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Ansonsten hatte ich keine so tollen Erlebnisse mit der Schule.

Sportfeste habe ich sehr genossen und auch gerne mit vorbereitet.

Die Bundesjugendspiele oder ‚Jugend trainiert für Olympia‘ – das war zum Schuljahresabschluss ein Ereignis, das ein bisschen mit der Schule versöhnt hat.

Denken Sie, dass sich der Schulalltag im Vergleich zu Ihrer Schulzeit verändert hat? Wenn ja, inwiefern? Gab es zum Beispiel Ge- walt?

Da hat sich ganz viel geändert. Zu meiner Schulzeit und in Reinbek, wo ich aufgewachsen bin, war das eine relativ homogene

Gruppe. Es gab hin und wieder Probleme mit Drogen an der Schule, wo wir auch die Polizei vor Ort hatten, mit Diskussionen und Auseinander- setzungen. Aber richtige Gewalt kannte ich nicht. Der Schulalltag war straff organisiert und traditionell: Halbtagsschule mit Stundenplänen, Unterricht und Lehrern. Es gab all das nicht, was die Schule heute auch ausmacht. Die vielfältigen Projekte und Arbeitsgruppen, Erzieher oder Sozialpädagogen. Beim Eintritt in die Schule konnte man schon sagen, wie es in den nächsten Jahren laufen wird. Also auch relativ langweilig.

Wie sind Sie zum Beruf der Bezirksstadträtin für Bildung und Kultur gekommen?

Es ist ja nicht mein erlernter Beruf, und ich habe zunächst als Naturwissenschaftlerin in der Forschung gearbeitet. Aber schon als Schülerin habe ich mich in der Partei engagiert und bin mit 18 Jahren in die SPD eingetreten. Anfang der 90er Jahre, als ich nach Berlin gezogen bin, habe ich den Ortsverein aufgesucht und mich da sehr wohl gefühlt; eine Menge Leute kennen gelernt, mit denen ich etwas unternommen und gerne diskutiert habe.

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Wo bist Du geboren? Wo aufgewachsen?

In einem Dorf in Anatolien. Bis zu meinem achten Lebensjahr habe ich dort gelebt, dann bin ich nach Berlin gezogen, gleich in den Pankstraßen-Kiez.

Wie ist Dein beruflicher Werdegang verlaufen?

Schon als Kind wollte ich Architektin werden. Auf der Oberschu- le hat mir die Lehrerin aber vom Studium abgeraten. Da habe ich eine Ausbildung als Technische Zeichnerin gemacht, und hät- te in dem Betrieb weiterarbeiten können. Aber meine Mutter hat mir und meinen vier Schwestern immer gesagt: „Wer nicht studiert, muss heiraten!“ Also habe ich das Fachabitur gemacht und an der Technischen Fachhochschule studiert.

Wie bist Du ins Quartiersmanagement Pankstraße gekommen?

Zu Fuß.

Seit wann arbeitest Du hier?

Seit Februar 2002. Nach dem Studium habe ich in einem Inge- nieurbüro gearbeitet, anschließend in einer Baumaßnahme im Soldiner-Kiez. Als die auslief, hat man mir eine feste Stelle ange- boten: entweder im QM Soldiner-Kiez oder im QM Pankstraße.

Welche Bereiche gehören zu Deinem Arbeitsgebiet?

Eigentlich alles. Besonders aber Bauprojekte und Projekte mit Frauen. Natürlich bin ich auch Ansprechpartnerin für Mi- granten.

Welches sind Deine Lieblingsaufgaben?

Mit den Bewohnern Häuser, Höfe, oder Spielplätze gestalten, ihnen das Gefühl geben, etwas verändern zu können.

Was würdest Du im Quartier gerne abschaffen?

Die Vorurteile, den Dreck und die Männercafés!

Was würdest Du hier gerne einführen?

Viele gut bezahlte Arbeitplätze für Frauen. Es ist ja immer noch ungewöhnlich, eine Frau mit Kopftuch in einem Büro zu sehen - und zwar ohne Besen in der Hand.

Was machst Du in Deiner Freizeit?

Ich fahre zu meiner Familie oder pflege unseren Hinterhof.

Abends male oder nähe ich und genieße die restliche Zeit mit meiner Katze Dilara.

Vielen Dank!

W H O ‘ S W H O I M Q M

Die drei QuartiersmanagerInnen bilden die Brücke zwischen den Bewohnern des Quar- tiers Pankstraße und dem Bezirksamt sowie den entsprechenden Landesbehörden.

Sükran Altunkaynak, Christian Luchmann und Susanne Walz koordinieren und organi- sieren die verschiedenen Bürgerkomitees, beraten, planen und entwickeln gemein- sam mit den Anwohnern, Initiativen und Institutionen im Quartier neue Ideen und Projekte zur Verbesserung des Stadtteils.

Der zweite Teil unseres kleinen „Who‘s who“ im QM stellt Sükran Altunkaynak vor.

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R I C H T I G S T E L L U N G

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Auf der Titelseite der QUARTIER-Ausgabe Nr. 2/07 haben wir ein Graffiti mit dem Spruch „Wedding ist killer Bezirk 65“

abgebildet. Da es Anfragen gab, was ein Wort wie „killer“ in einer Quartierszeitung zu suchen habe, hier die Auflösung der Jugendlichen vom DRK-Jugendladen Wedding, mit denen wir die Ausgabe gemeinsam gestaltet hatten.

„Wedding ist killer Bezirk 65: Wir meinen damit, dass es ein- fach ein geiler Bezirk ist; wir meinen nichts mit killen, töten und so was. In unserer Jugendsprache ist es ein normales, positives Wort. Es tut uns leid, wenn Sie es falsch verstanden haben.“ Khaled | 2.7.07

SEITE 2 QUARTIER INTERN

IMPRESSUM

Herausgeber L.I.S.T GmbH - Quartiersmanagement Reinickendorfer Straße | Pankstraße Redaktion Michaela Nolte | Barbara Caveng © Texte: bei den Autoren V.i.S.d.P Christian Luchmann | L.I.S.T GmbH QUARTIER Prinz-Eugen-Str.1 13347 Berlin

Tel 030 74 74 63 47 Fax 030 74 74 63 49 Email qm-pank@list-gmbh.de www.pankstrasse-quartier.de Grafik | Satz Barbara Caveng

Druck Union Druckerei Berlin

gefördert durch die Europäische Union, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“

G E H E I M N I S V O L L E B O T S C H A F T E N I N D E R S C H Ö N W A L D E R S T R A S S E

Maya-Hieroglyphen in leuchtenden Farben zieren seit diesem Sommer die Fassade der Jugendkunstschule. Nachdem das alte Graffiti Risse bekommen hatte, haben Jugendliche aus dem Quartier mit der Künstlerin Sabine Zeller eine neue Wandgestal- tung entworfen. Gemeinsam wurden Bücher über die altindia- nische Kultur der Maya durchforstet, Symbole entwickelt und Skizzen entworfen. Die überarbeiteten Entwürfe wurden dann im Maßstab 1 zu 10 auf die Wand übertragen und in fünf Far- ben ausgemalt. Schon während der Arbeit bekamen die Nach- wuchsmaler viel Lob von Passanten und Anwohnern, denn das Ergebnis ist ein wahrer Lichtblick in der Schönwalder Straße.

Einige Impression und weitere Informationen finden Sie auf Seite 8.

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Überlastete Lehrer, schuldistanzierte Jugendliche und Eltern, die ihren erzieherischen Aufgaben nicht mehr nachkommen können, bestimmen den Schulalltag. Bei den vielschichtigen Konfliktlagen ist die Schulsozialarbeit nicht mehr wegzudenken.

Von Michaela Nolte 2005 wandten sich die Direktoren der Theodor-Plievier-Schule und der Oberschule am Brunnenplatz an das Quartiersmanagement Pankstraße und forderten eine Un- terstützung ihrer Lehrerkräfte. Ein Hilfegesuch, nicht so medienwirksam wie das der Rütli-Schule, aber dennoch effektiv: Im April 2006 startete der Jugendhilfeträger

„casablanca“ das „Schulnetz“, dem auch die Herbert-Hoover-Oberschule angeschlos- sen ist.

Nach dem Eklat um die Neuköllner Schu- le, wurde für jede Hauptschule ein So- zialarbeiter bewilligt.

„Das reicht aber nicht aus“, sagt Karl Reismüller, Direktor der Oberschule am Brunnenplatz. „Da- rum haben wir uns zusammengeschlos- sen, um die schul- basierte Sozialarbeit zu stärken, auch den Lehrern gegenüber.“

Das von „casablanca“

entwickelte Konzept setzt denn auch auf ein eng vernetztes, multikulturelles Team.

Fünf Diplom-Sozial- arbeiter arbeiten mittlerweile im

„Schulnetz“. Sie bilden Konfliktlotsen aus, werden als Mediato- ren von den Lehrern in den Unterricht geholt, wenn Schüler massiv stören oder schwerwiegende, individuelle Probleme haben. „Schulnetz“ ist aber auch eine Anlauf- stelle für die Schüler. Die Mitarbeiter wahren die Schweigepflicht und schlichten bei Konflikten mit den Lehrern oder Streitigkeiten mit Mitschülern.

„Wir verfügen über konkrete methodische Kompetenzen und Gesprächs-Qualifika- tionen, die einen anderen Blick auf die Jugendlichen

ermöglichen“, sagt Ute Benzerari. Die Erziehungswis- senschaftlerin ist gemeinsam mit einer Kollegin für die Theodor-Plievier-Schule zuständig, beherrscht die arabische Sprache und ist mit den kulturellen Gepflo- genheiten von Muslimen vertraut. Wenn auch das nicht mehr ausreicht, weil ein Junge sich dem Gespräch par- tout verweigert, kann der kurdisch-türkische Kollege von der Oberschule am Brunnenplatz einspringen.

Nicht nur derartige Ergänzungen sind von Vorteil. Im Team organisiert „Schulnetz“ übergreifende Veranstal- tungen, die bei den Jugendlichen sehr gut ankommen.

„Dr. Sommer Team“ hieß ein Sexualkundeprojekt, bei dem die Schüler ihre Anliegen und Fragen anonym auf Zettel schreiben und anschließend gemeinsam disku- tieren konnten. „Ein Junge, der die siebte Klasse wie- derholt, hat schon gefragt, ob er noch einmal daran

teilnehmen darf“, schmunzelt Janina Scheibner, die das

„Schulnetz“ an der Herbert-Hoover-Oberschule leitet.

Ein großer Erfolg war auch die externe Fortbildung für circa 60 Konfliktlotsen. „Die Sozialpädagogen konnten kommuni- zieren, dass es auch andere Streitschlichter gibt und die Neu- gierde der Jugendlichen aufeinander wecken. Das war eine sehr innovative Atmosphäre“, so Regina Kahl, die Leiterin der Sozialen Dienste bei „casablanca“.

Die Angebote im Verbund tragen maßgeblich zur Vertrau- ensbildung bei. Insbesondere an der Theodor-Plievier-Schule sieht Ute Benzerari den Kontakt zu den Jugendlichen noch im Aufbau begriffen: „Viele sind sehr misstrauisch. Wenn einer von sich aus kommt, ist das jedes Mal ein großer Erfolg. Wir knüpfen viele Beziehungen über gemeinsame Exkursionen oder Veranstaltungen wie das Mädchen-Fußballturnier.“

In der Herbert-Hoover-Oberschule wenden sich die Jugend- lichen mittlerweile freiwillig an Janina Scheibner: „Das beginnt bei Liebeskummer und reicht bis zu Familienproblemen. Dass jemand zu mir kommt, weil er aus dem Unterricht geflogen ist, wird immer seltener.“ So kann sie sich auf die immer wich- tiger werdende Elternarbeit konzentrieren.

Mit Unterstützung des Quartiersmanagements Pankstra- ße wurde an der Herbert-Hoover-Oberschule eine Cafeteria eingerichtet, die nicht nur die Atmosphäre für die Schüler schöner macht, sondern auch für Elternabende und einmal im Monat für das Elterncafé genutzt wird. „Wir möchten die Schule auch für die Eltern attraktiver gestalten“, so Janina Scheibner. „Außerdem betreuen Schülerinnen der 9. und 10.

Klassen ehrenamtlich die jüngeren Geschwister, damit mehr Mütter teilnehmen können.“

Solche Angebote wollen auch die zwei anderen Schulen ein- führen. „Wir müssen die Schwelle für die Eltern niedriger machen, damit sie nicht nur in die Schule kommen, wenn ihr Kind Probleme hat“, sagt Direktor Reismüller. „Man kann nur versuchen, sie zu überzeugen.“

SEITE 3 HAUPTSACHE

Schulnetz-Ansprechpartner:

Ute Benzerari und Pakize Öden Tel.: 4606 1742

Theodor-Plievier-Schule Ravenéstraße 11-12, 13347 Berlin Janina Scheibner

Tel.: 4690 6349 Herbert-Hoover-Oberschule Pankstraße 18, 13357 Berlin Avni Avnioglu und Dorthe Kreckel Tel.: 4690 50544

Oberschule am Brunnenplatz Pankstraße 70, 13357 Berlin

Gemeinsame Schulnetzaktionen:

08.10. Eislaufen An der Herbert -Hoover-OS findet 13.11. Bowling einmal im Monat ein Eltern-Café statt.

03.12. Kekse backen Termin bitte erfragen.

foto | Schulnetz

Pakize Öden war beim Fototermin leider krank.

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QUARTIER INITIATIV SEITE 4

Wildwasser e.V. hilft Frauen und Mädchen, die Opfer von sexueller Gewalt wurden. Die Initiative in der Wriezener Strasse ist oft die erste Anlaufstelle für die Opfer. Wildwas- ser berät und unterstützt Betroffene, wenn sie gegen die Täter gerichtlich vorgehen wollen. Wichtig ist dem Verein die Präventionsarbeit: An Schulen klärt Wildwasser über sexuelle Gewalt und ihre Folgen auf.

Von André Glasmacher

Kontakte:

Wildwasser e.V.

Wriezener Str. 10|11 13359 Berlin

wriezener@wildwasser-berlin.de Tel.: 030|48 62 82 22

Dass der erste Schritt, nämlich darüber zu reden, oft der schwerste ist, weiß Iris Hölling aus ihrer langjährigen Berufserfahrung.

„Vielen Opfern sexualisierter Gewalt fällt es schwer, über das zu sprechen, was ihnen passiert ist“, erzählt die 39-jährige Geschäftsfüh- rerin von Wildwasser, während sie im liebevoll restaurierten Gründerzeit-Salon der Villa sitzt, in der die Initiative logiert. „Die Opfer, vor allem Mädchen, schämen sich, haben Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird“, so Hölling weiter. Deshalb ist der Aufbau von Vertrauen eine der wichtigsten Grundlagen der Vereinsarbeit: „Die Opfer stehen mit ihren Bedürfnissen immer im Zentrum. Wir unternehmen nichts oder entscheiden nichts, was gegen ihren Wille wäre.“

1982 entstand Wildwasser in Berlin aus einer Selbsthilfegruppe von Frauen, die selbst als Mädchen sexuellen Missbrauch und Ge- walt erlebt hatten – damals das erste derartige Projekt überhaupt. Inzwischen betreibt Wildwasser eine Frauenselbsthilfe, einen Mädchennotdienst für Mädchen und junge Frauen, eine Mädchenberatungsstelle im Wedding und ein Frauennachtcafé in Kreuz- berg. Die Beratungsangebote von Wildwasser sind kostenlos, der Verein wird vom Senat unterstützt. Ein kleiner Kreis von „Stamm- Spendern“ trägt ebenfalls zur Vereinsarbeit bei. In der Wriezenerstrasse selbst arbeiten vier Mitarbeiterinnen – qualifizierte Sozialpä- dagoginnen – für die Initiative, berlinweit sind es rund 35.

„Wir bieten Schutzräume an, in denen missbrauchten Mädchen und Frauen mit Wertschätzung und Empathie begegnet wird“, erklärt Iris Hölling. Mit der Vereinsarbeit wolle Wildwasser den Hilfesuchenden Mädchen und Frauen helfen, das eigene Leben aktiv zu gestalten und die gesellschaft- liche Dimension sexueller Gewalt thematisieren.

Zu sexueller Gewalt zählt die Leiterin auch die Androhung von Zwangs- heirat: „Wenn ein Mädchen gegen seinen Willen verheiratet werden soll, dann nennen wir das sexuelle, körperliche und emotionale Gewalt“, sagt sie. Da Wildwasser auch in Kiezen präsent ist, die einen hohen Anteil von Einwanderern aufweisen, versucht der Verein, Menschen verschiedener Kulturkreise anzusprechen und deren kulturellen Kontext zu berücksich- tigen: „Wir stellen gezielt Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichen kultu- rellen Hintergründen ein und fördern die interkulturelle Kompetenz in der Arbeit.“ Zudem ist auch das Info-Material des Vereins in mehreren Spra- chen erhältlich.

Im nächsten Jahr plant Wildwasser sogar, im eigenen Haus eine „interkul- turelle WG“ einzurichten. Das Projekt ist eine Weiterführung der Arbeit der Krisenwohnung in der Obentrautstrasse. Hier sollen junge Frauen und Mädchen, die dauerhaft nicht mehr in ihren Familien leben können, Schutz und Unterstützung finden. Wildwasser begeleit die Opfer zur Polizei und auch während der Verhandlung vor Gericht, stellt selbst aber keine Straf- anzeigen.

Um sexuelle Gewalt breiter zu thematisieren, setzt Wildwasser auf Präventionsarbeit. „Hier geht es um die Stärkung der Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen, um so die sexualisierte Gewalt zum Thema zu machen und Mädchen und Jungen möglichst frühzeitig zu unterstützen“, sagt Iris Hölling. „Wir wollen Rollenstereotypen entgegenwirken, die Ge- waltstrukturen perpetuieren. Unser Ziel ist ein gleichberechtigtes, gewalt- freies Miteinander.“ Da ein solches Ziel am besten über Erziehung erreicht wird, kooperiert Wildwasser mit Berliner Schulen, lädt Schulklassen in die Villa in der Wriezener Strasse ein und führt auch in den Klassen selbst Seminare durch.

Dabei ist die Nachfrage zur Zeit größer, als es die Kapazitäten von Wild- wasser erlauben. „In Schulen aufklären können wir gar nicht so viel, wie wir wollten“, sagt Iris Hölling. Doch Wildwasser wolle sich weiter bemühen, allen zu helfen: „Jede Frau oder jedes Mädchen, das Opfer von sexueller Gewalt ist oder dies vermutet, kann bei uns anrufen. Auch anonym.“

Mädchenberatung

(für Mädchen, die sexuelle Gewalt er- fahren, unterstützende Personen und Professionelle):

Wriezener Str. 10|11 · 13359 Berlin Tel.: 030|48 62 82 22

Telefonzeiten:Mo, Mi, 14 - 17 Uhr, Fr. 10 bis 13 Uhr

Mädchennotdienst

(Schutz bei akuten Bedrohungssituationen) Krisenwohnung:

Obentrautstrasse 53 · 10963 Berlin Tel.: 030|21 00 39 90

maedchenotdienst@wildwasser-berlin.de Öffnungszeiten: Rund um die Uhr.

Die Krisenwohnung ist mit 8 Betten ausge- stattet, sowie zwei Betten für Notfälle.

Frauennacht-Café:

Friesenstrasse 6 · 10965 Berlin Tel.: 030|61 62 09 70

frauennachtcafé@wildwasser-berlin.de Die nächtliche Krisenanlaufstelle ist für Frauen die ganze Nacht über geöffnet.

foto | caveng

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Das Projekt „Berufsorientierung durch Eltern“ hilft Jugendlichen bei der Berufsfin- dung, indem es auf die Förderung und Stärkung der Kommunikation innerhalb der Fami- lien setzt. Mit Unterstützung des Quartiersmanagements Pankstraße hat der Türkische Kulturverein die Initiative mit einem intensiven Informationsprogramm gestartet.

Grundsteine und Impulse für die Berufswahl junger Menschen werden in der Regel inner- halb der Familie gelegt. Doch heutzutage fehle es häufig an Wissen über Ausbildungs- möglichkeiten und berufliche Chancen, um überhaupt miteinander ins Gespräch zu kom- men, erzählen Muzaffer Türk und Ayse Altunkaynak-Türk. Als ehrenamtliche Mitarbeiter haben sie im Türkischen Kulturverein immer wieder mit Rat und Tat zur Seite gestanden, wenn Eltern mit der beruflichen Zukunft ihrer Sprösslinge überfordert waren oder Ju- gendliche, auf sich allein gestellt, keine eigenen Perspektiven entwickeln konnten.

Aus ihren bisherigen Erfahrungen haben der angehende Politikwissenschaftler und die Architektin ein Konzept entwickelt, das an den Ursachen ansetzt. „Man muss sich für die Leute einsetzen, mit dem Herzen dabei sein und sie auch animieren. Es gibt hier einen Mann, der ist über zwanzig Jahre alt und hat keinen Berufsabschluss. Aber er ist sehr fleißig und freundlich; nur einfach zu schüchtern. Dem habe ich den Kontakt zu einem Großhändler vermittelt“, so Muzaffer Türk.

Über vielfältige persönliche Kontakte knüpft das junge Paar ein Netzwerk zu Betrieben und beratenden Institutionen. Vor allem aber soll den Eltern und den Jugendlichen das notwendige Hintergrundwissen vermittelt werden. Einmal im Monat werden hierzu Re- ferenten aus der Praxis eingeladen. „Eine Rechtsanwältin berichtet zum Beispiel über den Beruf und über ihren persönlichen Werdegang, und wir ergänzen das dann um wei- tere Aspekte des Berufsfelds“, sagt Ayse Altunkaynak-Türk. „Einige haben ganz falsche Vorstellungen von den Berufen. Wenn sich jemand für rechtliche Dinge interessiert, muss er nicht gleich Anwalt oder Richter werden; es gibt ja auch eine Ausbildung zum Rechtspfleger. Andere kennen die Möglichkeiten nicht, die das deutsche Bildungssystem zum Beispiel auch über den zweiten Bildungsweg bietet,“ so die Diplom-Ingenieurin, die vor ihrem Architekturstudium eine Ausbildung zur Sekretärin im Gesundheitswesen ab- solviert hat. Neben Ärzten oder Polizisten wird außerdem eine Schulleiterin über den Wechsel von der Grund- in die Oberschule berichten, damit die Eltern sich möglichst früh Gedanken über den Werdegang ihrer Kinder machen können.

Zweimal wöchentlich ist die Beratungsstelle geöffnet, bei Bedarf gibt es Einzelbetreu- ungen oder Hausbesuche, und bei Verständigungsproblemen werden die Eltern und Ju- gendlichen zur Berufsberatung begleitet. Gemeinsame Besuche bei Institutionen wie dem SOS-Berufsausbildungszentrum oder dem BIZ der Arbeitsagentur helfen zudem, die Schwellenangst mindern.

„Wir wollen die Eltern zu einer Art persönlichem Berufsberater für ihre Kinder befä- higen“, so Ayse Altunkaynak-Türk. Die offiziellen Berufsberater durch das Projekt er- setzten, wollen die Initiatoren nicht. Sie verstehen sich als Brücke zwischen Eltern und behördlichen Einrichtungen, Eltern und Jugendlichen sowie zwischen den Familien und

den Schulen. mn

Ansprechpartner: Muzaffer Türk, Ayse Altunkaynak-Türk Türkischer Kulturverein, Lindower Straße 24, 2. Hinterhof, 13347 Berlin, Tel. und Fax: 461 29 54

Beratungszeiten: Montag und Mittwoch 13-17 Uhr

Von 2005 bis 2007 wurde an der Theodor-Plievier-Schule mit Mitteln der „Sozialen Stadt“ eine Jobleitstelle eingerichtet.

Durch diese Maßnahme ist es nach Jahren zum ersten Mal wieder gelungen, zwei Schulabgänger der Hauptschule in der Ravenéstraße direkt in Ausbildungsplätze zu vermitteln.

Aufgrund dessen hat sich die Schulleiterin beim Quartiers- rat Pankstraße für eine Verlängerung stark gemacht, so dass Gelder für ein weiteres Jahr bewilligt werden konnten.

Das Angebot ist freiwillig, aber Walter Solinger, der Leiter der Jobleitstelle, sucht die Teilnehmer gemeinsam mit den Leh- rern aus. „Es ist sozusagen eine Belohnung für diejenigen, die leistungsbereit sind, sich anstrengen und keine Fehlstunden haben“, sagt der engagierte Kunst- und Sozialpädagoge.

20 Monate lang hat Solinger anhand von Gesprächen und Rol- lenspielen mit 18 Jugendlichen trainiert, wie man die eigenen Fähigkeiten einschätzen lernt, ein klares Berufsziel entwickelt und wie man sich über die Inhalte und Anforderungen eines Berufes informiert. „Wenn jemand KFZ-Mechatroniker wer- den will, weil er am Wochenende gerne unterm Auto liegt und schraubt, muss man ihm sagen, dass der Beruf heutzu- tage kein mechanisches Geschick, sondern Computerkennt- nisse erfordert“, so Solinger. Er setzt auf Effektivität und an- sprechende Bewerbungsschreiben. „Wozu soll einer blindlings 50 Bewerbungen verschicken, die alle nichts bringen? Soll er damit Jubiläum feiern?“ Solinger erarbeitet mit den Schülern individuelle Strategien für ihre Bewerbungen. Ganz konkret im Hinblick auf die gewünschte Stelle werden Mappen zusam- mengestellt, die potenzielle Arbeitgeber gleich beim Lesen begeistern sollen. Denn für Hauptschüler erscheint die Kon- kurrenzsituation fast unüberwindbar. „Bei der Industrie- und Handelskammer wurden im letzten Jahr 320 Ausbildungs- plätze angeboten, von denen nur zwei nicht ausdrücklich den mittleren Schulabschluss verlangt haben. Da müssen auch die Arbeitgeber von ihrem hohen Ross runterkommen.“

Für die neue Projektphase der Jobleitstelle sollen verstärkt auch die Eltern eingebunden werden und, so Solingers er- klärtes Ziel, doppelt so viele Schüler vermittelt werden. mn Jobleitstelle in der Theodor-Plievier-Schule

Ravenéstraße 11-12, 13347 Berlin Ansprechpartner: Walter Solinger Tel.: 4606 1745

Einer der beiden Schulabgänger, die inzwischen ihre Ausbil- dung begonnen haben, ist Sinan Disci. Lesen Sie sein Portrait auf Seite 6.

stellt zwei Initiativen vor, die Jugendliche dabei unterstützen, ihren Weg ins Berufsleben zu finden.

Die zehn beliebtesten Ausbildungsberufe in Deutschland. Der linke Teil der Grafik steht für die Damen, der rechte für die Herren. Quelle: Statistisches Bundesamt.

SEITE 5 QUARTIER INITIATIV

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im Gespräch mit Michela Nolte Sinan Disci ist groß und schlaksig. Ein ernsthaft wirkender, nachdenklicher junger Mann, der zum Zeitpunkt unseres Gesprächs zwei Wochen vor sei- nem 18. Geburtstag steht. Wir treffen uns in der Theodor-rr Plievier-Srr chule im Büro von Walter Solin- ger, dem Leiter der Jobleitstelle. Der junge Kurde kommt gern hierher, auch noch nach seinem Schul- abschluss. Nicht zuletzt durch Solingers Arbeit hat Sinan Mut und Selbstvertrauen geschöpft, Selbst- disziplin entwickelt und einen Ausbildungsplatz gefunden. Eine große Ausnahme an dieser Schule.

Dabei waren die Startbedingungen denkbar schwie- rig. Als Sinan Disci vor fünf Jahren nach Berlin kam, konnte er kein Wort Deutsch. Die Sprache hat er zwei Jahre lang in einer Förderklasse an der Winkel- ried-Oberschule gelernt. Ab dem zweiten Halbjahr der siebten Klasse ging es in den Regelunterricht.

„Anfangs habe ich Fortschritte gemacht und mei- ne Zensuren waren gut; zum Teil sogar besser alsTT bei den Kindern, die in Deutschland geboren sind.

Da dachte ich, dass ich die Sprache beherrsche und mich nicht mehr anstrengen muss. Ich habe nach- gelassen, und die Noten wurden schlechter. Bis ich gemerkt habe, ich kann nicht so leben wie ande- re, die nur draußen abhängen wollen, keine Lust haben, etwas zu werden, nicht lernen und später keine Familie haben wollen.“

In der neunten Klasse wechselte Sinan zur Theo- dor-rr Plievier-Srr chule, wo er am Programm der Job- leitstelle teilnahm. Er hat das Angebot genutzt und heute ein sehr klares Ziel vor Augen. Er weiß, dass man sich bemühen muss, wenn man etwas aus sich machen will. Das vermittelt er auch seinen Geschwi- stern, und Stolz erzählt er, dass der jüngste Bruder gerade aufs Gymnasium gekommen sei. Da will er helfen, Vorbild sein, und auch den Eltern steht er

Von 2005 bis 2007 hat das Quartiersmanagement Pankstraße die Jobleitstelle an der Theodor-rr Plievier-Srr chule gefördert (siehe auch Seite 5). Sinan Disci war einer der Schüler, die an der aus Mitteln der „Sozialen Stadt“ geförderten Maßnahme teilgenommen haben. Sinan war engagiert und erfolgreich: Anfang September hat er seine Ausbildung begonnen.

GEBOREN 1989 IN KONYAYY , TÜTT RKEI

IN DEUTSCHLAND SEIT 2002

AUSBILDUNG ERWEITERTER HAUPTSCHUL-

ABSCHLUSS, AUSBILDUNG ZUM FLEISCHER UND FLEI- SCHEREIFACHVERKÄUFER

HOBBYS GEDICHTE SCHREIBEN, SAZ

(TÜRKISCHE LAUTE) SPIELEN, JOGGEN UND LESEN FAMILIENSTANDTT LEBT MIT SEINEN ELTELL RN

UND DEN ZWEI JÜNGEREN BRÜDERN IM WEDDING

VORGESTELLT SEITE 6

zur Seite. Bei Problemen mit der Bürokratie oder beim Elternabend des kleinen Bruders, springt Sinan dann schon einmal ein.

Seinen Wunschberuf hat er in verschiedenen Praktika kennen gelernt. Bei diesemThema taut er auf und erzählt begeistert: „Ich esse und koche sehr gerne, und ich weiß, welches Fleisch gut schmeckt.“

An den Wochenenden ist er freiwillig zum Praktikum gegangen. „Ich wollte wirklich etwas lernen.

Auch damit ich bei der Vorstellung für den Ausbildungsplatz zeigen kann, was ich schon weiß.

Das hat mir bei meinem zukünftigen Arbeitgeber sehr geholfen.“

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v

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K U R Z V O R S C H LU S S S E I T E 7

Move plus Uferstraße 14 13357 Berlin Tel.: 322 99 164

Auf die Frage nach einem beeindruckenden Fall in der 2001 eingerichteten Schulstation der Wedding-Grundschule, berichten Konstan- ze Tauchmann (Erzieherin) und Martin Uda (So- zialpädagoge) von einem arabischen Jungen, der bereits von zwei anderen Grundschulen verwiesen worden war. Er galt als aggressiv und sogar der Vater hatte an einer der Schulen Hausverbot bekommen. In der sechsten Klasse wurde der Junge an der Wedding-Grundschule aufgenommen, unter der Bedingung, dass er am Konfliktlosen-Programm teilnimmt, einmal wöchentlich zum Gespräch in die Schulstation kommt und auch der Vater wurde regelmäßig in die Schulstation gebeten.

Schon nach kurzer Zeit hieß es: „Die ärgern mich.“ Der Junge prügelte nicht mehr, sondern kam mit seinen Problemen in die Schulstation.

„Im Laufe der acht Monate, in denen er bei uns war, haben sich auch seine Noten sehr verbes- sert. Das war perfekt, allerdings eine Ausnahme.

Normalerweise brauchen wir etwa zwei Jahre“, sagt Konstanze Tauchmann. „Die Kinder sind es einfach nicht gewohnt, Gespräche zu führen. Da kommen sie richtig ins Schwitzen. Man braucht Geduld. Aber dann bewirkt man etwas!“

Schulstation der Wedding-Grundschule Antonstraße 10, 13347 Berlin

Tel.: 2009 44 233

Email: sst-wedding-gs@tandembqg.de

foto | caveng

Von MIchaela Nolte Null Bock, kein Sinn, keine Zeit. Die Gründe für Schulverweigerer sind sehr verschieden. Einige sind bereits in der Grundschule verhaltensauffäl- lig geworden, andere halten dem Leistungsdruck einfach nicht stand. Aus den Fehlzeiten resultie- ren weitere Lernschwierigkeiten, und am Ende potenzieren sich die Probleme. Wenn Tadel, Schul- verweise und Konferenzen nicht mehr wirken, be- kommen schulmüde Jugendliche bei „move plus“

eine Chance.

Die Kooperation des Jugendhilfeträgers Zukunftsbau und des Schulamtes Mitte wurde 2005 ins Leben geru- fen und fußt auf Erfahrungen des Schulverweigerer- projekts „move“. Während „move“ auf den externen Schulabschluss vorbereitet und sich an Jugendliche wendet, die zwei Jahre nicht mehr zur Schule gegan- gen sind, setzt „move plus“ frühzeitig ein. In Zusammenarbeit mit der Oberschule am Brunnenplatz, der Wilhelm-Busch- und der Hans-Bredow-Schule stehen derzeit zehn Plätze für Zwölf- bis Fünfzehnjährige zur Verfügung, bei denen ein Schulabbruch noch abgewendet werden kann.

Das Schulschwänzen sieht Birgit Knispel jedoch nur als Spitze des Eisbergs. Manche seien wegen krimineller Handlungen oder Drogenkonsums schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten und haben den ersten Schulwechsel bereits hinter sich, er- zählt die Sozialpädagogin. Im Hintergrund stehen oft schwierige Familienverhältnisse, soziale und emotionale Verwahrlosung. Eltern, die ihre Kinder aufgegeben haben oder die „Großen“ als Babysitter für die kleinen Geschwister einsetzen. So setzt die Arbeit nicht nur bei den Schülern, sondern auch beim direkten Kontakt zu den Eltern an.

In den „move-plus“-eigenen Räumen wird in Kleinstklassen mit maximal fünf Schülern unterrichtet. Drei- mal wöchentlich gibt es jeweils eine Stunde Mathematik, Deutsch und Englisch. An den restlichen zwei Tagen und an den Nachmittagen werden Sport-, Kunst- oder Ernährungsprojekte angeboten oder auch schon mal eine Rallye zur Stadterkundung. Das Lernen findet praxisbezogen und individuell statt. Mathe wird beim Bau eines Holzregals gelernt, Deutsch anhand von Exkursionen oder konkreten Alltagser- fahrungen: Wer gerne schläft, schreibt etwas zum Thema Schlaf. Schüler, die zu unkonzentriert sind, können eine Pause machen.

Die pädagogische Arbeit erfordert von dem vierköpfigen Betreuerteam aus Sozialpädagogen, Erziehern und Lehrern ein hohes Maß an Geduld und Flexibilität. „Der Unterricht hängt sehr von der Tagesform ab.

Wenn die Vorbereitungen nicht angenommen werden, muss man Alternativen anbieten - Spiele oder Lernprogramme am Computer“, sagt Daniel von der Gönna. Der Erzieher und Diakon unterrichtet bei

„move plus“ auch Englisch. Denn die Aufgabenbereiche des Teams sind fließend. Die Lehrer sind nicht nur für Deutsch und Mathematik zuständig, sondern übernehmen ebenso das gemeinsame Kochen und sind bei Sport- oder Aktionstagen dabei.

Das eigentliche Ziel ist die Reintegration in die 9. Klasse. Aber die Leistungsdefizite sind groß und der eigentliche Unterrichtsstoff wird vielfach von Konflikten innerhalb der Gruppen und deren Lösung überlagert. So sind es vor allem soziale Kompetenz, Vertrauen, Selbständigkeit und Eigendisziplin, die die Jugendlichen wieder lernen müssen.

„Einer unserer Teilnehmer galt als “unbeschulbar“. Selbst nachdem er bei uns erfolgreich war, lehnte die Leitung der alten Schule seine Bewerbung für das „Produktive Lernen“ ab. Er ist dann aus eigenem Antrieb noch einmal hingegangen, und konnte überzeugend darstellen, dass er sich geändert hat“, so Birgit Knispel. Ein Berufsziel hat er bei „move plus“ auch gefunden. Denn neben dem Frühstück, das von den Jugendlichen mit vorbereitet wird, ist ein wichtiger Bestandteil des Tagesablaufs das gemeinsame Mittagessen. Im Rahmen des Arbeitslehre-Unterrichts kocht jeweils ein Schüler jeden Mittag mit einem der Betreuer. Der „Unbeschulbare“ hat dabei seine Leidenschaft fürs Kochen entdeckt, ein Praktikum in einer Küche gemacht und will nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zum Koch absolvieren.

Von bislang 17 Teilnehmern haben vier die Probezeit nicht bestanden, drei weiteren musste aufgrund von Gewalt oder erneutem Schwänzen „gekündigt“ werden. Insgesamt konnte bislang jedoch sieben Jungen und Mädchen noch einmal eine Perspektive vermittelt werden. Sie wechselten in eine berufs- orientierende Maßnahme, gehen wieder zur Schule oder bereiten sich bei „move“ auf den externen Schulabschluss vor.

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Wir haben auch Projekte angeschoben. So ist das gewachsen, über viele Jahre ehrenamt- liche Arbeit. Die Entscheidung für das Amt war dann eher spontan. Ich habe gedacht, ich könnte mich mal verändern und dass mir das Spaß machen könnte. Es ist mit viel Arbeit und Stress ver- bunden, aber ich habe es nicht bereut.

Welche Aufgaben und Kompetenzen haben Sie als Bezirksstadträtin?

Im Bezug auf die Schulen sind wir für die äußeren Angelegenheiten zuständig: für die Gebäude und die Lehr- und Lernmittel, welches Kind in welche Grundschule geht, ob Schulen geschlossen oder neu eröffnet werden. Außerdem stehen die Bereiche Sport, Bibliotheken, Kul-

turamt, Volkshochschule und Musikschule noch in meiner Verantwortung.

Das Pädagogische und die Lehrerversorgung sind bei der Senatsverwaltung ange- siedelt. Die Rolle als Stadtrat für Schule ist eher eine unter- stützende. Die Schulen müs- sen wissen, was sie wollen und Ideen entwickeln. Wir sollten dann möglich machen, was sie brauchen. Ein Thema, das uns seit vielen Jahren beschäftigt, ist die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen, damit die Angebote auch den Schülern zugute kommen. Das gab es zu meiner Zeit nicht. Die Schule war eine geschlossene Einheit. Heute arbeitet man da viel mehr zusammen. Zum Beispiel koordinieren wir Tanzangebote der Musikschule an Schulen; da versuchen wir Gelder zu finden und Mehrheiten zu organisieren, damit das möglich wird.

Kennen Sie die Schulen im Bezirk persönlich?

Ich muss zugeben, auch nach sechs Jahren war ich noch nicht in jeder Schule. Es gibt 67 Schulen im Bezirk und ich schaffe es etwa ein Mal pro Monat vor Ort zu sein. Meist ist das anlass- bezogen. Es gibt Schulen, die Anliegen haben und sich mit uns auseinandersetzen wollen. Manche wollen auch in Ruhe gelassen werden. In der Ernst-Reuter-Oberschule war ich schon öfter, und in der Oberschule am Brunnenplatz war ich kürzlich zur Abschlussveranstaltung des Projekts „Going Social“.

Wie schätzen Sie die Situation der Schulen beziehungsweise der Schüler im Wedding ein?

Ich denke, dass die Schulen eine große Herausforderung zu bewältigen haben und dass die Situation schwieriger wird. Viele machen eine tolle und engagierte Arbeit. Weil die Akzeptanz einer Schule aber sehr stark von ihrem öffentlichen Image abhängt, wünsche ich mir mehr kri- tische, aber auch selbstkritische Debatten der Schulöffentlichkeit nach innen und außen und eine noch stärkere Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen. Da würde ich mir manchmal mehr Dynamik wünschen und natürlich viel mehr neue Lehrer, vor allem jüngere. Aber wir wollen die Lehrer auch motivieren und unterstützen. Die Arbeit, die sie machen, wird häufig unterschätzt.

Wir brauchen vor allem eine Qualitätsdebatte und den öffentlichen Respekt für tatsächliche Ver- besserungen. Ich finde es schade, dass viele Schulen unter so einem schlechten Image leiden.

Im Wedding müssten die allerbesten Lehrer arbeiten. Da müsste man Anreize geben. Nicht nur

mehr Geld, sondern auch vermitteln, warum das wichtig ist.

Vor meiner Schule gab es im Mai eine Messerstecherei. Da war sofort die Presse da und hat zum Teil auch falsch darüber berich- tet. Gerade dadurch bekommt die Schule ein schlechtes Image und das wirkt sich auf die Schüler aus. Warum wird so selten etwas Posi- tives über die Schulen geschrieben?

So etwas ist sehr bedauerlich, weil das nur Vorurteile bestätigt. Es ist aber kaum zu verhindern, dass eine Schule durch solche Er- eignisse leidet. Wir haben im vergangenen Jahr in der Bezirksverordnetenversammlung über das Thema geredet, und manche Bezirksver- ordnete haben gesagt: „Wenn man die Gewalt an den Schulen im Griff hat, hat man die Gewalt in der Gesellschaft im Griff.“ Das halte ich für einen Trugschluss! Auch die Schulleiter haben bei diesen Diskussionen deutlich gemacht, dass das völlig falsch sei. Wir haben es mit einer Ver- wahrlosung und Zunahme von Gewalt in der Gesellschaft zu tun, gerade auch bei Erwach- senen. Es gibt immer weniger klare Regeln, an die man sich hält. Die ganze Gesellschaft wird disziplinloser und Kinder übernehmen das.

Man muss die Schulen davor schützen, dass sie als Ort der Gewalt in den Vordergrund ge- schoben werden. Die Senatsverwaltung bringt einmal im Jahr einen Bericht über Gewaltvorfäl- le in Berliner Schulen heraus. Allein durch die Tatsache, dass es einen schriftlichen Bericht gibt, wird der Eindruck bestätigt, dass Gewalt ursächlich mit Schule zusammenhängt. Für an- dere gesellschaftliche Bereiche gibt es solche Dokumentationen nicht. Das muss hinterfragt werden. Dadurch wird auch gar nicht wertge- schätzt, was in den Schulen gemacht wird: die Streitschlichterprojekte, die Polizeikooperati- onen, die Zusammenarbeit mit der Justiz, die ganze intensive Auseinandersetzung mit dem Thema.

Was denken Sie über Projekte wie ei- nen Wettbewerb gegen Gewalt im Bezirk, wo die Schüler und Schulen, die sich gegen Gewalt einsetzen, belohnt werden. Man muss ja auch positive Beispiele geben, damit die Kleineren nicht schon Gewalt vor sich sehen, und damit sie sich früh gegen Gewalt engagieren können.

Also mehr Anreize schaffen, damit sich jeder im Schulalltag gegen Gewalt engagiert …

(Fortsetzung von Seite 2) Neben derartigen Ferien- projekten bietet die Jugendkunstschule jede Menge Mal- und Zeichenkurse, Familienkurse, Fotografie-, Multimedia- oder Keramikwerkstätten an. Für Projekte kommen die JUKS-Künstler auch in die Schulen und Kitas. Ende Oktober wird der „Jugendkunstpreis Mitte“

vergeben: Jugendliche von 14 bis 19 Jahren können sich bis zum 11.10.07 mit ihren Kunstwerken bewerben.

Infos unter: www.juks-mitte.de

Jugendkunstschule, Schönwalder Straße 19, 13347 Berlin.

Büro-Öffnungszeiten: Dienstag 10-17 Uhr, Mittwoch und Donnerstag 14-17 Uhr.

Ansprechpartnerin: Editha Heiber, Tel.: 2009 434 07

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