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Endotoxin reduziert die Verfügbarkeit von spannungsabhängigen humanen Skelettmuskelnatriumkanälen bei depolarisiertem Membranpotential

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Academic year: 2022

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Aus dem Zentrum Anästhesiologie der Medizinischen Hochschule Hannover

Endotoxin reduziert die Verfügbarkeit von

spannungsabhängigen humanen Skelettmuskelnatriumkanälen bei depolarisiertem Membranpotential

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Elena Wiegand aus Kaliningrad

Hannover, 2008

(2)

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 06.10.2009

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Rektor : Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann Betreuerin : Prof. Dr. Gertrud Haeseler

Referent : Prof. Dr. Symeon Papadopoulos

Korreferent : Prof. Dr. Klaus Krampfl Tag der mündlichen Prüfung : 06.10.2009

Promotionsausschussmitglieder : Prof. Dr. Hans-Anton Adams

PD Dr. Makoto Nakamura

Prof. Dr. Matthias Karst

(3)

In Dankbarkeit

meiner Familie

(4)

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Die Critical Illness Myopathie 3

1.2 Erregungsbildung und Weiterleitung 4

1.3 Grundlagen des Natriumkanals 6

1.4 Zielsetzung und Fragestellung 7

2. Material und Methoden

2.1 Elektrophysiologische Methoden - Die Patch-Clamp-Technik 8

2.2 Zelllinie 9

2.3 Zellkultur 10

2.4 Aufbau des Messstandes 11

2.5 Das Applikationssytem 12

2.6 Die Pipettenherstellung 13

2.7 Verwendete Lösungen 13

2.8 Versuchsdurchführung 14

2.9 Datenerfassung 15

2.10 Pulsprotokolle 15

2.11 Statistik 17

(5)

3. Ergebnisse

3.1 Effekte von LPS auf Kanäle im Ruhezustand 18 3.2 Effekte von LPS auf die Spannungsabhängigkeit der schnellen

Inaktivierung 19

3.3 Effekte von LPS auf den Zeitverlauf der Erholung von der schnellen

Inaktivierung 22

3.4 Effekte von LPS auf die Spannungsabhängigkeit der langsamen

Inaktivierung 24

3.5 Mehrstündige Inkubation mit 300 pg/ml LPS 27

3.6 Zusammenfassung der Ergebnisse 29

4. Diskussion

30

5. Schlussfolgerung

35

6. Zusammenfassung

36

7. Abkürzungsvezeichnis

37

8. Literaturverzeichnis

38

9. Anhang

9.1 Erklärung nach § 2, Abs. 2, Ziffern 5 und 6 43

9.2 Curriculum vitae 44

9.3 Danksagung 46

(6)

1.Einleitung

1.1 Die Critical Illness Myopathie

Schwere Sepsis ist im allgemeinen verbunden mit der Freisetzung großer Mengen von Lipopolysacchariden von der Oberfläche gram-negativer Bakterien (LPS). Dieses Endotoxin gilt als wichtiger Auslöser der entzündlichen Signalkaskade, welche zur Produktion und Freisetzung von Zytokinen und zum klinischen Bild des Systemic Inflammatory Response Syndroms (SIRS) mit Organdysfunktion und Schock führt (1).

Die Critical Illness Myopathie (CIM) ist eine Form von akuter Myopathie, welche Muskelschwäche und Paralyse bei den betroffenen Patienten auslöst. Nach der erfolgreichen Therapie einer Sepsis ist die weitergeführte maschinelle Beatmung aufgrund von Muskelschwäche ein wesentlicher Faktor für den verlängerten Aufenthalt von Patienten auf der Intensivstation. Persistierende Muskelschwäche nach dem Verlassen der Intensivstation kann zu weiteren schwerwiegenden Komplikationen führen wie erneutem Intensivaufenthalt oder unerwartetem Todeseintritt (2).

Das klinische Spektrum der Critical Illness Myopathie reicht von rein funktioneller Beeinträchtigung mit normaler Histologie bis hin zur Muskelatrophie und Nekrose (2).

Sie kommt häufig gemeinsam mit der Critical Illness Polyneuropathie (CIP) vor (3,4).

Beide Erkrankungen treten bei einer schweren Sepsis oder dem (SIRS) auf (5).

Aufgrund dieser Tatsache kann ein ähnlicher Mechanismus, welcher erregbares Gewebe von unterschiedlichen Organsystemen (Skelettmuskel, Nervengewebe und womöglich auch Herzmuskelgewebe) während einer Sepsis beeinträchtigt, angenommen werden. Mittels direkter Muskelstimulation konnte festgestellt werden, dass die Erregbarkeit von Muskelzellmembranen bei Patienten mit CIM verringert ist (6,8,49). Mehrere Studien haben einen Zusammenhang zwischen der Dysfunktion der Skelettmuskelnatriumkanäle und dem Rückgang der muskulären Erregbarkeit während der initialen Phase der Muskelschwäche aufgezeigt (9,10). Risikofaktoren für die Entwicklung einer CIM sind unter anderem die funktionelle Denervation durch Muskelrelaxantien, eine hochdosierte Kortikoid-Therapie (11) und die Hyperglykämie (12).

(7)

1.2 Erregungsbildung und Weiterleitung

Spannungsgesteuerte Natriumkanäle (NaV) spielen eine tragende Rolle bei der elektrischen Signalgenerierung und Weiterleitung in erregbaren Zellen, welche in Form von Aktionspotentialen erfolgt.

Es gibt drei verschiedene Zustände, in denen sich ein Ionenkanal befinden kann:

I) geschlossen und aktivierbar, II) offen und III) geschlossen und nicht aktivierbar. Durch hochfrequente Konformationsänderungen kommt es zu Übergängen vom geschlossenen aktivierbaren Zustand in den geöffneten und danach den geschlossenen, nicht aktivierbaren Zustand.

Abbildung a: Schematische Darstellung der Zustände der Ionenkanäle (-Modell nach Hille )

Ein Aktionspotential besteht in der Regel aus drei Phasen:

1. Rasche Depolarisation und Potentialumkehr 2. Langsame Repolarisation

3. Nachhyperpolarisation

(8)

Werden Natriumkanäle aktiviert, kommt es zu einem raschen Einstrom von Natriumionen in die Zelle und so zu einer Depolarisation und Potentialumkehr auf bis zu +30 mV (Punkt 1). Dieser Zustand hält nur sehr kurz an, denn innerhalb einer Millisekunde (ms) werden die Natriumkanäle inaktiv und es kommt zu einer Repolarisation der Membran auf den Ruhepotentialwert, was durch einen Ausstrom von Kaliumionen aus der Zelle bewirkt wird (Punkt 2). Während dieser Zeit sind die Natriumkanäle nicht aktivierbar, sie sind absolut refraktär. Dieser Mechanismus begrenzt die Dauer eines Aktionspotentials auf etwa 2 ms, und reguliert die Frequenz der weiterzuleitenden Potentiale.

Die folgende Nachhyperpolarisation lässt sich durch die erhöhte Kaliumleitfähigkeit erklären (Punkt 3).

Abbildung b: Schematische Darstellung eines Aktionspotentials, in dem die drei Phasen der raschen Depolarisation, der langsamen Repolarisation sowie der Nachhyperpolarisation verdeutlicht werden.

Für die Auslösung eines Aktionspotentials ist das Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes nötig. Geschieht dieses, so läuft das Aktionspotential nach dem oben beschriebenen Schema ab. Wird der Schwellenwert nicht überschritten, unterbleibt das Aktionspotential ganz. Aktionspotentiale folgen dem „Alles-oder-Nichts-Gesetz“.

(9)

Die Fortleitung eines Aktionspotentials geschieht, indem eine neben der depolarisierten Membran liegende, ruhende Membranstelle ebenfalls depolarisiert wird und nach Erreichen des Schwellenwertes ein neues Aktionspotential entsteht. Durch die Refraktärperiode wird sichergestellt, dass ein Aktionspotential immer nur in eine Richtung geleitet wird und keine unkontrollierten Erregungen auftreten.

1.3 Grundlagen des Natriumkanals

Der Natriumkanal setzt sich aus α-, β1-und fakultativ β2-Untereinheiten zusammen, wobei sich die neuronale α-Untereinheit in ihrer Basissequenz von der muskulären unterscheidet. Die α-Untereinheit bildet eine spannungsabhängige, selektiv Natriumionen leitende Struktur und stellt die funktionell entscheidende Struktur des Natriumkanals dar.

Während die Funktion der β1-Untereinheit in einer Beschleunigung der Inaktivierung und Erhöhung der Leitfähigkeit des Kanals gesehen wird, ist die Funktion der β2- Untereinheit, die beim neuronalen Natriumkanal vorhanden ist, beim muskulären Natriumkanal jedoch fehlt, noch nicht geklärt.

Die α-Untereinheit besteht aus vier homologen Domänen (I bis IV). Diese durchspannen als Helices mit jeweils sechs Segmenten die Zellmembran. Durch eine Verschiebung von mindestens vier positiven (auch als Feldsensoren bezeichnete) Ladungen, von der zytoplasmatischen zur exoplasmatischen Membranseite, wird eine Konformationsänderung des Kanalproteins begünstigt, die den Kanal öffnet. Diese Verschiebung wird als Torstrom oder auch „ gating current“ bezeichnet. Beim Feldsensor handelt es sich nach heutigem Kenntnisstand um das Segment S4. Der offene Zustand ist instabil und geht spontan in den geschlossenen inaktivierten über.

Bezüglich der Inaktivierung unterscheidet man zwei kinetisch unterschiedliche Zustände:

die schnelle und die langsame Inaktivierung. Die schnelle Inaktivierung vollzieht sich nach bereits kurzer Depolarisation im Millisekundenbereich. Sie reguliert die Aktionspotentialdauer und damit die Feuerrate.

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Die langsame Inaktivierung erfolgt erst nach sekundenlang anhaltender Depolarisation bzw. vielen aufeinanderfolgenden kurzen Depolarisationen, ein Zustand, den man in ischämisch/hypoxisch geschädigtem Gewebe vorfindet. Dort wird durch die langsame Inaktivierung eine ektope Erregungsbildung unterdrückt.

1.4 Zielsetzung und Fragestellung

Während bereits gezeigt werden konnte, dass spannungsabhängige Kaliumkanäle an der LPS-induzierten Siganalkaskade in Makrophagen beteiligt sind und intraperitoneale Lipopolysaccharide bei Mäusen (13) und Ratten (15) kontraktile Dysfunktionen des Zwerchfells auslösen können, ist es Ziel der vorliegenden Arbeit, zu untersuchen, ob eine direkte Interaktion zwischen LPS von E.coli und spannungsgesteuerten Skelettmuskelnatriumkanälen besteht.

Um das Auftreten von Entzündungsmediatoren als Störfaktor auszuschalten, wurde ein in-vitro Modell gewählt, basierend auf einer stabil transfizierten HEK 293 Zelllinie, die die α-Untereinheit von humanen Skelettmuskelnatriumkanälen exprimiert. Mittels der Patch- Clamp-Technik wurden die Natriumeinwärtsströme erfasst.

Die Effekte von LPS wurden nach akuter Applikation von LPS in jeweils einer Konzentration zwischen 50 µg/ml und 5 ng/ml, sowie 1, 10 und 20 Stunden nach Inkubation der Zellen mit einer klinisch relevanten Dosis (300 pg/ml LPS) untersucht.

(11)

2.Material und Methoden

2.1 Elektrophysioligische Methoden - Die Patch-Clamp-Technik

Die Patch-Clamp-Technik wurde 1976 von Erwin Neher und Bert Sackmann entwickelt, die dafür 1991 mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin ausgezeichnet wurden.

Das Prinzip dieser Methode besteht darin, dass eine kleine Glaspipette mit sehr feinem Öffnungsdurchmesser (<1 µm) auf die Zellmembran aufgesetzt wird. Durch das Anlegen eines Unterdrucks innerhalb der Pipette wird die Zellmembran angesaugt.

Dabei entsteht eine mechanische und elektrische Abdichtung zwischen Pipette und Zellmembran, der so genannte Seal. Der Abdichtwiederstand liegt im Bereich von mehreren Gigaohm, womit das Membranstück unter der Pipette, der Patch, von seiner Umgebung elektrisch isoliert ist. Im Inneren der flüssigkeitsgefüllten Pipette befindet sich eine Elektrode (Pipettenelektrode), die mit einer zweiten Elektrode, die sich in der zellumgebenden Badlösung befindet (Badelektrode), über eine Regelschaltung verbunden ist. Beide Elektroden bestehen aus chloridiertem Silberdraht. Der Stromkreis wird über den Patch geschlossen. Mit Hilfe der Regelschaltung kann zwischen den beiden Elektroden jede beliebige Spannung angelegt und gehalten werden.

Durch die isolierungsbedingte kleine Messfläche können mittels der Patch-Clamp- Technik auch sehr kleine Ströme (im Piko-Ampère- Bereich) störungsfrei gemessen werden.

Bei der Patch-Clamp Methode unterscheidet man verschiedene Konfigurationen.

Die in dieser Arbeit erhobenen Daten wurden in der „Whole-Cell“ - Konfiguration gemessen. Bei der „Cell Attached“ - Konfiguration liegt die Pipettenspitze der Membran lediglich an. Erzeugt man einen weiteren Unterdruck innerhalb der Pipette, wird das unterhalb der Pipettenspitze liegende Membranstück herausgerissen und in die Pipette hineingesaugt. Hierdurch entsteht eine Verbindung zwischen dem Pipetteninneren und dem Zytoplasma der Zelle. Der Seal bleibt dabei bestehen.

Durch Injektion eines Stroms durch die Membran führt man einen Depolarisationswert (von Hand festlegbar, kontrollierbar) des Membranpotentials herbei, wodurch sich Natriumkanäle öffnen.

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Die so entstehenden Ströme würden normalerweise das Membranpotential verändern, jedoch greift hier die Spannungsklemme ein und erzeugt einen dem in die Zelle fließenden Natriumeinstrom entgegen gerichteten, gleich großen Strom, der bei den vorliegenden Experimenten im einstelligen Nano-Ampère-Bereich lag.

Abbildung c: Schematische Darstellung der Herstellung der whole-cell-Konfiguration ( -Hamill et al., 1981- )

2.2 Zelllinie

Die α-Untereinheit des spannungsgesteuerten humanen skelettmuskulären Natriumkanals 1.4 vom Wildtyp wurde stabil in HEK 293 Zellen exprimiert. Das die α- Untereinheit kodierende Gen SCN4A befindet sich auf Chromosom 17q23.1-25.3. Das entsprechende Genprodukt hSKM1 (human skeletal muscle channel) wurde 1992 sequenziert.

Die Kanäle wurden heterolog an der Oberfläche einer Kulturzelllinie exprimiert. Die Transfektion wurde mittels des Calcium-Phosphat-Präzipitationsverfahrens mit dem Expressionsvektor pRc/CMV (Invitrogen, San Diego, USA) durchgeführt.

Als Kulturzelllinie wurden die aus menschlichen embryonalen Nierenzellen stammende HEK (human embryonic kidney) Zellen verwendet. Diese stehen seit 1992 als stabile Zelllinie zur Verfügung (american Tissue Collection CRL 1573). Die Vorteile von HEK- Zellen als Expressionssystem für Natriumkanaluntersuchungen sind zum einen die nur wenigen störenden endogenen Natriumkanäle, aus denen ein endogener Natriumstrom von lediglich 112 ± 12 Picoampère resultiert (50). Zum anderen verhalten sich in HEK- Zellen exprimierte, aus α-Untereinheiten bestehende Natriumkanäle, elektrophysiologisch (vor allem bezüglich Aktivierung und Inaktivierung) wie Natriumkanäle aus normalem Gewebe (51), während beispielsweise in tierischen Xenopus-Oozyten exprimierte Natriumkanäle eine verlangsamte Inaktivierung zeigen.

„ cell-attached-Konfiguration“ „ whole-cell-Konfiguration“

(13)

Nach Transfektion des entsprechenden Codes für die- α-Untereinheit exprimierten die Zellen den Wildtyp.

Die hierfür notwendigen molekulargenetischen Prozesse wurden am Institut für angewandte Physiologie der Universität Ulm von der Arbeitsgruppe um Prof. Dr.

Lehmann-Horn durchgeführt.

Zusammen mit dem genetischen Code für die α-Untereinheit wurde in die Zellen ein Antibiotikumresistenzgen transfiziert. Das Aminoglycosid Geneticin (G418)

(Gibco, Art. Nr.: 118 11066) wurde zur Selektion der erfolgreich transfizierten Zellen benutzt. Es wurde dem Nährmedium zugefügt (siehe Zellkultur) und bewirkte, dass fast ausschließlich kanalexprimierende HEK-Zellen proliferierten.

2.3 Zellkultur

Die untersuchte HEK-Zellpopulation (Wildtyp) wurde in Zellkulturflaschen (Greiner, Art.

Nr.: 658 175) im Brutschrank (Nunc, Wiesbaden) bei 370C und einem CO2- Atmosphärenanteil von 5% gezüchtet. Das Nährmedium (MEM von Seromed, Art. Nr.:

FG 0325), angereichert mit 10% fetalem Kälberserum (FCS) und dem Antibiotikum G418 (Gibco, Art.Nr.: 118 110 66; 500 µg/ml) wurde alle zwei Tage erneuert. Alle vier Tage wurde die Zellpopulation in eine neue Kulturflasche überführt. Nichtadhärente, defekte Zellen wurden vor jedem Mediumwechsel mit PBS-Puffer (Gibco, Art.Nr.: 141 90-094) von der Oberfläche abgespült und verworfen.

Für die Messungen wurden die adhärenten Zellen mit frischem Medium versetzt und mit Hilfe eines Zellschabers (Greiner, Art.Nr.: 541 070) vom Flaschenboden abgelöst, so dass eine Zellsuspension entstand. Von dieser wurden jeweils 1,5 ml in kleine Petrischalen (Greiner, Art.Nr.: 627 160) überführt (gesplittet). Dieses fand parallel zu jedem Mediumwechsel alle zwei Tage statt. Alle vier Tage wurden die Zellen nach demselben Prinzip in eine neue Zellkulturflasche überführt (passagiert). Anschließend wurden sowohl die Zellkulturflasche als auch die Petrischalen bis zum nächsten Mediumwechsel, bzw. bis zur nächsten Messung gemeinsam im Brutschrank inkubiert.

Der optimale Messzeitpunkt lag zwischen 24 und 60 Stunden nach dem Splitten.

(14)

Bei einer Inkubationszeit von weniger als 24 Stunden waren noch nicht genug Zellen adhärent, bei mehr als 60 Stunden war der Zellrasen bereits so dicht bewachsen, dass man kaum noch einzeln stehende Zellen für die Messungen finden konnte.

2.4 Aufbau des Messstandes

Des Messstand ist auf einem mit Luftkissen schwingungsgedämpften Tisch aufgebaut und durch einen Faradayschen Käfig gegen elektrische Störeinflüsse abgeschirmt. Es wird ein inverses Mikroskop (Axiovert 135, Zeiss) verwendet. Es ermöglicht neben der Betrachtung der zu untersuchenden Zelle durch das Okular die Übertragung mittels einer Video-Kamera (Sony CCD IRIS, Japan) auf einen Bildschirm (Sony). Zu beiden Seiten des Mikroskops befinden sich schwingungsfreie Hohlprofiltürme (Spindler &

Hoyer, Göttingen) an denen zum einen der Mikromanipulator zur Steuerung der Pipette, zum anderen die Applikationsvorrichtung befestigt sind. Der Objekttisch des Mikroskops ist durch eine Halterung für Zellkulturschälchen ersetzt, welche unabhängig vom Mikroskop an den Hohltürmen befestigt und in der horizontalen Ebene verschieblich ist.

Wenn ein Kulturschälchen in die dafür vorgesehene Aussparung eingelegt und durch einen Halter fixiert wird, tauchen automatisch eine Badelektrode sowie ein Temperaturregler in das Schälchen ein. Dieser Temperaturregler-

(LN Temperatur Controll System II, LN Ratingen) ist rechnergesteuert und ermöglicht eine schnelle Einstellung der Bad-Temperatur auf einen gewünschten Wert. Alle Experimente dieser Arbeit wurden bei Raumtemperatur (200C) durchgeführt.

Der Pipettenhalter sowie der Vorverstärker sind ebenfalls an den Hohlprofiltürmen angebracht. Ein mechanischer Mikromanipulator M25 (LN, Ratingen) ermöglicht eine grobe Positionseinstellung sowie Annäherung an die Zelle. Die Feineinstellung erfolgt mittels eines Piezomikromanipulators. Der Pipettenhalter besteht aus Teflon und ermöglicht die Übertragung eines Unterdrucks auf das Pipetteninnere. Dieses ist für die Erzeugung eines Gigaohm-Seals vor der Messung nötig.

Die über die Pipettenelektrode gemessenen Ströme werden vom Vorverstärker aufgenommen, mit einem Strom-Spannungs-Wandler in Potentiale umgewandelt und dann zum Hauptverstärker EPC-9 (HEKA electronik GmbH, Lamprecht) weitergeleitet.

(15)

Diese Daten werden vom Rechner aufgenommen, bearbeitet, gespeichert und auf dem Bildschirm als Ströme dargestellt. Über denselben Rechner wird auch ein Pulsgenerator angesteuert, mit dessen Hilfe Potentialsprünge an der Zellmembran appliziert werden können.

Die Aufzeichnung und Auswertung der Daten erfolgte mit der Pulse und Pulse Fit Software (HEKA elektronic, Lamprecht).

2.5 Das Applikationssytem

Das verwendete Applikationssystem wurde von den Forschungswerkstätten der Medizinischen Hochschule Hannover gefertigt und arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie krankenhausübliche Spritzenpumpen (Perfusoren). Das Applikationssystem wird elektromotorisch betrieben und leitet die gewünschte Lösung pulsatil über abgeschirmte Teflonkabel zum eigentlichen Applikator. Dieser besteht aus zwei gebogenen Stahlkanülen und kann mittels Manipulatoren in allen drei Raumachsen bewegt werden.

Es können gleichzeitig zwei verschiedene Spritzen in das Applikationssystem gespannt werden, die zwei unterschiedliche Lösungen enthalten (Badlösung und LPS). Die Applikationsgeschwindigkeit kann für jede Lösung eingestellt werden und wird auf getrennten Displays angezeigt.

Der Applikator wird in das Zellkulturschälchen eingetaucht und unter mikroskopischer Sicht direkt gegenüber der Pipettenspitze mit der zu messenden Zellen in Position gebracht, so dass die Zelle bei Applikation komplett von der entsprechenden Lösung umspült wird. Um die richtige Position des Applikationssystems, und somit die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse, zu gewährleisten, wurde das System regelmäßig mit destilliertem Wasser geeicht. Hierbei konnte bei der richtigen Position der Zelle und des Applikationssystems sowie bei korrekt eingestellter Applikationsgeschwindigkeit durch den Mangel an extrazellulären Ionen der Stromfluss unterbunden und so eine korrekte Position des Applikationssystems sichergestellt werden.

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2.6 Die Pipettenherstellung

Da die Messpipetten sehr bruch- und lagerungsanfällig sind, wurden sie für jede Messung neu hergestellt. Dazu wurden Glaskapillaren aus Borosilikat (GC 150 TF-10, Aussendurchmesser 1,5mm, Innendurchmesser 1,17mm. Thin wall inner filament, Clark Electromedical Instruments, Reading, GB) verwendet.

In einem Pipettenziehgerät, dem so genannten Puller (L/M 3P-A, List-Medical, Darmstadt) wurden die Pipetten in zwei Schritten gezogen. Zunächst wurde die eingelegte Glaskapillare in der Mitte durch einen Heizdraht erhitzt und mit Hilfe eines Gewichts in die Länge gezogen. Auf diese Weise nahm die Kapillare eine sanduhrartige Form an. Im zweiten Schritt wurde sie nochmals am Heizdraht zentriert und an der präformierten Stelle erhitzt, bis der dünne Abschnitt riss und zwei Pipetten mit zylindrischem Schaft und konischer Spitze entstanden.

Der Öffnungsdurchmesser der Pipette hing von der Temperatur im zweiten Arbeitsgang ab und betrug etwa 1µm, wodurch der elektrische Widerstand auf etwa zwei bis vier MegaOhm festgelegt wurde.

Die auf diese Weise hergestellten Pipetten mussten noch hitzepoliert werden, um eventuelle Unebenheiten an der Spitze einzuschmelzen. Dieses geschah in einem separaten Arbeitsgang im Pipettenziehgerät.

2.7 Verwendete Lösungen

Für die Messungen wurden die im Folgenden in ihrer Zusammensetzung aufgeführten Lösungen verwendet:

Badlösung Pipettenlösung

Bestandteil Konzentration (mM) Bestandteil Konzentration (mM)

NaCl 140 CsCl2 130

MgCl2 1 MgCl2 2

KCL 4 EGTA 5

CaCl2 2

Dextrose 5

HEPES 5 HEPES 10

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Beide Lösungen wurden mit Cäsiumhydroxid (Cs-OH2) auf einen pH von 7,4,- und mit Mannitol auf eine Osmolalität von 290 mosmol eingestellt.

Die Badlösung imitierte das Extrazellulärmilieu. Vor jedem Versuch wurde mit der Badlösung das Kulturmedium aus den Petrischalen ausgespült und diese anschließend wieder mit der Lösung befüllt.

Das (LPS), extrahiert aus E. coli Serotyp O55:B5 und aufgereinigt durch Gelfiltration und Ionenaustauschchromatographie, wurde von der Firma Sigma Chemicals (Deisenhofen, Germany) bezogen. Es wurde eine Stocklösung von 5 mg/ml (entspricht 2,500 000 EU/ml) in Aqua dest. angesetzt. Diese wurde zur Herstellung der verschiedenen LPS- Konzentrationen benutzt, wobei die Badlösung als Grundlage diente.

Die Pipetten wurden mittels eines dünn ausgezogenen Polyethylen-Röhrchens mit der Pipettenlösung, die das Intrazellulärmilieu imitiert, befüllt.

2.8 Versuchsdurchführung

Alle Experimente wurden bei 20°C Raumtemperatur durchgeführt. Jedes Experiment, bei dem LPS direkt appliziert wurde, bestand aus 3 Phasen:

1) einer Kontrolle, bei der die Zelle ausschließlich mit Badlösung umspült wurde, 2) der Applikation einer bestimmten LPS-Konzentration (Test) und

3) einem anschließenden Auswasch mit Badlösung.

Jede Zelle wurde nur einer Konzentration von LPS ausgesetzt. Insgesamt wurden 3 bis 5 Experimente für jede Konzentration mit den entsprechenden Protokollen durchgeführt.

Um zu überprüfen, ob der Effekt auf die Zellen während der Messdauer einen „Steady- State“ erreicht, wurde an 4 Zellen 15 min lang eine Konzentration von 5µg/ml LPS kontinuierlich appliziert. Bei diesen vier Experimenten wurde auf einen Auswasch verzichtet.

Desweiteren wurden Zellen mit einer klinisch relevanten Konzentration von 300 pg/ml LPS inkubiert und die Messungen nach Inkubationszeiten von 1, 10 und 20 Stunden durchgeführt.

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2.9 Datenerfassung

Der EPC-9 Verstärker der Firma HEKA Elektronik Lamprecht wurde von einem Personal Computer gesteuert. Der gleiche Computer diente auch der Datenerfassung. Die Analyse der gesammelten Daten erfolgte mit der Software Pulse und Pulse Fit (HEKA).

Die Daten wurden mit 10kHz gefiltert und mit 20 µs pro Punkt digitalisiert.

Der Eingangswiederstand der Patchpipetten betrug 2.0-3.5 MΩ, die Kapazität der Zellen 9-15 pF; der verbleibende Serienwiederstand nach 50-prozentiger Kompensation belief sich entsprechend auf 1.2-2.5 MΩ. Experimente, bei denen es zu einem Anstieg des Serienwiderstandes während einer Messung kam, wurden verworfen. Um zeitabhängige Veränderungen zu vermindern, wurden alle Tests innerhalb von 15 min nach Erreichen der „Whole-cell“-Konfiguration durchgeführt. Unter diesen experimentellen Umständen betrugen zeitabhängige Hyperpolarisationsshifts bei der Inaktivierung weniger als 2 mV (21).

2.10 Pulsprotokolle

Medikamentöse Einflüsse auf den Spitzenstrom wurden bei hyperpolarisiertem Membranpotential (-150 mV) gemessen. Hierbei befinden sich die Kanäle in einem aktivierbaren Zustand und können durch Testpulse (auf 0 mV) geöffnet werden.

Die Effekte von LPS auf die schnelle bzw. die langsame Inaktivierung, wurden mit Hilfe von Doppelpuls-Protokollen untersucht.

Bei der schnellen Inaktivierung erfolgte ausgehend von -150 mV eine schrittweise Vor- Depolarisation auf Vorpuls-Potentiale bis -5 mV in 5 mV Schritten. Bei der langsamen Inaktivierung wurde ausgehend von -90 mV auf Vorpuls-Potentiale bis -10 mV in 20 mV Schritten depolarisiert. Nach Vordepolarisation folgte ein Testpuls auf 0 mV. Die Größe der Stromantwort während dieser Testdepolarisation gab unter Kontrollbedingungen Aufschluss über die membranpotentialabhängige Verteilung der Kanäle zwischen ruhend-aktivierbaren und inaktivierten Kanalzuständen und unter Testbedingungen über

(19)

die Bindung der Substanz an inaktivierte Kanalzustände relativ zum Ruhezustand. Die Anpassung einer Boltzmann-Funktion (Gleichung 1) an die Strom-Spannungskurven ergab das Membranpotential bei halbmaximaler Kanalverfügbarkeit V0,5 sowie den Steigungsfaktor k.

I = 1

1.) Imax 1+e(Vtest-V0.5 / k)

Stärkere Bindung einer Substanz zu inaktivierten Kanälen sowie die Stabilisierung oder Erleichterung des Übergangs in den inaktiven Zustand zeigte sich durch eine negative Verschiebung in der Spannungsabhängigkeit der Kanalverfügbarkeit (∆V0,5) (22,23).

Um zwischen den Einflüssen von LPS auf die schnelle und die langsame Inaktivierung zu unterscheiden, wurde eine 10ms andauernde Hyperpolarisation zwischen dem Vorpuls und dem Testpuls eingefügt, um eine Erholung von der schnellen Inaktivierung zu ermöglichen (24).

Ein Steady-State der langsamen Inaktivierung wurde durch 60 sec andauernde Vorpulse erreicht. Dabei wurde die Membran nach jeder Vorpuls/Testpuls Sequenz für länger als 120 sec repolarisiert, um die Erholung von der langsamen Inaktivierung zu ermöglichen (25).

Um zeitabhängige Veränderungen der Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung auszuschließen, wurden 9 Experimente durchgeführt, bei denen für 12-15 min nur Badlösung anstelle von LPS appliziert wurde.

Die Zeitkonstante der Inaktivierung wurde mittels Anpassung einer Exponentialfunktion (s. Gleichung 2) an den abfallenden Teil der Stromkurve während einer 40 msec dauernden Depolarisation von -100 mV bis auf 0 mV bestimmt.

Die Größe des Spitzenstromes nach Vordepolarisation in Abhängigkeit von der Repolarisationszeit reflektiert unter Kontrollbedingungen den Zeitverlauf der Erholung von der schnellen Inaktivierung („Recovery“), unter Testbedingungen die Kinetik der Verteilung der Substanz zwischen ruhenden und inaktivierten Kanalzuständen.

Anpassung einer exponentiellen Funktion (s. Gleichung 2) an die gegen die Repolarisationszeit aufgetragenen Spitzenströme

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(normalisiert auf den Spitzenstrom während des Präpulses) ergibt die Zeitkonstanten der Erholung von der Inaktivierung bzw. vom inaktiviert-blockierten Zustand.

Die Dauer der Erholung von der schnellen Inaktivierung wurde bei -100 mV mittels eines Zwei-Puls-Protokolls mit wechselnden Zeitintervallen zwischen einem 30 ms inaktivierenden Vorpuls und einem Testpuls auf jeweils 0 mV festgestellt. Der nach der Erholung von der Inaktivierung beim Testpuls gemessene Stromanteil wurde aufgetragen gegen das Zeitintervall zwischen dem inaktivierenden Vorpuls und dem Testpuls. Mittels folgender Gleichung wurde daraus die Zeitkonstante der Erholung von der schnellen Inaktivierung τrec ermittelt.

2.) I(t) = a0 + a1 • ex (-t/τ)

2.11 Statistik

Alle Daten sind als Mittelwert ± Standardabweichung aus mindestens drei verschiedenen Experimenten pro Konzentration angegeben. Die Ergebnisse sind graphisch in Konzentrations-Wirkungskurven dargestellt. Der Effekt nach der Inkubation mit 300 pg/ml LPS für 1, 10 und 20 Stunden, bezogen auf die Mittelwerte der Spannungsabhängigkeit der schnellen und langsamen Inaktivierung sowie die Höhe der Stromamplitude, wurde zum Vergleich gegen alle Kontrollexperimente mit den entsprechenden Protokollen gemessen, wobei ein zweiseitiger T-Test für nicht zusammenhängende Daten verwendet wurde. Die Nullhypothese wurde verworfen bei p < 0.05.

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3. Ergebnisse

In diese Studie wurden gesammelte Daten von insgesamt 185 Zellen einbezogen.

3.1 Effekte von LPS auf Kanäle im Ruhezustand

Die Spitzenstromamplituden unter Kontrollbedingungen bei 40 ms dauernden Depolarisationen von -100 mV bis auf 0 mV lagen in allen Experimenten zwischen 3,5 ± 1,3 nA. Eine reversible Verminderung der Spitzenstromamplitude bei einem Haltepotential von -100 mV wurde nur bei hohen Konzentrationen von LPS (50, 16 und 5 µg/ml) beobachtet; von 3,2 ± 1,6 nA in der Kontrollmessung bis 1,9 ± 1,5 nA bei einer Konzentration von 5µg/ml LPS und schließlich Rückkehr zu 2,9 ± 1,8 nA während des Auswasches.

Die Zeitkonstanten der schnellen Inaktivierung während der Depolarisation bis auf 0 mV betrugen 490 ± 98 ms. Nur bei hohen LPS-Konzentrationen (50 und 16 µg/ml) konnte eine reversible Beschleunigung des Stromabfalls gezeigt werden ( 445 ± 132 ms in der Kontrollphase, 395 ± 110 bei einer Konzentration von 16 µg/ml LPS und schließlich 419

± 101 während des Auswasches ). Diese feinen Veränderungen weisen auf eine geringe Blockade von offenen Kanälen bei hohen Konzentrationen von LPS. Niedrigere LPS Konzentrationen beeinflussten weder die Spitzenstromamplitude, noch die Form der Stromkurve oder den Zeitverlauf der Kanalinaktivierung, wenn die Depolarisation bei einem hyperpolarisierten Haltepotential von -100 mV gestartet wurde: LPS beeinflusst somit nicht die Aktivierungs- und Inaktivierungskinetik des Natriumkanals.

(22)

3.2 Effekte von LPS auf die Spannungsabhängigkeit der schnellen Inaktivierung

Effekte von LPS auf die Verfügbarkeit der Natriumkanäle unter Membrandepolarisation wurden unter Anwendung eines Doppel-Puls-Protokolls ermittelt. Es wurden Vorpulspotentiale von -150 mV bis -5 mV vorgeschaltet, folgend von Testpulsen auf 0 mV. Der beim Testpuls noch vorhandene Strom wurde gegen das jeweilige Vorpulspotential aufgetragen (s. Abb. 1).

Die gesammelten Kontrolldaten zeigten, dass bei -67,5 ± 5,5 mV die Hälfte der Kanäle aufgrund der schnellen Inaktivierung nicht verfügbar waren. Die Steigung der Verfügbarkeitskurve lag bei 7,4 ± 1,0 mV.

Bei Applikation von LPS-Konzentrationen von 50 ng/ml und höher, wurde eine Abnahme der Kanalverfügbarkeit unter Membrandepolarisation festgestellt. Dies drückte sich in einem hyperpolarisierenden Shift der Verfügbarkeitkurve bei LPS-Messungen im Vergleich zu den Kontrollmessungen aus. Dieser Shift erreichte einen Höchstwert bei 5 µg/ml, wo er sich von -23 mV bis auf -91,5 ± 9,6 mV veränderte. Diese durch LPS ausgelösten Spannungsveränderungen waren teilweise reversibel und näherten sich im Auswasch den Kontrollausgangswerten an.

Somit konnte gezeigt werden, dass LPS während der schnellen Inaktivierung zu einer starken Verminderung der Verfügbarkeit von Natriumkanälen bei depolarisiertem Membranpotential führt.

Der Spannungsshift bei einer Konzentration von 5µg/ml erreichte einen Steady-State nach sechsminütiger Applikation und veränderte sich im weiteren Verlauf nicht (7-15 min Applikation, n=4).

Die Messungen nach Inkubation mit 300pg/ml LPS nach 1, 10 und 20 h zeigten keinen signifikanten Effekt auf die schnelle Inaktivierung (siehe hierzu Abbildung 5).

(23)

Abbildung1: Verminderung der Kanalverfügbarkeit bei schneller Inaktivierung durch Membrandepolarisation unter LPS

Repräsentative Stromspuren, die die Verminderung der Kanlverfügbarkeit bei -70 mV Haltepotential (untere Spuren) verglichen mit -100 mV (obere Spuren) zeigen. Die Messung fand mit einer LPS- Konzentration von 5 µg/ml statt und bezieht sich auf jeweils eine Kontroll- und Auswaschmessung während kurzer (4 ms) Testpulse auf 0 mV.

Kontrolle Auswasch Test

Kontrolle LPS 5 ug/ml Auswasch

-100 mV

-70 mV

100 ms

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-150 -100 -50 0

Vorpulspotential [mV]

Itest/ I

test –150

LPS 5 ug/ml

Kontrolle V0.5 –68.1 ± 3.8 mV

k 7.4 ± 1.0 LPS

V0.5 –91.5 ± 9.6 mV k 9.0 ± 1.2

-5 mV 0 mV

-150 mV

4ms

Vorp uls Te st- pu ls

(24)

Steady-State der Verfügbarkeitskurven gemessen mit einem Doppelpuls-Protokoll als LPS-freie Kontrolle (Kreise) und Auswasch (Dreiecke) sowie mit LPS Konzentrationen von 5 µg/ml, 500 ng/ml und 50 ng/ml (Vierecke). Jedes Symbol kennzeichnet den durchschnittlichen Strom, der aus fünf verschiedenen Experimenten ermittelt wurde. Diese Ströme wurden durch jeweils 4 ms andauernde Testpulse von -150 mV bis 0 mV, denen 100 ms lange inaktivierende Vorpulse vorgeschaltet waren, ermittelt. Die Ströme wurden auf den höchsten Spitzenstrom (bei -150 mV) normalisiert. Die Linien repräsentieren den besten Boltzmann -Fit (siehe hierzu auch Gleichung 1 bei Material und Methoden). Die Verminderung der Kanlverfügbarkeit durch LPS bei depolarisiertem Membranpotential zeigte sich durch eine Verschiebung der Mittelwerte der Spannungsabhängigkeit der Kanalverfügbarkeit (∆V0,5) in Richtung zu negativeren Vorpulspotentialen, in den Abbildungen dargestellt durch horizontale Pfeile.

Kontrolle Auswasch Test

Kontrolle Auswasch Test

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-150 -100 -50 0

"

LPS 500 ng/ml

Itest/ I

test –150

Vorpulspotential [mV]

Kontrolle V0.5 –69.5 ± 2.8 mV

k 7.6 ± 1.2 LPS

V0.5 -80.8 ± 7.7 mV k 8.3 ± 0.3

LPS 50 ng/ml

Vorpulspotential [mV]

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-150 -100 -50 0

"

Kontrolle V0.5 –64.2 ± 3.9 mV

k 7.7 ± 0.7 LPS

V0.5 –72.3 ± 1.2 mV k 8.4 ± 0.4 Itest/ I

test –150

(25)

3.3 Effekte von LPS auf den Zeitverlauf der Erholung von der schnellen Inaktivierung

Der Zeitverlauf der Erholung von der schnellen Inaktivierung wurde bei einem Haltepotential von -100 mV durch ein Zwei-Puls-Protokoll mit wechselnden Zeitintervallen zwischen inaktivierenden Vorpulsen und Testpulsen (auf 0 mV) untersucht. Unter Kontrollbedingungen betrug die Zeitkonstante der Erholung von der schnellen Inaktivierung (Recovery, τrec) 2,5 ± 0,5 ms bei -100 mV. Das LPS verlängerte reversibel die Zeitkonstante der Erholung von der schnellen Inaktivierung. Diese nahm bis 10,5 ± 4,0 ms unter 5 µg/ml LPS und bis 3,6 ± 0,7 ms unter 1,6 µg/ml LPS zu.

Abbildung 2: Verlängerung des Zeitverlaufs der Erholung von der schnellen Inaktivierung durch LPS

Repräsentative Stromspuren, die die Verlängerung der Erholung von der schnellen Inaktivierung unter dem Einfluss einer LPS-Konzentration von 5 µg/ml zeigen (Kontrolle = obere Spuren, LPS = mittlere Spuren, Auswasch = untere Spuren).

36 ms

25

ms 1

ms 0.5 - 100

ms 0 mV 0

mV

-150 mV

-100 mV 20 ms

Vorpuls Testpuls

Erholungs- intervall Kontrolle

LPS 5 ug/ml

Auswasch

LPS 5 ug/ml

(26)

ITestpuls/IVorpuls

ITestpuls/IVorpuls

Erholung von der Natriumkanalinaktivierung, gemessen mit einem Doppelpuls-Protokoll bei einem Membranpotential von -100 mV als LPS-freie Kontrolle (Kreise) und Auswasch (Vierecke) sowie mit LPS Konzentrationen von 5 µg/ml und 1,6 µg/ml (Dreiecke). Das Diagramm zeigt den durchschnittlichen Strom nach Erholung, der aus fünf verschiedenen Experimenten in jeder LPS-Konzentration ermittelt wurde, als Ordinate, der logarithmisch gegen das Zeitintervall zwischen dem inaktivierenden Vorpuls und dem Testpuls auf der Abszisse aufgetragen wurde. Die Fehlerbalken bezeichnen die Standardabweichung. Die Linien repräsentieren exponentielle Angleiche bezüglich der generierten Daten der Zeitkonstante der Erholung von der schnellen Inaktivierung (τrec) bei der Kontrolle, LPS-Applikation und beim Auswasch (siehe hierzu auch Gleichung 2 bei Material und Methoden).

Erholungsintervall [ms]

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

0 1 10 100

"

LPS 5 ug/ml

LPS

τrec 10.5 ± 4.0 ms Kontrolle

τrec 2.7 ± 0.6 ms

Erholungsintervall [ms]

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

0 1 10 100

"

LPS 1.6 ug/ml

Kontrolle τrec 2.3 ± 0.3 ms

LPS τrec 3.6 ± 0.7 ms

(27)

3.4 Effekte von LPS auf die Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung

Verlängerte Depolarisation induziert einen Zustand der langsamen Inaktivierung, der sich kinetisch vom Zustand der schnellen Inaktivierung unterscheidet. Um diesen zu erreichen, wurde das Membranpotential schrittweise von -90 mV in 20 mV-Schritten für jeweils 60 s bis -10 mV erhöht um ein Steady-State der langsamen Inaktivierung zu erreichen. Das Membranpotential wurde daraufhin für 10 ms auf -100 mV repolarisiert, damit eine Erholung von der schnellen Inaktivierung stattfinden konnte. Die Verfügbarkeit der Natriumkanäle wurde durch einen darauf folgenden 4 ms Testpuls auf 0 mV festgestellt. Die Mittelwerte der Steady-State Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung lagen unter Kontrollbedingungen bei -45,9 ± 8,5 mV, die Steigung der Verfügbarkeitskurve (k) betrug 14,3 ± 4,9 mV. Die langsame Inaktivierung wurde bei -10 mV nicht 100%ig erreicht. Dies stimmt mit Daten, die in anderen Untersuchungen herausgefunden wurden, überein (26). Während der Applikation von LPS wurde eine stetige Abnahme der Kanalverfügbarkeit mit zunehmender Depolarisation der Membran festgestellt, welche sich durch einen „Links-Shift“ (in Richtung hyperpolarisierter Potentiale) der Verfügbarkeitskurven bei LPS-Messungen, verglichen mit der Kontrolle und dem Auswasch, zeigten. Dieser Shift erreichte seinen Höchstwert von 25,4 ± 11,7 mV bei einer Konzentration von 50 µg/ml LPS. Dieser Effekt war während des Auswasches teilweise reversibel.

(28)

Abbildung 3: Spannungsabhängige Verminderung der Kanalverfügbarkeit durch LPS beim Steady-State der langsamen Inaktivierung

Repräsentative Stromspuren, die die Verminderung der Kanalverfügbarkeit bei einer LPS-Konzentration von 500 ng/ml bei depolarisierten Vorpotentialen darstellen (Kontrolle = erste Spurenreihe, LPS = zweite Spurenreihe, Auswasch = dritte Spurenreihe). Die Potentiale, die linksseitig von jeder Stromspur dargestellt sind, bezeichnen das jeweilige Potential des 60 s Vorpulses. Dieser bewirkt eine Steady-State langsame Inaktivierung bei einem bestimmten Vorpulspotential. Jeder Vorpuls war gefolgt von einer kurzen Hyperpolarisation vor dem jeweiligen Testpuls, um eine Erholung von der schnellen Inaktivierung zu ermöglichen.

LPS 500 ng/ml

Auswasch Kontrolle

-90 mV

-70 mV

-50 mV

-30 mV

-10 mV

> 120 s 60 s

0 mV -70 mV -30 mV

-150 mV

-50 mV -10 mV

-90 mV

(29)

Steady-State Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung, gemessen durch Testpulse auf 0 mV, denen 60 s Vorpulse auf Potentiale zwischen -90 und -10 mV (in 20 mV-Schritten) vorangingen. LPS reduzierte in den Konzentrationen 500 ng/ml und 50 ng/ml den verfügbaren Natriumstrom (Vierecke) spannungsabhängig. Diese durch LPS ausgelöste spannungsabhängige Verminderung der Kanalverfügbarkeit zeigte sich in einem Shift der Spannungsabhängigkeit des Steady-State langsamen Inaktivierung in Richtung negativer Vorpulspotentiale.

Kontrolle Test Kontrolle

Test

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-90 -70 -50 -30 -10

I/Imax

Kontrolle V0.5 –46.7 ± 2.5 mV

k 13.7 ± 2.4

Vorpulspotential [mV]

LPS 500 ng/ml

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-90 -70 -50 -30 -10

Vorpulspotential [mV]

I/Imax

Kontrolle V0.5 –55.4 ± 7.5 mV

k 13.4 ± 4.6

LPS 50 ng/ml

LPS

V0.5 –67.7 ± 9.9 mV k 8.7 ± 1.6

LPS

V0.5 –71.1 ± 4.0 mV k 8.5 ± 3.5

(30)

Die Applikation von Badlösung anstelle von LPS zeigte keinen Effekt auf die Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung und verlagerte die Spannungsabhängigkeitskurve der schnellen Inaktivierung mit -1,9 ± 0,9 mV in Richtung des hyperpolarisierten Haltepotentials, wie bereits beschrieben (21).

Die Kontrollwerte der Wendepunkte V0,5 für die Spannungsabhängigkeit der schnellen und langsamen Inaktivierung betrugen -60,3 ± 6,8 mV (schnelle Inaktivierung)und

-42,2 ± 8,3 mV (langsame Inaktivierung). Nach 12minütiger Badapplikation beliefen sich die Werte auf jeweils -62,0 ± 6,9 mV (n=7) und -40,5 ± 5,4 mV (n=5).

3.5 Mehrstündige Inkubation mit 300 pg/ml LPS

Nach Inkubation mit 300 pg/ml LPS für eine Stunde zeigte sich ein signifikanter Effekt auf die Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung: der Wendepunkt verschob sich von V0,5 -45,9 ± 8,5 mV in der Kontrolle auf V0,5 -60,6 ± 13,3 mV nach Inkubation (p=0,0027, n=10).

Nach zehn und 20-stündiger Inkubation war der Effekt von LPS auf die Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung nicht länger nachweisbar.

Nach 20-stündiger Inkubation fiel die Spitzenstromamplitude spannungsunabhängig signifikant von 3,4 ± 1,3 nA in der Kontrolle auf 1,3 ± 0,7 nA (p=0,002).

(31)

Abbildung 4: Zeitverlauf des LPS Effekts bei langsamer Inaktivierung während ein - und zwanzigstündiger Inkubation mit einer klinisch relevanten Konzentration von 300 pg/ml

Repräsentative Stromspuren aus drei unabhängigen Experimenten zeigen die spannungsabhängige Verminderung der Kanalverfügbarkeit der langsamen Inaktivierung nach einstündiger Inkubation mit einer LPS-Konzentration von 300 pg/ml (zweite Spurenreihe) bei depolarisierten Vorpotentialen, verglichen mit einer Kontrolle (erste Spurenreihe). Nach 20-stündiger Inkubation mit 300 pg/ml LPS war die spannungsabhängige Verminderung der Kanalverfügbarkeit nicht mehr nachweisbar. Die Spitzenstromamplituden waren hingegen bei allen Präpulspotentialen vermindert.

Steady-State Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung in allen Kontrollexperimenten

(Kreise) und in Zellen, die für jeweils ein- oder zwanzig Stunden mit LPS in einer Konzentration von 300 pg/ml inkubiert wurden (Rechtecke). Die spannungsabhängige Verfügbarkeit war nach einstündiger Inkubation mit LPS signifikant vermindert in Bezug zu allen Kontrollexperimenten (linkes Diagramm).

-10 mV 60 s

0 mV -90 mV

-70 mV

-50 mV

-30 mV

> 120 s

Kontroll e

LPS 1h

Vorpulspotential [mV]

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-90 -70 -50 -30 -10

I/Imax

1 h

*

p=0.0027

Kontrolle

Inkubation mit 300 pg/ml LPS

LPS 20 h

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-90 -70 -50 -30 -10

20 h

Vorpulspotential [mV]

I/Imax

Vorpulspotential [mV]

(32)

Zum Vergleich, beliefen sich die Wendepunkte (Spannung bei halbmaximaler Kanalverfügbarkeit) der Steady-State langsamen Inaktivierung auf V0,5 -45,9 ± 8,5 mV in den Kontrollen und auf V0,5 -60,6 ± 13,3 mV nach einstündiger Inkubation mit 300 pg/ml LPS (p = 0,0027). Nach zwanzigstündiger Inkubation trat keine spannungsabhängige Verminderung der Kanalverfügbarkeit in denLPS-Messungen auf. Jedoch fiel die Spitzenstromamplitude nach 20-stündiger Inkubation signifikant von 3,4 ± 1,3 nA in der Kontrolle auf 1,3 ± 0,7 nA 20 Stunden nach Applikation von LPS (p = 0,002).

Abbildung 5: Effekt der Inkubation mit 300 pg/ml LPS auf die schnelle Inaktivierung

Effekt der Inkubation mit 300 pg/ml LPS auf die schnelle Inaktivierung. Weder die einstündige noch die 20-stündige Inkubation mit 300 pg/ml LPS zeigten einen Effekt auf die Spannungsabhängigkeit der schnellen Inaktivierung.

3.6 Zusammenfassung der Ergebnisse

 Bei akuter Exposition bewirkt LPS bezüglich der schnellen und der langsamen Inaktivie- rung eine Reduktion der Kanalverfügbarkeit bei depolarisierten Haltepotentialen bei Konzentrationen über 50 ng/ml. Im Falle der schnellen Inaktivierung ist diese reversibel, bei der langsamen Inaktivierung partiell reversibel.

 Nach einstündiger Inkubation mit einer klinisch relevanten Konzentration von 300 pg/ml LPS zeigt sich eine Reproduzierbarkeit dieses Effektes auf die langsame, aber nicht auf die schnelle Inaktivierung.

 Nach zwanzigstündiger Inkubation mit 300 pg/ml LPS findet sich eine generelle membranpotentialunabhängige Reduktion der Kanalverfügbarkeit.

0 mV -5mV

-150mV 100 ms 4ms

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-150 -100 -50 0

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2

-150 -100 -50 0

Vorpulspotential [mV]

1 h 20 h

I/Imax I/Imax

(33)

4.Diskussion

Im (CIM-) Tiermodell konnte gezeigt werden, dass die verminderte Verfügbarkeit von Skelettmuskelnatriumkanälen aufgrund von Verschiebungen in der Spannungsabhängigkeitskurve der Natriumkanalinaktivierung zu negativeren Membranpotentialen eine entscheidende Rolle für den Verlust der Muskelerregbarkeit in der initialen Phase der Muskelschwäche spielt (8,9). Elektrophysiologische Veränderungen im Rattenmodell der experimentellen Sepsis traten bereits 24 Stunden nach Induktion der Sepsis auf (27). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie weisen in dieselbe Richtung und zeigen, dass diese Veränderungen der Natriumkanäle direkt durch das LPS bewirkt bzw. verstärkt werden können.

Konsequenzen des Effekts von LPS auf die spannungsabhängige Steuerung der Natriumkanäle für die Membranerregbarkeit: Als Zellantwort auf die Depolarisation, gehen Natriumkanäle in einen inaktivierten Zustand über, von dem aus sie sich nicht sofort wieder öffnen können. Kurze Depolarisationen von der Dauer von wenigen ms induzieren eine schnelle Inaktivierung, welche dazu beiträgt, das Aktionspotential zu beenden. Hingegen ist die langsame Inaktivierung von hoher Bedeutung zur Suppression von ektoper Aktivität als Antwort auf langsame, lang anhaltende Depolarisation des Membranpotentials, wie sie etwa beim hypoxischen/ischämischen Schaden mit metabolischer Unterdrückung der Na/K-ATPase auftritt. Bereits geringe Änderungen der spannungsabhängigen Steuerung können schwerwiegende Folgen für die Gewebserregbarkeit in-vivo haben. Wichtige Beispiele hierfür sind die Natriumkanal- Myopathien (30,31). Das Ruhemembranpotential der meisten erregbaren Zellen fällt innerhalb des Bereichs der steilsten Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung (26). Somit können auch geringste Änderungen des Haltepotentials den Grad der langsamen Inaktivierung und damit auch die Sensitivität für das LPS, erheblich erhöhen.

Potentielle Konsequenzen der in-vitro LPS-Effekte für die Membranerregbarkeit in-vivo im klinischen Kontext des septischen Schocks und des SIRS: Während des septischen Schocks kann ein bioenergetisches Versagen mit ATP-Erschöpfung dazu beitragen,

(34)

dass kein normales hyperpolarisiertes Ruhepotential von erregbaren Membranen aufrecht erhalten werden kann (32).

Auch eine Denervation verursacht eine Depolarisation des Ruhepotentials um etwa 20 mV (33, 34). Somit kann die veränderte Spannungsabhängigkeit der Inaktivierung und verlängerte Erholung von der schnellen Inaktivierung unter LPS-Wirkung bei Membrandepolarisation während der Sepsis und des SIRS einen signifikanten Beitrag zur Unerregbarkeit der Muskelmembranen leisten. Dennoch muss weiter geklärt werden, ob die Unerregbarkeit der Muskelmembranen, wie sie in der initialen Phase der Sepsis vorkommt, der entscheidende Faktor für die gesteigerte Sensitivität der Muskelfasern für potentiell irreversible Veränderungen wie den Proteinkatabolismus (10) ist.

Die Verminderung der Verfügbarkeit der Natriumkanäle durch pharmakologische Konzentrationen von LPS war in der vorliegenden Studie teilweise reversibel. Die Tatsache, dass es nicht möglich war eine komplette Reversibilität zu erreichen, könnte zur Annahme führen, dass die Beseitigung des kombinierten Effekts der Depolarisation und des LPS auf die Kanalverfügbarkeit längere Phasen für die Membranrepolarisation unter Abwesenheit von LPS benötigt hätte. Dennoch bedeutet die Reversibilität des LPS-Effekts nicht zwangsläufig eine direkte Interaktion des LPS mit dem Natriumkanalprotein.

Der Effekt der Inkubation für eine Stunde mit einer niedrigen Konzentration von LPS (300 pg/ml) lässt vermuten, dass die Aktivierung von second-messenger-Systemen eine Rolle bei der Wirkung von LPS bei der langsamen, jedoch nicht bei der schnellen Inaktivierung spielen könnte.

Nach zwanzigstündiger Inkubation wurde die generelle Stromdichte signifikant vermindert. Diese Beobachtung könnte anzeigen, dass Natriumkanäle bei einer Langzeitexposition mit LPS herunterreguliert werden.

Die verminderte Verfügbarkeit der Natriumkanäle war in Skelettmuskelzellen von Ratten nach zehntägiger chronischer Sepsis bei in-vitro Untersuchungen an präparierten Muskelfasern immer noch vorhanden (9). Dieses deutet daraufhin, dass die elektrophysiologischen Veränderungen während einer chronischen Sepsis nicht zu jeder Zeit vollständig reversibel sind. Die Reversibilität des Effektes von LPS auf die langsame Inaktivierung erfordert eine Repolarisation der Membranen.

(35)

Die Zeit, die für die Erholung vom unerregbaren Zustand benötigt wird, korreliert mit der Zeitdauer des inaktivierten Zustandes (26).

Während die Hyperpolarisation der Membranen unter experimentellen Bedingungen leicht erreicht wurde, muss dies für die experimentelle Sepsis in-vivo, bei der Membranen für eine längere Zeitdauer depolarisiert sind, nicht zwangsläufig der Fall sein. Langzeiteffekte der durch LPS induzierten Verminderung der Natriumkanalverfügbarkeit liegen außerhalb des Bereichs unseres Modells. Jedoch ist es denkbar, dass dieser denervations-ähnliche Kanalzustand Veränderungen im Expressionsweg des Natriumkanals induziert, welches teilweise für die verzögerte Verminderung der Natriumkanalverfügbarkeit in in-vivo Modellen der CIM gilt (9,35).

In einem CIM Tiermodell wurde die Verschiebung der Spannungsabhängigkeitskurve der Natriumkanalinaktivierung durch Heraufregulierung der kardialen Kanalisoform NaV1,5 erklärt, wobei in einem anderen Tiermodell, bei dem Muskelfasern denerviert und mit Kortikoiden behandelt wurden, eine solche Heraufregulierung nicht festgestellt werden konnte. Vielmehr fand sich die beobachtete Verschiebung bei beiden Kanalisoformen NaV1,4 und NaV1,5 (35).

Die Verabreichung von Kortikoiden oder die funktionelle Denervation durch Muskelrelaxantien verursachen ebenfalls die typischen elektrophysiologischen Veränderungen, die zu einer verminderten Verfügbarkeit von spannungsabhängigen Natriumkanälen führen (36).

Andere Zytokine, die während einer systemischen inflammatorischen Reaktion freigesetzt werden, könnten mit dem LPS zusammenwirken, um die Erregbarkeit der Muskelmembranen herabzusetzen. An Muskelzellen appliziertes Interleukin 2 bewirkte eine Verschiebung der Spannungsabhängigkeit der schnellen Inaktivierung in Richtung hyperpolarisierter Haltepotentiale. Dieser Effekt konnte mit dem IL2-Antikörper neutralisiert werden (37).

Es liegen experimentelle und klinische Daten vor, welche die Hypothese der Sepsis- induzierten Beeinflussung der spannungsgesteuerten Natriumkanäle auch in anderen Geweben unterstützen. Biopsien des N. suralis von septischen Patienten zeigten verminderte sensorische Nervenamplituden (39). Eine Beteiligung von Herzmuskelgewebe wurde infolge reversibler Reduktionen von EKG-Amplituden bei Patienten während Perioden von schwerer Sepsis aufgezeigt (40).

(36)

All diese Erkenntnisse unterstützen die Annahme eines universellen Mechanismus, der zur veränderten Natriumkanalfunktion während der CIM führt:

Dabei spielen sowohl Entzündungsmediatoren der Sepsis sowie unabhängige Risikofaktoren wie Immobilisation, Denervierung, Kortikoide und metabolisches Ungleichgewicht (38) eine Rolle. Folglich könnte die CIM einen multifaktoriellen Typ einer Natriumkanalerkrankung repräsentieren, bei welcher der initiale Defekt, der der verminderten Erregbarkeit der Muskelmembranen zugrunde liegt, eine Beeinträchtigung in der Regulierung von spannungsabhängigen Natriumkanälen darstellt (8).

Beteiligung von anderen humoralen Faktoren, welche die systemische inflammatorische Reaktion in der Pathogenese der CIM vermitteln: Es wurde bereits in früheren Untersuchungen gezeigt dass inflammatorische Mediatoren, insbesondere TNF-α die Muskalkontraktilität durch Herabsetzen des Ansprechens der Muskelmyofilamente auf Calciumaktivierung beeinträchtigen (41).

Serumfraktionen von an CIM erkrankten Patienten wirken sich im in-vitro Modell direkt auf die Erregbarkeit von Muskelfasern aus (42), dennoch erklären die Veränderungen in den Muskelfasern nach Applikation von CIM-Serum (in Bezug auf Kontrollserummessungen von gesunden Probanden) nicht die elektrophysiologischen Veränderungen, die in Tiermodellen der CIM beobachtet wurden (9, 36). Serum von CIM Patienten depolarisierte die Muskelmembran in-vitro, dennoch kam es zu einer Verschiebung der Spannungsabhängigkeitskurve der Inaktivierung von Natriumkanälen in Richtung zu positiveren Membranpotentialen beim CIM-Serum im Vergleich zu Kontrollserum, welches zu einer erhöhten Verfügbarkeit von Natriumkanälen bei depolarisiertem Membranpotential führte (42). Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz ist der späte Zeitpunkt der Untersuchung. Membraneffekte der Serumfraktionen von septischen Patienten sollten in einem früheren Stadium untersucht werden, da sich die Patienten bei der Diagnosestellung der CIM vom akuten Stadium bereits erholt haben könnten, so dass die entscheidende Schädigung der Muskelfasern bereits stattgefunden haben kann. Darüber hinaus könnte der Einfluss des CIM-Serums in diesem Stadium auch die Hochregulierung von möglichen protektiven Mechanismen wie der Häm-Oxygenase (15) oder Harnsäure-Oxygenase (14) widerspiegeln, welche in Tierexperimenten den Schweregrad der durch LPS ausgelösten kontraktilen Dysfunktion verringern.

(37)

Potentielle Mechanismen, die an der Wirkung von LPS auf Natriumkanäle beteiligt sind:

Der genaue molekulare Mechanismus, welcher an der Wirkung von LPS auf spannungsabhängige Natriumkanäle beteiligt ist, muss noch untersucht werden. Die Resultate, die hier mit LPS erzielt wurden, zeigen Parallelen zum Effekt der G-Protein gekoppelten Aktivierung von neuronalen Natriumkanälen (43) sowie mit dem Effekt des ciliaren neurotrophischen Faktors auf Skelettmuskelnatriumkanäle bei Ratten (44).

Sowohl die G-Protein gekoppelte Aktivierung durch Serotonin oder Dopamin im ZNS, als

auch die Applikation von ciliarem neurotrophischem Faktor zeigen eine Wirkung auf Natriumkanäle als Reaktion auf Depolarisation, welche sich, vergleichbar mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie, durch eine Verschiebung der Spannungsabhängigkeitskurve der schnellen und langsamen Inaktivierung in Richtung hyperpolarisierter Potentiale, ausdrückt. Sowohl der G-Protein gekoppelte Rezeptor als auch der ciliare neurotrophische Faktor funktionieren über eine Aktivierung der Proteinkinase-C vermittelten Phosphorylierung der α-Untereinheit des Kanals.

Eine mehrstündige Inkubation (über 15 Stunden) mit einem Proteinkinase-C-Aktivator führte zu einer Herunterregulierung der Natriumkanäle (45) - dieser Effekt entspricht ebenfalls dem Verlust an verfügbaren Natriumkanälen nach zwanzigstündiger Inkubation in vorliegender Studie. Folglich ist es denkbar, dass LPS ebenfalls über den Proteinkinase C vermittelten Signalweg wirkt. Eine durch LPS induzierte Hochregulation der Proteinkinase-C in experimenteller Sepsis wurde kürzlich im Zusammenhang mit der Sepsis-induzierten myokardialen Depression der Membranerregbarkeit beschrieben (46).

Grenzen des experimentellen Aufbaus: Bei den vorliegenden Untersuchungen wurden hohe Konzentrationen von LPS eingesetzt, um Konzentrations-Wirkungs-Kurven erstellen zu können. Eine LPS - Schwellenkonzentration von 50 ng/ml war notwendig, um nachweisbare und reversible Effekte auf die spannungsabhängige Steuerung der Natriumkanäle zu produzieren. LPS Konzentrationen im Bereich von ng/ml werden gewöhnlich für Standard in-vitro LPS assays eingesetzt (Zacharowski, 2006 #687;

product Information from sigma-aldrich.com). Dennoch sind LPS-Serumkonzentrationen von septischen Patienten in der Regel viel niedriger (300 pg/ml, (19)). Die Inkubation mit

(38)

dieser klinisch relevanten LPS - Konzentration zeigte in der vorliegenden Studie einen Effekt auf die Spannungsabhängigkeit der langsamen Inaktivierung (einstündige Inkubation) sowie eine membranpotentialunabhängige

Reduktion der Kanalverfügbarkeit nach zwanzigstündiger Inkubation. In Mäusen, die hohe intraperitoneale Endotoxin-Dosen (40 mg/kg) überlebten, wurden Serumspiegel von 10,000-30,000 EU/ml gemessen, welches den höchsten Konzentrationen entspricht, die in den vorliegenden in-vitro Experimenten verwendet wurden.

Da es weiterhin sehr schwierig bleibt, die komplexe klinische Situation der Sepsis nachzustellen, besteht immer noch Bedarf an Tiermodellen für die systemische Inflammation.

Bei der Erwägung von LPS Modellen der Sepsis sollte dabei der direkte Effekt von Endotoxin auf spannungsabhängige Natriumkanäle, der aus vorliegender Studie hervorgeht, mitberücksichtigt werden.

5.Schlussfolgerung

Depolarisation des Ruhemembranpotentials einhergehend mit einer Verschiebung der Spannungsabhängigkeit der Natriumkanalinaktivierung in Richtung negativer Membranpotentiale, scheint das Hauptmerkmal der herabgesetzten Erregbarkeit der Muskelmembran bei der CIM zu sein.

Bei dieser Untersuchung konnten Effekte von LPS auf die Verfügbarkeit von spannungsabhängigen Natriumkanälen als eine mögliche Erklärung hierfür aufgezeigt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse wäre es erstrebenswert, über neue Anti- Endotoxin Therapien in der Präventionsphase der CIM nachzudenken, zusätzlich zu altbewährten Methoden wie der Frühdiagnostik der CIM, der Vermeidung von Kortikoiden und Muskelrelaxantien sowie der intensivierten Insulintherapie (48).

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