A822 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1618. April 2008
P O L I T I K
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itte der 50er-Jahre hatten der belgische Hals-Nasen- Ohren-Arzt Dr. Oscar Godin und der französische Gynäkologe Dr.Jacques Courtois eine Vision. In ei- nem künftigen gemeinsamen Euro- pa, so ihre Vorstellung, müsste es Fachärzten möglich sein, jederzeit ohne große Probleme im europä- ischen Ausland tätig zu werden. Go- din und Courtois regten daraufhin an, eine Vereinigung zu gründen, die die Harmonisierung und die gegen- seitige Anerkennung der fachärztli- chen Weiterbildung im zusammen- wachsenden Europa fördern sollte.
Am 20. Juli 1958, ein Jahr nach Gründung der Europäischen Wirt- schaftsgemeinschaft (EWG), war es so weit: Vertreter von fachärztlichen Organisationen der sechs EWG- Länder Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Deutschland schlossen sich zur Europäischen Union der Fachärzte (UEMS) zusammen. Die UEMS ist damit die älteste europäische Stan- desvertretung, die sich auf dem Brüsseler Parkett für die Belange der Ärzteschaft einsetzt.
Je größer die Europäische Ge- meinschaft wurde, desto größer wur-
de auch die UEMS. Heute, 50 Jahre nach ihrer Gründung, umfasst die Vereinigung mehr als 800 Mitglie- der aus 35 Ländern. Darunter befin- den sich neben den 27 Mitgliedslän- dern der Europäischen Union (EU) auch Staaten wie Israel, Georgien, Türkei und Aserbaidschan.
„Immer weiter bohren!“
„Wir können der Europäischen Kommission gegenüber allerdings nur beratend tätig werden“, sagt der ehemalige Präsident des Berufsver- bands Deutscher Internisten, Gerd- Guido Hofmann. Hofmann ist seit Januar 2006 Verbindungsoffizier der UEMS. Seine Aufgabe besteht dar- in, die Kontakte zu anderen Organi- sationen des Gesundheitswesens auf europäischer Ebene zu pflegen und mit ihnen gemeinsame gesundheits- politische Ziele abzustimmen. Dies sind insbesondere der Ständige Ausschuss der Europäischen Ärzte (CPME), die Europäische Vereini- gung der Allgemeinärzte (UEMO) und die Ständige Arbeitsgruppe der Assistenzärzte (PWG).
Eine Abstimmung der Interessen ist wichtig, da in Brüssel zahlreiche Institutionen, Verbände und Organi- sationen darum buhlen, die europä- ische Gesetzgebung zu beeinflussen.
„Das birgt die Gefahr, dass Anregun- gen einzelner Interessenvertreter kein oder nur unzureichend Gehör finden“, erklärt Hofmann. Da helfe nur eins: „Immer weiter bohren!“ Er- folg mit dieser Taktik hatte die UEMS beispielsweise im Jahr 1975:
Bei der Entwicklung der sogenann- ten Ärzterichtlinie, die die gegensei- tige Anerkennung der ärztlichen Di- plome regelt, floss der Sachverstand der Vereinigung maßgeblich mit ein.
Zu den Themen, die derzeit zwi- schen den Fachärzten und den Ver- tretern der anderen europäischen Ärztevereinigungen heiß diskutiert werden, gehören Hofmann zufolge
die EU-Arbeitszeitrichtlinie und die Frage, ob europäische Hausärzte den Status von Fachärzten erhalten sol- len. Die geplanten Änderungen der europäischen Arbeitszeitvorschriften, die auch für Krankenhausärzte kür- zere Wochenarbeitszeiten im Interes- se des Gesundheitsschutzes vorsä- hen, seien sogar innerhalb der UEMS umstritten, sagt Hofmann. „Die briti- schen Chirurgen glauben, dass dann keine Weiterbildung im Fach Chirur- gie mehr möglich ist.“
Neben der Angleichung der Aus- bildungsstandards befasst sich die UEMS mittlerweile auch mit Fragen der Qualitätssicherung, der Harmo- nisierung der fachärztlichen Fortbil- dung und der Förderung von Aus- tauschprogrammen. Seit 1962 gibt es außerdem Arbeitsgruppen für einzel- ne fachärztliche Spezialisierungen, die die Harmonisierung in den unter- schiedlichen Fächern samt ihrer Unterdisziplinen, wie orthopädische Chirurgie oder Gastroenterologie, gezielter vorantreiben sollen.
Europaweit akkreditiert
Als „tollen Erfolg“ bezeichnet Hof- mann die Einrichtung des europa- weiten Akkreditierungsgremiums EACCME im Jahr 2000. Es er- möglicht europäischen Fachärzten die gegenseitige Anerkennung von zertifizierten Fortbildungsaktivitäten (cme). In Zukunft sollen sich die Ärzte auch via Internet erworbene cme-Punkte europaweit akkreditieren lassen können. Durch das EACCME werde ein wichtiger Beitrag zur Qua- litätssicherung der fachärztlichen Tätigkeit und der Patientensicherheit in Europa geleistet, betont Hofmann.Einen zusätzlichen Schub für die Qualitätssicherung fachärztlicher Leistungen erhofft sich der amtie- rende Präsident der UEMS, Zlatko Fras, vom zunehmenden Einsatz von Electronic-Health-Lösungen. I Petra Spielberg
EUROPÄISCHE UNION DER FACHÄRZTE
50 Jahre und kein bisschen leise
Die Fachärzteunion hat die Harmonisierung der fachärztlichen Weiterbildung in Europa in den letzten 50 Jahren maßgeblich mit vorangetrieben.
DIE ZIELE
Die Europäische Union der Fachärzte (UEMS) setzt sich im Wesentlichen ein für
>die Gewährleistung eines hohen fachärztlichen Standards
>die Harmonisierung und Qualitätssicherung der fachärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung in Europa
>die Wahrung der Interessen der einzelnen Fachgruppen
>die Sicherstellung der Facharztposition
>die Stärkung der Solidarität unter den Spezialisten in Europa
>die Förderung der Freizügigkeit der Fachärzte in Europa
>die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ärzteorganisationen
>die Förderung von Austauschprogrammen
>die Förderung der Patientensicherheit