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Archiv "Seehofers Modell – Schweizer Modell" (04.07.2003)

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P O L I T I K

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A1848 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 274. Juli 2003

an einer qualitativ hochwertigen Ver- sorgung interessiert4. Man möchte sich auf die Kompetenz des Arztes verlas- sen können. „Man setzt Vertrauen in seinen Hausarzt, sonst wäre man bei ihm verkehrt.“ Hinzu kommt, dass in dem gegebenen Sachleistungssystem das persönliche materielle Interesse fehlt, sich mit Kostenfragen auseinan- der zu setzen.

Höhere Transparenz

Mit der Diskussion um die Patienten- quittung gewinnen die Ansätze zur Par- tizipation der Patienten im Gesund- heitswesen neue Aufmerksamkeit. Pati- enten sind heute besser informiert als je zuvor, sie organisieren sich zum Bei- spiel in Selbsthilfeorganisationen, be- nennen Schwachstellen in der Versor- gung und fordern Transparenz5.

Auf jeden Fall ist es wichtig, den ge- stiegenen Bedürfnissen der Patienten nach mehr sachlichen und transparen- ten Informationen Rechnung zu tragen, wenn sich die geforderte stärkere Ei- genverantwortung von Patienten nicht in einer höheren Selbstbeteiligung er- schöpfen soll. In diesem Sinne kann die Patientenquittung zur Transparenz des Leistungs- und Abrechnungsgesche- hens beitragen. Die Träger des Modell- versuchs stimmen darin überein, die technischen Voraussetzungen zum Aus- druck einer Patientenquittung in allen Arztpraxen zu schaffen, aber die Ausga- be vom ausdrücklichen Wunsch des Pa- tienten abhängig zu machen. Einigkeit herrscht darüber, dass eine bundeswei- te verpflichtende Einführung einer Pa- tientenquittung aus finanziellen und or- ganisatorischen Gründen nicht zu emp- fehlen ist.

Anschrift der Verfasser:

Maria Rita Meye, Dr. rer. soc. Heinz Koch Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung Höninger Weg 115, 50969 Köln

4Hart, D., Franke, R.: Patientenrechte und Bürger- beteiligung – Bestand und Perspektiven, in: Bundes- gesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheits- schutz, 1/2002, 45, Seite 14.

5Stötzner, K.: Was wollen Patienten wirklich? Mängel be- seitigen – Gesundheitsziele entwickeln. Qualitätsanfor- derungen an die gesundheitliche Versorgung aus Pa- tientensicht. Berliner Mängelliste, in: NAKOS-INFO 67, Juni 2001, Seite 38 ff.

D

ie politische Diskussion über die Einführung einer steuerfinan- zierten Grundrente hat durch den überraschenden Vorstoß des stellver- tretenden CSU-Vorsitzenden Seehofer, allen Bürgern eine Grundrente von 410 Euro zu zahlen, neuen Auftrieb erhal- ten. Dieser Vorschlag bezieht sich auch auf die über die berufsständischen Ver- sorgungswerke gesicherten Freiberuf- ler. Auch wenn Seehofers Stellung als sozialpolitischer Sprecher der Union geschwächt erscheint, so wäre es falsch, die politischen Konsequenzen dieses Vorstoßes zu unterschätzen. Seehofer hat eine Diskussion angestoßen, die rasch an politischer Brisanz gewinnen

könnte, jedenfalls dann, wenn weder die Koalition noch die Union weiterhin ein mehrheitsfähiges, sozial und finan- ziell tragfähiges Konzept für die Re- form der gesetzlichen Rentenversiche- rung anbieten.

Stichwort

„Bürgerversicherung“

Seehofer kann mit breiter Unterstüt- zung aus dem Lager der Gewerkschaf- ten und der Grünen rechnen. „Bürger- versicherung“ ist hier das Stichwort. Ei- ne eher positive Reaktion hat es auch von Arbeitgeberseite gegeben. In dieser

Versorgungswerke

Seehofers brisanter Vorstoß

Grundrente auch für Freiberufler? DGB, Arbeitgeber, Grüne und Stoiber unterstützen den Plan. Staatsrente wäre kaum mit Versorgungsrente zu verrechnen.

Seehofers Modell

Grundrente

Wer 65 Jahre alt ist und mehr als 30 Jahre in Deutschland gelebt hat, erhält eine Rente von monatlich 410 Euro, was in etwa der Leistung der Sozialhilfe entspräche. Gesetzliche Ren- ten, Beamten- und Politikerpensionen werden um diesen Betrag gekürzt. Die Basisrente würde damit durch die weiterhin aus Umla- gen zu finanzierende gesetzliche Rente er- gänzt, deren Niveau jedoch abgeschmolzen würde.

Finanzierung

Jeder zahlt von seinem steuerpflichtigen Ein- kommen eine Abgabe von 4 bis 5 Prozent. Das gilt nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Beamte, Selbstständige, Freiberufler und Landwirte. 40 Prozent der bisherigen Bundes- zuschüsse sollen zur Finanzierung der Grund- rente beitragen; 60 Prozent davon kämen weiterhin der Rentenversicherung zugute. Der Beitrag der Versicherten und der Arbeitgeber zur Rentenversicherung könne um jeweils 4 Prozent gesenkt werden, schätzt Seehofer.

Schweizer Modell

Beitragspflichtig sind alle in der Schweiz an- sässigen Bürger. Der Beitrag summiert sich auf 10,1 Prozent der Erwerbseinkommen, von denen bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber die Hälfte übernimmt. Selbstständige zahlen nach Einkommen gestaffelt zwischen 5,1 und 9,5 Prozent. Die Sockelrente beträgt je nach Dauer der Beitragszahlung zwischen 715 und 1 430 Euro; das ist weniger als das offizielle Existenzminimum. Die erste Säule wird durch obligatorische kapitalgedeckte Betriebsren- ten ergänzt. Die Renteneinkommen werden dadurch auf etwa 60 Prozent der letzten Brut- toeinkommen angehoben. Entscheidend ist jedoch der angesparte Kapitalbetrag. Minde- stens die Hälfte der Beiträge haben die Ar- beitgeber zu leisten. Zusätzlich wird die priva- te Altersvorsorge, der Höhe nach begrenzt, von der Steuer freigestellt. Die Finanzierung der Sockelrente ist längerfristig nur über die Anhebung der Mehrwertsteuer um drei Pro- zentpunkte zu sichern. Der Kurssturz an den Börsen bringt auch das System der betriebli- chen Vorsorge in Schwierigkeiten. Kg

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Frage hat Seehofer offensichtlich auch die Rückendeckung seines Parteivorsit- zenden Stoiber, der eine „Bürgerversi- cherung“ nur für die Krankenversiche- rung abgelehnt hat. Auch die Arbeit- nehmergruppen von CSU und CDU, die CDU-Politiker Biedenkopf und Miegel sowie mehrere katholische Ver- bände unterstützen Seehofer. In der CDU ist sein Vorschlag allerdings (der- zeit noch?) nicht mehrheitsfähig. See- hofer hat offensichtlich in der Herzog- Kommission keine Unterstützung er- fahren. Deshalb dürfte er die Öffent- lichkeit gesucht haben, um seine Pläne voranzubringen. Auch in der SPD gibt es Anhänger solcher Überlegungen. So- zialministerin Schmidt und „Sozial- papst“ Rürup halten diese Vorschläge jedoch für nicht finanzierbar, was eine realistische Einschätzung sein dürfte.

Seehofer schlägt vor, ein Element des „Schweizer Modells“ in das deut- sche Alterssicherungssystem einzu- bauen. Er will eine etwa der Sozialhilfe entsprechende Grundrente einführen und diese durch eine steuerähnliche Abgabe sowie mit Bundeszuschüssen finanzieren. Diese Abgabe, die perso- nenbezogen wäre und sich am steuer- pflichtigen Einkommen orientierte, hätten nicht nur Arbeitnehmer, son- dern auch Beamte, Selbstständige, Landwirte und Freiberufler zu zahlen.

Sie erhielten damit auch Ansprüche auf Grundrenten; diese würden aller- dings auf die bisherigen gesetzlichen Renten angerechnet. Seehofer, der in der Vergangenheit mit Norbert Blüm das bestehende Rentensystem vertei- digt hat, geht jetzt Arm in Arm mit Bie- denkopf und Miegel den Weg zur steu- erfinanzierten Grundrente.

Das deutsche „3-Säulen-Modell“ wür- de nach Seehofers Plänen eine neue Struktur erhalten: Die steuerfinanzierte Grundrente deckt einen knapp bemes- senen Mindestbedarf; sie würde damit zur ersten Säule des Alterssicherungs- systems. Die gesetzliche Rente, bislang die einkommensbezogene Basissiche- rung, würde der zweiten Säule zugeord- net und im Niveau deutlich abgesenkt;

sie erhielte damit den Charakter einer obligatorischen durch Beitragsumlagen finanzierten Zusatzsicherung. Zur drit- ten Säule würde dann die kapitalbil- dende und steuerlich begünstigte Vor-

sorge – Riester-Renten, Betriebsrenten, Renten von Lebensversicherungen und Fonds – zählen. Die darüber hinausge- hende private und kapitalbildende Vor- sorge würde nicht gefördert.

Die kurzfristig oder schrittweise an- gestrebte Umstellung des Systems ist nicht als Beitrag zur Verringerung der fi- nanziellen Probleme zu werten, die sich aus der demographischen Entwicklung ergeben. Die rasant wachsende Renten- last würde nur anders verteilt. Mit einer massiven Ausweitung der sozial moti- vierten Umverteilung will Seehofer das Alterssicherungssystem finanziell und vor allem politisch stabilisieren. Die Ze- che hätten die Bezieher mittlerer und höherer Einkommen zu zahlen. Wenn dieses System erst einmal etabliert wäre, so stünde die Politik ständig unter dem Druck, die zunächst relativ niedrigen Grundrenten laufend zu erhöhen. Die Lohndynamik würde durch eine Dyna- mik nach Kassenlage und Wahlterminen ersetzt. Ein solches System verdient kein Vertrauen; es bietet den Bürgern keine Sicherheit für ihr Alter. Wer Ab- gaben und Leistungen beliebig bemisst oder durch private Eigenvorsorge er- worbene Einkommen auf andere Sozi- alleistungen anrechnet oder in die Bei- tragsbemessung einbezieht, der demoti- viert die Bürger, mehr für die unver- zichtbare zusätzliche private und kapi- talbildende Vorsorge zu tun.

Charakter einer Zusatzversorgung

Für die Freiberufler stellt sich die Frage, ob und wie sie und ihre Versorgungs- werke gegebenenfalls in dieses System einzubeziehen sind. Wie die Rentenver- sicherung so wäre bei Verwirklichung dieser Pläne die berufsständische Ver- sorgung nicht mehr der ersten, sondern der zweiten Säule des Alterssicherungs- systems zuzurechnen. Sie erhielte also den Charakter einer Zusatzversorgung.

Dem heutigen gegliederten System der Sozialversicherung ist sicherlich kein Verfassungsrang einzuräumen; der Gesetzgeber bleibt prinzipiell frei, es durch andere Regelungen abzulösen.

Doch setzen dem Gesetzgeber die Verfassungsgrundsätze des Eigentums- schutzes, des Vertrauensschutzes und

der Verhältnismäßigkeit der Eingriffe deutlich Grenzen. Sollten jedoch Be- amte, Selbstständige und Landwirte in das Grundrentensystem einbezogen werden, so wäre die Politik wohl kaum dazu zu bringen, die Freiberufler mit ihrem eigenständigen, ausschließlich beitragsfinanzierten und kapitalbilden- den System vom Grundrentensystem auszunehmen.

Verfassungsrechtliche Einwände

Allerdings stieße der Gesetzgeber an seine Grenzen, wenn er vorschriebe, die Leistungen der Versorgungswerke wie die Sozialrenten und Beamtenpensio- nen um die Grundrente zu kürzen. Bei den Systemen der Sozialrentner, der Beamten und der Landwirte dürfte die Verrechnung der Leistungen mit der Grundrente keine unüberwindbaren verfassungsrechtlichen Probleme auf- werfen. Es handelt sich um Systeme, die nicht nur mit Beiträgen, sondern zu ei- nem hohen Anteil oder sogar ganz aus dem allgemeinen Steueraufkommen fi- nanziert werden. Die Versorgungswer- ke nehmen dagegen keine Bundeszu- schüsse in Anspruch. Renten und An- wartschaften sind weitgehend durch Kapital gedeckt; außerdem werden im offenen Deckungsplanverfahren die Einnahmen und Ausgaben der Versor- gungswerke in den folgenden Jahrzehn- ten jeweils aktuell in die Beitragskalku- lation einbezogen. Der Alterung der Gesellschaft wird damit schon heute zu- verlässig Rechnung getragen.

Die berufsständische Versorgung ist ein System mit Gruppenäquivalenz, in dem jeder Beitrag zu entsprechenden Leistungen führt. Es wäre verfassungs- rechtlich kaum zu rechtfertigen, solche Renten und Anwartschaften, die aus- schließlich auf Beiträgen der Frei- berufler beruhen, mit den durch eine Sonderabgabe und staatliche Zuschüs- se finanzierten Grundrenten zu ver- rechnen. Die verfassungsrechtlichen Hürden einer solchen Operation wären jedenfalls sehr hoch, zumal die Ver- sorgungswerke damit gezwungen wür- den, ihr auf Ländergesetzen beruhen- des Beitrags- und Leistungsrecht neu zu justieren. Walter Kannengießer P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 274. Juli 2003 AA1849

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