A 1246 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 27–28|
7. Juli 2014D
ie jüngste Ärztestatistik der Bundesärztekammer hat es noch einmal bestätigt: Der Anteil von Frauen im Fach Chir urgie ist im Vergleich zu anderen Fächern nicht gerade üppig. Von 33 621 Ärztinnen und Ärzten, die in einem chirurgischen Fach arbeiten (Ortho- pädie und Unfallchirurgie mitein - bezogen; Stand 31.12.2013), sind lediglich 5 969 weiblich. Das sind etwa 18 Prozent. Beliebtere Fach- gebiete bei Frauen sind demgegen- über Frauenheilkunde und Geburts- hilfe sowie Anästhesiologie. Die Chirurgie gilt gemeinhin als ein sehr zeitintensives und daher fami- lienunfreundliches Fach. Das ist in- sofern ein Problem, da in Paarbe- ziehungen Haushalt und Kinderbe- treuung immer noch zum Großteil von den Frauen gestemmt werden.Das lässt sich auch aus den Zah- len ableiten, die Prof. Dr. med.
Hendrik van den Bussche im Rah- men einer Tagung Mitte Juni in Lü- beck zum Thema Familie und Kar- riere in der Chirurgie vorstellte. Die KarMed Studie, die seit 2008 Kar- riereverläufe und Karrierebrüche
von Ärztinnen und Ärzten während der fachärztlichen Weiterbildung abfragt, kommt unter anderem zu dem Ergebnis: Ärztinnen streben insbesondere in Westdeutschland häufiger eine Teilzeittätigkeit an.
Ärztinnen mit Kind haben zudem seltener eine Promotion abgeschlos- sen und „begnügten“ sich eher mit einer Facharzttätigkeit. Demgegen- über strebten mehr Männer eine Oberarztposition an. „Aus unseren Daten kann man herauslesen, dass die Mehrzahl der Frauen schon wäh- rend des praktischen Jahres (PJ) und zu Beginn der Weiterbildung Abstriche bezüglich des berufli- chen Aufstiegs macht“, so van den Bussche. Umgekehrt zeigten die Daten auch, dass Ärzte mit Kindern sogar mehr Dienste leisteten als Ärzte ohne Kinder. Warum dies so ist, darüber lässt sich spekulieren.
Wiedereinstieg strukturieren Um dem Frauenmangel, gerade in der Chirurgie, Abhilfe zu schaffen, hat die Klinik für Allgemeine Chirur- gie am Universitätsklinikum Schles- wig-Holstein (UKSH), Campus Lü-
beck, das von der EU geförderte Pro- jekt FamSurg (family and surgery) durchgeführt. Angestoßen 2011, sollte FamSurg familienfreundliche Strukturen in der Chirurgie eruieren und fördern. Vor allem die Aspekte Arbeitszeitmodelle und Weiterbil- dungsmodalitäten sowie Kinderbe- treuung und Karrieremöglichkeiten wurden in den Fokus gerückt.
Um einer sehr langen Weiterbil- dungszeit in der Chirurgie, bedingt durch Schwangerschaft, Kinderbe- treuung und mangelnde Struktur, entgegenzuwirken, konnten die Projektmitarbeiter in Zusammenar- beit mit der Klinikleitung des UKSH Maßnahmen anregen, die unter anderem eine IT-Unterstüt- zung bei einer Strukturierung der Weiterbildung vorsehen. „Das Im- plementieren von Dokumentations- software hilft sehr gut, genau zu er- kennen, welche Eingriffe der Assis- tenzärztin noch fehlen und den Überblick zu behalten“, sagte Sarah Prediger, die im Projekt für die Weiterbildungsstrukturierung zu- ständig ist. Zu dem Maßnahmebün- del gehören auch interne und exter- ne Weiterbildungskurse, wie bei- spielsweise ein monatliches Lapa- roskopie-Training und die Nutzung von Onlineangeboten zur OP-Leh- re, wie beispielsweise XOPE.
Wie wichtig flexible Arbeitszeit- modelle und eine variable Kinder- betreuung sind, betonte zudem die Personaldezernentin des UKSH, Claudia Haase. Klinikpersonaler sowie Ärztinnen, die nach einer El- ternzeit wieder in den Beruf einstei- gen wollen, sollten sich nicht dar - auf versteifen, dass eine Teilzeitar- beit nur Montag bis Freitag von 8.00 bis 12.00 Uhr stattfinden kön- ne. Prof. Dr. phil. Dorothee Alfer- mann, Projektleiterin der KarMed- Studie an der Universität Leipzig, zog den Schluss, dass Frauen gene- rell vorsichtiger seien, was die Kar- riere anginge und eher in Etappen dächten. Nach dem PJ sagten nur we- nige, sie wollten irgendwann Chef- arzt werden. „Folgt nach der Wei- terbildung eine Oberarztposition, könnten sich schon sehr viel mehr Frauen vorstellen, auch Chefarzt zu werden“, sagte Alfermann.
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Johanna Protschka
Foto: picture alliance
FRAUENANTEIL CHIRURGIE
Frauen planen in Etappen
In der Klinik für Allgemeine Chirurgie am Campus Lübeck sucht man nach Wegen, Ärztinnen das berufliche Vorankommen zu erleichtern.