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Effekte der neuromuskulären Elektrostimulation auf den oberen Ösophagussphinkter

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Academic year: 2022

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(Prof. Dr. Dr. M. Ptok)

der Medizinischen Hochschule Hannover

Effekte der neuromuskulären Elektrostimulation auf den oberen Ösophagussphinkter

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Alexander Janhsen

aus Nettetal Hannover 2012

(2)

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 05.12.2012

Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. med. Dieter Bitter-Suermann Betreuer: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Martin Ptok Referent: Prof. Dr. med. Anke Lesinski-Schiedat Koreferent: Prof. Dr. med. Hans-Heinrich Wedemeyer

Tag der mündlichen Prüfung: 05.12.2012

Promotionsausschussmitglieder:

Prof. Dr. med. Hermann Müller-Vahl Prof. Dr. med. Marc Ziegenbein Prof. Dr. med. Frank Schuppert

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ...1!

1.1 Schlucken als komplexer Vorgang ...2!

1.2 Der obere Ösophagussphinkter...4!

1.3 Dysphagie ...6!

1.4 Wissenschaftliches Defizit ...10!

1.5 Hypothesen und Zielsetzungen...11!

2 Material und Methoden...12!

2.1 Hochauflösungsmanometrie HRM ...12!

2.1.1 Funktionsweise des Systems...12!

2.1.2 Messsonde...12!

2.1.3 Softwareadaptation und -funktionen ...13!

2.1.4 Kalibrierung der Sonde...14!

2.1.5 Steuerung mittels PC ...15!

2.2 Reizstromtriggerung...16!

2.2.1 Elektrostimulation mit dem VocaSTIM-Gerät ...16!

2.2.2 Reizstromart...17!

2.2.3 Applikationsmodus...18!

2.3 Probanden ...19!

2.3.1 In- und Exklusionskriterien...19!

2.3.2 Berechnung der Stichprobengröße...19!

2.3.3 Aufklärung ...20!

2.3.4 Vergütung ...20!

2.4 Versuchsaufbau...20!

2.4.1 Platzierung der Sonde...20!

2.4.2 Schluckversuche...22!

2.5 Datenerhebung ...23!

2.5.1 Genehmigung durch Ethikkommission ...23!

(4)

2.5.2 Datenerfassung, Sicherung und Dokumentation...23!

2.5.3 Messgrößen ...24!

3 Ergebnisse ...26!

3.1 Gemessene Ruhedruckwerte...26!

3.2 Gemessene Residualdruckwerte ...32!

3.3 Gemessene Relaxationszeiten...37!

3.4 Gemessene Maximaldrücke...42!

4. Diskussion ...47!

4.1 Diskussion der Ruhedruckwerte ...47!

4.2 Diskussion der Residualdrücke...51!

4.3 Diskussion der Relaxationszeiten ...54!

4.4 Diskussion der Maximaldrücke ...58!

4.5 Kritische Reflexion der Methodik...61!

5 Zusammenfassung ...66!

6 Ausblick ...68!

7 Anhang ...69!

8 Literaturverzeichnis ...77!

Lebenslauf ...87!

Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nrn. 6 und 7 PromO ...88!

(5)

Abkürzungsverzeichnis und Glossar

ºC Temperatur in Grad Celsius

% Prozent

Abb. Abbildung

bzw. beziehungsweise

Chronaxie Nutzzeit der doppelten Rheobase

CP M. cricopharyngeus

EigenStim0 Schluckversuch ohne Stromapplikation, Handtaster betätigt (Proband)

EigenStim100 Schluckversuch mit Stromapplikation (20mA), Handtaster betätigt (Proband)

EigenStim50 Schluckversuch mit Stromapplikation (10mA), Handtaster betätigt (Proband)

FremdStim0 Schluckversuch ohne Stromapplikation, Handtaster betätigt (Untersucher)

FremdStim100 Schluckversuch mit Stromapplikation (20mA), Handtaster betätigt (Versuchsleiter)

FremdStim50 Schluckversuch mit Stromapplikation (10mA), Handtaster betätigt (Versuchsleiter)

g ggf.

Gramm

gegebenenfalls HRM

Kontrollschlucke

High Resolution Manometrie

Schluckversuch ohne Stromapplikation

mA Milliamper

Max./MAX Maximalwert

Med. Medianwert

Min. Minimalwert

ml Milliliter

mm Millimeter

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mmHg Millimeter Quecksilbersäule

MMS Medical Measurement Systems B.V.

ms Millisekunde/n

NMES Neuromuskuläre Elektrostimulation

oÖS oberer Ösophagusshinkter

Q1 25% Quartil

Q3 75% Quartil

RD RES RXN Rheobase

Ruhedruck Residualdruck Relaxationszeit

Mindeststromstärke, die eine Kontraktion auslöst

s Sekunde/n

SA Standardabweichung

v.Chr.

z.B.

z.T.

vor Christus zum Beispiel zum Teil

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1

1 Einleitung

Schluckstörungen jeglicher Genese werden in den nächsten Jahren aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der damit verbundenen erhöhten Morbidität zunehmen. Deswegen sind Therapiemöglichkeiten wünschenswert, die die bisherige konventionelle Dysphagietherapie effektiv ergänzen und sie möglicherweise in Zukunft sogar ersetzen.

Eine mögliche Alternative zur konventionellen Dysphagietherapie, die im Wesentlichen aus Schluckmanövern, Haltungs- und Positionsänderungen sowie diätetischen Maßnahmen besteht, kann die neuromuskuläre Elektrostimulation (NMES) sein.

In einigen Studien zeigte sich die Elektrostimulation der konventionellen Therapie jetzt schon überlegen (Blumenfeld, 2006; Chaudhuri, 2006; Freed, Freed, Chatburn,

& Christian, 2001; Kiger, Brown, & Watkins, 2006).

In Deutschland steht mit dem VocaStim-Gerät eine Möglichkeit zur NMES- Therapie zur Verfügung, die im klinischen Alltag bereits bei unterschiedlichen Paresen im Kopf- und Halsbereich mit Erfolg eingesetzt wird (Pahn, 2002; Ptok &

Strack, 2005; Ptok & Strack, 2009).

Die High Resolution Manometrie (HRM) stellt seit Jahren eine zuverlässige und einfach anwendbare Druckverlaufsdarstellung des Ösophagus und seiner Sphinkteren dar, die im klinischen Alltag zur Diagnose bestimmter Ösophaguserkrankungen routinemäßig genutzt wird. Bisher wurde die HRM aber noch nicht eingesetzt, um mögliche Phänomene im Pharynx bzw. im oberen Ösophagussphinkter (oÖS) darzustellen, die unter einer NMES-Therapie auftreten können.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, mit Hilfe der HRM mögliche Einflüsse auf die Öffnungsdynamik des oberen Ösophagussphinkters, die bei einer neuromuskulären Elektrostimulation während eines Schluckvorgangs entstehen, darzustellen.

Die Effekte werden nach einem strukturierten Schema an gesunden Probanden untersucht. Auftretende Phänomene sollen dargestellt, soweit möglich erklärt und

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2 anhand der vorhandenen Literatur diskutiert werden. In einer Voruntersuchung und weitergehenden Analysen werden diese Effekte untersucht. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Systemen der HRM und der NMES erfolgt, soweit dies zur Erklärung der beobachteten Phänomene notwendig ist.

1.1 Schlucken als komplexer Vorgang

Im Durchschnitt schluckt ein Mensch in 24 Stunden zwischen 600 und 2500 Mal (Logemann, 1988). Am Schluckvorgang sind 50 Muskelpaare und die anatomischen Strukturen der Mundhöhle, des Rachens und des Kehlkopfes beteiligt. Koordiniert wird dieser Vorgang durch Schluckzentren im Hirnstamm (pattern generators) und durch höhere suprabulbäre Zentren. Postuliert werden ein oder mehrere pontine, ein pontino-medulläres und zwei bulbäre Schluckzentren in der Formatio Reticularis (Prosiegel, 1993). Die pattern generators sind schon von Geburt an aktiviert und für die orale und pharyngeale Phase identisch.

Für die ösophageale Phase des Schluckvorganges wird ein Zentrum, zwischen dem N. tractus solitarii und dem N. dorsalis n. vages angenommen (Bass NH & Morell RM, 1992). Die Übertragung auf die muskulären Strukturen erfolgt über fünf Hirnnervenpaare und drei Zervikalnerven, die den Plexus cervicalis bilden (Seidl, Nahrstaedt, & Schauer, 2009). Beteiligte Hirnnerven, die für den Schluckvorgang benötigt werden, sind der N. trigeminus, N. facialis, N. glossopharyngeus, N. vagus und N. hypoglossus (Logemann, 1993; Meyer & Ptok, 2011).

Der Schluckvorgang dient nicht nur der Weiterleitung des Speisebolus, sondern auch dem Aspirationsschutz und der Reinigung der Speiseröhre, insbesondere der Beseitigung der in die Speiseröhre gelangten Magensäure. Die Bolusgröße variiert stark und ist von der Nahrungszusammensetzung abhängig. Pro Schluck können in der Regel 20 g wässriger Nahrungsbrei oder 40 ml Flüssigkeit (hastiges Trinken) aufgenommen werden.

(9)

3 Einteilung des Schluckvorgangs

Der normale Schluckvorgang erfordert ein koordiniertes Zusammenspiel der oben genannten Strukturen. Funktionell wird hierbei eine willkürlich eingeleitete orale Phase von einer unwillkürlichen (reflektorisch ausgelösten) pharyngealen und ösophagealen Phase differenziert.

In der oralen Phase werden die Vorbereitungen getroffen, die den eigentlichen Schluckvorgang erst ermöglichen. Die orale Phase des Schluckens ist willkürlich steuerbar. Feste und halbfeste Speisen werden zerkleinert, mit Speichel vermischt und zu einem Bolus geformt, den die Zunge durch die Mundhöhle Richtung Rachen transportiert. Vorbedingungen hierfür sind die ungestörte Funktion von Lippen, Zähnen, Kiefergelenk, Kaumuskulatur sowie der Zunge und der Mundspeicheldrüsen.

Die pharyngeale Phase des Schluckvorgangs beginnt mit der Auslösung der Schluckreaktion und endet mit der Öffnung des oÖS. Sie dauert in der Regel zwischen 0,7-1 s und ist nicht willkürlich steuerbar. In dieser Phase kommt es zu einer Raumerweiterung des Pharynx für die Boluspassage und zum Verschluss der Atemwege als sinnvoller Aspirationsschutz. Je nach Größe des Bolusvolumens werden der Kehlkopf und das Zungenbein durch Kontraktion der suprahyoidalen Muskulatur nach oben bewegt. Diese Bewegung ermöglicht eine Raumerweiterung im Hypopharynx, eine Positionierung des Larynx unter die Zungenwurzel zum Schutz vor Aspiration, eine verbesserte Epiglottiskippung und die Öffnung des pharyngoösophagealen Segments.

Zum Schutz vor einer möglichen Aspiration erfolgt der Larynxverschluss in drei Etagen: Annäherung oder Schluss der Stimmlippen, vertikale Annäherung der adduzierten Aryhöcker an die Basis der Epiglottis und Epiglottiskippung zum Verschluss des Larynx.

Der Epiglottisschluss wird durch den Bolusdruck von oben, den Muskelzug der aryepiglottischen Muskeln nach unten und den kombinierten Druck durch die Zungenrückwärtsbewegung und Larynxelevation ermöglicht.

Die ösophageale Phase, und damit die Öffnung des oberen Ösophagussphinkters, wird durch die anterior-superiore Bewegung von Zungenbein und Larynx eingeleitet.

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4 Die pharyngeale Phase endet, sobald der Bolus den oberen Ösophagussphinkter erreicht hat. Das pharyngo-ösophageale Element, Velum, Zunge, Hyoid und der wieder geöffnete Larynx kehren in ihre Ausgangsposition zurück.

Die ösophageale Phase beginnt mit dem Schluss des pharyngo-ösophagealen Segmentes und dauert in etwa 8–20 s. Der Bolustransport erfolgt mittels peristaltischer Wellen, die primär durch den Schluckreflex und sekundär durch lokale Dehnungsreize ausgelöst werden (Bartholome, 2006; Seidl et al., 2009).

1.2 Der obere Ösophagussphinkter

Anatomie des oberen Ösophagussphinkters

In der Literatur sind die Angaben und Grenzen über den muskulären Aufbau des oberen Ösophagussphinkters bis heute uneinheitlich und werden kontrovers diskutiert (Duranceau A., 1991; Stelzner & Lierse, 1968; Treacy, Baggenstoss, Slocumb, & Code, 1963). Der obere Ösophagussphinkter befindet sich im pharyngo- ösophagealen Übergangssegment und besteht im wesentlichen aus den Muskelfasern des M. cricopharyngeus, der sich in eine Pars obliqua und eine Pars fundiformis aufteilt und dazwischen eine Muskellücke bildet (killiansches Dreieck). Der benannte Muskel spannt sich von den Cornu inferiores des Schildknorpels und den Seitenflächen des Ringknorpels zur Rachenhinterwand auf (Killian G., 1907).

In der Literatur finden sich widersprüchliche Angaben zum oben beschriebenen killianischen Dreieck, da einige Untersucher eine solch strenge Trennung nicht zuordnen konnten (Abel, 1913; Laimer, 1883).

Anhand manometrischer und radiologischer Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass nicht der M. cricpoharyngeus alleine, sondern zudem der M. thyreopharyngeus sowie inferiore Anteile des M. constrictor pharyngeus inferius und auch cervikale Anteile der Ösophagusmuskulatur am Aufbau des oÖS beteiligt sind (Goyal & Coob, 1981; Lang & Shaker, 2000; Zaino, Jacobson, Leplow, & Ozturk, 1967).

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5 Öffnungsdynamik/Physiologie

Die Öffnung des oÖS ist ein komplexes Phänomen und lässt sich in fünf Phasen einteilen (Jacob, Kahrilas, Logemann, Shah, & Ha, 1989), die sich unmittelbar an die pharyngeale Phase anschließen und vor Beginn der ösophagealen Phase beendet sind.

Die Beschreibung basiert auf fluoroskopischen und manometrischen Untersuchungen. Diese fünf Phasen konnten schon mit der auch hier verwendeten HRM in einer anderen Arbeit dargestellt werden (Meyer, Jungheim, Ptok, 2012) (siehe Abb. 1.1) und stellen sich wie folgt dar:

1. Relaxation: Die Relaxation der Sphinktermuskulatur erfolgt während der initialen Larynxelevation und ist definiert als Druckabfall auf 0 mmHg.

2. Öffnung: Während der Larynxbewegung nach anterior-superior kommt es zu einer passiven Dehnung der Sphinktermuskulatur (Lang & Shaker, 1994). Hierbei können negative Drücke erreicht werden. Beim Öffnen des oÖS springt der Druck plötzlich auf 0 mmHg zurück.

3. Erweiterung der Öffnung: Durch den Bolus wird der oÖS zusätzlich erweitert, die Öffnungsweite ist vom Bolusvolumen abhängig. Während der Boluspassage wird ein positiver Intrabolusdruck gemessen.

4. Kollaps: Der Sphinkter kollabiert passiv, sobald der Bolus hindurchgetreten ist.

Der Intrabolusdruck fällt wieder auf einen Wert um 0 mmHg.

5. Kontraktion: Mit dem Eintreffen der pharyngealen Kontraktionswelle am oÖS kommt es auch zu einer Kontraktion des Sphinkters, der nach Passieren der peristaltischen Welle wieder den Ruhedruck einnimmt.

Die Öffnungsdauer des oÖS hängt mit der Dauer der anterior-superioren Bewegung und der Bolusgröße zusammen: je größer das Bolusvolumen, desto stärker und früher erfolgt die Elevation und desto ausgeprägter ist die Öffnungsweite des oÖS (Ekberg, Olsson, & Sundgren-Borgstrom, 1988; Kahrilas, 1993).

(12)

6

Abb. 1.1: Druckverlauf eines Messpunktes im Bereich des oÖS. Phase R: Ruhedruck des oÖS. Phase 0: initialer Druckanstieg im oÖS. Phase 1: Relaxation mit Druckabfall bis auf 0 mmHg. Phase 2: weiterer Druckabfall bei Larynxelevation bis auf negative Werte und Rückgang des Drucks auf 0 mmHg bei Öffnung des oÖS. Phase 3:

Druckanstieg mit leicht positiven Druckwerten während der Boluspassage. Phase 4: Kollaps des oÖS mit Druckwerten um 0 mmHg. Phase 5: Kontraktion des oÖS. (Abbildung der Arbeitsgruppe Dysphagie Prof. Dr. Dr.

M. Ptok, Medizinische Hochschule Hannover)

1.3 Dysphagie

Die Aufnahme von Speisen unterschiedlicher Konsistenz und Bolusvolumina stellt schon beim gesunden Menschen große Anforderungen an den normalen Schluckakt.

Eine komplexe Kette von oropharyngealen und ösophagealen Steuerungs- und Transportmechanismen ist erforderlich, damit der Schluckakt gerichtet abläuft. Somit ist die Störanfälligkeit dieser Kette auch relativ hoch. Bei einer vorliegenden Dysphagie können sowohl die anatomischen als auch die nervalen Strukturen geschädigt sein und so einen suffizienten Schluckakt erschweren oder unmöglich machen, auch eine psychische Ursache ist immer mit in Erwägung zu ziehen. Die Symptome bei einer Schluckstörung können minimal oder sehr ausgeprägt sein. Ein Globus- und Fremdkörpergefühl, Regurgitation, Husten, Pseudohypersalviation und Heiserkeit sind einige der möglichen Symptome einer Dysphagie.

Eine gefürchtete Komplikation jeder Schluckstörung ist die Aspirationspneumonie (Jones B & Donner MW, 1991). In klinischen Studien hat sich gezeigt, dass fast 50 % der über 70-jährigen unter Schluckbeschwerden leiden (Trupe, Siebens, &

Siebens, 1984), wobei allgemeine chronische und psychiatrische Erkrankungen

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7 sowie Multimorbidität zusätzliche Risikofaktoren darstellen. Beispielsweise liegt der Anteil der Patienten mit einer Schluckstörung in Krankenhäusern der USA bei ca.

15 %, in Pflegeheimen sind es sogar bis zu 50 % (Logemann, 1995).

Die Aspirationspneumonie ist in den USA die vierthäufigste Todesursache überhaupt. Der Schlaganfall stellt mit 25 % die häufigste Ursache für eine Dysphagie dar (Groher ME & Bukatman R., 1986). Von diesen Apoplexpatienten haben durchschnittlich 41 % eine akute und 16 % eine chronische Schluckstörung. Das Risiko einer Aspirationspneumonie bei diesen Patienten, liegt innerhalb des ersten Jahres bei bis zu 48 % (Johnson, McKenzie, & Sievers, 1993).

Die zweithäufigste Ursache für eine Dysphagie ist das Schädel-Hirn-Trauma (Winstein, 1983). In der Akutphase kann diese so ausgeprägt sein, dass die Patienten nicht zur Nahrungsaufnahme fähig sind. Von diesen Patienten enwickeln 10-15 % in der chronischen Phase eine Schluckstörung (Seidl et al., 2009).

Die unterschiedlichen Dysphagien äußern sich jedoch nicht nur durch das Auftreten von Aspirationen aufgrund einer unzureichenden Funktion der Schutzmechanismen (Seidl et al., 2009), sondern können als Ursache ebenso aus einer mangelnden Relaxation oder unkoordinierten Öffnung des oÖS erfolgen. Die Dysphagie äußert sich dann klinisch z.B. durch die Schwierigkeit, große oder feste Boli wie Tabletten zu schlucken.

Wie die oben genannten Zahlen verdeutlichen, ist die Dysphagie keine seltene Erkrankung und wird in den kommenden Jahren zunehmen, da aufgrund des steigenden Lebensalters eine höhere Morbidität zu erwarten ist. Deswegen ist es sinnvoll, nach neuen Therapien zu suchen, die eine effiziente Behandlung ermöglichen.

Elektrostimulation bei Dysphagie

Die Elektrostimulation ist keine Neuheit der modernen Medizin, sie wird schon seit dem Altertum angewandt. So berichtete schon der römische Arzt Srcibonius Largus (ca. 60 v. Chr.) von Behandlungen mit Zitterrochen bei verschiedenen Beschwerden, wie zum Beispiel Gichtanfall oder Kopfschmerz (Schonack, 1913). Mittlerweile ist die Elektrotherapie eine anerkannte Rehabilitationsmethode in den orthopädischen

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8 und neurologischen Fachbereichen und gewinnt auch in der Dysphagietherapie zunehmend an Bedeutung. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit sämtlichen Formen der Elektrotherapie kann hier nicht erfolgen, daher wird im folgenden allein die spezielle Kopf-/Halselektrostimulation betrachtet, welche sich unmittelbar mit Dysphagie oder dem Schlucken beschäftigt.

Zunächst wurde in Studien an Hunden versucht, einen Stimmlippenschluss und eine Kehlkopfhebung durch eine Neuroprothese zu erzeugen (Broniatowski, 1993). In diesen Studien wurden die N. recurrentes direkt stimuliert, um einen Stimmlippenschluss auszulösen. Für die Steuerung der Stimulation wurde die Aktivität der Ansa cervicalis verwendet (Broniatowski et al., 1994).

Es folgten mehrere Studien, bei denen direkt die versorgenden Nerven der pharyngealen Muskulatur stimuliert wurden (Broniatowski et al., 1995). Dabei kam es z.T. auch zu einer Relaxation der Muskulatur. Durch die direkte Nervenstimulation kam es jedoch teilweise zu Vernarbungen (Broniatowski, Vito, Shah, Shields, & Strome, 1997), die eine dauerhafte Stimulation erschwerten. Ein solches Verfahren wäre also grundsätzlich am Menschen nicht vorstellbar gewesen und forderte daher andere Lösungen.

Später wurden Untersuchungen an Kaninchen fortgesetzt und konnten durch kurzzeitige Stimulationsimpulse des M. arytaenoideus einen suffizienten Glottisschluss erreichen (Ludlow et al., 2000).

In einer anderern Studie wurde versucht, durch eine transkutane Stimulation einen Glottisschluss zu erreichen, wobei das VitalStim Gerät (Chatanooga Group, USA) verwendet wurde. Bei diesen Versuchen konnte aber keine Stimmlippenpositionsänderung endoskopisch wahrgenommen werden (Humbert, Poletto, Saxon, Kearney, & Ludlow, 2008).

Des Weiteren sind Studien mit einer intramuskulären Elektrostimulation durchgeführt worden. Hierbei wurden jeweils selektiv einzelne Muskeln oder Muskelgruppen mit Nadelelektroden stimuliert. Das Ziel war es, eine Kehlkopfhebung zu erzeugen. So berichten Burnett et al. von einer bipolaren Nadelelektrodenstimulation des M. mylohyoideus und des M. thyrohyoideus bei 15

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9 männlichen Probanden, wobei die Stimulation immer für 1-2 s mit 30 Hz erfolgte.

Gemessen wurde die von außen sichtbare Kehlkopfhebung, die sich bei normalen Wasserschluckversuchen im Umfang von 50-80 % vergrößerte (Burnett, Mann, Cornell, & Ludlow, 2003).

Eine weitere Elektostimulationsform ist die transkutane Elektrostimulation. Das am meisten verwendete und am intensivsten diskutierte transkutane Stimulationsgerät ist das VitalStim Gerät, welches von M. Freed entwickelt wurde. Stimuliert wird bei diesem Verfahren mit vier cervikal angebrachten Elektroden, die in der Höhe des Hyoids oder in der Mittellinie über dem Larynx platziert werden (Freed et al., 2001).

Auf diese Weise werden der M. digastricus und der M. thyroideus stimuliert.

Das VitalStim Gerät wurde bereits in zahlreichen Studien verwendet. So verwendeten es z.B. Blumfeldt et al. und untersuchten 40 langzeitbeatmete Patienten, wobei 20 eine konventionelle und 20 eine NMES Therapie erhielten. Bei dieser Studie kam es zu einer signifikanten Verbesserung des Schluckvorganges (Blumenfeld, 2006) bei den Probanden, die die NMES Therapie erhielten. Auch bei anderen Autoren, die unterschiedliche Einstellungen, aber immer das VitalStim Gerät benutzten, kam es zu einer deutlichen Verbesserung der Schluckfunktion, verglichen mit der konventionellen Schlucktherapie (Bulow, Speyer, Baijens, Woisard, &

Ekberg, 2008; Leelamanit, Limsakul, & Geater, 2002; Lim, Lee, Lim, & Choi, 2009;

Oh, Kim, & Paik, 2007).

Es kann also festgehalten werden, dass es bereits einige Studien gibt, in denen ein positiver Einfluss der Elektrostimulation auf eine bestehende Dysphagie nachgewiesen wurde. Veränderungen im Schluckvorgang oder Verbesserungen der Dysphagie konnten in diesen bereits festgehalten werden.

Das VocaSTIM Gerät, welches in dieser Arbeit verwendet wurde, lässt sich begrenzt mit dem VitalStim Gerät vergleichen, hier werden jedoch Exponentialströme als Reizstromart verwendet. So wird seit einigen Jahren die NMES mit dem VocaStim Gerät erfolreich bei einseitiger Stimmlippenparese (Ptok & Strack, 2005; Ptok &

Strack, 2008) erfolgreich eingesetzt.

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10 Aktuell werden folgende Ziele beim Einsatz der NMES verfolgt:

Es wird eine Verbesserung der Larynxelevation (Leelamanit et al., 2002), Verbesserung der Reflextriggerung (Larsen, 1973) und eine Verringerung der Aspirationsgefahr bei jeglicher Form der Dysphagie (Blumenfeld, 2006; Chaudhuri, 2006; Freed et al., 2001; Pahn, 2002) angestrebt.

Mehrere Aspekte im Rahmen der Anwendung der NMES bei Dysphagie sind bis heute ungeklärt und bedürfen der weiteren Abklärung. Zunächst einmal stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt stimuliert werden soll (kontinuierlich oder nur synchron beim Schluckvorgang) (Leelamanit et al., 2002), wo genau die Elektroden plaziert werden sollen, über dem Schildknorpel (Blumenfeld, 2006; Leelamanit et al., 2002), auf Höhe des Schildknorpels (Larsen, 1973) und/oder submental (Ludlow et al., 2007).

Des weiteren ist noch nicht geklärt, welche Stromfomen (mono- oder biphasische Impulse (Blumenfeld, 2006; Ludlow et al., 2007)) und welche Stromarten (faradisch (Larsen, 1973), exponential, galvanisch oder Dreiecksstrom (Pahn, 2002)) angewendet werden sollen.

1.4 Wissenschaftliches Defizit

Der Relaxation des oberen Ösophagussphinkters, die während des Übergangs von der pharyngealen in die ösophageale Phase stattfindet, hat während des Schluckaktes eine zentrale Rolle. Ist die Relaxation gestört, werden Speisen nicht regelrecht in die Speiseröhre transportiert und es entstehen Dysphagien, die auch Aspirationen zur Folge haben können.

Bisher ist trotz ermutigender Berichte umstritten, ob und wie sich eine NMES unterstützend auf den Schluckakt auswirken kann. In Bezug auf den oberen Ösophagussphinkter ist nicht bekannt, ob sich die Öffnungsdynamik durch eine neuromuskuläre Elektrostimulation während eines Schluckvorgangs beeinflussen lässt. Eine genaue Kenntnis der auftretenden Effekte wäre aber für die Weiterentwicklung von NMES-Protokollen entscheidend, denn dann könnte gezielt

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11 auf den unwillkürlich ablaufenden Teil des Schluckvorgangs Einfluss genommen werden.

1.5 Hypothesen und Zielsetzungen

Um die Einflüsse der NMES auf die Öffnungsdynamik des oÖS zu untersuchen, wurden die Parameter Ruhedruck, Relaxationszeit, Restdruck während der Relaxation und der maximale Druck in der peristaltischen Welle zur Beobachtung ausgewählt. Folgende Hypothesen sollten in dieser Studie überprüft werden:

Ha0: Die Relaxationszeit des oÖS wird durch NMES-Impulse, die synchron zum

„Herunterschlucken“ einer Trinkmenge von 2 ml appliziert werden, nicht verändert.

Ha1: Die Relaxationszeit des oÖS wird durch NMES-Impulse, die synchron zum

„Herunterschlucken“ einer Trinkmenge von 2 ml appliziert werden, verändert.

Hb0: Der Restdruck des oÖS wird durch NMES-Impulse, die synchron zum

„Herunterschlucken“ einer Trinkmenge von 2 ml appliziert werden, nicht verändert.

Hb1: Der Restdruck des oÖS wird durch NMES-Impulse, die synchron zum

„Herunterschlucken“ einer Trinkmenge von 2 ml appliziert werden, verändert.

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2 Material und Methoden

2.1 Hochauflösungsmanometrie HRM

Für die Messungen wurde das Solar GI HRM Messsystem der Firma Medical Measurement Systems B.V. (MMS, Enschede, Niederlande) verwendet. Benutzt wurde in dieser Studie ein Solid-state Katheter, der mit 12 Messpunkten speziell für die Beurteilung des oberen Ösophagussphinkters angepasst wurde.

2.1.1 Funktionsweise des Systems

Das Solar GI HRM System stand für Aufnahme, Speicherung, Ansicht und Analyse der Druckverläufe zur Verfügung. Zu den Hauptkomponenten des Systems gehören die Messsonde, der aufzeichnende PC und die Analysesoftware. Die Messsonde lieferte über ein Datenkabel, nachdem sie über die Software aktiviert wurde, alle Druckveränderungen der Messsensoren zeitgleich an den PC. Dieser zeichnete die Drücke auf und ermöglichte die Darstellung der Daten als pseudodreidimensionales Bild (Druck-Kontur-Plot Modus) und als Graphen für jede einzelne Sonde (Graphen- Modus). Mit der Software waren im voreingestellten Modus Aufzeichnungen bis zu 45 Minuten möglich.

2.1.2 Messsonde

Basierend auf dem kommerziell erhältlichen Solar GI HRM System (Firma Medical Measurement Systems B.V., MMS) wurde eine Sonde (Firma Unisensor, Attikon, Schweiz) entwickelt, die speziell zur Messung der oÖS-Dynamik geeignet ist (siehe Abb. 2.1). Sie enthält zwölf Sensoren mit einem Abstand von 5 cm zwischen dem distalen Druckaufnehmer (P1) und dem folgenden (P2), einem Abstand von 7,5 mm zwischen P2 bis P11, sowie einem Abstand von 5 cm zwischen P11 und dem proximalen Transducer (P12). Somit betrug der Gesamtmessbereich 16,75 cm. Die

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13 einzelnen Sensoren messen jeweils unidirektional den Druck des umgebenden Gewebes.

Die Sonde besteht aus einem flexiblen Plastikschlauch und hat einen Durchmesser von 2 mm. Einige Zentimeter nach dem letzten Sensor (P12) beginnt eine Skalierung in Zentimetern, woran die Eindringtiefe (nasal/oral) abgelesen werden kann. Die Sonde wurde vor und nach jeder Untersuchung in 70 %-igem Ethanol für mindestens 10 Minuten desinfiziert.

Abb. 2.1: Neu entwickelter High Resolution Katheter (Unisensor), mit spezieller Sensorenanordung auf dem Katheter zur Beurteilung des oberen Ösophagussphinkters.

2.1.3 Softwareadaptation und -funktionen

Die kommerziell erhältliche Software, ursprünglich für die Visualisierung des gesamten Ösophagus entwickelt, wurde für die ultrahochauflösende Manometrie des oÖS modifiziert. Hierzu mussten die einzelnen Kanäle den oszillographischen Kanälen der Sonde zugeordnet werden.

Das System erlaubt eine Abtastrate der Messsonde, die zwischen 10 und 100 Hz variiert werden kann. Mit Hilfe der Software können die Druckverläufe einerseits im traditionellen Kurvenformat dargestellt werden, andererseits ist die Umwandlung in Druck-Kontur-Plots möglich, so dass sich eine fortlaufende pseudodreidimensionale Darstellung der Druckverläufe ergibt. Eine anatomische Skizze veranschaulicht die Positionierung des Katheters und die Verteilung der Messsondenpunkte (Abb. 2.2).

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14 2.1.4 Kalibrierung der Sonde

Vor jeder Untersuchung wurde ein Nullabgleich der angeschlossenen Sonde durchgeführt. Hierfür wurde die Sonde in 20 Grad warmes, die Sonde gerade bedeckendes Wasser gelegt. Der Nullabgleich erfolgte über die vorgegebene Routine der Software. Zudem wurden vor jeder neuen Untersuchung die Messsensoren durch sanften Fingerdruck auf ihre Funktion geprüft (Abb. 2.2).

Abb. 2.2: Überprüfung der einzelnen Messsensoren durch sanften Fingerdruck, Darstellung im Druck-Kontur- Plot: Auf der X-Achse ist die Zeit dargestellt, auf der Y-Achse die Eindringtiefe des Katheters, zusätzlich veranschaulicht durch die anatomische Skizze rechts. Die Druckänderungen werden farbig dargestellt, entsprechend der Skalierung (in mmHg) links im Bild.

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15 2.1.5 Steuerung mittels PC

Die Steuerung und Auswertung erfolgte mittels PC über die eigens für diese Untersuchung modifizierte Analysesoftware (Version 8.17a) der Firma MMS (MMS, Medical Measurement Systems B.V., 2009). Die Software verfügt über drei verschiedene Teilbereiche, die sich wie folgt darstellen:

Datenbankprogramm

Nach dem Start der MMS-Software gelangt man zunächst in das Datenbankprogramm, von dem aus alle Patientendaten, Untersuchungen und Berichte verfügbar sind und in dem neue Probanden zur Messung eingegeben werden können. Zusätzlich erfolgt über dieses Programm die Erstellung der Messroutine mit der Auswahl der Messparameter. Das Messprogramm wurde nach Auswahl der Messroutine von hier aus gestartet.

Messprogramm

Über das Messprogramm erfolgte der Nullabgleich und die Angabe der Eindringtiefe des Katheters. Während des Versuchsablaufs konnten Schluckmarker zur Definition der Schluckversuche gesetzt werden. Die Messdaten wurden kontinuierlich unter den entsprechenden Probandencodes gespeichert.

Analyseprogramm

Im Analyseprogramm konnten die erhobenen Druckwerte als klassischer Kurvenverlauf oder als pseudodreidimensionaler Konturplot dargestellt werden. Für die Bestimmung des Ruhedrucks und des Residualdrucks wurde die automatische Analysefunktion des Analyseprogramms verwendet. Die Maximaldrücke und die Relaxationszeit wurden anhand der Graphenansicht der einzelnen Messsensoren bestimmt

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16

2.2 Reizstromtriggerung

2.2.1 Elektrostimulation mit dem VocaSTIM-Gerät

Mit dem VocaSTIM-Gerät der Firma Physiomed (Schnaittach/Laipersdorf, Deutschland) (siehe Abb. 2.3) stand ein Elektrostimulationsgerät zur Verfügung, das zu großen Teilen auf Forschungsergebnissen der Phoniater J. Pahn (Rostock), M.

Ptok (Hannover) und H.-J. Radü (Bochum) beruht. Es wird schon seit mehreren Jahren erfolgreich in der Klinik bei Paresen, vor allen Dingen im Kopf-/Halsbereich eingesetzt (Physiomed, 2002; Ptok & Strack, 2005; Ptok & Strack, 2009). Das VocaSTIM-Gerät ist in der Lage, verschiedene niederfrequente und mittelfrequente Reizströme zu generieren. Die niederfrequenten Ströme können in monophasischer Form mit galvanischer Basis oder in biphasischer Form abgegeben werden (Physiomed, 2002).

(23)

17

Abb. 2.3: Darstellung des VocaSTIM-Gerätes, mit den dazugehörigen Elektroden und dem verwendetem Handtaster. (Photo des verwendeten Gerätes aus der Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie der MHH, Arbeitsgruppe Dysphagie, Prof. Dr. Dr. Ptok)

2.2.2 Reizstromart

Da keine dysphagischen Patienten sondern gesunde Probanden getestet wurden, galt es, Stromstärken zu definieren, die eine Kontraktion der paralaryngealen Muskulatur auslösten und somit auch die Strukturen des oÖS erreichten. Deswegen wurde für die Probandenmessungen zunächst eine überschwellige Stromintensität bestimmt, bei der es sicher bei allen Probanden zu laryngoskopisch darstellbaren Kontraktionen der Larynx- oder Hypopharynxmuskulatur kam. Hierfür wurden an drei aufeinander folgenden Tagen vier Testprobanden (Geschlechterverhältnis 1:1) getestet. Bei Stromintensitäten zwischen 10 mV und 15 mV wurden jeweils laryngoskopisch sichtbare Kontraktionen nachgewiesen.

In der Elektrotherapie wird bei der Bestimmung der motorische Schwelle die Reizstromstärke ermittelt, bei der es zu einer messbaren Kontraktion der getriggerten

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18 Muskulatur kommt (Rheobase). Dabei wird ein unterschwelliger Strom von einem Muskel nicht, ein schwelliger gering und ein überschwelliger Strom mit deutlicher Kontraktion beantwortet (Physiomed, 2002; Physiomed, 2003). Als sicher überschwellige und für die Probanden noch gut verträgliche Reizstromstärke wurden deshalb 20 mV (Chronaxie) gewählt. Als schwellennaher Wert wurden 10 mV (Rheobase) und als Kontrollwert 0 mV festgelegt. Es wurde ein biphasischer Exponentialstrom verwendet, d.h. ein Reizstrom, bei dem jedem Stromimpuls ein weiterer Impuls in umgekehrter Polarität folgt. Der positive Abschnitt bewirkt eine Reizung der Muskulatur, der negative jedoch neutralisiert die elektrolytische Wirkung unter der Elektrode. Die Verätzungsgefahr wird dadurch auf ein Minimum reduziert, zudem werden diese Ströme von den Probanden als angenehmer empfunden (Physiomed, 2002). Jeder Stromimpuls, egal welcher Intensität dauerte jeweils 5 ms.

2.2.3 Applikationsmodus

Die Reizstromapplikation erfolgte bei den Probanden über eine größere (ca. 5x5 cm) indifferente Elektrode (Anode) im Nacken und zwei kleinere (ca. 2x2 cm) differente Elektroden (Kathode), die paralaryngeal angebracht wurden (bipolare Anlagen- technik). Der Stromimpuls wurde über einen Handtaster ausgelöst, den entweder der Versuchsleiter oder der Proband selbst betätigte. Zur Verbesserung der Leitfähigkeit wurden die Elektroden von angefeuchteten Schwammtaschen umhüllt. Die Anode (rotgefärbtes Kabel) und die Kathoden (blaugefärbtes Kabel) konnten durch diesen Unterschied und die unterschiedliche Größe der Pads einfach unterschieden werden.

Befestigt wurden die Elektroden mit einem Klettband, das in der Länge variabel einstellbar war.

Die Elektroden konnten nach Befeuchtung der widerstandsmindernden Schwämme schnell paralaryngeal und nuchal angebracht werden und wurden gut toleriert.

Anschließend erfolgte die Einweisung in den Handtaster zur Auslösung der Stromimpulse, sie wurde in Probeapplikationen geübt und von den Probanden schnell verstanden.

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19

2.3 Probanden

2.3.1 In- und Exklusionskriterien

Zur Studie wurden Probanden im Alter von 18-60 Jahren zugelassen. Ältere Probanden wurden aufgrund einer möglichen, noch nicht diagnostizierten Schluckstörung, die im fortschreitenden Alter auftreten kann, nicht einbezogen. Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis wurde angestrebt, war aber nicht unbedingt erforderlich. Ausschlusskriterien waren bekannte Erkrankungen des Ösophagus oder eine vorhandene Dysphagie, Nichteinwilligung, Schwangerschaft, Operationen am Hals oder an der Speiseröhre, Herzschrittmacher oder Hirnstimulatoren, Metallimplantate im Hals und nicht entfernbare Piercings im Kopf-/Halsbereich.

2.3.2 Berechnung der Stichprobengröße

Die Bestimmung der Effekte der neuromuskulären Stimulation wurde in der vorliegenden Arbeit als eindimensionales Konstrukt aufgefasst. Die bisherige klinische Erfahrung ließ eine relativ geringe Streubreite der gemessen Werte vermuten. Es war davon auszugehen, dass die Stromapplikation eine Mittelwertdifferenz von mehr als 10 % bei der Relaxationsdauer und beim Ösophagusrestdruck im Vergleich zum Schluckvorgang ohne Stromapplikation verursachen würde. Um eine Berechnung durchführen zu können und um ein Signifikanzniveau von p = 0,05 zu erreichen, wurde eine Stichprobengröße von 27 Probanden berechnet.

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20 2.3.3 Aufklärung

Alle Probanden wurden ausführlich über den gesamten Ablauf, sämtliche Risiken, Gefahren und unerwünschte Nebenwirkungen aufgeklärt. Eine ausreichende

Bedenkzeit wurde jedem Probanden eingeräumt. Des Weiteren musste jeder Proband eine Einverständniserklärung und eine Probandeninformation (siehe Anhang) lesen, verstehen und unterschreiben. Die Probanden wurden darüber informiert, dass sie jederzeit auch ohne Angabe von Gründen ihr Einverständnis widerrufen konnten und dass ihnen dadurch kein Schaden entstehen würde. Die Probanden erhielten Kopien der unterschriebenen Formulare.

2.3.4 Vergütung

Die Probanden erhielten keinerlei Vergütung. Sie wurden über den wissenschaft- lichen Nutzen und die Wichtigkeit informiert.

2.4 Versuchsaufbau

2.4.1 Platzierung der Sonde

Die Probanden nahmen eine bequeme sitzende Postion ein. Vor jeder Verwendung wurde die Sonde desinfiziert und kalibriert. Nach Erläuterung des Procederes für den Probanden und dem Ausschluss von Kontraindikationen wurden die Nase und der Rachen auf Anomalien oder anatomische Varianten untersucht. Zum Einführen der Sonde wurde die Nasenöffnung gewählt, die der Proband subjektiv als freier angab oder die sich bei der Inspektion als besser geeignet darstellte. Das Einführen gelang in allen Fällen problemlos, auf ein Lokalanästhetikum wurde bewusst in allen 27 Fällen verzichtet. Sobald ein Würgereflex einsetzte, wurden die Probanden aufgefordert zu schlucken und/oder Wasser zu trinken, was das Vorschieben der Sonde in den Ösophagus deutlich erleichterte. Sobald auf dem Monitor in der Druck-

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21 Kontur-Ansicht das typische Muster des oÖS zu erkennen war, wurde die Sonde so positioniert, dass sich das oÖS Band im Bereich der mittleren Sensoren befand (siehe Abb. 2.4). Die Eindringtiefe und die Hauptmesssensoren im Bereich des oÖS wurden vermerkt. Danach wurde die Sonde mit einem Magensondenpflaster an der Nase fixiert, um ein Verrutschen zu verhindern.

Abb. 2.4: Darstellung eines Schluckvorgangs im Druckkonturplot der MMS-Software. Deutlich ist das Band des oÖS und auch der Druckabfall währendes des Schluckvorganges erkennbar.

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22 2.4.2 Schluckversuche

Schluckakte zur Bestimmung der Basiswerte

Alle Schluckversuche wurden mit einer Trinkmenge von jeweils 2 ml durchgeführt.

Hierfür erhielt jeder Proband eine 2 ml Spritze, die er selbst mit Wasser befüllte und auf Kommando des Versuchsleiters in den Mund entleerte. Das Wasser wurde im Mund behalten bis ein Kommando zum Schlucken gegeben wurde. In einer ersten Messreihe wurde dieser Schluckversuch insgesamt zehn Mal ohne Stromapplikation wiederholt.

Schluckakte mit Fremdapplikation der NMES Impulse

Für diese Versuchsreihe mit Stromapplikation wurden die Probanden erneut aufgefordert, Schluckversuche mit einer Trinkmenge von 2 ml durchzuführen.

Gleichzeitig zur Schluckaufforderung des Testleiters wurde vom Testleiter ein NMES-Impuls über einen Handtaster appliziert. Dieses wurde insgesamt 30 Mal wiederholt. Während dieser Phase wurde die Stromstärke randomisiert und entweder mit 20 mA, 10 mA oder 0 mA eingestellt. Die Probanden wussten nicht, wann welche Stromintensität gewählt wurde und erhielten hierüber auch keine Auskunft.

Schluckakte mit eigenständiger Applikation der NMES Impulse

Für diese Versuchsreihe wurde die Stromapplikation von den Probanden selbst durchgeführt. Gleichzeitig zur intendierten Auslösung der pharyngealen Phase, also zum „gewollten Herunterschlucken“, sollten sich die Probanden einen NMES-Impuls über einen Handtaster selbst applizieren. Dieses wurde insgesamt 30 Mal wiederholt.

Vom Testleiter wurde die Stromstärke mit 20 mA, 10 mA oder 0 mA randomisiert, die Probanden wurden erneut nicht informiert, wann welche Stromintensität gewählt wurde.

Bei jeder vorgenommen Untersuchung mussten die Probanden somit insgesamt 70 Mal schlucken und folglich 140 ml Flüssigkeit/Wasser (pro Schluck 2 ml) zu sich nehmen. Es wurde mit den Schlucken ohne Stromapplikation begonnen, sodann

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23 folgten randomisiert die Schlucke mit Stromapplikation. Es wurde zwischen den einzelnen Schluckversuchen immer 30 s gewartet, damit sich ein normaler Ruhedruck im oÖS wieder einstellen und es nicht zu Fehlmessungen durch Druckartefakte kommen konnte (Ayazi & Crookes, 2010; MMS, Medical Measurement Systems B.V., 2009).

2.5 Datenerhebung

2.5.1 Genehmigung durch Ethikkommission

Für das Forschungsvorhaben wurde vor Studienbeginn von der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover ein positives Votum erteilt (Vorgangsnummer 5584 im Jahr 2010).

2.5.2 Datenerfassung, Sicherung und Dokumentation

Die Daten wurden in ein Datenbanksystem (Excel) eingegeben, gespeichert und gesichert (back-up). Die eingegebenen Daten wurden (durch Doppeleingabe) kontrolliert und Korrekturen der Datenbank protokolliert. Der jeweils vor den Korrekturen bestehende Zustand der Datenbank wurde gespeichert und aufbewahrt, so dass alle Korrekturschritte nachvollzogen werden konnten. In der Datenbank wurden die Daten nur mit der Studiennummer identifiziert (pseudominsierte Daten).

Die ersten Auswertungen erfolgten anhand von Exceltabellen. Die statistischen Berechnungen erfolgten nach einer Transferierung der Daten in das SPSS-System (Softwareversion 18). Dort erfolgte bei jedem Probanden für die vier verschiedenen Messparameter und die entsprechenden Stromapplikationsformen eine Mittelwertberechnung, eine Berechnung der Standardabweichung sowie eine Minimal- und Maximalwertbestimmung. Darüber hinaus wurden der Median, das 75 %-Quartil und das 25 %-Quartil bestimmt. Bei einer Schluckanzahl von 70 Schlucken wurden pro Proband 280 Datensätze ausgewertet. Insgesamt wurden

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24 bei 26 Probanden 7560 Daten erhoben, ausgewertet und Berechnungen mit ihnen durchgeführt. Es konnten bei allen Probanden die vorher definierten Zielparameter ermittelt werden. Danach folgte für die vier festgelegten Zielparameter (Ruhedruck, Residualdruck, Relaxationszeit, Maximaldruck) jeweils ein paarweiser Vergleich nach Bonferroni bei einem Konfidenzintervall von 95 % (p < 0,05).

2.5.3 Messgrößen

Nach Abschluss der Untersuchung wurde in der aufgezeichneten Sequenz die Platzierung der Schluckmarker überprüft. Lagen sie nicht vor dem Beginn einer Kontraktion oder waren sonst fehlerhaft von der automatischen Software gesetzt worden, wurden sie manuell nachkorrigiert oder an die richtige Stelle gesetzt.

Danach wurden die gewählten Messparameter Ruhedruck, Residualdruck, Relaxationszeit und maximaler Druck in der peristaltischen Welle bestimmt. Zur Berechnung der Ruhe- und Residualdrücke wurde die in der MMS-Software vorhandene automatische Analyse verwendet (MMS, Medical Measurement Systems B.V., 2009). Ein Analysefenster zur Bestimmung des Ruhedrucks wurde automatisch vor den Schluckmarker gesetzt und umfasste den als oÖS definierten Bereich. In diesem Bereich wurde der Druck über 5 s gemittelt. Der Residualdruck wurde im Druckminimum nach dem Schluckmarker ebenfalls automatisch ermittelt (siehe Abbildung 2.5) (MMS, Medical Measurement Systems B.V., 2009). Die Relaxationszeit und der maximale Druck in der peristaltischen Welle mussten manuell erhoben werden. Der maximale Druck wurde im Segment des oÖS im Kontur-Plot aufgesucht und bestimmt. Die Relaxationszeit während des Schluckvorgangs wurde anhand des Druckverlaufs des mittleren Sensors im oÖS berechnet. Als Beginn der Relaxationszeit wurde ein Druckabfall von 10 % gegenüber dem Ruhedruck festgelegt und das Ende bei Wiedererreichen desselben Drucks definiert (siehe Abbildung 2.6).

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25

Abb. 2.5: Aufnahme eines 2 ml Wasserschlucks im Druckkonturplot. Marker kennzeichnen die Berechnungsfenster für den Ruhetonus (grün dargestellt) und den Residualdruck (violett dargestellt). Der Abstand von zwei gestrichelten vertikalen Linien markiert einen Zeitraum von 2 s.

Abb. 2.6: Darstellung eines synchronisierten Kurvendiagramms der zwölf Messsonden, Schluckaktivität und Zeit.

Anhand des Druckverlaufs des Sensors P8, der den zentralen Sensor im oÖS darstellt, wurde die Relaxationszeit bestimmt.

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26

3 Ergebnisse

Bevor die Ergebnisse besprochen werden, soll eine Erläuterung der Abkürzungen erfolgen, die im folgenden Teil häufig verwendet werden.

Die Bezeichnung Kontrollschluck tragen alle Schlucke, die zu Beginn der jeweiligen Messung ohne Stromapplikation durchgeführt worden sind. Auch die Abkürzungen EigenStim0 und FremdStim0 kennzeichnen Schlucke, bei denen zwar der im Methodenteil beschriebene Handtaster betätigt wurde, jedoch keine Stromapplikation (unwissentlich für den Probanden) erfolgte. Die Bezeichnungen FremdStim100 und FremdStim50 kennzeichnen jeweils die Schlucke, bei denen eine Stromintensität von 20 mA oder 10 mA gewählt wurde und der Handtaster vom untersuchenden Arzt betätigt worden ist. Die Abkürzungen EigenStim100 und EigenStim50 gelten für die genannten Intensitäten, wobei hier jedoch der Handtaster zur Applikation des Stromes vom Probanden selbst ausgelöst wurde.

3.1 Gemessene Ruhedruckwerte

Die Ruhedrücke der Kontrollschlucke beliefen sich auf 38,9 mmHg (+/- 13,8 mmHg) (Tab 3.1, Abb 3.3). Alle mit Stromapplikation gemessen Ruhedrücke hatten im Mittel niedrigere Werte. Aber auch die EigenStim0 Schlucke und FremdStim0 Schlucke (Mittelwerte) lagen unter den Kontrollschluckwerten, waren zum Großteil sogar niedriger als die gemessenen Werte mit Stromapplikationen (Abb. 3.1, Abb.

3.2). Den niedrigsten Ruhedruck ergab eine Messung mit 8,5 mmHg bei einer EigenStim50 Applikationsform. Der höchste Ruhedruckwert von 66,7 mmHg wurde bei einem Kontrollschluck gemessen (Tab. 3.1).

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28

95 % Konfidenzintervall für einen sig. Unterschied Haupt-

unterschied Std.

Fehler Signifikanz Untere Grenze

Obere Grenze

EigenStim100 5,574 1,267 0,001 1,944 9,203

EigenStim50 8,732 1,368 0,000 4,812 12,652

Kontrollschluck

EigenStim0 7,047 1,444 0,000 2,910 11,184

Kontrollschluck -5,574 1,267 0,001 -9,203 -1,944

EigenStim50 3,158 0,817 0,004 ,817 5,499

EigenStim100

EigenStim0 1,473 0,938 0,773 -1,214 4,160

Kontrollschluck -8,732 1,368 0,000 -12,652 -4,812

EigenStim100 -3,158 0,817 0,004 -5,499 -,817

EigenStim50

EigenStim0 -1,685 1,005 0,636 -4,563 1,194

Kontrollschluck -7,047 1,444 0,000 -11,184 -2,910

EigenStim100 -1,473 0,938 0,773 -4,160 1,214

EigenStim0

EigenStim50 1,685 1,005 0,636 -1,194 4,563

Tab. 3.2: Paarweiser Vergleich der EigenStim Ruhedrücke unter- und miteinander, korrigiert nach Bonferroni.

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32

3.2 Gemessene Residualdruckwerte

Die Residualdruck Kontrollschlucke lagen im Mittel bei -0,7 mmHg (+/- 5,7 mmHg) und waren die höchsten gemessen Residualdrücke (Abb. 3.8). Die EigenStim0 und EigenStim50 Schlucke hatten mit -1,7 mmHg (+/-.4,7 mmHg) und -1,9 mmHg (+/- 5,0 mmHg) die niedrigsten Werte (Mittelwerte). Der maximale Wert bei einem Einzelprobanden betrug 14,4 mmHg (FremdStim100 Schlucke) und der minimale Wert betrug -11,5 mmHg (EigenStim50 Schlucke) (Tab. 3.4, Abb. 3.6 und 3.7).

Kontroll schluck

Fremd Stim100

Fremd Stim50

Fremd Stim0

Eigen Stim100

Eigen Stim50

Eigen Stim0

MW -0,730 -0,738 -0,861 -1,357 -1,05 -1,915 -1,757

SA 5,694 6,190 5,345 4,651 4,968 5,075 4,750

Max 13,8 14,4 13,4 10,4 11 8,2 7,3

Q1 -5,225 -6,025 -4,95 -4,475 -4,675 -5,3 -5,125

Med -1,65 -2,3 -1,25 -1,2 -0,8 -1,1 -1,15

Q3 2,725 3,1 2,375 0,85 1,525 1,2 0,95

Min -9,6 -9,2 -9,6 -9,2 -9,5 -11,5 -9,6

Tab. 3.4: Residualdrücke aller 26 Probanden für die verschiedenen Schlucke. MW: Mittelwert, SA:

Standardabweichung, Max: Maximaldruck, Q1: 25 %Quartil, Med: Median, Q3: 75 %Quartil, Min:

Minimaldruck.

Residualdrücke der Schluckversuche mit selbstappliziertem Stromimpuls

Im paarweisen Vergleich gab es zwischen den gesamten EigenStim Schlucken keine signifikanten Unterschiede (Tab. 3.5) Es konnte beobachtet werden, dass die Residualdruck-Kontrollschlucke im Mittel am höchsten und die EigenStim50 Schlucke im Mittel am niedrigsten sind (Abb 3.9). Der niedrigste Residualdruck lag bei -11,5 mmHg und wurde bei einem Einzelprobanden in den EigenStim50 Schlucken gemessen.

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3.3 Gemessene Relaxationszeiten

Die Relaxationszeiten hatten im Mittel bei den Kontrollschlucken eine Dauer von 777,7 ms (+/- 197,0 ms) (Tab 3.7, Abb. 3.13). Bei den FremdStim0 Schlucken betrugen sie 744,6 ms (+/- 177,4 ms) und bei den EigenStim0 Schlucken beliefen sie sich auf 772,3 ms (+/- 216,2 ms) (Tab. 3.7). Die Kontrollschlucke, EigenStim0 Schlucke und FremdStim0 Schlucke hatten somit die kürzesten Relaxationszeiten (Abb 3.11, Abb 3.12). Alle anderen gemessenen Zeiten waren im Mittel länger. So hatten die FremdStim100 Schlucke eine Relaxationszeit von 817,7 ms (+/- 228,1 ms) und die EigenStim100 Schlucke eine Dauer von 801,4 ms (+/- 236,1 ms).

Die Relaxationsdauer der EigenStim50 Schlucke dauerte im Mittel 804,3 ms (+/- 248,4 ms). Ein maximaler Einzelwert wurde gemessen bei einem Kontrollschluck mit 1185,0 ms, der minimale Wert bei einem FremdStim50 Schluckversuch mit 434,0 ms.

Kontroll schluck

Fremd Stim100

Fremd Stim50

Fremd Stim0

Eigen Stim100

Eigen Stim50

Eigen Stim0

MW 777,750 817,715 786,192 744,607 801,461 804,326 772,346 SA 197,000 228,179 199,764 177,493 236,113 248,437 216,230

Max 1189 1316,6 1155 1178 1573 1575 1354

Q1 618,25 636,25 613,5 601,75 628,5 623,375 621

Med 722 762,5 742,5 700 732,5 716,5 715

Q3 905,25 982,5 998,25 870,5 959,25 969 919,75

Min 475 448 434 465 475 448 445

Tab. 3.7: Relaxationszeiten gemessen in Millisekunden aller 26 Probanden für die verschiedenen Schlucke. MW:

Mittelwert, SA: Standardabweichung, Max: Maximaldruck, Q1: 25 %Quartil, Med: Median, Q3: 75 %Quartil, Min: Minimaldruck.

Relaxationszeiten der Schluckversuche mit selbstappliziertem Stromimpuls

Obwohl es bei den paarweisen Vergleichen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Schlucken gibt (Tab. 3.8), ist deutlich zu erkennen, dass die Relaxationszeit bei den Kontrollschlucken mit 777,7 ms (Abb. 3.13) kürzer war als bei den EigenStim100 Schlucken (801,4 ms) und den EigenStim50 Schlucken

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3.4 Gemessene Maximaldrücke

Die Maximaldrücke bei den Kontrollschlucken lagen im Mittel bei 138,3 mmHg (+/- 48,7 mmHg) (Tab. 3.10, Abb. 3.18). Alle weiteren Drücke (FremdStim100, 50, 0, EigenStim100, 50, 0) lagen unter diesem Niveau (Abb 3.19 Abb. 3.20). Am geringsten waren die Drücke bei den EigenStim50 Schlucken mit 123,1 mmHg (+/- 43,8 mmHg) und bei den EigenStim0 Schlucken mit 124,9 mmHg (+/- 41,6 mmHg).

Der geringste Maximalwert betrug 67 mmHg und wurde bei einem EigenStim0 Schluck gemessen. Der höchste Wert lag bei 326,8 mmHg und wurde bei einem FremdStim50 Schluck aufgezeichnet.

Kontroll schluck

Fremd Stim100

Fremd Stim50

Fremd Stim0

Eigen Stim100

Eigen Stim50

Eigen Stim0

MW 138,365 136,942 133,676 131,423 125,707 123,103 124,903 SA: 48,725 45,638 49,526 48,123 43,383 43,83102 41,639

Max 308,7 314,3 326,8 310,4 284,6 280,1 261,2

Q1 111,05 113,6 108,125 101,05 100,025 94,125 106,775

Med 128,35 125,65 124 125,25 113,4 117,85 119,85

Q3 161,825 147,7 139,825 147,525 136,125 136,75 134,775

Min 82,9 87,2 84,9 71 76 72,4 67

Tab. 3.10: Maximaldrüke gemessen in mmHg aller 26 Probanden für die verschiedenen Schlucke. MW:

Mittelwert, SA: Standardabweichung, Max: Maximaldruck, Q1: 25 %Quartil, Med: Median, Q3: 75 %Quartil, Min: Minimaldruck.

Maximaldrücke der Schluckversuche mit selbstappliziertem Stromimpuls

Beim paarweisen Vergleich gab es zwischen den Kontrollschlucken und den EigenStim50 Schlucken eine Signifikanz auf dem Niveau von (p = 0,05) (Tab. 3.11).

Anhand der Abb. 3.16 erkennt man das gleiche Phänomen wie auch schon beim Residualdruck, es kam zu einer generellen Abnahme des Druckes bei den Stromapplikationsschlucken und zu einem Wiederanstieg des Druckes bei den EigenStim0 Schlucken.

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4. Diskussion

4.1 Diskussion der Ruhedruckwerte

Allgemeine Überlegungen zum Ruhedruck

Der basale Ruhedruck ist ein inkonstanter Ruhedruck (Lang & Shaker, 1994), ein sogenannter Ruhetonus des oberen Ösophagussphinkters, der vom M. crico-

pharyngeus (CP), caudalen Anteilen des M. constrictor pharyngis inferior und cranialen Anteilen der oberen Ösophagusmuskulatur generiert und auch ohne Dehnungsreize oder sonstige Stimulation aufrechterhalten wird (Lang & Shaker, 2000). Der Ruhetonus steigt bei Vordehnung an, ist aber auch von körperlicher Aktivität, Anspannung (Lang, Dantas, Cook, & Dodds, 1991), Schlaf und Anästhesie (Jacob, Kahrilas, Herzon, & McLaughlin, 1990) abhängig.

Eine Arbeitsgruppe berichtete außerdem, dass die Faktoren Probandenalter, Orientierung des Messpunktes auf der Messsonde und das verwendete Messsystem (Katheterdurchmesser, Wasserperfusion vs. elektronischer Microsensor) Einfluss auf den oÖS-Ruhedruck haben (Keller et al., 2009).

Bis heute ist jedoch der genaue Mechanismus der Tonusgebung nicht verstanden.

Sicher ist, dass der CP-Muskel eine entscheidende Rolle dabei spielt, da er, aus Typ I Muskulatur (80 %) bestehend, in der Lage ist, einen Tonus durch seine hochelastischen Fasern zu generieren. Der Tonus des Muskels wird nicht nur durch Dehnungsreize (Bolus), sondern auch vornehmlich durch ein Areal im Nucleus ambiguus verändert (Lang & Shaker, 2000). Aus diesen Erkenntnissen wird deutlich, wie komplex die Vorgänge im Ösophagus und vor allem im oÖS sind und dass noch viele weitere Erkenntnisse und wissenschaftliche Untersuchungen nötig sein werden, um diese vollständig zu verstehen. Des Weiteren zeigt sich, wie wichtig eine eindeutige Bestimmung eines Messpunktes im oÖS und eine einheitliche Messmethode ist, da sonst jedes Labor, je nach verwendetem Messsystem und

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48 gewählten Messparametern, seine eigenen Normalwerte bestimmen muss und eine Vergleichbarkeit der Untersuchungen nicht gegeben ist (Keller et al., 2009).

Diskussion der selbstgemessenen Ruhedruckwerte

Die Messdaten für die Ruhedruckwerte wurden in der vorliegenden Arbeit automatisch bestimmt und manuell kontrolliert. Der Auswertungsvorgang erfolgte in immer gleicher Weise, so dass zwar prinzipiell ein systematischer Fehler hätte auftreten können, sich aber daraus keine selektiven Messfehler in den einzelnen Versuchsreihen ergeben hätten. Ein Einfluss der Stromapplikation auf den Ruhedruck des oÖS ist nicht anzunehmen, da diese nicht während der Schluckpausen, sondern simultan während des Schluckvorganges erfolgt ist. Die Ermittlung der Ruhedruckwerte erfolgte immer 5 s vor dem nächsten Schluckmanöver. Damit lag zwischen der Stromapplikation, welche nur 5 ms dauerte, immer ein Zeitraum von 25 s bis wieder der Ruhetonus gemessen und bestimmt wurde. Somit ist ein Einfluss der Stromapplikation auf den Ruhedruck des oÖS höchst unwahrscheinlich und kann unserer Meinung nach ausgeschlossen werden.

Die in der vorliegenden Arbeit gemessenen Kontrollschluck Ruhedrücke beliefen sich auf 38,9 mmHg (+/- 13,8 mmHg). Alle anderen aufgezeichneten Schlucke wiesen im Vergleich niedrigere Werte auf. Die Kontrollschlucke waren zu allen anderen EigenStim Schlucken signifikant unterschiedlich (EigenStim100 Schlucke (p < 0,001); EigenStim50 Schlucke (p < 0,000); EigenStim0 Schlucke (p < 0,000)).

Die Mittelwerte für die EigenStim100 Schlucke beliefen sich auf 33,3 mmHg (+/- 11,3 mmHg), für die EigenStim50 Schlucke auf 30,1 mmHg (+/- 10,8 mmhg) und bei den EigenStim0 Schlucke auf 31,8 mmHg (+/- 10,2 mmHg). Bei den Fremd Schlucken waren die FremdStim50 Schlucke (p < 0,028) und die FremdStim0 Schlucke (p < 0,002) zu den Kontrollschlucken signifikant unterschiedlich. Die Mittelwerte für die FremdStim100 Schlucke lagen bei 36,0 mmHg (+/- 13,6 mmHg), für die FremdStim50 Schlucke bei 34,9 mmHg (+/- 13,3 mmHg) und für die FremdStim0 Schlucke bei 33,5 mmHg (+/- 13 mmHg).

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49 Die Spannweite der Ruhedruckwerte lag über alle Messreihen zwischen 8,5 mmHg und 66,7 mmHg.

Warum der Ruhedruck bei den EigenStim0 Schlucken und FremdStim0 Schluck- Messungen unterhalb der Kontrollschluck Schlucke lag, ist nicht eindeutig erklärbar.

Auch ist nicht hinreichend erklärbar, warum die gemittelten Ruhedrücke zum Teil Differenzen von bis zu 8,7 mmHg (Vergleiche Kontrollschluck/EigenStim50 Schlucke) aufwiesen.

Der Ruhetonus ist, insgesamt sehr variabel. Schon kleine Veränderungen in den Voraussetzungen können diesen unterschiedlich stark beeinflussen. Die Ausgangsruhedruckmessungen wurden immer vor den Messungen mit einer Stromapplikation durchgeführt. Es ist deshalb denkbar, dass eine Gewöhnung an die Untersuchungssituation zu einer allgemeinen Entspannung und gleichzeitigen Absenkung des Ruhetonus geführt hat. Darüber hinaus ist es denkbar, dass die Erwartung einer Elektrostimulation auch einen Einfluss auf den Ruhetonus hatte.

Obwohl sich signifikante Unterschiede ergeben, sind die Differenzen der Ruhedrücke in den einzelnen Messreihen insgesamt nicht sehr groß. Da ein direkter Einfluss der Stromapplikation auszuschließen ist, ist eher anzunehmen, dass sich der Ruhetonus aufgrund allgemeiner Bedingungen geändert hat. Aus diesem Grund wird der Ruhetonus in dieser Arbeit auch nicht als Parameter herangezogen, um den Einfluss der kurzzeitigen neuromuskulären Elektrostimulation während des Schluckens zu beurteilen.

Vergleich der gemessenen Ruhedruckwerte mit denen anderer Autoren

Im Vergleich liegt der gemessene Ruhedruck der vorliegenden Arbeit mit 38,9 mmHg (+/- 13,8 mmHg) deutlich unter den in der Literatur aktuell diskutierten Werten. So wurde in einer Studie von Mc Culloch et al. ein Ruhedruck des oÖS von 227 mmHg (+/- 100 mmHg) beschrieben (McCulloch et al., 2010). Hierzu ist anzumerken, dass der Autor die Probanden vor Durchführung der Studie mit einer 4 %igen Lidocainlösung gurgeln ließ, was die Sensibilität der Schleimhaut sowie die Motilität und eventuell auch den Sphinktertonus beeinflusst haben könnte, da diese

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50 Werte stark von allen anderen in der Litertur ersichtlichen Daten abweichen. Unter anderem aus diesem Grund wurde bei den eigenen Untersuchungen auf die Verwendung von Lokalanästhetika verzichtet.

Dennoch sind auch die anderen in der Literatur gefundenen Werte höher. So lag der Ruhedruck des oÖS in einer Studie von Pandolfino et al. bei den gesunden Probanden bei 49 mmHg, (Messspanne: 40,3-55,8 mmHg) (Pandolfino et al., 2007), in einer anderen wurde er getrennt für Männer 70,2 mmHg (+/- 30,0 mmHg) und Frauen 61,8 mmHg (+/- 26,7 mmHg) aufgeführt (Takasaki et al., 2008). Kwiatek et al. gaben in Ihrer Arbeit den oÖS Ruhedruck mit 55,7 mmHg an (Messspanne: 26,3- 85,1 mmHg) (Kwiatek et al., 2009). In diesen Studien verwendeten die Autoren alle die Produkte der Firma Sierra Scientific Instruments, Los Angeles, CA, USA und auch die dazugehörige Sonde mit einem Durchmesser von 4,2 mm und 36 circumferent messenden Sensoren. In der vorliegenden Arbeit wurde ein Katheter mit 2 mm und damit wesentlich geringerem Durchmesser verwendet.

Der niedrigere Ruhedruck könnte somit durch den geringeren Sondendurchmesser erklärt werden, der im dauerkontrahierten Sphinkter eine geringere Dehnung auf die Muskulatur ausübt als die bislang verwendeten Sonden und somit auch einen geringeren Einfluss auf den Schlussmechanismus, respektive den Tonus des Sphinkters genommen hat (Dire et al., 2001). Ist dies der Fall, ermöglicht die neue Sondentechnik die Ermittlung von Druckwerten, die den tatsächlichen Sphinktertonus deutlich realitätsgetreuer widerspiegeln. Es ist deshalb anzunehmen, dass die in dieser Arbeit ermittelten Ruhedruckwerte einer genaueren Darstellung der tatsächlichen Druckverhältnisse im oÖS entsprechen als es bisher möglich war.

Dieses gilt auch unter der Betrachtung, dass nur eine unidirektional messende Sonde verwendet wurde. Bei jedem einzelnen Probanden wurde zwar nur in einer Orientierung untersucht, da die Sondenlage aber interindividuell immer unterschiedlich war, sind die ermittelten Werte repräsentativ.

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