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Archiv "Triest: „Abstellkammer der Zeit“" (24.04.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 17⏐⏐24. April 2009 A831

D

u weißt, dass ich Slawe, Deutscher, Italiener bin“, schreibt der triestinische Schriftstel- ler Scipio Slataper (1888 bis 1915).

Triest ist eine Stadt im „Grenzgebiet der Kulturen“ – so drückt es sein Kollege Claudio Magris aus, der seit Langem hier lebt. Friaul-Julisch Ve- netien heißt die Region, deren Hauptstadt Triest ist. Dabei gehört der größte Teil des Gebietes, das man einmal Venezia Giulia nannte, heute zu Slowenien und Kroatien.

Ursprünglich ist Triest italie- nisch, obwohl es geografisch nicht zur Apennin-, sondern zur Balkan- halbinsel gehört. Nach zermürben- den Kämpfen mit Venedig stellt die Stadt sich 1382 unter die Herrschaft der Habsburger. Da zählt sie 5 000 Einwohner. Mithilfe des österreichi- schen Kaiserhauses entwickelt der Ort sich im 18. und 19. Jahrhundert

zur Handels- und Finanzmetropole.

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs gewinnt Italien einen Hafen, den es nicht braucht, und Österreich ver- liert seinen Zugang zum Meer. 1945 beanspruchen Titos Partisanen die Stadt, und eine jahrzehntelange Un- gewissheit beginnt. Erst 1975 wird die italienisch-jugoslawische Gren- ze festgelegt – seitdem gehört Triest endgültig zu Italien.

Heute zählt die Stadt gut 200 000 Einwohner und verfügt über eine le- bendige Universität. Die mächtigen Paläste an der zum Meer offenen, weitläufigen Piazza dell’Unità d’Ita- lia erinnern eher an Österreichs Hauptstadt als an einen Ort in Italien.

Mediterranes Flair erwartet man hier vergebens. Lediglich der Palazzo Pit- teri stammt aus dem späten 18. Jahr- hundert, alle anderen den Platz um- rahmenden Gebäude sind jünger.

Wie Venedig hat auch Triest einen Canal Grande. Doch fahren auf ihm keine Gondeln. Im 18. Jahrhundert bildete er den Mittelpunkt des von Maria Theresia geplanten Borgo (=

Vorstadt) Teresiano; heute liegen an seinen Ufern Fischerboote. Vom Meer kommend, ist er genauso breit wie die Kirche Sant’Antonio, an de- ren Stufen er ursprünglich endete – ein schönes Beispiel für gelungene klassizistische Stadtplanung. Keine hundert Meter entfernt, vermittelt die serbisch-orthodoxe Kirche San Spiridione einen Hauch von Orient.

Triest – das ist auch eine Haupt- stadt europäischer Literatur. Der Kaufmann Ettore Schmitz alias Italo Svevo schreibt hier unerkannt seine ersten beiden Romane „Una Vita“

und „Senilità“. Erst James Joyce macht den Zweifelnden auf sein Ta- lent aufmerksam. Von 1905 bis 1915 lebt der Ire in Triest und ist eng mit Svevo befreundet. Immer wieder stößt der Besucher auf Bronzefigu- ren der bedeutenden Triester Dichter.

Das Psychiatrische Krankenhaus von Triest liegt etwas außerhalb am Berg. Als San Giovanni 1908 eröff- net wird, ist Triest gerade dabei, Sigmund Freud zu entdecken. Mit Freuds Schüler Edoardo Weiss er- lebt die Psychoanalyse eine Blüte- zeit. Anfang der 70er-Jahre ist der Arzt Franco Basaglia Vorreiter einer tief greifenden Psychiatriereform, 1971 übernimmt er die Leitung von San Giovanni. Heute haben die Pa- villons der Klinik neue Bewohner:

Studenten, einige Institute der Tries- ter Universität, Beratungsstellen für Suchtkranke. „La libertà è terapeuti- ca“ steht an einer Mauer und erin- nert an den Aufbruch vor gut 30 Jah-

ren. I

Christof Goddemeier

BUCHTIPPS:

1. K. Zimmermanns, A.C. Thiel: Friaul und Triest. Köln 1994.

2. S. Schaber: Logenplätze in Friaul und Triest.

Wien 2008.

TRIEST

„Abstellkammer der Zeit“

Eine literarische Hauptstadt in Europa

Canal Grande:

ein Beispiel für gelungene klassizistische Stadtplanung

Venezianische Tradition:Die Ur- sprünge der zahlrei- chen Kaffeehäuser gehen auf das 18.

Jahrhundert zurück, als nach dem Bei- spiel Venedigs die ersten „botteghe da caffee“ eröffneten.

Foto:picture-alliance/akg

Foto:Visum

K U LT U R

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