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Archiv "Biomonitoring zur Erfassung umwelt- und arbeitsbedingter Schadstoffbelastungen: Schlusswort" (24.07.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 30⏐⏐24. Juli 2009 507

M E D I Z I N

Summe aus vielen Faktoren

Die hämatotoxische Wirkung, die eine Grundlage für das Biomonitoring ist, stellt nur einen der vielen bekannten Pathomechanismen von Blei dar. Auch die Schädigung der Beta-Rezeptoren und des Renin-Angiotensin-Aldo- steron-Systems mit daraus folgender Erhöhung des arteri- ellen Blutdrucks ist bekannt (1), wird im Human Biomo- nitoring aber nicht berücksichtigt. Immerhin wird die blut- druckerhöhende Wirkung von Blei seit über 120 Jahren beobachtet und war für die amerikanische Umweltschutz- behörde Anlass genug im März 2007 einen systemati- schen Überblick über die herz-kreislaufschädigende Wir- kung von Blei mit 130 Quellenangaben zu veröffentlichen (2). Dies sollte auch in Deutschland Beachtung finden.

In dem Artikel wird immer wieder deutlich, dass die Summe vieler Einflussfaktoren, die negativen Auswirkun- gen eines Schadstoffes beeinflussen kann. Darauf hat auch Emely F. Madden von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) hingewiesen. Am Ende eines Überblicks über die Rolle der Interaktionen multipler um- welt- oder arbeitsbedingter Schwermetallbelastungen bei der Entstehung von Krebserkrankungen kommt sie zu dem Schluss, dass die gemeinsame Wirkung verschiede- ner Metalle größer sein kann, als die Summe ihrer Einzel- wirkungen (3). Warum also kann die Summationswirkung verschiedener Metalle, die alle im Normbereich liegen, nicht auch zur Krankheitsentstehung beitragen? Diesen Aspekten der chronischen und komplexen Schwermetall- und Schadstoffbelastungen wird meines Erachtens nicht genügend Aufmerksamkeit entgegengebracht, um einen umfassenden Schutz der Bevölkerung, insbesondere von Kindern und bereits kranken Menschen, zu gewährleisten.

DOI: 10.3238/arztebl.2009.0507a

LITERATUR

1. Tsao DA, Yu HS, Cheng JT, Ho CK, Chang HR: The change of β-adrenergic system in lead-induced hypertension. Toxicol Appl Pharmacol 2000; 164(2): 127–33.

2. Navas-Acien A, Guallar E, Silbergeld EK, Rothenberg SJ: Lead exposure and cardiovascular disease—a systematic review.

Environ Health Perspect 2007; 115: 472–82.

3. Madden EF: The role of combined metal interactions in metal carcinogenesis: a review. Rev Environ Health 2003; 18(2): 91–109.

4. Budnik LT, Baur X: The assessment of environmental and occupational exposure to hazardous substances by biomonitoring [Biomonitoring zur Erfassung umwelt- und arbeitsbedingter Schadstoffbelastungen].

Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 91–7.

Peter Jennrich

Marienstraße 1, 97070 Würzburg E-Mail: peter_jennrich@yahoo.de

Epidemiologischer Nutzen

Der Wert eines gewerblichen Biomonitorings zur Über- prüfung der Einhaltung von Arbeitsplatzgrenzwerten, der Ermittlung des quantitativen Zusammenhangs zwischen äußerer und innerer Exposition sowie zur Diagnose von Erkrankungen, welche durch akute Schadstoffeinwirkun- gen verursacht werden, ist unbestritten. Auch in epidemio- logischen Studien kann ein Biomonitoring zur Ermittlung von Gruppenunterschieden zwischen hoch und niedrig ex- ponierten Personen genutzt werden, um durchschnittliche Schadstoffkonzentrationen aufgrund chronischer Belas- tungen näher zu beschreiben.

Im Hinblick auf die Beurteilung von Gesundheitsrisi- ken für chronische Erkrankungen mit langer Induktions- zeit durch diese Expositionen greift die Darstellung im Ar- tikel zu kurz. Bei derartigen Erkrankungen, wie zum Bei- spiel den meisten Krebsentitäten, ist die Bedeutung eines Biomonitorings eher untergeordnet (1). Länger zurücklie- gende Expositionen können aufgrund kurzer Halbwertzei- ten der meisten Stoffe in aller Regel nicht oder nur unter Zuhilfenahme komplexer mathematischer Modelle im Biomonitoring abgeschätzt werden.

Für die Bewertung dieser Expositionsszenarien stehen der Arbeitsplatzepidemiologie verschiedene Methoden zur Verfügung, mit denen Risiken auch im historischen Kontext untersucht werden können. Hierzu können zum Beispiel verschiedene Datenquellen wie Registerdaten, Archivmaterialien, Experteneinschätzungen und persönli- che Einschätzungen der Arbeitnehmer zusammen mit bio- logischen Parametern beziehungsweise Arbeitsplatzmes- sungen in Job-Expositions-Matrizen kombiniert werden, welche eine automatisierte Einstufung historischer Expo- sitionen zur Bewertung von Gesundheitsrisiken im Rah- men epidemiologischer Studien erlauben.

DOI: 10.3238/arztebl.2009.0507b

LITERATUR

1. Ahrens W, Behrens T, Mester B, Schmeißer N: Epidemiologie in der Arbeitswelt. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesund- heitsschutz 2008; 51: 255–65.

2. Budnik L T, Baur X: The assessment of environmental and occupational exposure to hazardous substances by biomonitoring [Biomonitoring zur Erfassung umwelt- und arbeitsbedingter Schadstoffbelastungen].

Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 91–7.

Dr. med. Thomas Behrens, MPH Dr. med. Birte Mester, MPH Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin

Universität Bremen Linzer Straße 10 28359 Bremen

E-Mail: behrens@bips.uni-bremen.de

Schlusswort

Die äußerst komplexen Interaktionen, die bei Mehrfach- belastungen gegenüber Schadstoffen auftreten können, weisen noch viele Fragestellungen und Unbekannte auf, wobei – bezogen auf die einzelnen Umweltnoxen nicht zu dem Beitrag

Biomonitoring zur Erfassung umwelt- und arbeitsbedingter Schadstoffbelastungen

von PD Dr. rer. nat. Lygia T. Budnik, Univ.-Prof. Dr. med. Xaver Baur in Heft 6/2009

DISKUSSION

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508 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 30⏐⏐24. Juli 2009

M E D I Z I N

unbedingt Norm-/Richtwert-Abweichungen vorliegen müssen, zum Beispiel bei Belastung durch verschiedene Schwermetalle. Hier sind additive, überadditive, even- tuell auch antagonistische Wirkungen möglich, aber erst ansatzweise untersucht. Blei hat, wie eingehende neue- re Studien zeigen, in der Tat neben seiner gut bekannten neuro- und hämatotoxischen Wirkungen eine Vielzahl weiterer adverser Effekte. Ein rechtzeitiges sensitives Biomonitoring kann dazu beitragen, die diesbezügliche ätiologische Klärung herbeizuführen, krankheitsur- sächliche Bleibelastung zu bestätigen oder auch auszu- schließen.

Expositions-Biomonitoring allein ist in der Regel zur Risikoabschätzung und Ursachenermittlung einer Er- krankung bei lange zurückliegender Exposition nicht weiterführend. Wie in unserer Veröffentlichung darge- legt, kann biochemisches und biologisches Effekt- Monitoring (u. a. DNA-/Protein-Adduktbildung, Chro- mosomenaberration [1, 2]) aber Langzeiteffekte auf- zeigen, und auch zu wichtigen neuen Kenntnissen über Dosis-Wirkungs-Beziehungen auf molekularer Ebene führen. Oft erlauben diese validierten toxikologischen Daten im Verbund mit anderen Verfahren, zum Beispiel arbeitsepidemiologischen Abschätzungen früherer Expo- sitionen, und adäquaten mathematischen Modellen ge- nauere Risikoermittlungen.

Wichtig ist, die Interpretation solcher Biomonitoring- Ergebnisse im Kontext mit klinischen Befunden vorzu- nehmen. Bei der Bewertung kanzerogener Effekte müssen neben den langen Latenzzeiten die individuelle Suszep- tibilität und Synkanzerogenese-Aspekte berücksichtigt werden. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufs- krankheiten“ hat kürzlich empfohlen, das Zusammenwir- ken von zwei beruflichen Kanzerogenen (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Asbestfasern) in der Berufskrankheitenliste zu verankern (3).

Das klassische Expositionsmonitoring kann in Lang- zeitstudien angewandt werden, um zum Beispiel persistie- rende bioverfügbare Substanzen zu untersuchen, die wir aus der Umwelt aufnehmen und die im Körper angerei- chert werden. Die amerikanische Umweltbehörde (Envi- ronmental Protection Agency) und die WHO führen groß angelegte Biomonitoring-Studien durch, um die Hinter- grundbelastung der Bevölkerung durch diese Schadstoffe zu untersuchen (4). DOI: 10.3238/arztebl.2009.0508a

LITERATUR

1. Norppa H, Bonassi S, Hansteen IL et al.: Chromosomal aberrations and SCEs as biomarkers of cancer risk. Mutat Res 2006; 600: 37–45.

2. Sabbioni G, Jones CR, Sepai O et al.: Biomarkers of exposure, effect, and susceptibility in workers exposed to nitrotoluenes. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2006; 15(3): 559–66.

3. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“ beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Wissenschaftliche Begrün- dung für die Berufskrankheit „Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasser- stoffen“. GMBl 2007; 23: 474ff.

4. Food Safety, Foodborne Diseases and Zoonoses Department World Health Organization. Fourth WHO-coordinated survey of human milk for persistent organic pollutants in cooperation with UNEP.

http://www.who.int/foodsafety/chem/POPprotocol.pdf

5. Budnik LT, Baur X: The assessment of environmental and occupational exposure to hazardous substances by biomonitoring [Biomonitoring zur Erfassung umwelt- und arbeitsbedingter Schadstoffbelastungen].

Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 91–7.

Univ.-Prof. Dr. med. Xaver Baur PD Dr. rer. nat. Lygia T. Budnik

Ordinariat für Arbeitsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin

Seewartenstraße 10 20459 Hamburg

E-Mail: Baur@uke.uni-hamburg.de

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Beiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

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