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Depressive Verstimmungen in der Adoleszenz

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Universitätslehrgang für Lehrerinnen und Lehrer der Gesundheits- und Krankenpflege 2009/2012

Depressive Verstimmungen in der Adoleszenz

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science in Pflegepädagogik

vorgelegt von:

Dorothea Papst

Wissenschaftliche Leitung:

Univ. Prof. Dr. Josef Scheipl

Pädagogische Leitung:

Mag.

a

Notburga Erlacher

Begutachter: Dr. Walter Jehna

September 2009 – Februar 2012

Graz, November 2011

(2)

Eidesstattliche Erklärung

Ich, Dorothea Papst, erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit zum Thema

„Depressive Verstimmungen in der Adoleszenz“, selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe. Es wurden keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel be- nutzt. Die aus den fremden Quellen entnommenen Gedanken, sei es direkt oder indirekt, wurden als solche kenntlich gemacht.

Graz, am 20.10.2011

Dorothea Papst

(3)

Vorwort

Für Mädchen und Jungen hat die Jugend eine besondere Bedeutung. Von Kindheit an haben viele Menschen das Bedürfnis, endlich erwachsen zu werden. Die Ado- leszenz ist der Übergang vom Kindes- zum Erwachsenenalter. Gerade diese Le- bensphase ist für junge Mädchen und Jungen besonders bedeutsam und schwierig.

Sie müssen sich an ihren „umgeformten“ Körper gewöhnen und zusätzlich fordert die Gesellschaft von ihnen, sich an soziale und kulturelle Bedingungen anzupas- sen. In dieser Lebensspanne hat auch die Anerkennung der Jugendlichen im Freundeskreis höchste Priorität. Diese Herausforderungen erzeugen bei jungen Menschen Stimmungsschwankungen und in weiterer Folge, wenn verschiedene Faktoren zusammenspielen, kann es zur Entwicklung von Depressionen kommen.

Da sich viele Schülerinnen und Schüler an der Gesundheits- und Krankenpflege- schule in dieser sensiblen Lebensphase befinden, wollte ich mich mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen.

Viele Personen haben mich unterstützt, den Weg in die Lehre zu gehen. Daher ist es für mich von großer Wichtigkeit, mich bei ihnen zu bedanken.

Mein Dank gilt in erster Linie meiner Tochter Sarah und meinem Mann Helmut.

Sie haben mich durch diese herausfordernde Zeit „getragen“. Meiner Mama, mei- nem Papa und meiner Schwiegermutter möchte ich für das Netzwerk um meiner Familie herum danken und auch besonders dafür, dass sie für meine Sarah so lie- bevolle Großeltern sind. Meinem Betreuer Hr. Dr. Walter Jehna möchte ich für die vielseitigen Anregungen und die Unterstützung beim Schreiben meiner Mas- terarbeit danken. Auch meinen Freundinnen, Freunden und Kolleginnen, die mich in meiner Tätigkeit gestärkt haben, gebührt ein besonderer Dank!

(4)

Abstract

Adolescent Depressions

This literature-based paper is to raise the awareness of nurse teachers towards the problem of juvenile depression enabling them to give support if needed.

In industrialized countries there has been an increase of juvenile depression and suicide.

Most nurse students are adolescents. So this paper aims at describing various forms of adolescent depression and pointing out gender-specific differences.

Moreover it will show teachers possible ways of strengthening personal and social competences to prevent depressions.

In the last part of the paper various possible treatments are presented, with the focus on cognitive and behavioural therapy.

Key words: adolecence, depression, nursing education

(5)

Abstract

Depressive Verstimmungen in der Adoleszenz

Immer öfter wird in den Medien berichtet, dass in den Industriestaaten zunehmend mehr Jugendliche an Depressionen leiden, Suizidversuche verüben bzw. sich das Leben nehmen. Depressive Verstimmungen sind häufig der Grund dafür. Die meisten Schülerinnen und Schüler der Gesundheits- und Krankenpflegeschulen befinden sich im Lebensabschnitt der Adoleszenz. Das Ziel dieser Literaturarbeit ist es, verschiedene Formen der Depression dieser Entwicklungsphase zu be- schreiben und auf geschlechterspezifische Unterschiede hinzuweisen. Ebenso sol- len Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie präventiv im Unterricht der Gesund- heits- und Krankenpflege personale und soziale Kompetenzen gestärkt werden können, damit der Entwicklung depressiver Verstimmungen entgegen gesteuert werden kann. Im letzten Teil der Arbeit werden verschiedene Interventionsmög- lichkeiten dargestellt, wobei der Fokus auf die kognitive Verhaltenstherapie ge- richtet ist. Durch diese Literaturarbeit sollen Lehrende der Gesundheits- und Krankenpflege für diese Thematik „Depressivität“ sensibilisiert werden und kom- petent gemacht werden, gegebenenfalls konstruktive Hilfestellungen einzuleiten.

Schlüsselwörter: Adoleszenz, Depression, Gesundheits- und Krankenpflege

(6)

Inhalt

1 Einleitung ... 1

2 Die Definition der Adoleszenz aus verschiedenen Perspektiven ... 3

2.1 Die Definition der Adoleszenz durch das Lebensalter ... 3

2.2 Die Definition der Adoleszenz durch den Inhalt ... 6

2.3 Die Definition der Adoleszenz durch die geschichtliche Entwicklung .... 8

2.4 Die Definition der Adoleszenz durch die Gesellschaft ... 9

2.4.1 Die Jugend als Teil der Gesellschaft ... 10

2.4.2 Jugend als Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt .... 10

2.4.3 Jugend als neue Generation ... 11

2.4.4 Jugend als Zukunft ... 12

2.5 Die Definition der Adoleszenz nach psychologischen Merkmalen ... 12

2.5.1 Entwicklung von intellektueller und sozialer Kompetenz ... 13

2.5.2 Entwicklung des inneren Bildes der Geschlechtszugehörigkeit ... 13

2.5.3 Entwicklung eines selbstständigen Handlungsmusters ... 13

2.5.4 Entwicklung von Werten und Normen ... 13

2.6 Die Definition der Adoleszenz aus Sicht der Soziologie ... 14

3 Beschreibung depressiver Verstimmungen im Jugendalter ... 15

4 Arten und Klassifikationen von Depressionen ... 17

4.1 Depressive Störungen ... 18

4.1.1 Major Depression ... 18

4.1.2 Dysthyme Störung ... 20

4.1.3 Depressive Störungen... 21

4.2 Bipolare Störungen ... 21

4.2.1 Bipolar Störung I ... 21

4.2.2 Bipolar Störung II ... 22

4.2.3 Zyklothyme Störung ... 22

4.3 Andere affektive Störungen im DSM-IV ... 22

4.3.1 Affektive Störung aufgrund eines körperlichen Zustandes ... 23

4.3.2 Substanzinduzierte Affektive Störung ... 23

(7)

5 Methoden zur Erhebung und Diagnostik depressiver Störungen ... 23

5.1 Diagnostische Interviews ... 24

5.2 Der Selbstbeurteilungsfragebogen... 25

5.3 Die Beurteilung durch Bezugspersonen ... 25

5.4 Die Beobachtung des Verhaltens ... 26

5.5 Die Familienevaluation ... 26

5.6 Maße zur Erfassung depressiver Verstimmungen ... 27

5.7 Die psychosoziale Beeinträchtigung ... 28

6 Epidemiologie depressiver Verstimmungen im Jugendalter ... 28

6.1 Genetische Faktoren ... 30

6.2 Pubertät ... 30

6.3 Die Familiensituation ... 31

6.4 Die Schulsituation ... 31

6.5 Belastende Lebensereignisse ... 32

6.6 Arbeitslosigkeit ... 32

7 Geschlechterspezifische Unterschiede ... 32

7.1 Geschlechterspezifische Unterschiede in der Entstehung von Depressionen ... 33

7.2 Geschlechterspezifische Verlaufsform von Depressionen ... 38

8 Komorbidität depressiver Verstimmungen ... 39

8.1 Verzerrungen ... 40

8.2 Die „echte“ Komorbidität ... 41

9 Risikofaktoren und Erklärungsansätze für die Entstehung von depressiven Verstimmungen ... 41

9.1 Kognitive Modelle ... 42

9.1.1 Kognitive Theorie ... 42

9.1.2 Das Modell der gelernten Hilflosigkeit ... 44

9.1.3 Problemlösungsmodelle ... 46

9.1.4 Das zweidimensionale Kontrollmodell ... 47

9.1.5 Das assoziative Netzwerk-Modell von Bower ... 47

9.1.6 Die Differentielle-Aufmerksamkeits-Hypothese von Teasdale ... 47

9.1.7 Resilienz - Vulnerabilitäts Modell ... 48

(8)

9.1.9 Das Competency-Based-Model ... 49

9.1.10 Lerntheoretisches Modell der Depression ... 50

9.2 Psychoanalytische Modelle ... 51

9.3 Psychosoziale Modelle ... 51

9.4 Mehrfaktoren Modelle ... 52

9.4.1 Das Integrative Modell ... 52

9.4.2 Das multifaktorielle Modell ... 53

9.5 Biologische Erklärungen ... 54

9.6 Familiäre Risikofaktoren ... 56

9.7 Die Beziehung zur Peer Group ... 57

9.8 Kritische Lebensereignisse ... 58

9.9 Emotionale und kognitive Risikofaktoren ... 60

9.10 Soziokulturelle Risikofaktoren ... 60

10 Stärkung der Schutzfunktionen ... 61

11 Prävention depressiver Verstimmungen in der Adoleszenz... 62

11.1 Die Stärkung der emotionalen Kompetenz ... 65

11.2 Optimistische Jugendliche durch positive Gedanken ... 67

11.3 Selbstvertrauen erzeugen ... 67

11.4 Strategien zur Problem- und Stressbewältigung... 68

11.5 Soziale Kompetenzen fördern ... 69

11.6 Kommunikative Kompetenzen fördern ... 70

11.7 Erfolgserlebnisse und Motivation ... 71

12 Allgemeine Präventionsprogramme ... 72

12.1 GO! Gesundheit und Optimismus ... 72

12.2 LARS & LISA ... 72

12.3 IPPDJ-Interpersonelles Programm ... 73

12.4 Problem Solving for Life-Program ... 73

12.5 Triple-P Programm ... 75

13 Interventionsmaßnahmen bei depressiven Verstimmungen im Jugendalter . 80 13.1 Kognitive Verhaltenstherapie ... 82

13.1.1 Kognitive Umstrukturierung ... 83

13.1.2 Selbstkontrolltherapie ... 83

(9)

13.1.3 Planen angenehmer Aktivitäten ... 84

13.1.4 Training sozialer Kompetenzen ... 84

13.1.5 Entspannungstraining ... 85

13.1.6 Problemlösungstraining ... 85

13.2 Psychodynamische Interventionsmodelle ... 87

13.3 Medikamentöse Therapie ... 89

14 Zusammenfassung ... 91

15 Verzeichnisse ... 94

15.1 Literaturverzeichnis ... 94

15.2 Abbildungsverzeichnis ... 98

15.3 Tabellenverzeichnis ... 98

16 Anhang ... 99

16.1 Beratungsstellen ... 99

(10)

1 Einleitung

Zunehmend mehr Jugendliche in Österreich leiden an depressiven Verstimmun- gen und Depressionen. Schwer abzugrenzen ist der Bereich, ob es sich um eine depressive Verstimmung oder bereits um eine Depression handelt. Laut OECD (Organisation For Economic Co-Operation And Development) Kinderbericht 2009 Doing Better for Children liegt Österreich bei den 15 bis 19 jährigen bei Suiziden nach Neuseeland, Finnland, Norwegen und Kanada an sechster Stelle.

Das Jugendalter stellt die Lebensphase mit der höchsten Rate an Suizidversuchen dar (vgl. OECD 2009). Bei der Ursache handelt es sich meistens um Depressio- nen. Das Wissen über die Formen und die Erkennung von Depressionen mit ihren dazugehörigen Symptomen, die teilweise geschlechterspezifisch in der Entstehung und ihrem Verlauf sind, entsprechende Präventionsmaßnahmen und die Einleitung von Interventionsmaßnahmen gehören auch zur Sozialkompetenz einer Lehrerin und eines Lehrers. Lehrerinnen und Lehrer der Gesundheits- und Krankenpflege haben eine Fürsorgepflicht gegenüber den Schülerinnen und Schülern der Ge- sundheits- und Krankenpflegeschule. Daher ist es wichtig sich dieser Thematik intensiv zu widmen.

„Depression bezeichnet einen bestimmten Zustand, der durch Störungen im Füh- len, Denken, Verhalten und der körperlichen Befindlichkeit geprägt ist. Traurig- keit, Lustlosigkeit, negatives Denken und Hoffnungslosigkeit sind ebenso häufig anzutreffen, wie körperliche Beschwerden und Schlafstörungen“ (Never- mann/Reicher 2001, S. 19).

(11)

Aus der vorangegangenen Ausgangslage ergeben sich folgende wissenschaftli- chen Fragen:

1. Welche depressiven Verstimmungen im Jugendalter gibt es?

2. Gibt es geschlechterspezifische Unterschiede in der Entstehung und Ver- laufsform depressiver Verstimmungen bei Jugendlichen?

3. Welchen Einfluss hat die Peer Group auf die Entstehung depressiver Stö- rungen?

4. Welche Präventionsmaßnahmen können von einer/einem Lehrerin/Lehrer für Gesundheits- und Krankenpflege im Rahmen des Unterrichtes getrof- fen werden, um das Auftreten einer depressiven Verstimmung zu minimie- ren?

5. Welche Möglichkeiten der Intervention von depressiven Verstimmungen in der Adoleszenz gibt es?

(12)

2 Die Definition der Adoleszenz aus verschiedenen Perspektiven

Der Begriff Adoleszenz oder Jugendalter bezeichnet die Lebensspanne zwi- schen Kindheit und Erwachsenenalter. Diese Lebensphase umfasst ungefähr die Zeit zwischen dem 12. und 20. Lebensalter (vgl. Rossmann 2010, S. 133).

Es ist nicht möglich die Lebensphase „Jugend“ ausschließlich biologisch zu definieren. Kulturelle, wirtschaftliche, generationsbezogene und gesellschaftli- che Faktoren beeinflussen das Jugendalter (vgl. Hurrelmann 2010, S. 13). Aus idealtypischer Sicht befindet sich der jugendliche Mensch auf dem biografi- schen und gesellschaftlichen Weg vom Kind zum Erwachsenen. Das heißt, das Jugendalter ist die Zwischenstation vom abhängigen Kind zum unabhängigen Erwachsenen (vgl. Hurrelmann 2010, S. 36). Während dieser Zeit befinden sich weibliche und männliche Jugendliche in einer „Sandwichposition“. Sie sollen Verhaltensformen und Privilegien der Kindheit aufgeben und Kompe- tenzen und Pflichten des Erwachsenseins anerkennen und leben lernen. Die Adoleszenz beginnt mit dem Eintreten der Jugendlichen in die Pubertät und endet, wenn die Kompetenzen für die Erwachsenenrolle entwickelt sind. Unter diesen Kompetenzen werden persönliche Leistungsbereitschaft, Beruf, Freizeit, Konsumverhalten und politische Beteiligung verstanden (vgl. Grob 2007, S.

187).

Die Definition der Adoleszenz kann aus verschiedenen Perspektiven erfolgen:

2.1 Die Definition der Adoleszenz durch das Lebensalter

Die Meinungen über den Beginn und das Ende der Adoleszenz klaffen stark auseinander. Auch der Wissenschaft gelingt es nicht, den Beginn und das Ende der Adoleszenz einheitlich festzulegen. Auf Alterszahlen legen sich nur wenige Autorinnen und Autoren fest, da die individuelle Entwicklung mit der jeweili- gen Lebenssituation korreliert. Diese Lebenssituation ist zusätzlich stark an die

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Schulstruktur gebunden. Somit wird von der Gesellschaft eine Anforderung auf das Alter geschaffen. Oft wird der Beginn der Pubertät als Untergrenze der Adoleszenz genannt. Da dies jedoch schwierig ist zu differenzieren, wählt man bei Mädchen oft den Zeitpunkt der ersten Menstruation. Bei Jungen ist dieser Prozess schwieriger. Der erste Samenerguss ist schlecht zu erfragen. Daher bedienen sich psychologische Forscherinnen und Forscher der Kriterien der Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale, wie Schambehaarung und Körperformen. Entscheidend für den Abschluss des Jugendalters alleine ist jedoch nicht nur die körperliche, sondern auch die soziale Entwicklung, wie Berufsabschluss und die materielle Unabhängigkeit von den Eltern. Man kann von den Eltern sozial-emotional unabhängig, ökonomisch aber abhängig sein.

Dies ist auch in umgekehrter Folge möglich. Erst die soziale und ökonomische Unabhängigkeit kennzeichnet das Erwachsenenalter. Das Erreichen dieser Kri- terien dauert oft ein ganzes Jahrzehnt oder länger. Die Tabelle 1 zeigt die Glie- derung der Adoleszenz nach dem Lebensalter aus der Sicht verschiedener Ex- pertinnen und Experten (vlg. Flammer/Alsaker 2002, S. 17-22).

(14)

Tabelle 1: Binnengliederung des Jugendalters

Steinberg (1989, S. 5):

Frühe Adoleszenz: 11.-14. Lj.

Mittlere Adoleszenz: 15.-18. Lj.

Späte Adoleszenz (=“youth“): 18.-21.Lj.

Elliott und Feldman (1990, S. 2):

Frühe Adoleszenz: 10.-14.Lj.

Mittlere Adoleszenz: 15.-17.Lj.

Späte Adoleszenz: 18.-25. Lj.

Ewert (1983, S. 13-16):

Adoleszenz 10.-21.Lj.:

Vorpubertät: 10.-12.Lj.

Pubertät (=Transeszenz): 12.-14.Lj.

Frühe Adoleszenz: 14.-18.Lj.

Späte Adoleszenz: 18.-21.Lj.

Junge Erwachsene: 21.-25.Lj.

Remplein (1963, S. 28):

Jugendalter:

Jungen: 12.-21.Lj.

Mädchen: 10 ½-20. Lj.

Vorpubertät:

Jungen: 12.-14. Lj.

Mädchen: 10 ½- 13.Lj.

Pubertät:

Jungen: 14.-16.Lj.

Mädchen: 13.-15 ½ Lj.

Jugendkrise:

Jungen: 16.-17. Lj.

Mädchen: 15 ½-16 ½ Lj.

Adoleszenz:

Jungen: 17.-21. Lj.

Mädchen: 16 ½-20 Lj.

(Quelle: Flammer/Alsaker 2002, S. 22).

(15)

Hurrelmann beschreibt drei Phasen der Adoleszenz:

• Frühe Jugendphase

12-17 jährige Jugendliche in der pubertären Phase

• Mittlere Jugendphase

18-21 jährige Jugendliche in der nachpubertären Phase

• Späte Jugendphase

22-27 jährige Jugendliche in der Übergangsphase zur Erwachsenenrolle (vgl. Hurrelmann 2010, S. 41).

Erikson setzt die Adoleszenz vom 13. bis zum 18. Lebensjahr an. Diese Phase dient laut Erikson der Identitätsfindung (vgl. Rossmann 2010, S. 148).

Die öffentliche Meinung ist sehr zweigespalten. Einerseits setzt man das Stimm-und Wahlrecht auf 16 Jahre herab und andererseits spricht man von jugendlichen Autoraserinnen und Autoraser mit 25 Jahren. Weiter unterschie- den werden auch beim Recht auf Religionsfreiheit, Heiratsrecht und Führer- schein. Es hat den Anschein, dass Jugendliche in Bezug auf ihre Rechte unter- schiedlich erwachsen werden (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S. 18-19).

Um die Meinung der Jugendlichen selbst zur Thematik Erwachsenwerden zu hören, befragte Arnett (1994) amerikanische College-Studierende zwischen 18 und 21 Jahren. Davon fühlten sich 27% erwachsen, 63% hielten sich teilweise erwachsen und auch nicht erwachsen und 10% gaben an, sich nicht erwachsen zu fühlen (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S. 20).

2.2 Die Definition der Adoleszenz durch den Inhalt

Da eine Definition der Adoleszenz nach Altersgrenzen nicht eindeutig gegeben werden kann, wird auch auf die inhaltliche Beschreibung Jugendlicher einge- gangen (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S.22-23).

Jugendliche von heute leben sowohl in einer historischen, als auch in einer kulturell geprägten Zeit. Jugendliche haben viele Herausforderungen zu bewäl-

(16)

tigen. Sie müssen mit der Scheidung und Wiederverheiratung der Eltern, der Verführung zu Suchtmitteln und zur Pornographie, mit Selbstmord, Mord, frü- her Sexualität und Elternschaft, sowie Arbeitsstellenmangel zurechtkommen.

Auch die Aufhebung der traditionellen Rollen als Frau und Mann, als Alterna- tive zu Arbeit und Karriere (z.B. Väterkarenz), Mangel an Ausbildungsstellen und sinkende Lebensqualität stellen für Jugendliche eine weitere Herausforde- rung dar. Es gibt viele psychologische Theorien der Adoleszenz. Die Autorin nimmt Bezug auf die klassische Theorie von Kurt Lewin. Kurt Lewin (1963) geht davon aus, dass Menschen in verschiedenen Lebensräumen leben. Die Übergänge von einem in den nächsten Lebensraum ziehen bestimmte Verhal- tenskonsequenzen nach sich. Die Adoleszenz stellt eine solche Übergangspha- se dar. Jugendliche sind keine Kinder mehr, aber auch noch keine Erwachse- nen. Einerseits sind sie in der Schule Kinder, da sie eine Entschuldigung bei Abwesenheit bringen müssen und anderseits bereits Erwachsene im Umgang mit Geld und dem anderen Geschlecht. Dadurch entsteht eine große Unsicher- heit im Verhalten. Diese Unsicherheit verstärkt sich, wenn sie zuvor von der Welt der Erwachsenen ferngehalten werden, sodass es wenige Möglichkeiten für ein „Realitäts-Training“ gibt (z.B. Umgang mit Taschengeld). Dazu kommt die körperliche Veränderung mit der sexuellen Reifung. Daraus resultieren weitere Unsicherheiten. In dieser Übergangszeit sind Jugendliche leicht beein- flussbar. Sie sind in leicht rechtsextremen und leicht linksextremen und neu- religiösen Richtungen zu finden. Dadurch werden Jugendliche zu Randpersön- lichkeiten. Der Grad der Instabilität hängt auch von den Bedingungen der all- gemeinen Stabilität oder Instabilität der/des einzelnen Jugendlichen ab (vgl.

Flammer/Alsaker 2007, S. 23-24).

(17)

2.3 Die Definition der Adoleszenz durch die geschichtliche Entwicklung

Die geschichtliche Beschreibung von Jugendlichen bezieht sich auf Störungen des Erwachsenenlebens, auf die Lebensfreude, den Neid und auf die Erwartung an die Jugend, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Aristoteles (384-322) sprach von drei Entwicklungsstufen, die jeweils sieben Jahre dauern.

Die dritte Phase war die Adoleszenz. In dieser Phase sollten sich die Unter- richtsgegenstände auf Mathematik, Musik und Geometrie beziehen, da diese das abstrakte Denken fördern. Weiters sollte der Umgang mit der Freiheit und dem Wählen erlernt werden. Bis zum Ende des Mittelalters wurde von Histori- kerinnen und Historikern angenommen, dass es sich bei Jugendlichen um noch nicht ganz fertige Erwachsene handelt. Comenius (1657) nannte eine Entwick- lungstheorie mit vier Stufen. Diese entsprachen den vier Jahreszeiten. Das Knabenalter war der Frühling, das Jugendalter der Sommer, das Mannesalter der Herbst und der Winter war das Greisenalter. Auch bei Comenius sollten in erster Linie der Verstand anhand der Fächer Mathematik, Latein, Grammatik und Ethik geschult werden. Die Willensbildung erfolgte erst in der Universi- tätsausbildung. Vor dem 18. Jahrhundert wurden Kinder ab dem zehnten Le- bensjahr in fremde Familien abgegeben. Dort mussten sie arbeiten und wurden mit vierzehn Jahren formell zu Lehrlingen oder Studentinnen und Studenten.

Sie blieben jedoch solange Kinder bis sie verheiratet waren. Auch die Kinder der Reichen und Mächtigen blieben abhängig. Bis zur Mitte des 18. Jahrhun- derts waren Studentinnen und Studenten in Oxford körperlicher Züchtigung ausgesetzt. Im 19. Jahrhundert kam es dann zur Einführung der allgemeinen Schulpflicht. Dadurch kristallisierte sich zwischen dem Kindesalter (Abschluss der Schulpflicht) und dem Erwachsenenalter (Heirat) eine immer deutlicher werdende Jugendphase heraus. Verschiedene Begriffsdefinitionen entstanden.

Als Jünglinge wurden die männlichen, gut bürgerlichen Jugendlichen, be- schrieben. Der Terminus „Jugendliche“ wurde im deutschen Kaiserreich (1888-1911) für straffällig gewordene und nicht ordentliche Menschen ver- wendet. Nach 1911 erfolgte ein Umdenken. Das Kaiserreich förderte nun Ver-

(18)

eine und Bildungsinstitutionen, die die Jugendlichen zu anständigen Bürgerin- nen, Bürgern und Soldaten heranbilden sollten. Dabei blieben die Jugendlichen jedoch nicht passiv, sondern wurden aktiv, indem sie Bewegungen gründeten.

Eine davon war die Wandervogel-Bewegung um die Wende zum 20. Jahrhun- dert in Deutschland. Sie zogen durch das Land und definierten sich als selbst- ständig und eigenverantwortlich. In Europa wurde im 19. Jahrhundert die Kin- derarbeit verboten. Den Jungen wurde eine gute Ausbildung geboten und die Mädchen sollten heiraten (vgl. Flammer/Alsaker 2007, S. 24-29).

Auf nicht europäischen Kontinenten existiert Kinderarbeit jedoch noch heute.

In den letzten Jahren verlagerte sich die biologische Pubertät immer mehr ins jüngere Lebensalter. Das heißt aber nicht, dass das Jugendalter demnach früher abgeschlossen ist. Die Adoleszenz könnte auch als Vorbereitung und Lernzeit auf das Erwachsenenleben definiert werden (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S.23- 29). Hinzu kommt, dass sich die Zusammensetzung der Bevölkerung seit Ende des 19. Jahrhunderts deutlich verändert hat. Die Zahl der jugendlichen Bevöl- kerung vermindert sich und die der älteren Bevölkerung steigt an. Kinder wa- ren früher Garanten und Garantinnen für die Alterssicherung und selbstver- ständlich. Heute sind Kinder eine luxuriöse Investition (vgl. Hurrelmann 2010, S. 13).

2.4 Die Definition der Adoleszenz durch die Gesellschaft

Die geschichtliche Beschreibung der Adoleszenz macht ersichtlich, wie der Begriff der Adoleszenz mit der Gesellschaft zusammenhängt. Es kommt auf die Gesellschaft an, wie der Begriff der Adoleszenz definiert wird. Dies ge- schieht willkürlich. Ein Beispiel: Eine technologische Gesellschaft stellt mehr Lernzeiten zur Verfügung als eine Agrargesellschaft. Auch in Kriegszeiten oder ökonomischen Krisen wird der Begriff unterschiedlich definiert. Wenn ein Arbeitskräftemangel herrscht, lässt man die Jugendzeit früher enden, um pro- duktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben. Im Gegensatz dazu wird

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bei Arbeitslosigkeit die Schulausbildung in der Jugend stark gefördert (vgl.

Flammer/Alsaker 2007, S. 37-38).

Die soziologischen Jugendtheorien umfassen vier Typen:

2.4.1 Die Jugend als Teil der Gesellschaft

Ein Vertreter dieses Konzeptes war Arthur Pearl (1981). Er beschreibt Jugend- liche so, wie diese sich selbst in der Gesellschaft wahrnehmen. Er unterschei- det dabei Lebenswerte und ökologische Arenen. Pearl sagt, dass Jugendliche bestimmte Werte an bestimmten Schauplätzen, wie Schule, Sport, Gleichaltri- gen-Gruppe, Straße, Arbeitsplatz, Kulturkreis, Clubs, Kirche, Zuhause, Ni- schen illegaler Handlungen und Drogen, suchen. Jugendliche mit Schulerfolg finden Sicherheit und Zufriedenheit in der Schule, während delinquente Ju- gendliche diese Sicherheit und Zufriedenheit in der Schule nicht finden können (vgl. Flammer/Alsaker 2007, S. 39-40).

2.4.2 Jugend als Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt

Ein Vertreter dieser Konzeption war Shmuel N. Eisenstadt (1956, dt. 1966). In dieser Jugendtheorie steht zentral die Tradition des Struktur-Funktionalismus des amerikanischen Soziologen Talcott Parson. Er nennt die Gesellschaft ein System von Untersystemen, Positionen und Rollen. Unter Struktur- Funktionalismus wird die Struktur verstanden, die der Analyse und Betrach- tung vorausgeht. Die Hauptinteressen sind Gleichgewicht und Fortbestand der Gesellschaftssysteme, trotz ständiger Änderung der Gesellschaft durch Gebur- ten und Todesfälle. Aber auch das Individuum hat Bedürfnisse. Ohne das Indi- viduum hat keine Gesellschaft Bestand. Daher ist laut Eisenstadt die Konver- genz zwischen individuellen und gesellschaftlichen Interessen Grundvorausset- zung für ein gemeinsames Überleben. Die individuelle Existenz wird durch die Primärsozialisation in der Familie gewährleistet. Wenn das Kind selbstständig

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überlebens- und fortpflanzungsfähig geworden ist, tritt es in die sekundäre So- zialisation ein. Diese ist problemlos, wenn das Normensystem der Familie mit dem Normensystem der Gesellschaft ähnlich ist. Diese Gesellschaften nennt Eisenstadt partikularistisch oder nicht-universalistisch. In unseren modernen Gesellschaften, die universalistisch oder pluralistisch sind, sind einzelne Teile der partikularistischen Gesellschaften noch zu finden (z.B. Maturaball, Taufe, Firmung etc.). Die sekundäre Sozialisation ist derzeit in den westlichen Indust- riestaaten sehr zeitintensiv. Die Vertraulichkeit in der Familie kann auf das Berufsleben nicht übertragen werden. In dieser Übergangsphase finden Jugend- liche mit Hilfe der Gesellschaft eine bedeutsame Zwischenlösung. Sie schlie- ßen sich mit Gleichaltrigen zu sogenannten „Peer Groups“ zusammen. Es gibt in diesen Peer Groups emotionale Gleichheit, das heißt alle sind in der gleichen Lage, entsprungen aus der Nestwärme der Familie und unsicher auf das, was die Zukunft bringen wird. Weiter wird beobachtet, dass Jugendliche nicht nur in die Gesellschaft hinein sozialisiert werden, sondern dass diese auch neue Normen in die Gesellschaft bringen. Diese neuen Normen wiederrum stellen eine neue Herausforderung für die Gesellschaft dar (vgl. Flammer/Alsaker 2007, S. 39-43).

2.4.3 Jugend als neue Generation

Geprägt wurde dieses Konzept von Karl Mannheim (1928). Laut Mannheim treten Generationsprobleme und Konflikte auf, da die Jugend, ab siebzehn Jah- ren, das Erlernte hinterfragt und die alte Generation auf ihren Vorstellungen von der Welt behaart. Diese Zwischengeneration lockert jedoch diese Genera- tionsdifferenzierung auf. Sie sorgt für Kontinuität im Generationswechsel (vgl.

Flammer/Alsaker 2002, S.38-43).

(21)

2.4.4 Jugend als Zukunft

Die Jugend ist die Zukunft, der Jungbrunnen und der Spiegel der Gesellschaft (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S.46).

2.5 Die Definition der Adoleszenz nach psychologischen Merkmalen

Bei der Abgrenzung zwischen Kindes- und Jugendalter ist aus entwicklungs- und persönlichkeitspsychologischer Sicht der wichtigste Gesichtspunkt das Eintreten der Geschlechtsreife. Die Pubertät markiert einen tief eingreifenden Einschnitt in die Persönlichkeitsentwicklung. Durch die Entwicklung der Ge- schlechtsreife kommt es zu einem Ungleichgewicht in der körperlichen Ent- wicklung und psychischen Dynamik der Persönlichkeit. Daher ist es erforder- lich, auf sozialer und psychischer Ebene, Bewältigungsstrategien zu entwi- ckeln, um auf diese inneren und äußeren Bedingungen reagieren zu können (vgl. Alsaker 1997; Brooks-Gunn/Paikoff 1999; Fend 1990; Feldman/Elliot 1990; Oerter/Dreher 1995, zit. n. Hurrelmann 2010). Diese Bewältigungsstra- tegien sind im Jugendalter gänzlich unterschiedlich von denen im Kindesalter, wo sich Kinder mit Erwachsenen des Familiensystems (z.B. Eltern) identifizie- ren. In der Adoleszenz ist es notwendig, sich von der Mutter und dem Vater innerlich zu lösen, um eine autonome Organisation der Persönlichkeit zu instal- lieren. Dazu ist die Bewältigung einzelner Entwicklungsaufgaben erforderlich (vgl. Lerner/Spanier 1980, zit. n. Hurrelmann 2010, S. 26).

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Diese zentralen Entwicklungsaufgaben lassen sich in vier große Bereiche auf- gliedern:

2.5.1 Entwicklung von intellektueller und sozialer Kompetenz

Darunter wird das Bewältigen der schulischen und anschließend beruflichen Herausforderungen verstanden. Dadurch wird die ökonomische Basis für die Selbstständigkeit im Erwachsenenalter gesichert (vgl. Hurrelmann 2010, S.

27).

2.5.2 Entwicklung des inneren Bildes der Geschlechtszugehörigkeit

Die Akzeptanz der körperlichen Veränderung, der Aufbau von sozialen Bezie- hungen zu Gleichaltrigen und zum anderen und gleichen Geschlecht (hetero- oder homosexuelle Beziehungen) bilden die Basis für die eigene Familien- gründung (vgl. Hurrelmann 2010, S. 27-28).

2.5.3 Entwicklung eines selbstständigen Handlungsmusters

Die bedürfnisorientierte und kontrollierte Nutzung von Konsumgütern - ein- schließlich Medien - und die Fähigkeit, mit Geld umzugehen, hat das Ziel, ei- nen eigenen Lebensstil zu entwickeln (vgl. Hurrelmann 2010, S. 28).

2.5.4 Entwicklung von Werten und Normen

Durch die Entwicklung eines Werte- und Normensystems mit einem ethischen und politischen Bewusstsein, wird die Übernahme der Verantwortung als ge- sellschaftliche/r Bürgerin und Bürger im kulturellen und politischen Raum möglich (vgl. Hurrelmann 2010, S. 28).

(23)

2.6 Die Definition der Adoleszenz aus Sicht der Soziologie

Die klassische Soziologie sieht die Umwelt als Ausgangspunkt für das Verhal- ten einer jugendlichen Person. Die Entwicklung der Persönlichkeit erfolgt als Anpassung an gesellschaftliche Strukturen und Normen. Im Kontrast dazu be- schreiben klassische psychologische Theorien, die Entwicklung der Persön- lichkeit vom Organismus heraus. Die interdisziplinäre Sozialisationstheorie verwendet den Begriff Sozialisation. Darunter wird der Prozess der Entwick- lung der Persönlichkeit in Auseinandersetzung mit der inneren (Körper und Psyche) und äußeren Realität (soziale und physische Umwelt) verstanden (vgl.

Hurrelmann 2010, S. 49).

Das Hauptaugenmerk der Adoleszenz ist die Identitätsfindung. Keine/r weiß so recht, wer sie/er ist, ehe die passenden Partnerinnen und Partner in Liebe und Be- ruf gefunden und geprüft sind. Die Grundmuster der Identität gehen aus der selek- tiven Anerkennung oder Nichtanerkennung des Individuums aus der Kindheit hervor und aus dem sozialen Prozess, auf welche Art und Weise, dieser von den Jugendlichen erlebt wird. Im besten Fall handelt es sich dabei um die Anerken- nung als Person, die so ist, wie sie ist und der vertraut werden kann. Treue ist die besondere Stärke der Adoleszenz. Diese behält ihren starken Bezug zu kindlichem Vertrauen und reifem Glauben. Der antipathische Part zu Treue ist die Zurückwei- sung, die zur Identitätsbildung jedoch unabkömmlich ist. Diese Rollen - Zurück- weisung kann als mangelndes Selbstvertrauen auftreten oder als Trotz. Eigensin- nige Jugendliche bevorzugen die negative Identität. Darunter wird die Kombinati- on sozial unannehmbarer, hartnäckig bejahter Identitätselemente verstanden.

Wenn es dem sozialen Umfeld nicht gelingt, Alternativen anzubieten, kann es zu Konflikten mit dem ICH-Gefühl kommen. Doch ohne diese Rollen Zurückwei- sung ist die Identitätsbildung von Jugendlichen nicht möglich. Der Prozess der Identitätsbildung ist eine entwickelnde Konfiguration aus konstitutionellen Gege- benheiten, persönlicher Bedürfnisse, Fähigkeiten, Identifikationen, Abwehrhal- tungen, Rollen und erfolgreichen Verwandlungsprozessen (vgl. Erikson 1988, S.

94-98).

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Nicht bewältigte Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz führen zu psychischen Erkrankungen. Zentrale Entwicklungsaufgaben im Jugendalter sind: Entwicklung der Identität, Selbstwertregulation, Autonomie, Sexualität, Intimität, Sozialverhal- ten, emotionale Regulation und Lernfähigkeit (vgl. Brunner/Resch 2008, S.137).

Wenn einzelne Entwicklungsaufgaben mit Rückzug, wenig sozialen Kontakten, Verlust von Interesse und Abnahme der Leistungsmotivation einhergehen, ist von einer Entwicklungsgefährdung der/des Jugendlichen auszugehen (vgl. Resch 1997, zit. n. Brunner/Resch 2008, S. 138).

3 Beschreibung depressiver Verstimmungen im Jugendalter

„David, 14 Jahre, sagt „Manchmal wünsche ich mir, vom Dach zu springen oder mich irgendwo anders selbst zu verletzen.“ In den letzten drei Monaten hat er sich mehr und mehr zurückgezogen, und seine Gefühle von Traurigkeit, Wertlosigkeit und Selbsthass machen ihm Angst. Seine Lehrer beschreiben David als „einen Einzelgänger, sehr besorgt und unglücklich“. Er war immer ein guter Schüler, aber jetzt hat er Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, schreibt schlechte Arbei- ten und ist völlig unmotiviert. Es fällt ihm schwer zu schlafen, ihm fehlt der Appe- tit und häufig klagt er über Kopf- und Bauchschmerzen. An den meisten Tagen bleibt er in seinem Zimmer und tut nichts. Wenn seine Mutter ihn bittet, etwas zu tun, wird er extrem wütend. Sie sagt, er ist meist reizbar und „schlecht gelaunt“.“

(Essau 2007, S. 17).

Erst in den späten 70er und frühen 80er Jahren wurden die ersten systematischen Studien depressiver Störungen bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Vor dieser Zeit war Depression bei Kindern und Jugendlichen nicht existent oder durch Symptome beschrieben, die sich deutlich von denen der Erwachsenen un- terschieden. Heute weiß man, dass die grundlegenden Symptome einer depressi- ven Störung ähnlich deren der Erwachsenen sind (vgl. Essau 2007, S. 9). Depres- sive Verstimmungen im Jugendalter äußern sich in Affektveränderung, die sich in Änderung des Verhaltens, in Veränderung der Motivation und des Antriebs zeigt.

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Gleichzeitig treten Veränderungen des Denkens und des körperlichen Befindens auf (vgl. Klicpera/Gasteiger-Klicpera 2007, S. 55). Lange Zeit ging man davon aus, dass affektive Störungen normale Übergangsphänomene der Pubertät und des Jugendalters sind, die nach Eintritt ins Erwachsenenalter von selber wieder verge- hen (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S. 269). Stimmungsschwankungen und depres- sive Störungen kommen in allen Lebensabschnitten vor. Diese treten jedoch in der Pubertät erstmalig gehäuft auf (vgl. Eggers et al. 1994, S. 292). Bereits milde de- pressive Episoden im Kindes- und Jugendalter können zu schweren depressiven Verstimmungen im Erwachsenenalter führen (vgl. Goleman 2008, S. 305).

Bei Jugendlichen, die eine depressive Störung zeigen, äußert sich ihr Verhalten in anhaltendem Unglücklichsein, Antriebslosigkeit und Traurigkeit. Bei anderen Jugendlichen zeigt sich die depressive Störung in einer reizbaren Stimmung. Sie können bei jeder Kleinigkeit explodieren (vgl. Essau 2007, S. 17). Die/Der de- pressiv verstimmte Jugendliche ist nicht nur depressiv verstimmt, sondern sie/er fühlt sich nicht geliebt, sie/er fühlt sich schlecht und nicht geborgen, schlecht und minderwertig (vgl. Eggers et. al 1994, S. 182).

Eine depressive Störung, die klinisch relevant ist, tritt immer in Kombination ein- zelner Symptome auf. Nicht alle diese Symptome sind von außen beobachtbar.

Sie können nur von bestimmten Verhaltensweisen erschlossen werden. Eltern, Lehrerinnen und Lehrer entdecken depressive Verhaltensmuster oft erst, wenn diese bereits deutlich hervorgetreten sind (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S. 53- 54).

Die klinisch relevante depressive Störung im Jugendalter hängt vom Schweregrad der Symptome ab. Daher beschäftigen sich viele Forscherinnen und Forscher mit der Abgrenzung zwischen der normalen depressiven Verstimmung und der klini- schen Depression in der Adoleszenz (vgl. Flammer/Alasker 2002, S. 270).

Die klinischen Hauptmerkmale einer Depression werden in vier Kategorien einge- teilt. Dabei handelt es sich um die Stimmung, die Kognition, das Verhalten und den somatischen Zustand. Die Stimmung ist traurig, gedrückt, unglücklich und leer. Der kognitive Zustand zeichnet sich durch Interessensverlust, Schwierigkei-

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ten bei der Konzentration, negatives Denken, Suizidgedanken, Schuldgefühle und geringes Selbstwertgefühl aus. Das Verhalten ist psychomotorisch verlangsamt oder erregt. Der junge Mensch zieht sich sozial zurück, ist weinerlich bzw. ge- reizt. Dieses Verhalten führt zur Abhängigkeit und in weiterer Folge zum Suizid.

Somatische Merkmale sind erhöhtes Schlafbedürfnis oder Schlaflosigkeit, gestei- gerter oder verminderter Appetit, Gewichtszu- oder Abnahme, Verdauungsstö- rungen und Verlust der Libido (vgl. Essau 2007, S. 19).

Bei der Depression dauert dieser Zustand länger an und ist im Gegensatz zur ge- drückten Stimmung, die von kurzer Dauer (Stunden bis Tage) ist, sehr ernst zu nehmen (vgl. Essau 2007, S. 17). Daher ist es wichtig, als Lehrerin und Lehrer der Gesundheits- und Krankenpflege darüber Bescheid zu wissen, wie sich eine „ech- te Depression“ äußert, um entsprechende Interventionsmaßnahmen einleiten zu können.

4 Arten und Klassifikationen von Depressionen

Zur Diagnose depressiver Störungen werden internationale Klassifikationssysteme herangezogen. Mit dem Klassifikationssystem psychischer Störungen der Ameri- can Psychiatric Association, (DSM-IV=Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) oder dem Klassifikationssystem der World Health Orga- nisation (ICD-10 ist die Internationale Klassifikation Psychischer Störungen), werden klinische Depressionen diagnostiziert (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S.

54).

Die Autorin nimmt in dieser Literaturarbeit Bezug auf das DSM-IV Klassifikati- onssystem.

(27)

4.1 Depressive Störungen

Als depressive Störungen werden die Major Depression, die Dysthyme Störung und die Depressive Störung genannt. Diese unterscheiden sich vor allem in der Ausprägung, Dauer und Intensität. Grundsätzlich gelten zur Diagnose depressiver Störungen verschiedene Kernsymptome (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S. 55).

4.1.1 Major Depression

Das Kennzeichen der Major Depression ist mindestens eine depressive Episode.

Eine Episode dauert zwei Wochen und weißt folgende Symptome auf:

• Depressive Verstimmung oder Reizbarkeit

• Vermindertes Interesse an Familie, Freundinnen und Freunden oder an fast allen Aktivitäten

Dazu müssen auch mindestens vier der nächsten Symptome zutreffen:

• Gewichtszunahme, Gewichtsabnahme, gesteigerter oder verminderter Ap- petit

• Erhöhtes Schlafbedürfnis oder Schlaflosigkeit

• Verlangsamung oder psychomotorische Unruhe

• Energieverlust oder Müdigkeit

• Schuldgefühle oder Gefühle der Wertlosigkeit

• Geringe Entscheidungsfähigkeit oder Denk- und Konzentrationsverminde- rung

• Gedanken an den Tod, die sich immer wieder wiederholen, Suizidvorstel- lungen ohne Durchführungsplan, Suizidversuch oder genaue Planung des Suizids (vgl. Essau 2007, S. 20-21).

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Die Major Depression kann einzeln oder rezidivierend auftreten. Sie wird abhän- gig von der Anzahl der Symptome als leicht, mittel oder schwer klassifiziert.

Klassifikation der Major Depression:

Leichte Episoden:

Es liegen fünf bis sechs der vorhin benannten Symptome vor. Diese führen zu leichten Beeinträchtigungen in der Schule oder am Arbeitsplatz, bei sozialen Ak- tivitäten oder in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Mittlere Episoden:

Die Symptome liegen zwischen leichter und schwerer Episode.

Schwere Episode:

• Ohne psychotische Züge

Diese liegt vor, wenn die Anzahl der notwendigen Symptome für die Diagnose- stellung überschritten wird und Schule oder Beruf, soziale Aktivitäten und zwi- schenmenschliche Beziehungen stark beeinträchtigt sind.

• Mit psychotischen Zügen

Hier liegen Wahnvorstellungen und Halluzinationen vor, die mit persönlichen Schuldgefühlen und Todeswahn kongruieren. Es kann auch zum Verfolgungs- wahn kommen, ohne Verbindung mit depressiven Inhalten (vgl. Essau 2007, S.

21). Ein/e Jugendliche/r, die/der in der Schule und zu Hause nicht mehr zurecht kommt, die/der täglich Haschisch raucht, um ihre/seine Schwierigkeiten „wegzu- kiffen“ und gleichzeitig mehrere Suizidversuche hinter sich hat, hat ausreichend viele Symptome einer schweren Mayor Depression (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S. 56).

Eine mindestens zwei Jahre andauernde Mayor Depression wird als chronische Mayor Depression bezeichnet.

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Zusätzliche Spezifizierungen in der DSM-IV Klassifikation sind:

• Vollremission im Intervall heißt, dass eine vollständige Remission zwi- schen den beiden letzten Intervallen stattfindet.

• Ohne Vollremission im Intervall bedeutet, dass keine vollständige Remis- sion zwischen den letzten beiden depressiven Episoden stattgefunden hat.

• Die depressive Störung mit saisonalem Muster bezieht sich auf eine spezi- fische Jahreszeit und muss in den vergangenen zwei Jahren aufgetreten sein. Häufig beginnen depressive Störungen im Herbst oder Winter. Die Remission findet im Frühjahr statt (vgl. Essau 2007, S. 22-23).

4.1.2 Dysthyme Störung

Die Dysthyme Störung (dys=gestört, thymie=Gemüt) ist eine chronische Form der depressiven Störungen. Die Kennzeichen der Dysthymen Störung sind Reizbar- keit oder depressive Verstimmtheit an mehr als der Hälfte der Tage über mindes- tens zwei Jahre lang. Diese Form ist jedoch weniger stark ausgeprägt als bei der Mayor Depression. Es müssen mindestens zwei der folgenden Symptome, wie vermehrter Appetit, Appetitverlust, vermehrtes Schlafbedürfnis, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, geringes Selbstwertgefühl, Erschöpfung, Energiever- lust, geringes Selbstwertgefühl, Entscheidungsschwierigkeiten oder Hoffnungslo- sigkeit auftreten (vgl. Essau 2007, S. 23). Die Dysthyme Störung ist dadurch ge- kennzeichnet, dass sie früh, das heißt im Kindes- oder Jugendalter auftritt. Sie beginnt schleichend, nimmt jedoch einen chronisch dauerhaften Verlauf, der wie- derkehrend ist. Aus der Dysthymen Störung kann sich auch eine Mayor Depressi- on entwickeln (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S. 57-58).

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4.1.3 Depressive Störungen

Wenn die vorhin genannten Kriterien nicht erfüllt werden oder innerhalb von drei Monaten nach Anwesenheit eines erkennbaren Stressfaktors eine Depressive Stö- rung entsteht, wird diese als Anpassungsstörung mit depressiver Stimmung klassi- fiziert (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S. 271).

4.2 Bipolare Störungen

Diese Störungen werden als „zweiseitige“ Störungen bezeichnet, da sie nicht nur depressive, sondern auch manische Phasen beinhalten (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S. 58). Die Bipolaren Störungen werden in Bipolar I, Bipolar II und Zyk- lothyme Störung unterteilt.

4.2.1 Bipolar Störung I

Die Kennzeichen der Bipolar Störung I sind das mindestens einmalige Auftreten einer Mayor Depression mit einer manischen oder gemischten Episode. Die mani- sche Episode ist erkennbar mit einem unnormalen, gehobenen, sich in den Vor- dergrund stellendem Verhalten oder mit einer reizbaren Stimmung, die mindes- tens eine Woche lang andauert. Dazu müssen drei von den folgenden Symptomen vorliegen. Bei reizbarer Stimmung müssen vier dieser folgenden Symptome vor- liegen: Vermindertes Schlafbedürfnis, Größenwahn, erhöhte Gesprächigkeit, Ab- lenkbarkeit, vermehrte, zielgerichtete Aktivität, Ideenflucht und ein erhöhtes En- gagement in Aktivitäten mit einem hohen Potential an schmerzhaften Konsequen- zen. Es folgt eine Beeinträchtigung im sozialen, beruflichen oder schulischen All- tag. Die gemischte Episode ist durch die Kriterien einer manischen Episode und durch Kriterien einer Episode der Major Depression gekennzeichnet. Die ge- mischte Episode dauert mindestens eine Woche (vgl. Essau 2007, S. 24).

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4.2.2 Bipolar Störung II

Die Kennzeichen der Bipolar Störung II sind eine oder mehrere Episoden der Ma- yor Depression. Diese werden zusätzlich von einer hypomanischen Episode be- gleitet. Die Kennzeichen der hypomanischen Episode sind gehobene, reizbare oder expansive Stimmungen, die mindestens vier Tage dauern. Mindestens drei der folgenden Symptome, wie vermindertes Schlafbedürfnis, erhöhtes Selbstwert- gefühl, Ideenflucht, Rededrang, vermehrte zielgerichtete Aktivität und ein erhöh- tes Engagement in Aktivitäten mit einem hohen Potential an schmerzhaften Kon- sequenzen, treten auf. Im Gegensatz zur Bipolar Störung I kommt es zu keiner Beeinträchtigung im sozialen, beruflichen oder schulischen Alltag (vgl. Essau 2007, S. 24-25).

4.2.3 Zyklothyme Störung

Die Kennzeichen der Zyklothymen Störung sind Stimmungsschwankungen. Diese umfassen mehrere Episoden mit depressiven oder hypomanischen Symptomen.

Die Dauer der Symptome ist bei Kindern und Jugendlichen ein Jahr. Im Vergleich dazu dauert die Zyklothyme Störung beim Erwachsenen zwei Jahre (vgl. Essau 2007, S. 25).

Ausdrücklich ist zu sagen, dass in keiner der vorhin genannten depressiven Stö- rungen, der körperliche Zustand die Ursache ist.

4.3 Andere affektive Störungen im DSM-IV

Andere affektive Störungen werden in die Affektive Störung aufgrund eines kör- perlichen Zustandes und in die Substanzinduzierte Affektive Störung unterteilt.

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4.3.1 Affektive Störung aufgrund eines körperlichen Zustandes

Diese Störung ist ausschließlich auf den physiologischen Zustand zurückzuführen.

Diese sind anhand der Krankengeschichte, körperlicher Untersuchungen und La- borergebnissen zu erklären. Die Symptome können sowohl eine niedergedrückte Stimmung, verringertes Interesse an Aktivitäten, als auch eine gehobene expansi- ve oder auch reizbare Stimmung umfassen. Es kommt zu einer ausgeprägten Be- einträchtigung im sozialen, schulischen oder beruflichen Bereich (vgl. Essau 2007, S. 28).

4.3.2 Substanzinduzierte Affektive Störung

Diese Störung ist auf eine Substanz mit physiologischer Auswirkung zurückzu- führen. Die Symptome treten innerhalb eines Monates auf. Die Ursache kann so- wohl Intoxikation mit einer Substanz, als auch Entzug einer Substanz sein. Es folgt eine deutliche Beeinträchtigung in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsgebieten (vgl. Essau 2007, S. 28).

Einige Methoden zur Diagnostik depressiver Verstimmungen beschreibt das fol- gende Kapitel.

5 Methoden zur Erhebung und Diagnostik depressiver Störungen

Jugendliche sind besonders auf ihre Eltern, auf Lehrerinnen und Lehrer angewie- sen, ob ihre traurige Verstimmtheit erkannt, ernst genommen, diagnostisch abge- klärt und einer Behandlung zugeführt wird oder nicht. Deren Einschätzung ist entscheidend für die diagnostische Vorstellung (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S.

195). Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese und der Verhaltensbeobachtung.

Zusätzlich ist eine körperliche Untersuchung notwendig, um organische Krank-

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heiten (z. B. zerebrale Prozesse), die als Ursache depressiver Symptome in Frage kommen, auszuschließen (vgl. Harrington et al. 2001, S. 21). Zahlreiche Studien befassen sich mit Selbstberichten, die die spezielle familiäre Interaktion zwischen Eltern und Kind aus der Sicht der/des Jugendlichen betreffen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erhebung der Beziehung zum Freundeskreis, zur sogenannten Peer Group (vgl. Blöschl 1998, S. 107). Um eine Depression im Jugendalter diag- nostisch abzuklären, sind angemessene Erhebungsinstrumente, die Symptome, Dauer, Schweregrad, erstmaliges Auftreten und Verlauf der Depression erfassen, erforderlich. Dies gilt sowohl für die Erfassung als auch für die Evaluation der Behandlung (vgl. Essau 2007, S. 30).

5.1 Diagnostische Interviews

Die Erfassung psychiatrischer Störungen erfordert eine standardisierte Herange- hensweise. In diagnostischen Interviews werden spezifische Symptom- und Prüf- fragen, Codierungsregeln und diagnostische Algorithmen (Handlungsvorschriften) eingesetzt. Es werden Fragen für jede diagnostische Kategorie formuliert, um die Symptome, die Dauer und die Ausschlusskriterien der Störung zu evaluieren. Die- se diagnostischen Interviews beinhalten Listen von Zielverhalten, Symptomen und Richtlinien für die Durchführung der Interviews. Zusätzlich enthalten sie die Aufzeichnung der Antworten und die Ableitung von Diagnosen. Das zu erfassen- de Zielverhalten, die Diagnose, der zeitliche Rahmen und der Strukturierungsgrad können bei den einzelnen Interviews jedoch sehr unterschiedlich sein. Die Inter- views unterscheiden sich hinsichtlich des Systems und der Fachkenntnisse, die zur Durchführung notwendig sind. Es werden zwei Arten von strukturierten Inter- views unterschieden: Das hochstrukturierte Interview und das halbstrukturierte Interview. Beim hochstrukturierten Interview sind die Abfolge der Fragen, der exakte Wortlaut, die Regeln für die Aufzeichnung und das Rating (Bewertung) der Antworten vorgegeben. Die Anwendung dieses Instrumentes kann auch von einer eingeschulten Laieninterviewerin oder einem Laieninterviewer durchgeführt werden. Halbstrukturierte Interviews haben flexiblere Richtlinien für die Durch-

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führung. Die Durchführung des halbstrukturierten Interviews obliegt jedoch einer Expertin oder einem Experten (vgl. Essau 2007, S. 30-31).

5.2 Der Selbstbeurteilungsfragebogen

Vor noch nicht langer Zeit hat man Kindern und Jugendlichen die Fähigkeit abge- sprochen, selbst ihre „wahren Gefühle“ zum Ausdruck zu bringen. Heute sind die Selbstaussagen der Kinder und Jugendlichen ein notwendiger und wichtiger Be- standteil der Diagnostik depressiver Störungen (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S.

195). Durch die Tatsache, dass viele depressive Symptome subjektive Gefühle und Selbstwahrnehmungen widerspiegeln, ist der Einsatz von Selbstbeurteilungs- fragen notwendig. Verdeckte Prozesse, wie z. B. Selbstwertgefühl, Schuld, Hoff- nungslosigkeit und Suizidgedanken, können erhoben werden. Aber auch schwer beobachtbare somatische Symptome, wie z. B. Schlaflosigkeit und Appetitverlust werden erfasst (vgl. Essau 2007, S. 36). Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die gewonnenen Daten aus der sozialen Interaktion zwischen der Forscherin oder des Forschers und der Probandin oder des Probanden zustande kommen. Die Forscherin oder der Forscher erhält nur Daten, die die Probandin oder der Proband gewillt sind, mitzuteilen. Daher ist eine Kombination von Selbst- und Fremdbeur- teilung empfehlenswert (vgl. Rossmann 2010, S.21).

5.3 Die Beurteilung durch Bezugspersonen

Die Befragung mittels Interview stellt eine wichtige Informationsquelle dar. So- wohl die Selbstbeurteilung, als auch die Fremdbeurteilung durch Bezugspersonen (z. B. Eltern, Lehrerinnen und Lehrer) ist ein wichtiger Bestandteil des Erhe- bungsprozesses depressiver Verstimmungen. Entscheidend ist auch, wie z. B. die Eltern den Schweregrad der Probleme wahrnehmen (vgl. Rossmann 2010, S. 21).

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5.4 Die Beobachtung des Verhaltens

Die systematische Beobachtung gehört zu den wichtigsten Datenquellen. Erfor- derlich ist eine exakte Definition der Verhaltenskategorien und ein gezieltes Trai- ning der Beobachterin oder des Beobachters (vgl. Rossmann 2010, S. 20). Die Beobachtung des Verhaltens kann in der natürlichen Umgebung (z. B. Klassen- zimmer, zu Hause) der/des Jugendlichen oder in analogen Settings stattfinden. Bei der analogen Beobachtung wird das Verhalten einer/eines Jugendlichen mit dem Verhalten einer/eines Anderen unter denselben Bedingungen verglichen. In diesen Settings soll ein Zielverhalten erreicht werden. Dieses Beobachten wird mittels Checklisten oder Video aufgezeichnet. Die Beobachtung umfasst die soziale Ak- tivität (Teilnahme der/des Jugendlichen an Gesprächen, Gruppenaktivitäten und Spielen), das Verhalten mit sich selbst (beschäftigt sich alleine, erledigt Aufga- ben, macht ihr/sein Zimmer sauber, kümmert sich um sich selbst) und den affekt- bezogenen (lächeln, stirnrunzeln, streiten, klagen) Ausdruck (vgl. Essau 2007, S.

38-40).

5.5 Die Familienevaluation

Die Methoden zur Familienevaluation lassen sich in Beobachtungs- und Selbstbe- urteilungsverfahren aufteilen. Die Erhebungstechnik konzentriert sich auf emotio- nale Bindungen zwischen den Familienangehörigen, interpersonale Kontrolle und Kommunikation. Das Interesse, diese Sachinhalte zu erheben, basiert auf For- schungsergebnissen, die durchgängig auf ein höheres Risiko für psychische Stö- rungen bei Jugendlichen aus zerrütteten Familienverhältnissen, im Gegensatz zu Jugendlichen aus stabileren Familien, hinweisen. Diese Studien konzentrierten sich auf Streitigkeiten in der Familie, Trennungen oder Scheidungen der Eltern, auf konfliktreiche Eltern-Kind-Beziehungen und auf die Psychopathologie der Eltern. Die Durchführung der Beobachtung findet in natürlichen Settings oder im Labor statt. Während die familiäre Interaktion zu Hause bei der natürlichen Be- obachtung erfasst wird, werden im Labor die Interaktionen bei der Lösung von

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Problemen und Aufgaben erhoben. Um das Vorliegen psychischer Erkrankungen bei den Eltern zu erheben, werden die Eltern mittels eines standardisierten diag- nostischen Interviews befragt. Diese Beurteilungsmethode stützt sich auf For- schungsergebnisse, nach denen Jugendliche von Eltern mit psychischen Erkran- kungen ein höheres Risiko aufweisen, psychische Störungen zu entwickeln, als Jugendliche von Eltern ohne Störungen dieser Art (vgl. Essau 2007, S. 40-41).

Die Adolescent Identity Treatment (AIT) Methode legt den Schwerpunkt bei der Erfassung der Daten auf die Einbeziehung der Familie, insbesondere der Eltern.

Neben der Gewinnung anamnestischer Informationen, wird auch die Dynamik innerhalb der Familie erfasst. Ein Hauptaspekt zur Diagnosestellung ist das Er- kennen des Ortes, wo die Störung stattfindet. Unterschieden wird die Manifestati- on der Familienpathologie (z.B. persönliche Pathologie eines oder beider Eltern- teile, Geschwister, familiäre Kommunikationsstrukturen) und die Störung der ado- leszenten Person auf die Familie (d.h. die Pathologie des Jugendlichen kontami- niert die Familie). Dadurch wird besonderes Augenmerk auf die systematische Evaluation von Persönlichkeitsfunktionen gelegt (vgl. Foelsch et al. 2010, S. 418- 422).

5.6 Maße zur Erfassung depressiver Verstimmungen

Es gibt zahlreiche Maße zur Erfassung von Depressionen. Diese Maße umfassen die Prüfung kognitiver Funktionen, die Erfassung angenehmer und unangenehmer Aktivitäten und sozialer Kompetenzen. Die Einbeziehung dieser Maße ist erfor- derlich, da diese Maße Informationen enthalten, die über das Verhalten depressi- ver Jugendlicher hinausgehen und Informationen über den weiteren Verlauf der Depression (verlängern, verstärken, aufrechterhalten) geben (vgl. Essau 2007, S.

40-41).

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5.7 Die psychosoziale Beeinträchtigung

Der Grad der psychosozialen Beeinträchtigung wird benutzt, um psychische Stö- rungen extern zu validieren. Die Bereiche umfassen zwischenmenschliche Bezie- hungen, wie sich die/der Jugendliche gegenüber Gleichaltrigen, Familienmitglie- dern und anderen Personen außerhalb der Familie verhält. Weitere Bereiche sind die Leistungen in der Schule oder am Arbeitsplatz, die Fähigkeit, das Leben zu genießen und die sinnvolle Nutzung der Freizeit (vgl. Essau 2007, S. 42-43).

Klinische Diagnosen werden von Fachleuten gestellt. Diese Diagnose beruht auf einer sorgfältigen Analyse des vorliegenden depressiven Störungsbildes. Zusätz- lich werden Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und andere wichtige Personen (z.B.

Peer Group) aus dem sozialen Umfeld der oder des Jugendlichen als Informantin- nen und Informanten herangezogen (vgl. Nevermann/Reicher 2009, S. 205).

6 Epidemiologie depressiver Verstimmungen im Jugendalter

Jugendliche werden seit etwa zehn Jahren international häufiger und umfassender auf depressive Störungen klinisch-wissenschaftlich untersucht (vgl. Never- mann/Reicher 2009, S. 61). Vom Jugendalter an leiden Mädchen zwei- bis drei- mal mehr an einer Depression als Jungen. Depressionen entwickeln sich um das elfte bis vierzehnte Lebensjahr (vgl. Harrington 2002, S. 9). Etwa jedes dritte Mädchen und jeder vierte Junge in der Adoleszenz berichten über eine depressive Verstimmung in den letzten sechs Monaten (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S. 271).

Über depressiven Verstimmungen bei Kindern vor Schulbeginn ist wenig bekannt.

Bei Grundschulkindern liegt die Prävalenzrate einer Mayor Depression bei 1 bis 5% (vgl. Essau 2007, S. 47). An leichteren, aber länger andauernden depressiven Verstimmungen leiden etwa 0,6% bis 2% der jüngeren Schulkinder (ca. 5-8 Jahre) und 8% bis 10% der älteren Schulkinder und Jugendlichen. 30% beträgt der An- teil depressionsgefährdeter Kinder und Jugendlicher (vgl. Nevermann/Reicher

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2009, S. 63). Essau berichtet in der Bremer Jugendstudie, dass 17,9% der Jugend- lichen bereits einmal in ihrem Leben an einer Depressiven erkrankt waren (vgl.

Essau 2007, S. 47). In dieser Studie wurde zudem zwischen der stärkeren Störung, der sogenannten Mayor Depression und der schwächeren, aber chronischen Form, der sogenannten Dysthymen Störung, unterschieden. 14% der Jugendlichen leiden an einer Mayor Depression und 5,6% an einer Dysthymen Störung (vgl. Never- mann/Reicher 2009, S. 63-64). Die Erstmanifestation der Mayor Depression liegt bei 14,9 Jahren und die der Dysthymen Störung bei ungefähr elf Jahren. Ein Drit- tel der weiblichen und männlichen Jugendlichen erleben im Alter von vierzehn Jahren ihre erste depressive Episode. Die Dysthyme Störung hat einen früheren Krankheitsbeginn als die Mayor Depression. Der Unterschied beträgt ungefähr zwei Jahre. Studien von Kovacs und Lewinsohn zeigen, dass der Mayor Depressi- on die Dysthyme Störung oft vorausgeht (vgl. Essau 2007, S. 68-69). Der ameri- kanische Depressionsforscher Peter Lewinsohn berichtet in einer weiteren Studie, dass über 20% der 14 bis 18 jährigen schon einmal in ihrer Lebensspanne an einer Depression litten. Der Psychologieprofessor Jürgen Magraf meint, dass Jugendli- che heute drei- bis viermal häufiger depressiv werden, als ihre Großeltern (vgl.

Paulus 2009, S. 78). Diese Ergebnisse legen nahe, dass eine Depression beim Er- wachsenen häufig im Jugendalter beginnt. Aus zahlreichen Studien geht hervor, dass die Inzidenz und die Prävalenz von Depressionen im Jugendalter steigend sind und außerdem das Alter bei Störungsbeginn abnimmt (vgl. Essau 2007, S.

46-47). Bei Adoleszenten mit einer diagnostizierten depressiven Verstimmung sind das Risiko einer Depression und die Entwicklung von Suizidalität, Sub- stanzmissbrauch und Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenenalter deutlich er- höht (vgl. Steinhausen 2010, S. 21).

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Faktoren, die möglicherweise mit dem Anstieg der Prävalenzraten zusammenhän- gen sind folgende:

6.1 Genetische Faktoren

In verschiedenen Familienstudien wurden genetische Faktoren, die möglicher- weise eine Rolle spielen, untersucht. Die Häufung depressiver Störungen in der Familie ist ein starker Prädikator für die Entstehung von Depressionen im Jugend- alter. Jugendliche, deren Eltern depressiv sind, weisen auch höhere Raten depres- siver Störungen auf. Zusätzlich belegen neueste Studien, dass Depression mit an- deren psychischen Störungen komorbid auftritt. Außerdem neigen depressive weibliche und männliche Jugendliche dazu, sich auch Partnerinnen und Partner mit der gleichen Störung („assortative mating“) zu suchen (vgl. Essau 2007, S.

47). Nach einer Studie an 316 Zwillingspaaren zeigt sich eine Erblichkeit von 79%. Dieser Einfluss wird erst bei den 11 bis 16 jährigen ersichtlich. Vor diesem Alter ist der Einfluss geringer. Die Gene können die starke Zunahme an Depressi- onen in der Adoleszenz jedoch alleine nicht klären (vgl. Paulus 2009, S. 78).

6.2 Pubertät

Die Zeit der Pubertät kann einschneidende Folgen haben. Es kommt zu großen Veränderungen, die im psychologischen und sozialen Kontext stehen. Zur glei- chen Zeit finden körperliche Veränderungen statt. Entscheidend ist der Pubertäts- beginn, der als potentiell wichtiger Faktor für die Entstehung von Depressionen in der Adoleszenz gesehen wird. Verglichen mit dem vergangenen Jahrhundert hat sich der Pubertätsbeginn um durchschnittlich drei Jahre vorverlegt. Parallel dazu kommt es zum Anstieg der Depressionsraten. Diese Erkenntnis lässt auf einen Kausalzusammenhang zwischen Pubertät und Depression schließen (vgl. Essau 2007, S. 50).

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6.3 Die Familiensituation

Die Familie spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung depressiver Verstim- mungen im Jugendalter. Jugendliche depressiver Eltern werden dreimal oder öfter depressiv als ihre Alterskolleginnen und Alterskollegen. Depressive Mütter gehen anders mit ihren Kindern um, als nicht depressive Mütter. Jungen und Mädchen, die zwischen acht und zehn Jahre alt sind, werden von depressiven Müttern stär- ker kritisiert. Bereits im Alter von vierzehn Monaten ist die vordere linke Seite des Gehirns von Kleinkindern depressiver Mütter beim Spielen weniger aktiv.

Diese Hirnregion ist besonders wichtig für positive Gefühle. Vor allem Töchter leiden unter der Depression ihrer Mutter. Die Mütter belasten ihre Töchter emoti- onal, indem sie bei ihnen Hilfe und Trost suchen (vgl. Paulus 2009 S. 78-79).

Kinder depressiver Eltern werden in der Regel früher, das heißt vor dem 11. Le- bensjahr, depressiv (vgl. Harrington 2001, S. 9). In der Adoleszenz kommt es zu einer Veränderung in der familiären Beziehung. Die Eltern-Kind Beziehung wird konfliktreicher und die Zeit, die mit der Familie verbracht wird, nimmt ab. Auch Veränderungen in der Familiensituation (z.B. Scheidung/Trennung der Eltern, familiäre Konflikte, eheliche Streitigkeiten, alleinerziehende Elternteile, Mangel an elterlicher Unterstützung und Anteilnahme) spielen eine Rolle bei der Entste- hung und beim Verlauf depressiver Störungen im Jugendalter (vgl. Essau 2007, S.

54). Anzumerken ist, dass oft nicht die Scheidung das eigentliche Problem dar- stellt, sondern, dass die Jugendlichen nach diesem kritischen Lebensereignis nicht gut oder überhaupt nicht betreut werden (vgl. Paulus 2009, S. 79).

6.4 Die Schulsituation

Der Übergang von der Volksschule in eine weiterführende Schule ist ein wichti- ger Schritt. Steigende Anforderungen und die Entwicklung des Bildungsniveaus einer adoleszenten Person sind weitere Herausforderungen (vgl. Essau 2007, S.

55).

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6.5 Belastende Lebensereignisse

Die Veränderungen in der Lebenssituation von Jugendlichen, wie negative Ereig- nisse (z.B. Scheidung der Eltern) und Anforderungen (z.B. Anstieg der Bildungs- anforderungen), die häufiger geworden sind, werden von Mädchen und Jungen psychisch sehr belastend empfunden. Die emotionale und soziale Unterstützung von Seiten der Erwachsenenwelt nimmt im Jugendalter hingegen ab (vgl. Essau 2007, S. 55).

6.6 Arbeitslosigkeit

Theoretisch können Adoleszente heute jeden Beruf erlernen. Unsicherheit bringen zahlreiche Absagen bei einer Lehrstellensuche. Dadurch entsteht Hoffnungslosig- keit (vgl. Paulus 2009, S. 79). Die Arbeitslosenraten sind sowohl bei Jugendli- chen, als auch bei Erwachsenen gleich hoch. Es fehlt die Identifikation mit der Arbeit, das Selbstbewusstsein nimmt ab und soziale Netzwerke zerfallen. Die Ar- beitslosigkeit kann Adoleszente in eine Depression gleiten lassen. Das psychische Wohlbefinden einer jugendlichen Person kann jedoch auch durch die Arbeitslo- sigkeit eines Elternteils negativ beeinflusst werden, da ökonomische Probleme und elterlicher Stress auftreten (vgl. Essau 2007, S. 55).

7 Geschlechterspezifische Unterschiede

Die Entwicklung von Identitätsstörungen in der Adoleszenz erklären Foelsch et al.

anhand eines Modells von Paulina Kernberg in ihrer Übersichtsarbeit. Es kann zwischen einer normalen Identitätskrise und einer Identitätsdiffussion unterschie- den werden. Normale Identitätskrisen gehen in eine normale gefestigte Identität über. Das Funktionsniveau ist flexibel und anpassungsfähig. Die Identitätsdiffus- sion wird als Grundlage für die spätere Persönlichkeitspathologie, wie depressive

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Störungen gesehen. Die Identitätsbildung einer adoleszenten Person besteht in grundlegenden Entwicklungsaufgaben, wie der Definition der eigenen Person im sozialen Kontext und der psychosozialen Selbstbestimmung. Die Etablierung ers- ter Partnerschaften, körperliche Intimität, die Festlegung auf einen Beruf und der aktive Konkurrenzkampf mit anderen können Identitätskrisen erzeugen. Unter Identitätsdiffussion wird das Fehlen eines integrierten Selbstkonzeptes und dem Konzept wichtiger Bezugspersonen beschrieben (vgl. Foelsch et al. 2010, S. 418- 434). Diese Identitätsfindung ist bei Jungen und Mädchen aufgrund verschiedener Faktoren unterschiedlich. Dadurch kommt es auch zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Entwicklung und in weiterer Folge, im Verlauf von Depres- sionen.

7.1 Geschlechterspezifische Unterschiede in der Entstehung von Depressionen

Im Gegensatz zu Kindern, wo keine geschlechterspezifischen Unterschiede bei depressiven Störungen signifikant sind, ist die Depressionsrate im Jugendalter bei Mädchen um zweimal höher als bei Jungen. Besonders körperlich früh entwickel- te Mädchen haben ein erhöhtes Risiko eine Depression zu erleiden (Flam- mer/Alsaker 2002, S. 272). Entscheidend ist, dass der Einfluss der Geschlechts- hormone in der Lebensphase Pubertät am höchsten ist (vgl. Huber 2010, S. 65).

25% der Frauen und 10 bis 15% der Männer erleben einmal im Leben eine De- pression. Dieser geschlechtsspezifische Unterschied tritt meistens um die Pubertät herum auf. Die häufigsten Begleiterscheinungen von Depressionen sind Mager- sucht (Anorexia) und Ess-Brechsucht (Bulimie). Diese sind vorwiegend Mäd- chenprobleme. Die Hintergründe, dass Mädchen ein doppelt erhöhtes Risiko für Depressionen haben, sind folgende:

In der Pubertät wird der Geschlechterunterschied deutlich sichtbar. Mädchen erle- ben die Pubertät insgesamt belastender und negativer als Jungen. Sie müssen meh- rere Entwicklungsaufgaben gleichzeitig bewältigen, was ohnehin Stress erzeugt.

Studien, in denen der Geschlechterunterschied in Bezug auf die gegebenen Ant-

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