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Belastung und Beanspruchung von Lkw-Fahrern

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Academic year: 2022

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Christiane D’Avia

Belastung und Beanspruchung von Lkw-Fahrern

Diplomarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra

an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Karl – Franzens - Universität Graz

(Mag.a rer.nat.)

Begutachter und Betreuer:

Univ.-Prof. DDr. Wolfgang Kallus

Arbeits-, Organisations- und Umweltpsychologie Institut für Psychologie

Karl – Franzens – Universität Graz

2011

(2)

Danksagung

Ein herzlicher Dank geht an

alle Lkw-Fahrer und Transportunternehmen

für die Teilnahme an dieser Studie und die interessanten Gespräche.

Ohne ihre Teilnahme wäre die Studie nicht möglich gewesen.

Ein besonderer Dank gilt Herrn Univ.-Prof. DDr. Kallus

für die gute Betreuung und Unterstützung meiner Diplomarbeit sowie die wertvollen Hinweise im Laufe der Entstehung meiner Diplomarbeit.

Vielen Dank auch an das

Truck 2020 – Team: Stefanie Filzwieser, Claus Hofer und Wolfgang Graupp für die gute Zusammenarbeit und

die Mithilfe bei der Rekrutierung und Durchführung der Interviews.

Ein großes Dankeschön schulde ich auch meinen Freunden

für die Unterstützung und die hilfreichen Inputs während meiner Diplomarbeit und

meinen Eltern

für die Ermöglichung und Unterstützung meines Studiums sowie die hilfreichen Inputs für meine Diplomarbeit.

Dankeschön an alle, die meine Arbeit unterstützt haben!

(3)

Zusammenfassung...0

1. Einleitung ...0

2. Theoretischer Hintergrund ...1

2.1. Begriffsbestimmung ...1

2.1.1. Fehlbeanspruchung und Beanspruchungsfolgen ...2

2.1.1.1. Ermüdung ...2

2.1.1.2. Monotonie ...3

2.1.1.3. Psychische Sättigung ...3

2.1.1.4. Stress ...5

2.1.2. Erholung ...6

2.1.3. Ressourcen ...7

Konzepte zu Belastung und Beanspruchung ...8

2.2. Modelle und 2.3. 3.2. 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.4. 3.4.1. 2.2.1. Erholungs-Beanspruchungsbilanz ...8

2.2.2. Demand-Control Modell ...9

2.2.3. Modell beruflicher Gratifikationskrisen ...10

2.2.4. Need for Recovery ...10

Die Arbeitstätigkeit von Lkw-FahrerInnen ...12

2.4. Belastung und Beanspruchung bei Lkw-FahrerInnen ...14

2.4.1. Belastungsfaktoren bei Lkw-FahrerInnen ...14

2.4.1.1. Psychische Belastungsfaktoren ...14

2.4.1.2. Physische Belastungsfaktoren ...16

2.4.1.3. Soziale Belastungsfaktoren ...17

2.4.1.4. Situative Belastungsfaktoren ...18

2.4.2. Fehlbeanspruchung bei Lkw-FahrerInnen ...19

2.4.3. Empirische Befunde ...21

2.5. Fragestellung ...22

3. Methodik ...24

3.1. Untersuchungsdesign ...24

Stichprobe ...25

Untersuchungsablauf ...26

Probeinterviews ...26

Hauptinterviews ...27

Materialien ...29

Interviewleitfaden ...29

3.4.2. Diktiergerät ...31

3.4.3. Protokollbogen ...31

3.4.4. Fragebogen „Truck2020“ ...31

3.5. Variablen ...32

(4)

3.6. Datenanalyse ...34

3.6.1. Transkription ...34

3.6.2. Qualitative Datenanalyse ...34

3.6.3. Quantitative Datenanalyse ...39

Ergebnisse ...41

4.   4.1. Qualitative Ergebnisse ...41

4.1.1. Umgebungsbedingungen ...41

4.1.2. Organisationale Merkmale ...45

4.1.3. Berufsbezogene Merkmale ...50

4.1.4. Merkmale der Verladestelle ...58

4.1.5. Fahrzeugmerkmale ...61

4.1.6. Merkmale der Person ...63

4.2. Quantitative Ergebnisse ...65

4.2.1. Unterschiede zwischen Nah- und Fernverkehrsfahrern ...65

4.2.1.1. Umgebungsbedingungen ...65

4.2.1.2. Organisationale Merkmale ...69

4.2.1.3. Berufsbezogene Merkmale ...71

4.2.1.4. Merkmale der Verladestelle ...75

4.2.1.5. Merkmale der Person ...78

4.2.1.6. Fahrzeugmerkmale ...80

4.2.2. Subjektive Belastungsfaktoren ...81

4.2.2.1. Subjektive Belastung des Fahrens ...81

4.2.2.1.1. Organisationale Merkmale ...81

4.2.2.1.2. Berufsbezogene Merkmale ...83

4.2.2.1.3. Merkmale der Person ...87

4.2.2.2. Subjektive Belastung der Tourenorganisation ...89

4.2.2.2.1. Organisationale Merkmale ...89

4.2.2.2.2. Berufsbezogene Merkmale ...93

4.2.2.2.3. Merkmale der Verladestelle ...95

4.2.2.3. Subjektive Belastung des Verladens ...97

4.2.2.3.1. Umgebungsbedingungen ...97

4.2.2.3.2. Organisationale Merkmale ...99

4.2.2.3.3. Berufsbezogene Merkmale ... 101

4.2.2.3.4. Merkmale der Person ... 106

4.2.2.4. Subjektive Belastung der Wartezeiten auf das Verladen ... 108

4.2.2.4.1. Organisationale Merkmale ... 108

4.2.2.4.2. Merkmale der Verladestelle ... 109

4.2.2.5. Subjektive Belastung der Staus ... 112

4.2.2.5.1. Organisationale Merkmale ... 112

4.2.2.5.2. Berufsbezogene Merkmale ... 114

(5)

4.2.2.6.1. Umgebungsbedingungen ... 118

4.2.2.6.2. Fahrzeugmerkmale... 119

4.2.3. Subjektive Beanspruchungsfaktoren ... 121

4.2.3.1. Ermüdung ... 121

4.2.3.1.1. Berufsbezogene Merkmale ... 121

4.2.3.2. Monotonie ... 127

4.2.3.2.1. Organisationale Merkmale ... 127

4.2.3.2.2. Berufsbezogene Merkmale ... 129

4.2.3.3. Sättigung/Frustration ... 132

4.2.3.3.1. Umgebungsbedingungen ... 132

4.2.3.3.2. Berufsbezogene Merkmale ... 134

4.2.3.4. Zeitdruck ... 137

4.2.3.4.1. Organisationale Merkmale ... 137

4.2.3.4.2. Berufsbezogene Merkmale ... 139

4.2.3.4.3. Merkmale der Verladestelle ... 140

... 144

5. Diskussion ... 5.1. Diskussion der 5.1.1.4. Subj 5.1.1.5. Subj 5.1.2. 5.1.2.1. 5.1.2.3. Sättigung/Fru 5.1.2.4. Zeitdru 5.2. Limita 5.3. 5.4. Stichproben 5.5. Das loglineare 5.6. Resüm Literaturverzeichnis ... Anhang ... A.1. Interview A.2. Protokollbogen ... A.3. Demografisch B.1. Anzahl der Personen je Kategorie und Beanspruchungsfaktor ... 184

Ergebnisse ... 144

5.1.1. Subjektive Belastungsfaktoren ... 144

5.1.1.1. Subjektive Belastung des Fahrens ... 144

5.1.1.2. Subjektive Belastung der Tourenorganisation ... 146

5.1.1.3. Subjektive Belastung des Verladens ... 147

ektive Belastung der Wartezeiten auf das Verladen ... 149

ektive Belastung der Staus ... 150

5.1.1.6. Subjektive Belastung der Ruhezeit im Lkw ... 152

Subjektive Beanspruchungsfaktoren ... 153

Ermüdung ... 153

5.1.2.2. Monotonie ... 155

stration ... 156

ck ... 157

tionen ... 158

Repräsentativität ... 160

größe ... 161

Modell ... 161

ee und Implikation ... 163

... 167

... 172

leitfaden ... 173

... 180

er Fragebogen „Truck 2020“ ... 181

(6)

B.2. Ta

B.3. Ergebnisw

B.4. Grafische Darstellung der in Abbildungsverzeichnis

Tab  

belle der Signifikanzen und Odds Ratios ... 191

erte nicht signifikanter Zusammenhänge ... 198

terpretierbaren Zusammenhänge ... 212

... 213

ellenverzeichnis ... 218

(7)

Zusammenfassung

Fragestellung: In der vorliegenden Studie wurde untersucht, ob Zusammenhänge zwischen der subjektiven Belastung bestimmter Teilbereiche der Arbeitstätigkeit1 eines Lkw-Fahrers und den Häufigkeiten, mit welchen Lkw-Fahrer diverse Merkmale ihrer Arbeit nennen, bestehen. Diese Teilbereiche der Arbeitstätigkeit1 betrafen das Fahren, die Tourenorganisation, das Verladen, Wartezeiten beim Verladen, Staus und die Ruhezeit im Lkw. Zudem wurde analysiert, ob Zusammenhänge zwischen subjektiven Beanspruchungsfaktoren und der Häufigkeit, mit welcher Lkw- Fahrer diverse Merkmale ihrer Arbeit nennen, bestehen. Als Beanspruchungsfaktoren wurden Fehlbeanspruchungen wie Ermüdung, Monotonie und Sättigung sowie Zeitdruck herangezogen.

Stichprobe: Die anfallende Stichprobe bestand aus 25 männlichen Lkw-Fahrern, wobei sie sich aus 14 Fernfahrern und 11 Nahverkehrsfahrern zusammensetzte. Die Rekrutierung und Befragung erfolgte im Rahmen des Projektes „Truck 2020“ in der natürlichen Umgebung der Lkw-Fahrer.

Material: Die Merkmale der Arbeit wurden unter Einbezug der Critical Indicent Technique mit einem problemzentrierten Interviewleitfaden erfasst. Die subjektive Belastung bestimmter Teilbereiche der Arbeitstätigkeit und die subjektiven Beanspruchungsfaktoren wurden im Verlauf des Interviews mittels Fragen zum Ausmaß des jeweiligen Belastungs- und Beanspruchungsfaktors erhoben.

Methode: Die Interviews wurden transkribiert und im Anschluss einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2007) unterzogen, von welcher die Methode der Zusammenfassung zur Anwendung kam. Die Kategorienbildung erfolgte induktiv unter zusätzlichem Einbezug der verfügbaren empirischen Erkenntnisse. Die daraus resultierenden Merkmale der Arbeit wurden quantifiziert und dichotomisiert. Die anschließende quantitative Auswertung erfolgte mit loglinearen Analysen, wobei ein einfaktorielles, univariates Design gewählt wurde. Um Unterschiede zwischen Nah- und Fernverkehrsfahrern in der Häufigkeit der Nennungen der induktiv gewonnenen Kategorien bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigen zu können, wurde der Einsatzbereich im Nah- oder Fernverkehr als weitere unabhängige Variable herangezogen.

Ergebnisse: Mittels dieses Vorgehens konnten mit einem festgelegten Signifikanzniveau von .10 Zusammenhänge zwischen den subjektiven Belastungs- und Beanspruchungsfaktoren der Fahrer und Merkmalen ihrer Arbeit gefunden werden. Die Merkmale der Arbeit konnten in Umgebungsbedingungen, organisationale Merkmale, berufsbezogene Merkmale und Fahrzeugmerkmale untergliedert werden. Zudem konnten einige personale Merkmale erhoben werden. Hinsichtlich der berufsbezogenen Merkmale konnten vor allem signifikante Zusammenhänge zwischen den subjektiven Belastungs- sowie Beanspruchungsfaktoren und der Häufigkeit der Nennungen des linienähnlichen Verkehrs, der körperliche Belastung des Verladens und der gesetzlichen Vorschriften gefunden werden. So schildern Fahrer, welche Monotonie häufiger empfinden, signifikant häufiger im linienähnlichen Verkehr zu arbeiten, als Fahrer, welche Monotonie seltener empfinden. Linienähnlicher Verkehr inkludiert das häufige Fahren der gleichen Strecke sowie das häufige Transportieren der gleichen Ware. Ferner konnte gezeigt werden, dass Lkw-Fahrer,

(8)

[

Zusammenfassung

]

 

welche häufiger Sättigung bzw. Frustration empfinden, häufiger angeben, beim Verladen körperlicher Belastung ausgesetzt zu sein, als Lkw-Fahrer, welche seltener Sättigung bzw. Frustration empfinden.

Weiters äußern sich subjektiv häufiger ermüdete Fahrer, verglichen mit subjektiv seltener ermüdeten Fahrern, signifikant häufiger darüber, beim Verladen nicht körperlich tätig zu sein. Daraus leitet sich die Hypothese ab, dass ein angemessenes Maß an körperlicher Tätigkeit beim Verladen eine positive Abwechslung zur eher einseitigen Tätigkeit des Fahrens darstellen könnte. Jedoch erwiesen sich nicht nur berufsbezogene Merkmale, sondern auch organisationale Merkmale, wie beispielsweise die Arbeitszeiten bzw. das Arbeitspensum, die Zufriedenheit mit der Entlohnung sowie der Zeitpunkt der Informationsweitergabe und Merkmale der Verladestelle, wie beispielsweise Termine beim Kunden, Wartezeiten beim Verladen sowie eine schlechte Behandlung durch Kunden in derartigen Wartezeiten, als relevant. Lärm beim Schlafen im Lkw sowie hohe Temperaturen in Wartezeiten oder Ruhezeiten kristallisierten sich als bedeutungsvolle Umgebungsbedingungen heraus. Weiters zeigte sich, dass Lkw-Fahrer, welche sich durch die Ruhezeit im Lkw eher beansprucht fühlen, signifikant häufiger keine Stand-Klimaanlage besitzen, als Lkw-Fahrer, welche sich durch diese Ruhezeit nicht beansprucht fühlen.

Stichworte:

Belastung – Beanspruchung – Lkw-Fahrer – problemzentriertes Interview – Critical Incident Technique - qualitative Inhaltsanalyse – loglineares Modell

(9)

1. Einleitung

Es sind immer mehr Lastkraftwagen (Lkw) auf den Straßen zu verzeichnen. Betrug die Zahl der zugelassenen Lkw in Österreich im Jahr 1990 noch 252.504, ist sie bis 2009 auf 370.907 Lkw gestiegen, wobei es sich bei 55.180 Fahrzeugen um Lkw über 3,5 Tonnen handelte. Zusätzlich ist im Jahr 2009 eine Zahl von 17.065 Sattelzugfahrzeugen zu verzeichnen gewesen (Statistik Austria, 2009). In Deutschland betrug der Anteil der Straßengüterverkehrsleistung an der Gesamtverkehrsleistung im Jahr 2002 70%. (Fastenmeier et al., 2002). Es ist zu erwarten, dass der Lkw-Verkehr weiterhin schneller ansteigen wird, als der Pkw-Verkehr (Ellinghaus und Steinbrecher, 2002).

Während die Gesamtanzahl der Verkehrsunfälle in Deutschland zwischen 1992 und 2000 abnahm, stieg die Zahl der Unfälle, an welchen Güterfahrzeuge beteiligt gewesen sind sowie die Zahl der durch derartige Unfälle Getöteten in diesem Zeitraum an. Dies ist jedoch nicht mit der wachsenden Anzahl der Lkw zu erklären, da auch die Zahl der Pkw zunahm, aber die Zahl der durch Pkw-Unfälle Getöteten wiederum abnahm (Ellinghaus und Steinbrecher, 2002).

Trotz der Tatsache, dass der Beruf des Lkw – Fahrers als einer der gefährlichsten und unfallanfälligsten Berufe zu bezeichnen ist, sind die Arbeitsbedingungen bei Lkw – Fahrern nicht ideal (Bogedale et al., 1990; Frieling et al., 1999). Zu nennen sind dabei insbesondere überdurchschnittlich lange Arbeitszeiten, hoher Zeitdruck, Lärm, Abgase und körperliche Belastungen (Hermann, 2004) wie das andauernde Fahren (Frieling et al., 1999). So folgern Frieling, Kiegeland und Garo: “The likelihood that they [drivers] will fall asleep at the wheel or experience bouts of reduced ability to react when driving on monotonous stretches is clearly increased by such working conditions.“ (1999, S. 21).

Nach einem Überblick von Frieling et al. (1999) stellt die Kombination aus unbefriedigenden Arbeitsbedingungen und Ermüdung oder ermüdungsähnlichen Zuständen eine wesentliche Gefahr für die Verkehrssicherheit dar. Auch die Gefahr, dass das empfundene Stressniveau die Kapazitäten der FahrerInnen übersteigt, sollte nicht unbeachtet bleiben. Schwere Unfälle werden demnach eher von FahrerInnen verursacht, die nach einem langen Arbeitstag und erhöhter Beanspruchung nicht mehr adäquat reagieren können oder am Steuer einschlafen (Frieling et al., 1999).

Hinzu kommen illegale Beschäftigungen von Drittstaatenlenkern und Scheinselbstständigkeiten, durch welche Unternehmen, die sich an den Kollektivvertrag halten, einem starken Konkurrenzdruck unterworfen sind. Bereits durch die Liberalisierung des Transportgewerbes sowie durch den EU-Beitritt wuchs der Konkurrenzdruck sowie daraus resultierender Kostendruck (Hermann, 2004).

Diese schwierige ökonomische Situation wirkte sich auch auf die Arbeitsbedingungen der Lkw–

FahrerInnen aus (Frieling et al., 1999).

Houtman, Klein - Hesselink, Van den Berg, Van den Bossche und Van den Heuvel (2004) kamen im Vergleich mit anderen Sektoren zu dem Schluss, dass der Transportsektor, welcher sowohl den Güter- als auch den Personentransport inkludiert, im Vergleich zu anderen Sektoren ein ungünstiges Risikoprofil aufweist. Das signifikant negative Profil des Sektors bezieht sich insbesondere auf

(10)

[

Einleitung

]

 

Umgebungsbedingungen wie Lärm, Dämpfe, Vibrationen und ungünstige Temperaturen sowie auch auf ergonomische Bedingungen, Arbeitszeiten, Diskrimination und organisationale Risiken wie hohe Arbeitsanforderungen und ein geringer Entscheidungsspielraum.

Derartige Befunde legen nahe, dass Belastung und Beanspruchung bei Lkw-FahrerInnen trotz ergonomischer Verbesserungen immer noch ein Feld ist, welches es zu untersuchen gilt. In der vorliegenden Studie wurden Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Arbeit und subjektive Belastungs- sowie Beanspruchungsfaktoren von Lkw-FahrerInnen erhoben.

(11)

 

 

2. Theoretischer Hintergrund

In diesem Kapitel werden die wesentlichen Theorien und Erkenntnisse zu Belastung und Beanspruchung dargestellt. Im Anschluss wird auf die Arbeitstätigkeit sowie auf Belastungs- und Beanspruchungsfaktoren bei Lkw-Fahrern näher eingegangen. Der Fokus richtet sich dabei auf psychische Fehlbeanspruchungen.

2.1. Begriffsbestimmung

2.1.1. Belastung und Beanspruchung

Unter psychischer Belastung wird „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“, verstanden. Beanspruchung bezeichnet hingegen „die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung psychischer Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschliesslich der individuellen Bewältigungsstrategien“ (DIN EN ISO 10075-1, 2001, zit. nach Ulich und Wülser, 2010).

Laut dieser Definition stellen psychische Belastungen alle Einflüsse auf den Menschen dar, während Beanspruchungen die Auswirkungen der Belastungsfaktoren auf den Menschen beschreiben. Zudem legt die Definition nahe, dass der Begriff der Belastungen neutral ist und Beanspruchungen folglich sowohl positive als auch negative Zustände repräsentieren. Semmer und Udris (2007) weisen darauf hin, dass Beanspruchung auch strukturelle Ressourcen stärkt, da Nicht- Beanspruchung zu einer Abnahme der Leistung bzw. Funktionsfähigkeit führt.

In der technischen Mechanik wird unter Belastung die von außen auf das Material einwirkende Kraft verstanden, während Beanspruchung die im Material auftretenden Änderungen bezeichnet.

Diese Materialveränderungen sind dabei von einer Materialkonstante abhängig. Übertragen auf die Beanspruchung eines Menschen bedeutet dies, dass objektiv gleiche Belastungen je nach Eigenschaften, Fähigkeiten, Bedürfnissen und Ressourcen der Person interindividuell zu unterschiedlichen Beanspruchungen führen können (Frieling und Sonntag, 1999; vgl. Bamberg, 1999;

vgl. Nachreiner, 2002). In diesem Sinne sind die Einflüsse von Belastungen auf den Menschen von Bewertungs- und Bewältigungsprozessen sowie den damit verbundenen Ressourcen abhängig (Bamberg, 1999; vgl. Semmer & Udris, 2007; vgl. Ulich & Wülser, 2010). Weiters ist die Beziehung nicht nur als Reiz-Reaktionsmuster zu betrachten, sondern wird durch Vermittlungs- und Rückkoppelungsprozesse beeinflusst (Ulich, 2011).

Semmer und Udris (2007) differenzieren auf der Grundlage der Klassifikation von McGrath (1981) zwischen Stressoren aus der Arbeitsaufgabe (z. B. qualitative Über- und Unterforderung), der Arbeitsorganisation (z. B. Zeitdruck, Handlungsspielraum, Verantwortungsdruck), physischen Bedingungen (z. B. Umgebungsbedingungen, Arbeitszeitgestaltung), sozialen Bedingungen (z. B.

Arbeitsklima, Behandlung) und organisatorischen Bedingungen (z. B. Anerkennung,

(12)

[

Theoretischer Hintergrund

]

 

Informationspolitik, Lohnpolitik, Zukunftsaussichten). Diese Differenzierung lässt sich auf alle möglichen Belastungen übertragen.

2.1.2. Fehlbeanspruchung und Beanspruchungsfolgen

Nach Plath und Richter (1984, zit. nach Frieling und Sonntag, 1999) können sowohl positive als auch negative Beanspruchungsfolgen auftreten. Positive Beanspruchungsfolgen sind im Sinne eines Anregungs- oder Lerneffektes zu verstehen. Unter negative Beanspruchungsfolgen fallen Ermüdung, Monotonie, Sättigung und Stress (Plath und Richter, 1984, zit. n. Frieling & Sonntag, 1999; vgl. Ulich, 2011). Die Abgrenzung zwischen psychischer Ermüdung, Monotonie, Sättigung und Stress ist insofern nützlich, da diese Fehlbeanspruchungen andere Maßnahmen zu deren Bewältigung benötigen (Hacker & Richter, 1984).

Fehlbeanspruchungen entstehen durch Widersprüche zwischen den Anforderungen der Situation und den Leistungsvoraussetzungen. Leistungsvoraussetzungen können sowohl fehlende als auch ungenutzte Fähigkeiten betreffen. In dieser Hinsicht resultiert psychische Ermüdung aus einer Überforderung der Leistungsvoraussetzungen, während Monotonie aus einer Unterforderung der Leistungsvoraussetzungen entsteht (Hacker und Richter, 1998).

2.1.2.1. Ermüdung

Ermüdung ist eine „als Folge von Tätigkeit auftretende, reversible Minderung der Leistungsfähigkeit eines Organs (lokale Ermüdung) oder des Gesamtorganismus (zentrale Ermüdung)“ (zit. n. Ulich, 2011, S. 476). Hacker und Richter (1998) definieren psychische Ermüdung als „eine durch andauernde, vorwiegend psychisch beanspruchende Arbeitstätigkeit bedingte Stabilitätsbeeinträchtigung der Tätigkeitsregulation“ (S. 72).

Bedingungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu psychischer Ermüdung führen sind nach Hacker und Richter (1998, S. 91) unter anderem:

- Fremdgesetzter Zeitdruck

- Einseitig gehäufte, kurzzyklische Anforderungen ohne Möglichkeit zur Veränderung der Arbeitsweise, wobei diese Tätigkeiten häufig mit Bewegungsarmut einhergehen.

- Unvorhersehbarkeit schnell erforderlicher Handlungen mit Daueraufmerksamkeitsbindung - Qualitative und quantitative Überforderung der Verarbeitungskapazität, vor allem bei

eingeschränktem Entscheidungsspielraum.

- Fehlanforderungen, die von psychischer Überforderung im Sinne von Ermüdung zu Stress führen können, wie ständiger Zeitdruck ohne subjektive Ausweichmöglichkeit und ständiger

Verantwortungsdruck.

(13)

 

  Rosa (2001) sieht die gesamte Arbeitszeitgestaltung als wesentlichen Faktor für den Grad der Ermüdung an. So sollten nicht nur die Dauer der Arbeitstätigkeit und die Pausengestaltung entscheidend für den Grad der Ermüdung sein, sondern auch die Arbeitszeit (z. B. Beginn der Schicht), das Verhältnis von Arbeitstagen und arbeitsfreien Tagen sowie die Art der Schichten und andere Faktoren wie ungeplante Überstunden und die Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung bzw. der Entscheidungsspielraum, welcher damit verbunden ist (Rosa, 2001).

Psychische Ermüdung schlägt sich insbesondere in einer reduzierten Leistungsfähigkeit, einer Verlängerung der Entscheidungs- und Reaktionszeit, einer Verschlechterung der Orientierung in der Umwelt und im Gedächtnis sowie in psychomotorischen Koordinationsstörungen nieder. Motivational resultiert Ermüdung in einer Veränderung der Ziele von einer bestmöglichen Bewältigung der Aufgabe hin zu einem „Dienst nach Vorschrift“ (Hacker und Richter, 1998). Im Erleben zeigt sich psychische Ermüdung weiters in Müdigkeit, einem erhöhten Schlafbedürfnis und dem Eindruck steigender Anforderungen (Hacker, 1997a). Eine Abnahme der Leistungsfähigkeit ist jedoch nur bedingt ein Indikator für Ermüdung, da diese durch erhöhte Motivation bzw. Motivationssteigerung kurzfristig kompensiert werden kann (Semmer & Udris, 2007). Bei körperlicher Ermüdung treten im Vergleich zu psychischer Ermüdung vorwiegend Beeinträchtigungen des Bewegungstempos und der Muskelkraft auf (Hacker und Richter, 1998).

Desmond & Hancock (2001) unterscheiden zwischen aktiver und passiver Ermüdung. Aktive Ermüdung tritt durch kontinuierliche und länger andauernde Tätigkeiten, bei welchen motorische Reaktionen erforderlich sind, auf. Passive Ermüdung tritt hingegen bei Überwachungstätigkeiten auf, welche wenige oder keine motorischen Reaktionen (Signalbeantwortung) erfordern. Folglich erleben BerufskraftfahrerInnen häufiger aktive Ermüdung. Durch die zunehmende Automatisierung könnte allerdings auch passive Ermüdung erlebt werden (Desmond & Hancock, 2001).

Ermüdung nimmt einen exponentiellen Verlauf, d. h., sie nimmt umso stärker zu, je länger eine Tätigkeit bei bestehender Ermüdung fortgesetzt wird (Rohmert, 1960, 1961, zit. n. Ulich, 2011). Der Ermüdung kann nur durch Erholung, beispielsweise rechtzeitige Pausen oder Schlaf, entgegengewirkt werden (Ulich, 2011). Nicht nur passive, sondern auch aktive Erholung, z. B. Sport, kann zur Reduktion der Ermüdung führen. Ein vollständiger Ermüdungsabbau kann jedoch nur durch ausreichend langen und erholsamen, d. h. störungsfreien Schlaf erzielt werden (Hacker und Richter, 1998). Hingegen tragen Anregungsmittel wie Koffein nicht zur Beseitigung der Ermüdung bei, sondern verzögern das Auftreten des Müdigkeitsgefühls kurzfristig. Langfristig führt der Konsum von Anregungsmitteln zu einer Verstärkung der Ermüdung durch das Auftreten von Erschöpfungszuständen (Hacker und Richter, 1984).

In Abgrenzung zu Ermüdung entsteht Übermüdung als chronische, klinische Ausprägungsform der Ermüdung durch eine längerfristige Überforderung der Leistungsvoraussetzungen, welche nicht durch ausreichend Erholung ausgeglichen wird (Quaas, 1997).

(14)

[

Theoretischer Hintergrund

]

 

2.1.2.2. Monotonie

Monotonie ist ein Zustand herabgesetzter Aktivität, welcher sich aus einer ständig erforderlichen Aufmerksamkeit bei eingeengtem Beobachtungsumfang ergibt (Semmer & Udris, 2007). Monotonie kann aus der länger andauernden Ausführung einer sich häufig wiederholenden, inhaltlich gleichartigen Tätigkeit, bei welcher fast keine erleichternden Nebentätigkeiten ausgeführt werden können, also eine ständige Zuwendung zur Aufgabe notwendig ist, resultieren (Bartenwerfer, 1957, zit. n. Ulich, 2011). Arbeitsaufgaben, welche Monotonie fördern, weisen einen leichten bis mittleren Schwierigkeitsgrad auf. Nur wenn die jeweilige Person von der Tätigkeit nicht ausgefüllt ist und eine Abwendung von der Tätigkeit auf Grund der erforderlichen Konzentration bzw. Aufmerksamkeit nicht möglich ist, entsteht Monotonie (Bartenwerfer, 1970; Hacker und Richter, 1998). Zusätzlich können eine Reihe anderer Faktoren Monotonie begünstigen. Derartige Faktoren sind beispielsweise Reizarmut wie Dunkelheit, eintönig-rhythmische Dauerreize wie gleichförmige Fahrgeräusche (Hacker, 1997b; Hacker und Richter, 1998) sowie eine hohe Raumtemperatur. Monotonie tritt insbesondere bei Arbeitstätigkeiten mit wenigen unterschiedlichen Arbeitsstufen, selten wechselnden Arbeitsweisen, einer geringen Abwechslung körperlicher Art und einer hohen psychischen Automatisierung auf (Hacker; 1997b).

Nach einem Überblick von Hacker und Richter (1998) wird die Situation vom Betroffenen als eintönig oder langweilig erlebt, wobei die Zeit langsam vergeht. Es wird eine gleichgültig-apathische Haltung eingenommen, die Aufmerksamkeit lässt nach und zunehmend wird Müdigkeit sowie Schläfrigkeit erlebt (Hacker & Richter, 1998). Objektiv zeigt sich Monotonie in einem Leistungsabfall oder in Leistungsschwankungen (Bartenwerfer, 1970) sowie in einem Anstieg der Fehlerhäufigkeit und in einer Verlängerung der Reaktionszeit (Hacker und Richter 1998). Eine Abgrenzung ist zum Zustand der herabgesetzten Vigilanz sowie zu Langeweile notwendig. Herabgesetzte Vigilanz entsteht ebenso in reizarmen Situationen mit eingeengtem Beobachtungsumfang, wesentlich ist jedoch auch, dass selten Reaktionen erforderlich sind. Langeweile entsteht im Gegensatz zu Monotonie aus dem Gefühl qualitativ oder quantitativ zu wenig zu tun zu haben (Ulich, 2011).

In Abgrenzung zu Ermüdung kann Monotonie mit einem Tätigkeitswechsel zumeist unmittelbar bewältigt werden (Ulich, 1992). Für die erfolgreiche Bewältigung von Monotonie ist eine Ausweitung des Beobachtungsumfanges wesentlich. Folglich stellen weitere Maßnahmen gegen das Erleben von Monotonie Unterhaltung, Singen oder Musikhören, das Erkennen des Sinns einer bestimmten Aufgabe sowie das Schaffen einer hierarchisch vollständigen Tätigkeit dar (Hacker und Richter, 1998).

2.1.2.3. Psychische Sättigung

Im Gegensatz zu Monotonie ist psychische Sättigung keine Folge einförmiger Tätigkeiten, sondern kann auch aus Anforderungen resultieren, die als abwechslungsreich, aber als sinnlos erlebt werden (Hacker und Richter, 1998). Hacker und Richter (1998) beschreiben psychische Sättigung als

(15)

 

 

„ärgerlich-unruhigen, unlustbetonen Spannungszustand, also einen Zustand des Wachseins mit affektiver Steigerung der psychischen Aktivität“ (S. 69). Des Weiteren ist psychische Sättigung durch

„eine mit Widerwillen erlebte Sinnlosigkeit, die aus Widersprüchen zwischen den zu erfüllenden Anforderungen und persönlichen Wertvorstellungen entstehen kann“ (S. 69), gekennzeichnet. Der Betroffene ist zwar bereit die Aufgabe auszuführen, aber erkennt keinen Sinn in deren Ausführung (Hacker und Richter, 1998). Aus der o. g. Definition lässt sich ableiten, dass psychische Sättigung im Gegensatz zu psychischer Ermüdung oder Monotonie durch eine erhöhte Aktivierung gekennzeichnet ist. Nach Hacker und Richter (1984; 1998) kann Sättigung in Abgrenzung zu psychischer Ermüdung und Monotonie bereits vor Ausführung einer Tätigkeit resultieren, d. h., die Dauer der Tätigkeit ist für das Entstehen von psychischer Sättigung nicht wesentlich.

Der Betroffene hat das Gefühl nicht voranzukommen bzw. keinen Fortschritt zu erzielen. Er hat seine Tätigkeit satt. Zudem tritt ein leichtes Müdigkeitsgefühl auf (Bartenwerfer, 1970). Auch der Zustand der Sättigung hat eine Leistungsminderung zur Folge (Hacker & Richter, 1998). Psychische Sättigung lässt sich durch das Durchführen einer inhaltlich neuen Aufgabe (Bartenwerfer, 1970; Ulich, 1992) oder durch die individuelle Sinn- oder Zielbildung (Hacker und Richter, 1998) unmittelbar bewältigen.

2.1.2.4. Stress

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Stresskonzepte. In reizorientierten Modellen wird Stress als Einflüsse, welche auf den Menschen einwirken, d. h. als Belastungsfaktoren definiert.

Reaktionsorientierte Modelle beschreiben Stress hingegen als Reaktion, welche unabhängig von der Art der einwirkenden Faktoren ist. Betrachtet man die beiden Definitionen, lässt sich konkludieren, dass reizorientierte Modelle Stress als unabhängige Variable ansehen, während reaktionsorientierte Modelle Stress als abhängige Variable betrachten (Hacker und Richter, 1998).

Ein solches reaktionsorientiertes Modell stellt das allgemeine Adaptionssyndrom von Selye dar (Hacker und Richter, 1998). Selye (1981) stellte fest, dass die Reaktion auf deutlich unterschiedliche Stressoren wie Hitze, Drogen, Trauer, aber auch Freude immer aus drei Phasen besteht. Diese Phasen bezeichnet er als Alarmreaktion, Stadium des Widerstandes und Stadium der Erschöpfung. Im Stadium der Alarmreaktion kommt es zu charakteristischen physiologischen Veränderungen. Hält die Einwirkung des Stressors weiter an, folgt das Stadium des Widerstandes. In diesem Stadium entwickelt der Organismus einen Widerstand gegenüber dem Stressor, welcher über die normale Widerstandslage ansteigt. Die Symptome der zweiten Phase sind deutlich unterschiedlich, oft auch gegenläufig zu jenen, welche in der Alarmreaktion auftreten. Ist der Stressor stark und hält weiterhin an, wird es nicht mehr möglich, den Widerstand gegenüber dem Stressor aufrechtzuerhalten. Die Anpassungsenergie erschöpft sich. Diese Phase bezeichnet Selye (1981) als das Stadium der Erschöpfung, in welchem die Symptome der Alarmreaktion erneut auftreten. Dieses Stadium hat Erkrankungen bis hin zum Tod zur Folge (Selye, 1981).

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Theoretischer Hintergrund

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Hingegen wird im transaktionalen Modell von Lazarus die subjektive Bewertung und damit die Bewältigung von Belastungsfaktoren stärker beachtet. Es wird von einem Zyklus kognitiver Bewertungen der Situation ausgegangen. Vorerst wird die Situation bzw. der Stressor bewertet, woraufhin die zur Verfügung stehenden Ressourcen (Copingstrategien, soziale Unterstützung, materielle Ressourcen) eingeschätzt werden. Aus diesem Prozess ergibt sich wiederum eine Neubewertung der Situation (Hacker & Richter, 1998). In diesem Sinne definieren Cox und Greif (1997) eine Stressreaktion als „subjektiver Zustand, der aus der Befürchtung entsteht, dass eine stark aversive, zeitlich nahe und subjektiv lang andauernde Situation sehr wahrscheinlich nicht vermieden werden kann“. Die Person erwartet, dass sie die Situation nicht beeinflussen oder bewältigen kann (Cox & Greif, 1997).

Janke und Wolffgramm (1995, S. 294) definieren Stress als ein „somatisch-psychisches Geschehen, das durch seine Stärke und/oder Dauer von einer intraindividuell bestimmten Normallage (Gleichgewichtszustand, Homöostase) abweicht und das in der Regel durch bestimmte äußere und innere Reizbedingungen (Stressoren) ausgelöst wird“. Durch diese Abweichung werden unwillentliche psychische und somatische Regulationsvorgänge aktiviert, welche auf eine Wiederherstellung des Ausgangszustandes abzielen. Nach dieser Definition ist Stress ein zeitlicher und stimulusgebundener Prozess. Weiters wird die Stressreaktion nach Janke und Wolffgramm (1995) durch somatische und psychische Mediatoren beeinflusst. Als psychische Mediatoren gelten insbesondere die Bewertung der Stress - auslösenden Situation und kognitive Prozesse hinsichtlich deren Bewältigung. Als wesentlicher kognitiver Prozess kann die Selbstwirksamkeitserwartung angeführt werden (Janke &

Wolffgramm, 1995).

Stress führt meist zu Leistungsminderung (Hacker & Richter, 1998). Emotional führt Stress häufig zu Angst, Unruhe und Ärger (Hacker & Richter, 1998) sowie einer geringen Arbeitszufriedenheit (Semmer, 2007). Nach einem Überblick von Cox und Greif (1997) kann Stress langfristig zu einem beeinträchtigten Wohlbefinden, psychosomatischen Beschwerden, Substanzmissbrauch oder zu einem reduzierten Aktivitätsniveau wie der Vernachlässigung von Freizeitaktivitäten und sozialen Beziehungen führen (Cox & Greif, 1997).

Seyle (1981) betont mit der Unterscheidung zwischen Eustress und Disstress, dass ein Stressor nicht nur negative, sondern auch positive Folgen haben kann. Eustress kann etwa durch ein freudiges Ereignis oder durch Leistungsmotivation entstehen (vgl. Seyle, 1981).

2.1.3. Erholung

Mit dem Begriff der Beanspruchung ist der Begriff der Erholung eng verbunden, weshalb dieser im Nachfolgenden erläutert wird. Quaas (1997) definiert Erholung als das Wiederherstellen der Leistungsvoraussetzungen durch den Abbau von Fehlbeanspruchung. Wie Ermüdung nimmt auch Erholung einen exponentiellen Verlauf, d.h. die Erholung ist umso geringer, je länger eine Erholungspause andauert, woraus sich die förderliche Wirkung von Kurzpausen ergibt (Quaas, 1997).

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  Wesentliche Kennzeichen von Erholung sind nach Kallus (1995, zit. n. Kallus & Uhlig, 2001):

- Erholung ist ein zeitlicher Prozess.

- Erholung ist abhängig von der Art und Dauer der Beanspruchung.

- Erholung ist an eine Verringerung von Belastung, einen Belastungswechsel oder eine Pause gebunden und wird durch Randbedingungen (z. B. Freizeit) stark beeinflusst.

- Erholung umfasst sowohl zielgerichtete Aktivitäten als auch automatisierte psychische und biologische Rückstell- und Restitutionsprozesse.

- Erholung kann passiv als auch aktiv erfolgen.

- Erholung ist personenspezifisch und von individuellen Bewertungen abhängig.

- Erholungsvorgänge lassen sich in unterschiedlichen organismischen Teilsystemen aufzeigen.

- Verschiedene Teilprozesse von Erholung können dissoziiert sein.

- Erholung kann auf unterschiedlichen Ebenen beschrieben werden (somatische, psychische, soziale, sozio-kulturelle und Umweltebene).

- Erholung endet mit dem Erreichen eines psychophysiologischen Zustandes wiederhergestellter Leistungsfähigkeit und homöostatischer Ausgeglichenheit.

2.1.4. Ressourcen

Den Belastungen werden häufig die Ressourcen gegenübergestellt (vgl. Bamberg, 1999).

Ressourcen können einen wesentlichen Beitrag zur Vermeidung, Bewertung und Bewältigung von Belastungen liefern. So können hohe Arbeitsanforderungen vor allem bei einem Mangel an Ressourcen zu erhöhter Beanspruchung führen (vgl. Bamberg, 1999; Hacker & Richter, 1998;

Semmer, 2007; Ulich, 2011; Oppolozer, 2010). Ressourcen ermöglichen es, unerwünschte Einflüsse zu reduzieren und angestrebte Ziele zu erreichen. Es lässt sich zwischen personalen, sozialen und organisationalen Ressourcen unterscheiden. Als personale Ressourcen sind insbesondere die eigenen Kontrollüberzeugungen, wie der Kohärenzsinn, und Handlungsmuster, wie Copingstile, aber auch die eigenen Fähigkeiten zu nennen. Als soziale Ressource gilt insbesondere die soziale Unterstützung durch den Familien- und Freundeskreis, aber auch durch Vorgesetzte und KollegInnen.

Unter organisationale Ressourcen fallen beispielsweise der Tätigkeits- und Entscheidungsspielraum sowie die Aufgabenvielfalt (Hacker & Richter, 1998; Semmer & Udris, 2007).

Ressourcen werden in der Forschung häufig als intervenierende Variablen angesehen und können in vielfältiger Weise auf Belastungen und Beanspruchungen wirken. Beispielsweise kann ein hoher Handlungs- bzw. Entscheidungsspielraum dazu verhelfen, Umgebungsbelastungen, z.B. hohe Temperaturen, zu reduzieren. Weiters können Ressourcen Bewertungs- und Bewältigungsprozesse beeinflussen. So kann eine hohe soziale Unterstützung dazu führen, dass eine Überforderung weniger negativ bewertet wird (Bamberg, 1999).

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Theoretischer Hintergrund

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2.2. Modelle und Konzepte zu Belastung und Beanspruchung

In diesem Abschnitt werden theoretische Modelle zu Belastung und Beanspruchung beschrieben, welche zur Interpretation der Ergebnisse dieser Arbeit herangezogen werden.

2.2.1. Erholungs-Beanspruchungsbilanz

Kallus und Uhlig (2001) unterscheiden im Modell der Erholungs-Beanspruchungsbilanz zwischen objektiver und subjektiver Belastung und berücksichtigen somit interindividuelle Unterschiede in der Bewertung einer Belastung. Demgemäß wird eine objektive Belastung bzw. ein Auftrag von der arbeitenden Person zunächst bewertet und redefiniert. Daraus resultiert die subjektive Belastung der Person. Im Anschluss erfolgt die Bewältigung der Aufgabe, welche je nach Fähigkeiten, Bedürfnissen und Eigenschaften der Person wiederum interindividuell unterschiedlich ausfallen kann. Aus diesem Prozess ergibt sich schließlich die Beanspruchung der Person. Die wesentliche Aussage dieses Modells ist, dass eine Dysbalance des Organismus insbesondere dann entsteht, wenn Stressreaktionen nicht durch angemessene Erholung kompensiert werden. Wie in Abb. 1 ersichtlich, kann ein Gleichgewicht zwischen Stress und Erholung hingegen zu einem Anpassungsprozess im Organismus führen, welcher zu einer höheren Stresstoleranz führt (Kallus & Uhlig, 2001). Das Modell findet in der vorliegenden Arbeit insofern Beachtung, als dass die subjektive Belastung und die subjektive Beanspruchung von Lkw-Fahrern erfasst wurden.

Abb. 1: Erholungs-Beanspruchungsbilanz nach Kallus und Uhlig (2001)

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  2.2.2. Demand - Control Modell

Das Demand - Control Modell von Karasek (1979) berücksichtigt die Kombination aus Arbeitsanforderungen und dem Entscheidungsspielraum. Der Begriff „Demand“ bezeichnet Arbeitsbelastungen, während „Control“ den Entscheidungsspielraum der arbeitenden Person beschreibt (Karasek, 1979).

Das Modell unterscheidet vier Kombinationen von „Demand“ und „Control“ entlang zweier Diagonalen (s. Abb. 2). Als Passive Jobs werden Berufe mit geringen Arbeitsanforderungen bei gleichzeitigem Vorhandensein von einem geringen Entscheidungsspielraum bezeichnet. Acitve Jobs bezeichnen hingegen Berufe mit hohen Arbeitsanforderungen gemeinsam mit einem hohen Entscheidungsspielraum. Bei geringen Arbeitsanforderungen und gleichzeitigem Vorhandensein eines hohen Entscheidungsspielraums handelt es sich um Low Strain Jobs. Hohen Arbeitsanforderungen gemeinsam mit einem geringen Entscheidungsspielraum werden als High Strain Jobs bezeichnet (Karasek, 1979). Nach Karasek (1979) führen insbesondere High Strain Jobs, d. h. hohe Arbeitsanforderungen bei gleichzeitigem Vorhandensein von geringem Entscheidungsspielraum, zu Stresssymptomen. Im Gegensatz dazu führen Active Jobs, d. h. hohe Arbeitsanforderungen gemeinsam mit einem hohen Entscheidungsspielraum, nicht zu Stress, sondern zu neuen Verhaltensweisen bzw. Kompetenzen (Karasek, 1979, vgl. Ulich, 2011).

Abb. 2: Demand - Control Modell von Karasek (1979)

Das Modell wurde an Hand zweier repräsentativer Stichproben unter zusätzlichem Einbezug von Experteninterviews und Longitudinaldaten von Karasek (1979) untersucht, wobei Zusammenhänge mit Stress – Indikatoren wie Erschöpfung und Depression, aber auch der Arbeits- und Lebenszufriedenheit, dem Tablettenkonsum sowie der Anzahl der Krankheitstage gefunden werden konnten. Karasek konkludiert, dass der Entscheidungsspielraum bei der Analyse derartiger Zusammenhänge als zusätzliche unabhängige Variable beachtet werden muss, um Fehlinterpretationen zu vermeiden (Karasek, 1979). Rosa (2001) weist darauf hin, dass ein hoher Entscheidungsspielraum, insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung, unter bestimmten Umständen nicht immer positive, sondern auch negative Folgen mit sich bringen kann.

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Theoretischer Hintergrund

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2.2.3. Modell beruflicher Gratifikationskrisen

Ein weiteres weitverbreitetes Modell stellt das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen von Siegrist (1996) dar. Das Modell geht von der sozialen Reziprozität der Tauschbeziehung von Leistung bzw. den Kosten und angemessenen Gratifikationen bzw. dem Gewinn aus. Derartige Gratifikationen stellen beispielsweise die Entlohnung, Karrierechancen, Arbeitsplatzsicherheit sowie Wertschätzung oder Anerkennung, welche dem Arbeitnehmer zukommen, dar. Auf der Seite der Leistung werden extrinsische und intrinsische Quellen unterschieden. Extrinsische Quellen stellen Berufsanforderungen wie Schichtarbeit, Überstundenarbeit und erhöhte Arbeitsbelastungen durch zu wenig Personal dar.

Als intrinsische Quellen werden insbesondere die Arbeitsmotivation und ein starkes Kontrollbedürfnis definiert (Siegrist, 1996, Siegrist 2010a, Siegrist, 2010b; s. Abb. 3).

Es wird davon ausgegangen, dass ein Ungleichgewicht zwischen Kosten und Gewinn zu Stressreaktionen führt (Siegrist, 1996, Siegrist 2010a, Siegrist, 2010b). Dies trifft insbesondere dann zu, wenn, beispielsweise auf Grund mangelnder Qualifikationen, kein Arbeitsplatzwechsel möglich ist, keine Arbeitsplatzalternative vorhanden ist, bei ungünstigen Arbeitsverträgen, hoher zusätzlicher Leistung oder bei überengagierten Personen (Siegrist, 2010a, Siegrist, 2010b).

Abb. 3: Modell beruflicher Gratifikationskrisen aus Siegrist (1996)

2.2.4. Need for Recovery

An der Entwicklung des Konzeptes Need for Recovery waren laut De Cron (2003) Meijman, Mulders, Kompier & Van Dormolen (1990, zit. n. De Cron et al., 2003), Meijman, Mulder, Van Dormolen & Cremer (1992, zit. n. De Cron et al., 2003) sowie Sluiter, Van der Beek & Frings-Dresen (1999) beteiligt. Need for Recovery beschreibt das Ausmaß, zu welchem die arbeitende Person nach einem Arbeitstag Schwierigkeiten hat, sich von der arbeitsbedingten Ermüdung zu erholen, d. h., es wird ein zwischenzeitliches Bedürfnis nach Erholung als kurzfristige Reaktion auf die Arbeit erfasst.

Ein derartiges Bedürfnis nach Erholung zeigt sich zum Beispiel, wenn sich der Betroffene nach der Arbeit ausruhen möchte, allein gelassen werden möchte und kein Interesse an anderen Personen oder an Aktivitäten hat. Dieses Bedürfnis wird als intervenierende Variable zwischen belastenden Arbeitsbedingungen und gesundheitlichen Problemen angesehen (Braeckman et al., 2007; De Cron et al., 2003; Frings-Dresen et al., 1999). Need for Recovery ist jedoch nicht mit Ermüdung oder psychischem Disstress gleichzusetzen (Jansen et al., 2002). So wird von Sonnentag und Zijlstra

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  (2006) auf Grund zweier Studien gefolgert, dass das Bedürfnis nach Erholung in der Beziehung zwischen Arbeitsbelastungen sowie Freizeitaktivitäten und Ermüdung eine Mediatorfunktion einnimmt (Sonnentag & Zijlstra, 2006). Zur Erhebung des Bedürfnisses nach Erholung wird meist die Need for Recovery Scale verwendet, welche 11 dichotome Items inkludiert und sich in vielen Studien als reliabel erwies (Braeckman et al., 2007; De Cron et al., 2003; Frings-Dresen et al., 1999).

Zur Erläuterung des Konzeptes des Bedürfnisses nach Erholung dient die Studie von Frings- Dresen, Sluiter & Van der Beek (1999): Die genannten Autoren überprüften an einer Stichprobe von 363 Busfahrern, ob das Bedürfnis nach Erholung ein Indikator für gesundheitliche Beschwerden ist.

Dabei wurden mittels Einzelitems die Wochenarbeitsstunden, das Bedürfnis nach Pausenkontrolle (Uhrzeit und Dauer) und die Antizipation der Arbeit (Zeitpunkt des Wissens über die Tourenplanung) erfasst. Weiters wurden die Need for Recovery Scale und Fragebögen zur wahrgenommenen Belastung sowie gesundheitlichen Beschwerden (psychosomatische Beschwerden, Schlafqualität, emotionale Erschöpfung) vorgegeben. Die Variablen wurden einer multiplen linearen Regressionsanalyse unterzogen, wobei in einem ersten Schritt die Wochenarbeitsstunden, das Bedürfnis nach Pausenkontrolle, die Antizipation der Arbeit und das Alter der Fahrer als unabhängige Variablen hinzugefügt wurden. Diese Variablen, ausgenommen dem Alter, konnten zwischen 11-18 % der Varianz in den einzelnen gesundheitlichen Beschwerden aufklären. In einem zweiten Schritt wurden die wahrgenommene Arbeitsbelastung und das Bedürfnis nach Erholung zusätzlich in die Regressionsanalyse aufgenommen. Dabei erwiesen sich die wahrgenommene Belastung, das Bedürfnis nach Erholung und teilweise auch das Bedürfnis nach Pausenkontrolle als signifikante Prädiktoren für die Gesundheitsbeschwerden. Insgesamt konnten diese Variablen zwischen 46-59 % der Varianz in den gesundheitlichen Beschwerden aufklären. In diesem zweiten Schritt erwiesen sich die in Schritt 1 aufgenommenen Arbeitsbedingungen (Antizipation der Arbeit, Arbeitsstunden pro Woche) als nicht mehr signifikant. Hieraus folgern die Autoren, dass das Bedürfnis nach Erholung den Platz einer intervenierenden Variable zwischen den Arbeitsbedingungen und den Gesundheitsbeschwerden einnimmt (Frings-Dresen et al., 1999).

Braeckman, De Meester & Kiss (2007) untersuchten an einer Stichprobe von 1100 Arbeitern im öffentlichen Sektor mittels einer Fragebogenerhebung, ob eine Beziehung zwischen dem Alter und dem Bedürfnis von Erholung besteht. Des Weiteren wurden eine Reihe anderer Variablen wie der Arbeitsdruck bzw. die Arbeitsbelastung, monotone Arbeit, die Arbeitskontrolle, die soziale Unterstützung, physische Arbeitsbelastung sowie weitere personale Variablen (Geschlecht, Erkrankungen) und soziodemografische Variablen (Anzahl der Kinder, Betreuung kranker Personen, Zufriedenheit mit dem sozialen Netzwerk) in die Analyse miteinbezogen. Mittels multivariater Regressionsanalyse konnte gezeigt werden, dass das Geschlecht und das Vorhandensein muskuloskeletaler Beschwerden signifikante Prädiktoren für das Vorhandensein eines hohen Bedürfnisses nach Erholung sind. Es zeigte sich, dass die Arbeitsbelastung (OR=1.25) und monotone Arbeit (OR=1.35) das Risiko für ein hohes Bedürfnis nach Erholung erhöhen. Als weitere signifikante Prädiktoren konnten das Alter, die sozialen Unterstützung, Vollzeitjobs sowie die Zufriedenheit mit

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[

Theoretischer Hintergrund

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sozialen Kontakten gefunden werden (Braeckman et al., 2007). Für die vorliegende Studie sind hier insbesondere die Zusammenhänge mit der Arbeitsbelastung und der monotonen Arbeit relevant.

2.3. Die Arbeitstätigkeit der Lkw - FahrerInnen

Um im nachfolgenden Kapitel 2.3 näher auf die Belastungs- und Beanspruchungsfaktoren bei Lkw-FahrerInnen einzugehen, wird in diesem Kapitel zunächst die Arbeitstätigkeit von Lkw- FahrerInnen beschrieben.

Grundsätzlich kann zwischen Nah- und Fernverkehr, Linien- und Gelegenheitsverkehr sowie zwischen einer Reihe unterschiedlicher Einsatzbereiche unterschieden werden. Bogedale, Frieling und Kiegeland (1990) führten eine umfassende Arbeitsanalyse bei Lkw-Fahren durch, welche sich bis heute als gültig erweist. Demnach weisen FernfahrerInnen im Vergleich zu NahverkehrsfahrerInnen deutlich längere Lenkzeiten auf und sind häufiger auf Autobahnen unterwegs, wohingegen viele NahverkehrsfahrerInnen einen Großteil ihrer Fahrtzeit auf Landesstraßen oder im Ortsgebiet verbringen. Im Bereich des Nahverkehrs lassen sich bezüglich der Lenkzeit zwei Gruppen differenzieren, was im Bereich des Fernverkehrs nicht der Fall ist (Bogedale et al., 1990). Laut Bundesamt für Güterverkehr (2007) lässt sich zwischen dem Nahbereich mit einer täglichen Kilometerleistung bis zu 50 km, dem Regionalbereich mit einer täglichen Kilometerleistung von 51 – 150 km und dem Fernverkehr mit einer täglichen Kilometerleistung von 151 km und mehr differenzieren. Im Nahverkehr sind zudem sehr viele unterschiedliche Einsatzbereiche zu verzeichnen, während sich diese im Fernverkehr als eher homogen erweisen (Bogedale et al., 1990).

Des Weiteren erscheint es als relevant zwischen Linien- und Gelegenheitsverkehr zu unterscheiden. Laut der oben erwähnten Analyse von Bogedale et al. (1990) fahren LinienfahrerInnen zumeist die gleichen Verladestellen an, wodurch dem/der FahrerIn die Strecke sehr gut bekannt ist.

Hingegen fallen die Touren im Gelegenheitsverkehr meist sehr unterschiedlich aus.

Da die Arbeitstätigkeit von Lkw–FahrerInnen als sehr umfassend zu bezeichnen ist, soll nachfolgend näher auf einige Teilbereiche der Arbeitstätigkeit eingegangen werden. Nach Bogedale et al. (1990) lässt sich die Arbeitstätigkeit von Lkw – FahrerInnen in folgende Teilbereiche gliedern:

- Fahren

- Verladen (Überwachen, Unterstützen oder Durchführen) - Tourenorganisation

- Aufgabengebundene Kommunikation - Bearbeitung von Dokumenten - Fahrzeugwartung und –instandhaltung - Sonstige Aufgaben

Das Fahren gilt als Haupttätigkeit eines/einer Lkw-FahrerIn. Die Zeit, in welcher FahrerInnen am Lenkrad sitzen, wird jedoch, nicht zuletzt von den FahrerInnen selbst, häufig überschätzt. Tatsächlich

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  beansprucht das Fahren zumeist nur 50% der Arbeitszeit. Die restliche Arbeitszeit beanspruchen

„Nebentätigkeiten“ wie das Verladen und damit verbundene Wartezeiten, die Tourenorganisation, das Bearbeiten von Dokumenten und die Fahrzeugwartung (Frieling et al., 1999). Im Nahverkehr nehmen derartige Nebentätigkeiten, insbesondere das Verladen, noch mehr Zeit in Anspruch (Bogedale et al., 1990).

Die Arbeitsaufgabe des Verladens kann zwischen verschiedenen FahrerInnen sehr unterschiedlich ausfallen. Einige FahrerInnen müssen die Verladetätigkeit durch externes Hilfspersonal lediglich überwachen, während andere FahrerInnen die Verladetätigkeit durch das Hilfspersonal unterstützen müssen oder diese alleine, d. h. ohne Hilfspersonal, durchführen müssen.

Zudem bekommen einige FahrerInnen Hilfsmittel wie Hubwagen oder Stapler zur Verfügung gestellt, während andere FahrerInnen ohne Hilfsmittel verladen müssen. Silo- oder KranfahrerInnen verladen hingegen mit bordeigenen oder externen Maschinen (Bogedale et al., 1990). Das Verladen stellt eine sehr häufige Nebentätigkeit von Lkw-FahrerInnen dar (Frieling et al., 1999).

Eine weitere Nebentätigkeit der Lkw – FahrerInnen stellt die Tourenorganisation dar.

Tourenorganisation meint die Planung der Anzahl und der Reihenfolge der anzufahrenden Verladestellen, die Wahl der geeigneten sowie ökonomisch günstigsten Strecke sowie die Organisation der Termine, die damit verbunden sein können. Wie schon bei der Aufgabe des Verladens bestehen auch bei der Tourenorganisation erhebliche Unterschiede zwischen Transportunternehmen und somit auch zwischen FahrerInnen. Je nach Arbeitsplatz können hierbei unterschiedliche Parameter von dem Disponenten/der Disponentin vorgegeben bzw. von dem/der FahrerIn selbst geplant werden oder aber es besteht die Möglichkeit der Mitentscheidung durch den/die FahrerIn. Beispielsweise muss die Reihenfolge der anzufahrenden Verladestellen bei Verteilertouren zumeist selbst bestimmt werden, während diese bei Pendeltouren im Baustellenbereich oftmals vom Disponenten festgelegt wird. Die Fahrzeugwartung spielt hingegen eine eher untergeordnete Rolle und beschränkt sich auf Kontrollen wie die des Kraftstoffes oder der Beleuchtungsanlage (Bogedale et al., 1990).

Die Arbeitsinhalte sowie die Arbeitsbedingungen von Lkw – FahrerInnen differenzieren je nach unterschiedlichen Merkmalen des Arbeitsplatzes wie der Art des Lkw und dessen Zusatzausstattung, der zu transportierenden Güter, des Arbeitsablaufes sowie der Art der Arbeitsorganisation und des befahrenen Verkehrsraumes (Bogedale et al., 1990).

Lkw-FahrerInnen müssen während ihrer Arbeitszeit gesetzlich verpflichtende Pausen und Ruhezeiten einhalten. Seit 2002 gibt es eine neue Richtlinie zur Regelung der Arbeitszeit von KraftfahrerInnen (2002/15/EG). Laut dieser Richtlinie darf eine Arbeitswoche maximal 48 Stunden betragen, wobei sie in einzelnen Wochen 60 Stunden betragen kann, wenn die durchschnittliche Arbeitszeit in bis zu 4 Monaten 48 Stunden beträgt (Hermann, 2004). Laut EU-Regelung (Nr. 3820/85) darf die tägliche Lenkzeit maximal 9 Stunden betragen. Zwei Mal wöchentlich ist eine Lenkzeit von 10 Stunden gestattet. Innerhalb von 2 Wochen darf die Lenkzeit jedoch maximal 90 Stunden betragen.

Des Weiteren muss nach 4,5 Stunden Lenkzeit eine Pause von mindestens 45 Minuten eingelegt

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Theoretischer Hintergrund

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werden, wobei diese Pause auf eine 15-minütige und eine 30-minütige Pause aufgeteilt werden darf.

Der Fahrer sollte innerhalb von 24 Stunden eine Ruhezeit von mindestens 11 Stunden einhalten (Fachausschuss Berufskraftfahrer der Arbeiterkammer Wien, 2008). Eine Neufassung dieser Richtlinie wird geprüft (Hermann, 2004).

2.4. Belastung und Beanspruchung bei Lkw-FahrerInnen

2.4.1. Belastungsfaktoren bei Lkw-FahrerInnen

Nachfolgend wird näher auf Belastungsfaktoren bei Lkw-FahrerInnen eingegangen. Dabei wird, wie von Evers (2009) vorgeschlagen, zwischen physischen, psychischen, situativen und sozialen Belastungsfaktoren unterschieden.

2.4.1.1. Psychische Belastungsfaktoren

Als psychische Belastungsfaktoren sind insbesondere Zeitdruck, Verantwortungsdruck, Wartezeiten beim Verladen, die Nicht-Einhaltung von Arbeitspausen und Ruhezeiten sowie mangelnder Entscheidungsspielraum zu nennen.

Zeit- bzw. Termindruck zeigt sich in einer Studie von Ellinghaus und Steinbrecher (2002) als einer der bedeutsamsten Belastungsfaktoren. So geben 72% der Fahrer schwerer Lkw über 7.5 Tonnen an, dass sie enormen Zeitdruck erleben, wobei 47% der Fahrer angeben, dass der Zeitdruck sie extrem oder sehr belastet. Der wahrgenommene Zeitdruck wächst mit zunehmender wöchentlicher Arbeitszeit sowie mit zunehmendem Alter. Fernfahrer empfinden Zeitdruck zudem als stärkere Belastung als Nahverkehrsfahrer (Ellinghaus und Steinbrecher, 2002). Eventuell ergibt sich dieses Ergebnis daraus, dass 74% der Fahrer schwerer Lkw das Fahren unter Zeitdruck laut Ellinghaus und Steinbrecher (2002) als unangenehm einstufen. Im Nahverkehrsbereich werden insbesondere Arbeitstage mit vielen Verladestellen als beanspruchend erlebt (Bogedale et al., 1990, S. 169). Dies zeigt sich auch darin, dass Fahrer schwerer Lkw Langstrecken tendenziell gegenüber Kurzstrecken präferieren (vgl.

Ellinghaus und Steinbrecher, 2002).

Das häufige Erleben von Zeitdruck wird von Houtman et al. (2004) wie folgt erklärt werden:

Kunden erwarten immer mehr Pünktlichkeit, Flexibilität und Schnelligkeit und wünschen eine Just-in- Time Lieferung zunehmend häufiger. Zusätzlich sind FahrerInnen mit immer mehr Aufgaben konfrontiert, die eigentlich den Führungskräften und der Verladestelle zukommen. All dies führt zu Zeitdruck, wobei dieser zudem durch Wartezeiten beim Verladen, Staus und ungünstige Wetterbedingungen erhöht wird (Houtman et al., 2004). Zeitdruck wird jedoch als wesentlicher Grund für eine erschwerte Einhaltung von Pausen und Ruhezeiten (Houtman et al., 2004) sowie als wichtiger Einflussfaktor auf das Fahrverhalten und damit auch auf die Verkehrssicherheit (Fastenmeier und Steinbrecher, 2002) angesehen, was mit dem Urteil der FahrerInnen übereinstimmt: Zeitdruck wird von circa 50% der FahrerInnen als sehr gefährlich eingestuft (Fastenmeier et al., 2002).

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  Wartezeiten beim Verladen sind nicht als versteckten Pausen anzusehen (Bogedale et al., 1990).

Laut Ellinghaus und Steinbrecher (2002) stellen Wartezeiten beim Verladen einen wichtigen Belastungsfaktor dar: 38% der Fahrer schwerer Lkw empfinden Wartezeiten beim Verladen als extrem oder sehr belastend. Gründe hierfür sind, dass Wartezeiten oft als Behinderung wahrgenommen werden und unvorhersehbar sind. Zudem erfordern Wartezeiten die volle Aufmerksamkeit der FahrerInnen. Sie müssen häufiger rangieren und in der Warteschlange vorrücken, weil sich andernfalls andere FahrerInnen vordrängen. Die Beanspruchung, welche aus derartigen Wartezeiten resultiert, wird unter anderem dadurch bestätigt, dass die Herzfrequenz der FahrerInnen während Wartezeiten deutlich erhöht ist (Bogedale et al., 1990). Zudem müssen FahrerInnen die Verzögerung, die durch das Warten entsteht, häufig kompensieren, wodurch Pausen und Ruhezeiten von den FahrerInnen gekürzt werden (Frieling et al., 1999).

Neben Wartezeiten beim Verladen (Frieling et al., 1999) stellen auch überlange Arbeitszeiten, Zeitdruck (Hermann, 2004) und Parkplatzmangel (Fastenmeier et al., 2002) Faktoren dar, die zur Nicht-Einhaltung von Gesetzen hinsichtlich der Lenk- und Arbeitszeiten führen. Von den FahrerInnen selbst werden als Gründe für die Überschreitung von Pausen und Ruhezeiten am häufigsten Parkplatzmangel und Staus genannt. Als weitere Gründe werden Zeitdruck, mangelnde Disposition sowie der Wunsch des Kunden und des Unternehmers angegeben (Fastenmeier et al., 2002). Nach einer Studie von Fastenmeier et al. (2002) hat circa jeder fünfte Fahrer bzw. jede fünfte Fahrerin meistens oder immer Probleme Pausen und Ruhezeiten einzuhalten.

Laut Ellinghaus und Steinbrecher (2002) ist die gesetzliche Vorschrift zu Lenk- und Ruhezeiten auch zu kompliziert, sodass Probleme mit der Einhaltung dieser Gesetze nicht verwunderlich seien. In der oben genannten Studie von Ellinghaus und Steinbrecher (2002) fühlen sich 35% der Fahrer schwerer Lkw durch Gesetze zur Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten extrem oder sehr beansprucht. Nur 12% der Fahrer geben an, dass diese Vorschrift gar keine Belastung für sie darstellt.

Derartige Belastungen durch Gesetze resultieren auch in Angst vor Polizeikontrollen. So empfinden 32% der Fahrer Druck durch Polizeikontrollen als extrem bzw. sehr belastend (Ellinghaus und Steinbrecher, 2002).

Ferner dürften Lkw-FahrerInnen auch Verantwortungsdruck erleben. So geben 38% der befragten Fahrer an, dass sie die Verantwortung über das Fahrzeug und die Ladung als extrem bzw. sehr belastend empfinden. 72% der Fahrer empfinden das Fahren mit Gefahrengut als unangenehm (Ellinghaus und Steinbrecher, 2002).

Trotz der hohen Beanspruchung präferieren viele Lkw – FahrerInnen ihre Arbeitstätigkeit gegenüber anderen Arbeitstätigkeiten wie der Fabrik- oder Büroarbeit, da man diesem Beruf viel Freiheit zusagt. Durch GPS und Handy ist der Beruf jedoch durch eine hohe externe Kontrolle charakterisiert und durch ständigen Termindruck bleibt nicht mehr viel Entscheidungsspielraum für den Fahrer/die Fahrerin (Hermann, 2004). Zudem sind FahrerInnen selten in den Planungsprozess involviert und es bestehen nur sehr begrenzte Möglichkeiten Probleme, die während der Arbeit auftauchen, regulär zu besprechen (Houtman et al., 2004).

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Theoretischer Hintergrund

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2.4.1.2. Physische Belastungsfaktoren

Als physische Belastungsfaktoren bei Lkw-FahrerInnen sind überdurchschnittlich lange Arbeits- und Fahrtzeiten, eine unregelmäßige Pausengestaltung, ein früher Arbeitsbeginn, unregelmäßige Arbeitszeiten wie Schicht- und Nachtarbeit, das Verladen und das andauernde Sitzen sowie Lärm, Vibrationen, Abgase und ungünstige Temperaturen zu nennen.

Laut einer Studie von Kremser (1997, zit. n. Hermann, 2004) mit insgesamt 158 Befragten, die hauptsächlich im Fernverkehr tätig waren, beträgt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Lkw - FahrerInnen 71 Stunden. Mit einer derartigen Verlängerung der Wochenarbeitszeit steigt jedoch unter anderem das Stressempfinden deutlich an (EU-Erhebung, 1996, zit. n. Frieling & Sonntag, 1999).

Der Beruf des/der Lkw-FahrerIn ist häufig durch unregelmäßige und unübliche Arbeitsmuster wie das Arbeiten am Abend, in der Nacht und am Wochenende charakterisiert (Houtman et al., 2004).

Einige FahrerInnen beginnen ihren Arbeitstag zwischen 3:00 und 5:00 Uhr morgens. Dieser frühe Arbeitsbeginn vieler FahrerInnen könnte das Resultat dessen sein, das FahrerInnen versuchen trotz Staus pünktlich beim Kunden zu sein (Houtman et al., 2004). Insbesondere NahverkehrsfahrerInnen beginnen ihren Arbeitstag häufig zwischen 3:00 und 4:00 Uhr morgens. Dadurch weisen NahverkehrfahrerInnen morgens eine stärkere Ermüdung auf als abends (Bogedale et al., 1990).

Auch Nacht- bzw. Schichtarbeit kommt bei Lkw-Fahrern häufig vor, wie die Studie von Fastenmeier et al. (2002) belegt, nach welcher schätzungsweise 50% der FahrerInnen häufig oder meistens zwischen 22:00 und 6:00 Uhr arbeiten. Nachtarbeit ist jedoch hoch beanspruchend. Der circadiane Rhythmus des Menschen ist so programmiert, dass der Körper tagsüber auf mehr Leistung eingestellt ist, während er sich nachts auf Erholung vorbereitet. Durch Nachtarbeit wird dieses System folglich gestört (Knauth, 1997). Fahrer müssen somit zu einer Zeit tätig sein, in welcher der Körper, wenn er einem normalen circadianen Rhythmus unterliegt, auf Erholung eingestellt ist (vgl. De Vries- Grieber et al., 1997; Knauth, 1997). Dies kann eine reduzierte Leistungsfähigkeit und Fehlleistungen zur Folge haben (De Vries-Grieber et al., 1997). Unfälle, in denen keine weiteren Fahrzeuge beteiligt sind, passieren nachts und in den frühen Morgenstunden tendenziell häufiger, da ermüdete FahrerInnen Situationen weniger gut vorhersehen können (Kiegeland, 1997, zit. n. Frieling et al., 1999).

Die Verladetätigkeit stellt eine physisch anstrengende Arbeit dar. Als Beispiel kann das Heben schwerer Güter angeführt werden (Houtman et al., 2004). Dementsprechend sind derartige Verladetätigkeiten nicht als versteckte Pause zu bewerten (Bogedale et al., 1990). Man könnte dennoch annehmen, dass das Verladen für Lkw-FahrerInnen eine Abwechslung zur eher monotonen Tätigkeit des Fahrens darstellt. FahrerInnen selbst verladen auf Grund des niedrigen sozialen Status dieser Tätigkeit jedoch nicht gerne. (Frieling et al., 1999). Bogedale et al. (1990) stellten fest, dass FahrerInnen insbesondere bei der Verladetätigkeit eine erhöhte Herzfrequenz aufweisen, wobei sich hier beachtlich geringe Unterschiede zwischen dem Überwachen, dem Unterstützen und dem Durchführen der Verladetätigkeit ergeben (Bogedale et al., 1990).

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  Neben dem Verladen stellt auch das andauernde Sitzen am Lenkrad einen physischen Belastungsfaktor dar. Die lange, gleichbleibende Sitzposition kann, insbesondere zusammen mit Vibrationen, zu körperlichen Erkrankungen wie muskuloskeletalen Erkrankungen des Rückens führen.

Durch technische Verbesserungen wie ergonomische Sitze und/oder ergonomische Kabinen konnten bereits erste Verbesserungen erzielt werden (Houtman et al., 2004). In der Studie von Ellinghaus und Steinbrecher (2002) geben 35% der Fahrer schwerer Lkw an, durch das Fahren extrem oder sehr körperlich beansprucht zu sein und nur 6% der FahrerInnen schwerer Lkw geben an, sich durch das Fahren gar nicht körperlich beansprucht zu fühlen.

In einigen Ländern, unter anderem in Österreich, wird Lärm von den FahrerInnen als ein Problem betrachtet. Lärm kann einerseits vom eigenen Fahrzeug ausgehen und andererseits der Umgebung entstammen (Houtman, 2004). Die Betrachtung von Lärm als Belästigung und dessen Auswirkungen hängen von der Einstellung zur Lärmquelle und insbesondere von der Lautstärke ab. Ab 30 db(A) können psychische Reaktionen wie Lästigkeit, aber auch vegetative Reaktionen wie Schlafstörungen auftreten. Eine Lärmquelle von 50 db(A) kann zu Leistungsminderung und Ermüdung führen. Ab 75 db(A) können bei sensiblen Personen unter mehrjähriger Lärmeinwirkung aurale Lärmwirkungen auftreten. Bei einer mehrjährigen Lärmeinwirkung von 85 db(A) treten hingegen irreversible Gehörschädigungen auf (Frieling & Sonntag, 1999).

Auch Vibrationen stellen einen Risikofaktor dar, der beispielsweise zu Rückenproblemen führen kann. Jedoch wird an einer verbesserten Ergonomie der Sitze zur Reduktion von Vibrationen gearbeitet (Houtman et al., 2004). Hinzu kommt die Gefährdung durch Abgase, welche insbesondere bei schlechter Belüftung beim Verladen sowie beim Transport von Gefahrengut und Umgehen mit gefährlichen Substanzen ein Problem darstellt (Houtman et al., 2004).

Als ein weiterer Belastungsfaktor werden häufig extreme Klimabedingungen genannt. Zu erklären wäre dies damit, dass einige FahrerInnen bei der Verladetätigkeit extremen Temperatur- und Wetterbedingungen ausgesetzt sind (Houtman, 2004). Ein weiterer Grund kann darin gesehen werden, dass Fahrerhäuser im Sommer durch die Sonneneinstrahlung sowie die vom Motor ausgehende Temperatur deutlich aufgeheizt werden. Die Beanspruchung der FahrerInnen durch derartige Temperaturen ist außerordentlich hoch (Bogedale et al., 1990). Zu viel Wärme kann vom Körper nicht mehr an die Umwelt abgegeben werden, wodurch die Körpertemperatur ansteigt (Kampmann & Piekarski, 2007). Weiters kann zu viel Wärme zu Ermüdung und Schläfrigkeit führen, was eine reduzierte Leistungsbereitschaft und Fehlleistungen zur Folge hat. Die Konzentration sinkt und die betroffene Person erlebt zunehmend Reizbarkeit (Frieling & Sonntag, 1999).

2.4.1.3. Soziale Belastungsfaktoren

Auf Grund des hohen Arbeitspensums und der unregelmäßigen Arbeitszeiten müssen Lkw-Fahrer ihre Freizeitaktivitäten und ihre Rolle als Vater/Mutter oder Ehemann/Ehefrau in Anbetracht der beruflichen Belastung im Laufe ihrer Berufslaufbahn hinten anstellen. Somit besitzen FahrerInnen, die

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Theoretischer Hintergrund

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sehr lange im Fernverkehr tätig sind, häufig kein funktionierendes soziales Netzwerk mehr (Frieling et al., 1999). In Finnland zeigt sich zudem, dass eine schlechte Kommunikation mit dem Unternehmen, eine angespannte Arbeitsatmosphäre sowie eine schlechte Arbeitsorganisation des Disponenten zu zusätzlichen Druck für die FahrerInnen führt (Houtman et al., 2004).

Ferner sind Lkw – FahrerInnen im Vergleich zu anderen Sektoren mehr physischer Gewalt, Belästigung und Diskrimination durch KollegInnen und durch die Öffentlichkeit ausgesetzt. Zu erwähnen ist hier einerseits das erhöhte Risiko von Lkw – Einbrüchen und andererseits eine teilweise schlechte Behandlung durch ArbeiterInnen der Verladestellen (Houtman, 2004).

Laut Bundesamt für Güterkraftverkehr (2007b) hat sich das Image von Lkw-FahrerInnen von dem der „Könige der Landstraßen“ zu „den Prügelknaben der Medien“ entwickelt. Der Druck aus dem sozialen Umfeld wie die geringe Wertschätzung des Fahrerberufes sowie insbesondere der Druck durch KollegInnen wird von FahrerInnen schwerer Lkw jedoch kaum als Belastung erlebt (Ellinghaus und Steinbrecher, 2002).

2.4.1.4. Situative Belastungsfaktoren

Bei Fahrten innerhalb einer Stadt zeigt sich im Vergleich zu Fahrten auf der Autobahn oder auf Landesstraßen sowohl bei Nah- als auch FernverkehrsfahrerInnen eine erhöhte Herzfrequenz, wobei FernfahrerInnen auf Autobahnen eine geringere Herzfrequenz aufweisen als auf Landstraßen.

Insgesamt kann dies einerseits auf die erhöhte physische Beanspruchung durch die Fahrzeugbedienung, andererseits aber auf die erhöhte mentale Beanspruchung zurückgeführt werden (Bogedale et al., 1990). Diese Beanspruchung wird durch Fahrten in der Nacht oder bei schlechten Wetterbedingungen zusätzlich erhöht (Institut für Arbeitswissenschaft der Universität Kassel, zit. n.

Frieling et al., 1999). Laut Ellinghaus und Steinbrecher (2002) werden Fahrten bei Straßenglätte von 94% der Fahrer schwerer Lkw als unangenehm eingeschätzt, gefolgt von Fahrten bei Nebel mit 90%.

Zudem scheint der Verkehrsfluss ein bedeutsamer Belastungsaspekt zu sein. In der Studie von Ellinghaus und Steinbrecher (2002) empfinden 56% der Fahrer schwerer Lkw dichten Verkehr als extrem bzw. sehr belastend, während nur 8% angeben keine Beanspruchung durch dichten Verkehr zu verspüren. Staus werden wiederum von 50% der Fahrer schwerer Lkw als extrem bzw. sehr belastend erlebt, während auch hier nur 10% der FahrerInnen angeben, dass Staus für sie keine Belastung darstellen.

In der o. g. Studie von Fastenmeier et al. (2002) beurteilen rund 80% der FahrerInnen das Verhalten anderer VerkehrsteilnehmerInnen gegenüber den Lkw-FahrerInnen als sehr bzw. eher rücksichtslos. Rund 13% der FahrerInnen sind der Meinung, dass Lkw-Unfälle durch mehr Rücksicht im Straßenverkehr am effektivsten vermieden werden können. Rund 7% der FahrerInnen halten ein Kennenlernen der Fahrdynamik der Lkw durch die Pkw-FahrerInnen als effektives Mittel zur Unfallprävention (Fastenmeier et al., 2002). Diese Einschätzung der Lkw-FahrerInnen kann dadurch belegt werden, dass Pkw – FahrerInnen häufiger für Kollisionen mit Lkw verantwortlich sind, als dies

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