretischen Grundsteinlegung> der Religionswissenschaft auf die
«[Selbst]Verständlichkeit hingewiesen, in der Religionswissenschaft mit der Völkerkunde // aufs naheste verbunden ist und verbunden sein muss» (WACH 1924: 12).
Religionswissenschaft wird heute als Kulturwissenschaft bzw. als eines ihrer Teilgebiete verstanden und betrieben (SABBATUCCI 1988: 53-58;GLADIGOW1988: 32 -36, 2005: 23-61; MANCINI 2007: 291-292), und so löst sich der Eindruck epistemo-logischer Inkompatibilität, die zwischen Mesoamerikanistik und Religionswissenschaft auf den ersten Blick zu bestehen scheint, in der übergreifenden Zielsetzung kultur-wissenschaftlicher Forschung auf. Diese besteht darin, den biologischen und sozialen Vorgängen auf die Spur zu kommen, nach denen Kultur entsteht und die Prinzipien zu entdecken, nach denen sie im Einzelfalle <funktioniert > oder auch - in dem erwähnten SinneMÜHLMANNS- lebt, wächst und wie alles Lebendige schließlich stirbt.
1. Zitate und Schreibweisen von Eigennamen
Ausgewertet und zitiert werden grundsätzlich nur veröffentlichte, allgemein zugängliche Arbeiten. Der in den eigenen Text eingebrachte Wortlaut der Zitate wurde mit einigen wenigen Ausnahmen eigenhändig der betreffenden Veröffentlichung entnommen. Zitiert werden Begriffe, Satzteile, Sätze und Abschnitte. Sie werden zur Kennzeichnung in doppelte Dreiecksklammern « .../...» gesetzt. Die Namen der Autoren werden - wie alle anderen Eigennamen auch - in leicht verkleinerten Großbuchstaben wiedergegeben. Bei fremdsprachlichen Eigen- und Ortsnamen wird der Klarheit halber der deutsche Genitiv dem Vorbild ZIMMERMANNS folgend als <….’s> geschrieben, also z.B.
MOTEUHCZOMA’S, HUITZILOPOCHTLI’S, TORQUEMADA’S, LANDA’S usw., dagegen jedoch beispielsweise FÖRSTEMANNS, SELERS, KOHLS, ZIMMERMANNS usw. bei deutschen Namen.
2. Begriffe und ihre Markierung
Zur begrifflichen Klarheit wird die Metasprache der Religionswissenschaft verwendet, wie sie im <Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe> (HrwG) und einigen später erschienenen Fachaufsätzen erfasst und erläutert ist. Wo dieser Metasprache bei der Beschreibung und Analyse von Ausdrucksformen mesoamerikanischer Religion die zutreffenden Begriffe fehlen, werden diese aus der Objektsprache oder aus dem Vokabular einer anderen wissenschaftlichen Disziplin ergänzt und hierzu bei Beginn ihres Gebrauches zur Kenntlichmachung in dreieckige Klammern gesetzt. Beispiele: <Verdiensterwerb>, <Schlachtung von Artgenossen>, <physiomorph>.
Die dreieckige Klammer wird auch dann benutzt, wenn es darum geht, bestimmte Begriffe als solche im Diskurs hervorzuheben, Beispiele: <Religion>, <Krieg>, <Frömmigkeit>, oder ihnen zu Beginn ihres Gebrauches eine definitive Autorschaft zuzuweisen. Beispiele: <Denkbemühungen> (KÖRBER 1988: 205), <Gattungswesen>
(SOFSKY 1996: 217) <Orthopraxie> (RÜPKE 2001: 86), <Handlungsprofil> (GLADIGOW
2005: 128), <rituelle Syntax> (RÜPKE 2007: 102-103). Wo Autorenverweise dieser Art fehlen, sind die solcherart hervorgehobenen Begriffe und begrifflichen Ausdrücke bereits vorher verwendet und dabei referenziert worden oder sie stammen von mir.
Konjekturen werden in rechteckige Klammern gesetzt. Sie dienen ausschließlich dem besseren Verständnis eines fremdsprachlichen Textes, nicht dessen textwissen-schaftlicher Korrektur oder Verbesserung.
3. Sprachen und Übersetzungen
Wenngleich es grundsätzlich angesagt ist, wissenschaftliche Arbeiten als Original-publikationen, das heißt, in der vom Autor gewählten Sprache zu verwenden, so lässt sich dieser Grundsatz doch nicht immer und unter allen Umständen durchhalten. Auch bei international erfahrenen Forschern haben die Fremdprachenkenntnisse irgendwo eine Grenze. Als Beispiele für solche Kenntnisse im <fremdsprachlichen Grenzbereich> seien die maßgeblichen Quellenwerke zum sogenannten <Schamanismus> angeführt, die für den sibirischen <Schamanismus> durchweg in Russisch (ELIADE 1964: 215 ff.) und für die in Südostasien und Ozeanien praktizierte Variante zumeist in Niederländisch verfasst sind (ELIADE 1964: 337 ff.).
In solchen Fällen sind autorisierte Übersetzungen in ein dem Forscher geläufiges Idiom, aus Sicherheitsgründen eigenen <Übersetzungsbemühungen> vorzuziehen. Daher habe ich mich bei Veröffentlichungen in italienischer und französischer Sprache professionell erstellter, autorisierter Übersetzungen ins Englische und Deutsche bedient.
Zu den wichtigsten Publikationen auf dem Gebiet der Religionswissenschaft gehören diejenigen, die in Deutsch konzipiert und geschrieben wurden. Das hat sich seit den Tagen Joachim WACHS, der die wissenschaftliche Erforschung von <Religion> als akademische Disziplin begründet hat (WACH 1924; RÜPKE 2007: 15-32) nicht geändert. Die fünf Bände des HrwG tragen der Bedeutung, die der deutschen Sprache für die Religionswissenschaft insgesamt zukommt, in besonderer Weise Rechnung.
An den deutschen Universitäten, die sich der Erforschung der Kultur Meso-amerikas widmen, ist andererseits der Besitz angemessener Kenntnisse insbesondere der spanischen aber auch der englischen Sprache, sowie der Erwerb von Grundkenntnissen in einer oder mehreren der einschlägigen Indianersprachen unverzichtbare Voraussetzung für ein erfolgreiches Studium und anschließendes wissenschaftliches Arbeiten.
Quellentexte und Zitate aus wissenschaftlichen Arbeiten, die in Spanisch oder Englisch verfasst sind und zur Auswertung herangezogen werden, erhalten daher auch nur dort, wo es um die Herausstellung besonderer Feinheiten in der Semantik oder um übergreifend bedeutsame Inhalte geht, eine deutsche Übersetzung. Quellentexte in Latein,
Griechisch, Nahuatl und Maya werden dagegen stets mit einer parallelen Übersetzung ins Deutsche versehen.
4. Quellennachweis im Literaturverzeichnis
Bei wissenschaftlichen Arbeiten, deren Substanz - wie im vorliegenden Falle - in hohem Maße auf den Aussagen, der Auswertung und der Interpretation schriftlicher Quellen beruht, hat es sich als zweckmäßig erwiesen, Quellenwerke und Sekundärliteratur in der Bibliographie getrennt auszuweisen. Angesichts der Schlüsselfunktion, die die Quellen-werke und ihre philologische Analyse vor allem in der Religionswissenschaft haben, muss bei einer Arbeit auf diesem Sektor rasch erkennbar sein, mit welchen Quellen ihr Autor gearbeitet hat.
Die Qualität einer religionswissenschaftlich angelegten Arbeit ist nicht zuletzt an der Art und Auswahl ihrer Quellen zu erkennen. Im Literaturverzeichnis übersichtlich zusammengefasst, vermitteln sie auf einen Blick einen gültigen Eindruck von dem empirischen Fundament, auf dem die Arbeit beruht. Gleichzeitig wird in einem derart angelegten Literaturverzeichnis «Rechenschaft über den potentiell auch für andere Forschungsvorhaben verfügbaren Quellenbestand abgelegt» (KÖRBER 1988: 206-207).
Als Beispiel für ein derart am Thema orientiertes, funktional strukturiertes Literaturverzeichnis sei SCHALLENBERGERS Studie zu CICERO’S de fato von 2008
(Seiten 307-344) angeführt. Das genaue Gegenteil findet sich in ARENS’ <Manifest> zum
angeblich nicht existenten <Verzehr von Artgenossen> in den eingeborenen Kulturen Afrikas und der Neuen Welt (The Man Eating Myth) von 1980, in dem die Referenzen auf das Quellenmaterial über die gesamte, Bibliographie (Seiten 189-201) verstreut sind. Dessen bruchstückhafte Auswahl und thematisch völlig unzulängliche Zusammenstellung fällt so auf den ersten Blick gar nicht auf. Der zusätzliche Umstand, dass ARENS seine Quellen ausschließlich mit Hilfe englischer Übersetzungen verarbeitet, führt weiter dazu, dass über die Unzulänglichkeit seines Literaturverzeichnisses hinaus auch das Werk in seiner Gesamtheit für den wissenschaftlichen Gebrauch ungeeignet ist.
5. Wissenschaftliche Grundlagen und Vorarbeiten
Der Durchbruch zu einer «dezidiert geisteswissenschaftlichen, strikt religiös-diesseitig angesetzten, empirisch-operationalen Verfahrensweise im Umgang mit Religion» (KÖRBER 1988: 205-206, 208), wie sie die <moderne Religionswissenschaft> kennzeichnet, ist Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Religionshistorikern der sogenannten <Römischen Schule>, hier vor allem PETTAZZONIundBRELICHgelungen. Ihnen ist es zu verdanken, dass wir in Europa heute <Religion> als eine Ausdrucksform von Kultur, das heißt, als eine unter mehreren anderen, gleichrangigen und gleichwertigen <kulturellen Errungenschaften> verstehen und sie damit wissenschaftlich erforschen
können, ohne dabei von vorwissenschaftlich determinierten, regulierenden und reglemen-tierenden Mechanismen wie Dogmen und Doktrinen, Geboten und Verboten beeinflusst zu werden oder gar abhängig zu sein (KÖRBER1988: 199;MASSENZIO 2005).
Wenn heute die Göttinnen und Götter Mesoamerikas, ihre Handlungsprofile und Kultbilder, sowie die ihnen zugedachten Riten und Rituale überhaupt als solche identifiziert und systematisch untersucht werden können, so ist das noch immer weitgehend den Transkriptionen, Übersetzungen, textwissenschaftlichen Analysen und kulturspezifisch angelegten Interpretationen zu verdanken, die Eduard SELER bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts zu maßgeblichen Quellenwerken mesoamerika-nischer Religion vorgelegt hat (NOWOTNY 1961a: 198).
Auf dem 38. Internationalen Amerikanistenkongress, Stuttgart-München 1968, haben CASO, KIRCHHOFF und NICHOLSON die Ergebnisse ihrer bis dahin separat betriebenen Forschungen zu bestimmten religiösen Ausdrucksformen mesoamerikanischer Kultur, denen nach ihrer Feststellung etwas unübersehbar Gemeinsames, regional Übergreifendes anhaftete, zusammengelegt und ihr Material sowohl nach morpho-logischen wie methodischen Gesichtspunkten gemeinsam kritisch untersucht. Das Ergebnis des von CASO arrangierten Symposiums zum äußeren Rahmen mesoamerika-nischer Religiosität war die konkrete, auf empirischer Grundlage entwickelte Vorstellung von der <unidad religiosa mesoamericana>. In der Einheitlichkeit der <religiös-geistigen> Ausdrucksformen Mesoamerikas erkannten die genannten Forscher zugleich aber auch eine neuweltliche Variante der Religionsform des Polytheismus (CASO 1971b;
KIRCHHOFF1971;NICHOLSON1971a).1)
Der Begriff des <Religiös-Geistigen> wurde seiner für Mesoamerika in besonderer Weise zutreffenden Gesamtaussage wegen für die vorliegende Arbeit so von
ZIMMERMANN übernommen (ZIMMERMANN 1974: 218). Der Grund hierfür liegt in dem Umstand begründet, dass die Resultate aller indigenen <Denkbemühungen> (KÖRBER 1988: 205), die sich nach moderner okzidentaler Auffassung auf naturwissen-schaftlich erfass- und erklärbare Phänomene beziehen, in <polytheistischer Mentalität> (BRELICH 1960: 132) dem <Handlungsprofil> (GLADIGOW 2005: 128) eines oder mehrerer realitätsimmanenter Götter zuzuordnen sind und daher ausschließlich in Form von religiös geprägten, das heißt konkret, von Göttinnen und Göttern persönlich verkörperten Vorstellungen und Begriffen auftreten.
Das bedeutet, dass alle <Denkbemühungen> innerhalb eines kultisch definierten, die Götter <a priori> mit einbeziehenden Kontextes angestellt wurden. Zur Beschreibung dieser Geisteshaltung, die er als Ausdruck eines «besonderen Niveaus religiöser Welt-anschauung» ansah, verwendet BRELICH den schon vorgestellten Begriff der <polytheistischen Denkform> oder auch <polytheistischen Mentalität>. Diese besteht darin, dass «jede wichtige Angelegenheit persönlichen Göttern und Göttinnen anvertraut wird» (BRELICH 1960: 132, 135).
Unter <polytheistischer Mentalität> oder <polytheistisch geprägter Mentalität> - das sei an dieser Stelle vorab erläuternd eingefügt - soll im Verlaufe der vorliegenden Arbeit derjenige, nicht von <individuellen Subjekten> verkörperte und/oder beeinflusste, <unpersönliche Inhalt des Denkens> verstanden werden, in dem Realität in der Gestalt von Göttern und Göttinnen wahrgenommen und verarbeitet wird. Dieser Wahrnehmungsmodus bildete die Grundlage des göttergestützten Selbstverständnisses der mesoamerikanischen Gemeinwesen, von ihm war das <alltägliche Leben> ihrer Mitglieder <automatisch> und unterschiedslos <bis in die letzte Faser durchdrungen> (LE GOFF 1974, zitiert inSCHÖTTLER 1989: 88;ZIMMERMANN 1974: 217;BRELICH 1960: 127).
Die Abstützung auf dieses grundlegende Charakteristikum polytheistischer Religionen führt bei einem religionswissenschaftlich konzipierten Forschungsansatz, der auf die Gewinnung von Erkenntnissen zur neotropischen, in Mesoamerika gewachsenen Variante des Polytheismus gezielt ist, zu einem nicht gerade einfach zu lösenden Problem. Dieses resultiert aus dem Umstand, dass alle Informationen zum Polytheismus meso-amerikanischer Prägung bereits bei ihrer Erhebung ausnahmslos und von vorneherein unter dem Vorzeichen ihrer anschließenden proselytischen Verwendung standen (FlorCod Introductory Volume: 45-46). Das heißt, sie waren dazu gedacht, die Ausbreitung der seit ihrer Begründung auf Vorherrschaft ausgelegten christlich-katholischen Religion (PETTAZZONI 1954a: 8) auch auf dem zentralamerikanischen Festland zu fördern, zugleich aber auch den Zerfall und Untergang des hier praktizierten Götterkultes zu beschleunigen und schließlich herbeizuführen (HGCNE I: 159, 8.). Bekanntlich ist das Christentum eine der vier existenten Ausprägungen der Religionsform des Monotheismus (PETTAZZONI 1954a: 6). Es hat auch den Inhalt dieses im Zuge der Aufklärung entstandenen Begriffes geprägt (BALIBAR 2006: 67, 71 ff.).
Die Vorstellungen, zum Teil auch die Begriffe, in denen mesoamerikanische Religiosität in den Quellen präsentiert und erläutert wird, reflektieren eindeutig die später in christlichem Denkmilieu entwickelte und mit <Monotheismus> bezeichnete virtuelle Gottesvorstellung. Diese ist nun aber - wie im Einzelnen noch erläutert und an Beispielen aufgezeigt werden wird - zur Erkenntnisgewinnung innerhalb des Gefüges einer poly-theistischen Religion wie der Mesoamerikas rundweg untauglich, weil sie den realitäts-immanenten Charakter der Göttinnen und Götter als Objekten menschlicher Wahrnehmung nicht zu erfassen, folglich auch nicht zu beschreiben vermag (BRELICH
1960: 127).
Wo monotheistische Gottes- und Kultvorstellungen samt ihrer modernen, kulturwissenschaftlich erfassbaren Derivate (BALIBAR2006: 84) dennoch im Rahmen des polytheistisch fundierten mesoamerikanischen Gesellschaftsgefüges operationalisiert wur-den und werwur-den, sind sie epistemisch kontraproduktiv, bringen in jedem einzelnen Falle nur <Scheinrealität> als angebliche Erkenntnis hervor. Als zwei signifikante Beispiele für solche <Scheinerkenntnisse> seien die <Aztekischen Gedankensysteme> von Eike HINZ
(HINZ 1978) und die <Maya Kings and Queens> von Simon MARTIN und Nikolai
GRUBE(MARTIN andGRUBE 2000) angeführt.
Die Lösung des Problems, Informationen zum mesoamerikanischen Polytheismus trotz ihrer <monotheistischen Verpackung> wissenschaftlich auswerten und verarbeiten zu können, liegt in der Verfolgung zweier religionswissenschaftlich bewährter Forschungs-ansätze: das ist einmal die Vorab-Konzentration auf die Erarbeitung der <Morphologie> des mesoamerikanischen Polytheismus (BRELICH 1960: 129, 131) und sodann die Anwendung einer auf die erkannten Morpheme dieser Religion angesetzten aber auch beschränkten <Komparatistik> (WACH1924: 179-184).
Zur Beschreibung <polytheistisch geprägter Mentalität> (BRELICH 1960: 132, 135) und ihrer unzähligen Kulturprodukte verwende ich in der vorliegenden Untersuchung wahlweise die Begriffe <indigen> und <autochthon>. Diese wertfreien Qualifikatoren sollen so, wie ich sie hier zum Tragen bringe, nicht nur die Vorstellung von einer <Fremdkultur> sondern auch die von der mit dieser Kultur unabtrennbar verwobenen <Fremdreligion> signalisieren. Diese wird im Sinne der von Alfonso CASO und Paul
KIRCHHOFFempirisch nachgewiesenen und von Henry B. NICHOLSONals neuweltliche Form des Polytheismus identifizierten <einheitlichen mesoamerikanischen Religion>, der
<unidad religiosa de Mesoamérica> verstanden (CASO 1971b, KIRCHHOFF 1971,
NICHOLSON 1971a).
In dem <ethologischen Komplex> einheitlicher mesoamerikanischer Religiosität, in dem auf der einen Seite die besonderen, in der Zentralregion des amerikanischen Doppelkontinentes aktiven <naturräumlichen Kräfte> als <übermenschliche Wesen> mit zumeist gewaltiger Potenz und häufig vernichtender Wirkung auftraten und andererseits die Religionsform des Polytheismus mit ihren vielfältigen Möglichkeiten gemeinschaft-lichen rituellen Handelns es ermöglichte, differenzierte, existenz- und überlebenssichernde <menschliche Gegenkräfte> zu entwickeln, finden die von SELER vorgelegten Forschungsergebnisse auf morphologischer Ebene und der methodologische Durchbruch der Religionswissenschaftler (Religionshistoriker) der <Römischen Schule> unbeschadet der ganz unterschiedlichen räumlichen, zeitlichen und gesellschaftlichen Umstände, die bei ihrer Entstehung jeweils mitgespielt haben, widerspruchslos zueinander.
Die vorliegende Arbeit fasst die drei genannten kulturwissenschaftlichen Erkenntniskomplexe, den methodologischen der <Römischen Schule>, den morpholo-gischen SELERS und den konzeptionellen des CASO - Symposiums von 1968 zu einem einzigen Forschungsansatz zusammen. Dieser Verbund wird mit dem Ziel <in Betrieb genommen>, neue und gesicherte, nachvollziehbare und nachprüfbare, insgesamt also kulturwissenschaftlich tragfähige Erkenntnisse zu den religiös-geistigen Ausdrucksformen mesoamerikanischer Kultur zu gewinnen. Diesem Ansatz kommt die Entwicklung der im Deutschen Sprachraum betriebenen Religionswissenschaft in besonderer Weise entgegen.
Hier handelt es sich einmal um das Ergebnis der Anstrengungen, die zur Schaffung eines einheitlichen Verständnisses von den in der Religionswissenschaft gebräuchlichen Begriffen und Termini unternommen wurden und die im <Handbuch religionswissen-schaftlicher Grundbegriffe> (HrwG) zu einem greifbaren und in vieler Hinsicht sehr nützlichen Endprodukt geführt haben (HrwG - Hrsg.: CANCIK, GLADIGOW, KOHL / LAUBSCHER. 5 Bde, 1988-2001).
Zum anderen haben uns Forschungen, wie sie GLADIGOW und RÜPKE zum abendländischen, insbesondere römischen Polytheismus realisiert haben, eine in vieler Hinsicht neue Vorstellung von dieser Religionsform beschert, in der ihr funktionaler Charakter als der eines differenzierten, diversifizierten, höchst flexiblen, kultisch betriebenen Kommunikationssystems eine maßgebliche Rolle spielt (GLADIGOW 1993: 44-47;RÜPKE 2001: 219-222; 2007: 35-36, 73-77, 82-87).
Schließlich darf eine Reihe bemerkenswerter Beiträge zur religionswissen-schaftlichen Forschung nicht unerwähnt bleiben, die der Schweizer Altphilologe und Religionswissenschaftler Walter BURKERT zur Rekonstruktion der vermutlichen religiösen Ausdrucksformen in urgeschichtlicher Zeit geliefert hat. Den zumeist auf griechischen Quellen beruhenden Deduktionen BURKERTS kommt in Anbetracht der ausschließlich lithischen Waffen- und Geräteausstattung mesoamerikanischer Kultur und der mit dieser Ausstattung zwangsläufig noch stets verbundenen <paläoindianischen> (paleoindian) 2) Denk- und Handlungsroutinen für die komparatistische Anwendung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung eine besondere Bedeutung zu (BURKERT 1996, 1997).
6. Forschungslage und Forschungsziel
Grundlage jeder religionswissenschaftlichen Untersuchung muss eine empirisch fundierte <Morphologie> sein, in der die <kulturelle Bedingtheit> der religiösen Ausdrucksformen, denen die Untersuchung gilt, objektiv erfasst ist und mit eindeutigen, nachvollziehbaren Begriffen angesprochen wird (WACH1924: 174;SABBATUCCI 1988: 54-56).
Der Begriff der <Morphologie> (Adjektiv: morphologisch), hier in dem von
BRELICH benutzten religionswissenschaftlichen Sinne (BRELICH 1960: 125, 126, 131) definiert, soll zunächst und zuerst auf die <Götter und Göttinnen> angewendet werden, und zwar insofern, als diese in polytheistischer <Mentalität> oder <Denkform> (BRELICH
1960: 132, 135) die verschiedensten, menschlicher Wahrnehmung zugänglichen <Formen> annehmen können. Sodann soll mit dem Begriff alles in ihrem Kult bedeutsame oder zur Anwendung kommende <Gegenständliche>, sei es fest, flüssig, gas- oder wellenförmig, angesprochen werden. Schließlich soll der Begriff auch auf die formal fixierten, d.h. <kanonischen> Äußerungen, Bewegungen und Handlungen angewendet werden, in denen die <Dynamik> der Kulthandlungen ihren Ausdruck findet (BRELICH
1960: 129). Die zu diesen drei Kategorien gehörenden einzelnen Elemente werden als <Morpheme> bezeichnet.
Eine vergleichbare, normierte begriffliche Basis existiert in der Mesoamerikanistik nicht. Dieser Umstand wird an Veröffentlichungen deutlich, die Autoren wieTHOMPSON
(1970), MARCUS (1978), LÓPEZ AUSTIN (2001), BAUDEZ (2002/2004) und andere zu den religiösen Ausdrucksformen Mesoamerikas oder eines seiner Subareale vorgelegt haben. In diesen Arbeiten finden sich trotz ausführlicher Beschreibungen und zum Teil tiefschürfender Analysen an keiner Stelle Definitionen und/oder Erläuterungen zu den verwendeten Begriffen religiös-geistigen Inhaltes, sodass davon auszugehen ist, dass die Autoren hier jeweils ihre persönlich gehegten Vorstellungen, Präferenzen und Über-zeugungen von <Religion> unter Anwendung eines auch nur ihnen selbst geläufigen, individuell gestalteten Begriffsinventars zum Tragen gebracht haben (SPIRO 1966: 90).
In Verbindung mit derart arbitrarisch geprägten religiös-geistigen Begriffen finden sich - in den Worten KÖRBERS - häufig auch Hinweise auf «vorwissenschaftliche Werthorizonte, die sich nur zu oft im Bewusstsein des Wissenschaftlers zu einem meist unerkannt bleibenden Normierungshintergrund verfestigen und in die sachliche Argumen-tation mit einfließen» (KÖRBER 1988: 199). Als Beispiele für derart «vorwissen-schaftliche Normierung» mögen, was Arbeiten zu den religiös-geistigen Ausdrucksformen Mesoamerikas betrifft, die entsprechenden Ausführungen von LÓPEZ AUSTIN(1994: 23-29, 2001: 242-250), LEÓN-PORTILLA (2003) und GARIBAY(in Poesía Nahuatl I: XVII-XVIII) dienen.
Vorrangiges Ziel muss es daher sein, für die religiösen Ausdrucksformen Mesoamerikas zunächst eine solide, aus dem Quellenmaterial entwickelte Morphologie zu erarbeiten. In der vorliegenden Arbeit geht es also in erster Linie um die Gewinnung religionswissenschaftlich zuverlässiger Informationen zu den Göttern, den Göttinnen und ihren Handlungsprofilen und sodann um die Annäherung an das kulturspezifische Verständnis von den in ihrem Dienst verwendeten Kultgegenständen und deren Gebrauch, von den mit diesen Objekten vollzogenen Riten und Ritualen, von deren Verknüpfung zu Kulthandlungen höherer Größenordnung und von der dabei beobachteten <objekt-zentrierten> kanonischen Praxis oder <Orthopraxie> (RÜPKE 2001: 86-88).
Dass bei dieser Vorgehensweise - in Anbetracht der Fülle und Unterschiedlichkeit des Quellenmaterials, sowie der jeweils spezifischen Anforderungen an seine philologische und argumentative analytische Aufbereitung - nicht immer der Detailliert-heitsgrad mesoamerikanistischer und/oder religionswissenschaftlicher Fachaufsätze erreicht werden kann, ist in Kauf zu nehmen. In keinem Falle jedoch geschieht das auf Kosten der semantischen Solidität der zu erarbeitenden Morpheme und ihrer «rituell-syntaktischen Verknüpfungen» (RÜPKE 2007: 98-100).
Hierbei liegt der Schwerpunkt auf denjenigen Morphemen und morphologischen Verknüpfungen, die für die religiösen Ausdrucksformen Mesoamerikas in besonderer Weise charakteristisch sind, nicht jedoch auf solchen, für die - auf der Grundlage teils diskriminierender, teils verniedlichender, immer jedoch unangemessener, häufig verfälschender Verallgemeinerungen - vermeintliche Entsprechungen zu Ausdrucks-formen westlicher Kultur und Religion angeboten werden (DUBUISSON 2007: 9; PREM
2008: IVX). Die Fremdartigkeit dieser Ausdrucksformen, die in okzidentaler Empfindung - ob berechtigt oder unberechtigt, sei hier dahingestellt - zum Teil Widerwillen, Abscheu und Ekel hervorrufen, erfordern vom kulturwissenschaftlich tätigen Forscher Selbst-beherrschung, Augenmaß und Disziplin.
Hier ist nicht Pluralität in der Betrachtungsweise (RÜPKE 2007: 162) sondern Disziplin in der Verhaltens- und Verfahrensweise angesagt: Disziplin, was die Erkennung, Disziplin, was die Analyse und Disziplin, was die Beschreibung des mesoamerikanisch Fremdartigen betrifft. In der <disziplinierten Haltung> gegenüber einem solchen Forschungsgegenstand war mir Wolfgang SOFSKY Vorbild und Wegweiser (SOFSKY
2005, 2008).
7. Investigative Vorgehensweise
Die Arbeit durfte, was die verschiedenen <Subareale> der Kultur Mesoamerikas betrifft, nicht zu breit angelegt sein, weil sonst - bedingt durch die defizitäre Quellenlage in vielen Regionen - eine <morphologische Basis> der religiös-geistigen Ausdrucksformen, die diese Bezeichnung verdiente, aus schierem Mangel an Substanz nicht hätte erarbeitet werden können. Aufs Ganze gesehen sind für die räumliche Verteilung der Quellen zu den religiös-geistigen Ausdrucksformen Mesoamerikas zwei Charakteristika kennzeichnend: Bündelung und Konzentration (clustering) auf der einen, sowie Lückenhaftigkeit bis hin zum völligen Fehlen einschlägiger Quellen (gaps) auf der anderen.
Das gilt sowohl für die Bilderhandschriften wie auch für das sogenannte <ethnohistorische>, also das lateinschriftlich verfasste Quellenmaterial. Ausführlich hat Henry B. NICHOLSON die Quellenlage zu Mesoamerika im Band 15 des <Handbook of Middle American Indians> (NICHOLSON 1975) unter Abstützung auf die detaillierten Erhebungen beschrieben, die in den Bänden 12 - 15 dieser Enzyklopädie insgesamt veröffentlicht wurden und die - jedenfalls, was den Quellenbestand betrifft - noch immer aktuell sind. Dieser Arbeit NICHOLSON’S wurde auch die obige Kurzdarstellung zur räumlichen Verteilung der Quellen entlehnt (NICHOLSON1975: 489-490).
So können nur dort, wo wirklich verlässliche Quellen mit konkreten Aussagen verfügbar sind, aus diesen die Morpheme, aus denen die religiösen Ausdrucksformen Mesoamerikas im einzelnen gebildet sind, herausgefiltert und diese dann dort, wo die Quellen lückenhaft und ungenau sind oder nur als Fragmente existieren, bei der
Rekonstruktion von Riten und Ritualen in <Füller>- oder <Brückenfunktion> eingesetzt werden.
Entscheidend bei dieser Vorgehensweise ist der Bezug auf bekannte, ebenfalls aus <polytheistischer Mentalität> (BRELICH 1960: 132) erwachsene <Morpheme> und <morphologische Verknüpfungen> (BRELICH 1960: 129; Rüpke 2007: 99-102) innerhalb des übergreifenden Rahmens, den CASO, KIRCHHOFF und NICHOLSON zusammen-fassend mit <unidad religiosa Mesoamericana> bezeichnet haben. In Anbetracht dieser Lage galt es, aus der Not eine Tugend zu machen und sich dabei der besonderen Beschaffenheit zweier <Bündelungskomplexe> im Quellenbestand zu Mesoamerika zu bedienen.
Das ist einmal das ansehnliche Corpus lateinschriftlicher Quellenwerke und vorspanischer Bilderhandschriften, in denen - trotz aller auch hier feststellbaren <Lückenhaftigkeit> (ZIMMERMANN 1974: 218) - die Götter und Göttinnen in der Darstellungsweise des zentralmexikanischen Hochlandes sowie die ihnen zugedachten Kulthandlungen auf breiter Basis dokumentiert sind (NICHOLSON 1971a: 223-225, 1975). Ausführliche und detaillierte Kommentare zum Inhalt der wichtigsten Bilderhandschriften religiös-geistigen Inhaltes hat vor geraumer Zeit bereits SELER in den Jahren 1900, 1902 und 1904-06 vorgelegt. Auch die wichtigsten lateinschriftlichen, in Nahuatl abgefassten Quellenwerke aus Zentralmexiko sind nach dem Tode SELERS, sei es unter Nutzung seines Nachlasses oder in Fortsetzung seiner editoriellen Bemühungen, in textwissen-schaftlich zuverlässiger, zum Teil mustergültiger Form editiert, veröffentlicht worden.
Einen weiteren, umfassenden Fundus an Informationen zu den Göttern und Riten Mesoamerikas liefern die Mayainschriften. ZIMMERMANN (1956: Vorwort) hat ihre Inhalte «als eine durch ihre Ursprünglichkeit besonders wertvolle Quelle» bezeichnet. Die Erkenntnis, dass es sich bei den Mayahieroglyphen um eine logographisch-syllabische Schrift handelt, der weitere Umstand, dass für einen ansehnlichen Teil des hieroglyphischen Formeninventars inzwischen diskussionswürdige, zum Teil plausible Entzifferungsvorschläge in Form von Lautwerten vorliegen, sowie schließlich die Publi-kation eines umfangreichen Sortiments hieroglyphischer Texte und sie begleitender bildlicher Darstellungen im <Corpus of Maya Hieroglyphic Inscriptions> (CMHI) ermöglichen grundsätzlich auch den Zugang zu den hieroglyphischen Mayatexten religiös-geistigen Inhaltes. Die originalgetreuen, verzerrungsfreien Reproduktionen, die Justin
KERR von dem umfangreichen - wenngleich nahezu vollständig aus Grabplünderungen stammenden - Bestand an bemalten und beschrifteten Keramiken angefertigt hat, ergänzen das CHMI und andere, weniger ambitiös angelegte Publikationen von Mayainschriften gerade auf dem Gebiet des Religiös-Geistigen auf wirkungsvolle Weise (KERR1989-2002, 6 Bände). Jedoch unterliegen weder die «Nomenklatur und Verschlüsselung der Zeichen», noch die «Katalogisierung des Zeichenbestandes», noch auch die «Evaluierung der vorgeschlagenen Entzifferungsergebnisse» objektiven, systematisch erarbeiteten und ebenso systematisch anwendbaren Regeln (RIESE 2006a).