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Auszug aus der Ausgabe Heilige Räume (1/2022)

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Auszug aus der Ausgabe „Heilige Räume“ (1/2022)

Georg Röwekamp

Einmal heilig – immer heilig?

Übernahme, Umwandlung und gemeinsame Nutzung von heiligen Räumen

© Alle Rechte beim Autor bzw. den Bildrechteinhabern

Jede Weiterveröffentlichung ist untersagt

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A

ls unter Salomo der Erste Tempel in Je- rusalem errichtet wurde, übernahm er vermutlich die „Orientierung“ von dem schon zuvor dort befi ndlichen kanaanäischen Heiligtum: Der Eingang war nach Osten gerich- tet, sodass die aufgehende Sonne in ihn hinein- scheinen konnte. Damit hatte er zum einen das Prinzip des „Knickachs-Tempels“ in abgewan- delter Form übernommen. Betende betraten das Gebäude von der Seite (meist von Süden) und mussten sich erst in Richtung des Heiligtums drehen. Zum anderen erleichterte das auch die Übernahme von Elementen der Sonnengott- heit in das biblische Gottesbild. Das heißt:

Mag mit der Übernahme einerseits eine Ablösung des alten Kultes ver- bunden sein, so beeinfl usst das Alte doch nicht selten unter- schwellig das Neue.

Kirchen an (der) Stelle von Tempeln Als die Christen im 4. Jh. erstmals größe- re heilige Räume für ihren Kult errichte- ten, wählten sie als Bauform zunächst ausdrücklich nicht

die Form eines Tempels, sondern die der paga- nen Basilika. Ob die manchmal geäußerte Mei- nung, dass der Gegensatz zwischen dem auf Au- ßenansicht hin angelegten Tempel mit seinem Säulenkranz und der Basilika mit den Säulen im Inneren auch die Verlagerung der Religiosität in Richtung Innerlichkeit spiegelt, sei einmal da- hingestellt.

Doch im christlichen Jerusalem, wo der Zweite Tempel inzwischen zerstört, der Platz als „Leerstelle“ aber noch sehr präsent war, ver-

band sich die neue „Auferstehungskirche“

anstelle des römischen Haupttempels im Zentrum der Stadt mit Elemen-

ten des Konzeptes, das dem Vorgängerbau und dem jü-

dischen Tempel zugrun- de gelegen hatte. Das

gilt zum einen für die Ausrichtung des

Eingangs nach Os- ten, der den bei- den gemeinsam

war – zum an- deren wurden

die Überreste von Golgota

und das Hei- lige Grab so

Muslimisches Fens- ter in der ehemaligen gotischen Nikolaus- Kathedrale in Fama- gusta (Zypern). Die Kathedrale wurde nach der osmanischen Eroberung der Stadt 1571 zur Moschee umgewidmet und nach dem Oberbefehlshaber der Eroberer Lala- Mustafa-Pascha be- nannt. Das nach Osten ausgerichtete Gebäude besitzt heute einen Teppichbelag, dessen Struktur die abwei- chende Gebetsrichtung nach Mekka zeigt.

Heilige Räume sind geprägt von der Vorstellung, die sich Menschen von der Gottheit machen, die dort verehrt wird. Gleichzeitig vermitteln sie gerade durch diese Prägung auch Bilder und Vorstellungen an die, die den Raum betreten.

Was aber bedeutet das für den nicht seltenen Fall, dass Anhänger verschiede- ner Religionen einen heiligen Raum gemeinsam nutzen oder wenn er durch eine andere Glaubensrichtung übernommen wird? Von Georg Röwekamp

Einmal heilig – immer heilig?

Übernahme, Umwandlung und gemeinsame Nutzung von heiligen Räumen

Dr. Georg Röwekamp, Theologe mit Schwer- punkt Alte Kirchenge- schichte und Repräsentant des „Deutschen Vereins vom Heiligen Lande“ in Jerusalem., Leiter des Pilgerhauses Tabgha des DVHL am See Gennesaret.

© Andreas Müller

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© wub

in den Bau integriert, dass die dreiteilige Abfol- ge des neuen Heiligtums der des alten Tempels sachlich entsprach: Auf den Ort der Versamm- lung (die verschiedenen Vorhöfe) folgte ein Hof mit dem Golgotafelsen, der dem letzten Vorhof, dem der Israeliten mit dem Brandopferaltar, entsprach. Und schließlich folgte das „Heilige Grab“ als „Allerheiligstes“. Damit wurde nicht nur der Golgotafelsen auch baulich als neuer Al- tar des (Kreuzes-)Opfers gedeutet bzw. insze- niert, vielmehr erfolgte unter der Hand eine Art Re-Sakralisierung des christlichen Kirchenge- bäudes, das ursprünglich gerade von allen kul- tischen Assoziationen frei sein wollte.

Diese Linie setzte sich sehr bald auch in al- len anderen, „normalen“ Kirchbauten fort, wo in der Endphase des Basilikabaus ein Allerhei- ligstes immer deutlicher abgegrenzt wurde. In westlichen Kirchen des Mittelalters konnte die Parallelisierung des Baus mit dem Tempel so

weit gehen, dass monumentale siebenarmige Leuchter aufgestellt wurden.

Kirchen als neue Tempel?

Erst als diese (Re-)Sakralisierung des christli- chen Kultraums erfolgt war, wurden auch ver- mehrt pagane Tempel in Kirchen umgewandelt.

Berühmtes Beispiel ist z. B. die große Tempelan- lage des Zeus in Damaskus. In dieser ist nach dem Verbot des paganen Kultes durch Kaiser Theodo- sius 391 eine christliche Kirche zu Ehren Johan- nes des Täufers bezeugt; allerdings ist unsicher, ob dabei wirklich die Cella in einen Kirchenraum umgewandelt wurde oder an deren Stelle bzw.

zusätzlich eine Basilika errichtet wurde.

In Athen wurde der dortige Hephaistos-Tem- pel im 5. Jh. in eine Georgskirche umgewan- delt, der Parthenontempel auf der Akropolis im 6. Jh. in eine Kirche der Jungfrau Maria. Hier kam dem entgegen, dass der Tempel zuvor ja der

Der Aufbau der Basi- lika Konstantins über dem Grab Jesu ent- spricht in Größe und Gliederung dem He- rodianischen Tempel.

Außerdem überdeckt die Grabeskirche einen früheren Jupitertem- pel (s. WUB 4/ 2020, 64f).

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Athena Parthenos, der jungfräulichen Göttin, geweiht gewesen war. In der Marienkathedrale von Syrakus sind sogar die dorischen Säulen des Athenatempels, in dem sie im 7. Jh. eingerichtet wurde, bis heute sichtbar.

In Rom dauerte es ebenfalls bis ins 6. Jh., be- vor erste Tempel umgewidmet wurden: Damals entstand auf dem Forum im Tempel des Antoni-

nus Pius die Kirche S. Lorenzo (in Miranda), und aus dem Tempel des Romulus wurde die Kirche der hll. Cosmas und Damian. Noch einmal eini- ge Jahrzehnte später wurde dann das Pantheon (der Tempel aller Götter) in eine Kirche aller Märtyrer umgewandelt – auch hier war das neue Patrozinium nicht zufällig gewählt. Im Zusam- menhang mit der Mission bei den Angelsachsen empfi ehlt Papst Gregor um 600 sogar ausdrück- lich die Umwandlung von paganen Heiligtü- mern in Kirchen, da „derjenige, der in luftige Hö- hen klettern will, schrittweise steigen muss, nicht springen“ (Beda, Kirchengeschichte 1, 30).

Moschee-Kirchen

Später wurden dann auch – meist nach Erobe- rungen – Kirchen in Moscheen umgewandelt.

Frühes Beispiel ist die erwähnte Johannesbasi- lika in Damaskus – wobei der Raum bald durch einen Neubau ersetzt wurde, in den ein Schrein des Täufers integriert wurde. Später folgten z. B.

im Heiligen Land die Umwandlung der Kirche St. Anna nördlich des Tempelplatzes oder im Ge- biet der heutigen Türkei die Umwandlungen der symbolträchtigen Kirchen in Trapezunt (Trab- zon) oder Nicäa (Iznik) und v. a. in Konstantino- pel, wobei die Hagia Sophia nur die bekannteste ist. Aus westlichen Augen besonders verstörend ist vielleicht die Umwidmung der gotischen Kreuzfahrerkathedralen von Nikosia und Fama- gusta auf Zypern. Umgekehrt wurden z. B. auf der Iberischen Halbinsel nach der Reconquista Moscheen in Kirchen umgewandelt – hier ist die Mezquita von Córdoba das bekannteste Beispiel.

Dabei erscheint die Bewertung dieser Vor- gänge nicht einfach. Mitunter verhinderte eine Umwandlung manchmal die Zerstörung einer Kirche und machte in Einzelfällen sogar später eine Rück-Umwandlung möglich. Ein Beispiel ist St. Anna in Jerusalem: Sultan Saladin machte aus ihr eine Koranschule. 1856 bekam Napole- on sie von den Muslimen zurück. Doch ist die

„Re-Sakralisierung“ der heiligen Räume des Christentums ein Rückschritt oder gar Verrat an den urchristlichen Erfahrungen? Selbst die Um- widmungen, die oft als Zeichen des Sieges über die Vorgänger-Religion vorgenommen werden, verraten manchmal ungewollt eine Faszina- tion und ein Anknüpfen an die Erfahrungen der „älteren Geschwister“. So ist die Bauform einer Kirche (!), der Hagia Sophia, zur Grund- form aller osmanischen Moscheen geworden, und selbst der Einbau eines neuen Chores in die Mezquita konnte (und wollte?) den Geist der muslimischen „Kirchenschiffe“ nicht vollstän-

dig zerstören. © oben Maxordus/123rf; unten Pascal Saez/VWPics/Alamy Stock Foto

Die Kathedralmoschee von Córdoba (Mezquita-Catedral) fußt in einer jahrtausendealten religiösen Tradition: Auf einen römischen Tempel wurde die westgotische Kathedrale für Sankt Vincent von Saragossa errichtet.

Nach der islamischen Eroberung im 8. Jh. teilten sich Muslime und Chris- ten das Gebäude zunächst. Dann wurde es als Moschee neu gebaut (unter Verwendung von vorhandenen Bauelementen). Im 10. Jh. erweitert, war es die prächtigste Moschee von Córdoba. Ab dem 13. Jh. wurde es dann wieder als Kirche umgestaltet.

Säulen aus dem Athena-Tempel in der Seitenwand der Marien kathedrale von Syrakus. Oftmals wer- den Kirchen in Anleh- nung an ihre „darunter- liegende“ Bestimmung

geweiht: Kirchen für Göttinnen wurden häu- fi g Marienkirchen, aus

Zeus- oder Wodan- tempeln wurden z. B.

Michaelskirchen.

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Mehrere Religionen in einem Haus Ähnlich zwiespältig stellt sich die Sache im Fall der von verschiedenen Religionen gemeinsam genutzen heiligen Räumen dar. Als Beispiel mag das Heiligtum von Mamre bei Hebron die- nen (s. u. der Quellentext).

Von einem konfessionalistischen Standpunkt aus betrachtet ist es ein Musterbeispiel für „Syn- kretismus“ – und damit negativ zu bewerten.

Deshalb hatte auch Konstantin auf den Protest seiner Schwiegermutter Eutropia hin versucht, den Ort zu „reinigen“ und eine christliche Basili- ka in dem heiligen Bezirk errichtet – anscheinend ohne dauernden Erfolg. Aus „ökumenischer Per- spektive“ erscheint es dagegen faszinierend, dass das über Jahrhunderte immer wieder möglich war: das Gebet unterschiedlicher Gläubiger an einem Ort – auch wenn das, wie z. B. das Abra- hamsgrab in Hebron zeigt, in jüngster Zeit nicht einfacher wird. Offenbart das nicht, dass Inhalte und Formen der Religio nen oft ähnlicher sind, als den Gläubigen bewusst ist?

„Anbau“ und „Einbau“ neuer Gebetsstätten in bereits bestehende Heiligtümer gab es v. a.

nach der arabisch-islamischen Eroberung des Heiligen Landes – so z. B. in der achteckigen Kathisma-Kirche auf dem Weg zwischen Jeru- salem und Betlehem. Wohl in der ersten Hälfte des 8. Jh. wurde in die Südwand des Umgangs eine Gebetsnische eingebaut, und ein daneben- liegender Raum mit einem Fußbodenmosaik ausgekleidet, das eine große Palme zeigte – ein

in der islamischen Tradition mit der Geburt Jesu verbundenes Symbol. Man geht davon aus, dass der Bau in dieser Zeit von beiden Glaubensge- meinschaften genutzt wurde.

Im Negev, in Shivta, wurde eine kleine Mo- schee an die Südkirche angebaut, wobei die Gebetsnische in die Außenmauer des Baptiste- riums geschnitten wurde. Ähnliches geschah in der Grabeskirche, wo seitdem das Atrium von den Muslimen genutzt wurde, und in der Geburtskirche, wo die Südapsis für das musli- mische Gebet hergerichtet wurde. Im 15. Jh. be- richtet ein Priester aus den Niederlanden sogar, dass bei seiner Messe in der Geburtsgrotte mehr Muslime als Christen anwesend waren.

Auch in der Kreuzfahrerzeit gab es nicht we- nige gemeinsam verehrte Marienheiligtümer – berühmtes Beispiel ist Sednaya im heutigen Syrien. Aber selbst im Herzen des Königreichs Jerusalem konnten Muslime in christlichen Kirchen beten – und dieses Recht wurde ggf.

sogar von Tempelrittern verteidigt. So berich- tet der arabische Autor ibn Munqid, dass er bei Besuchen Jerusalems regelmäßig sein Gebet Richtung Mekka in der von den Templern in der al-Aqsa-Moschee eingerichteten Kapelle verrichtete. Als ihn ein Christ mehrfach daran hindern wollte, wurde dieser von den Templern zurechtgewiesen und dem Muslim erklärt, dies hänge mit der Unerfahrenheit dieses Christen zusammen. Er sei gerade erst aus dem Westen gekommen … W

ÜBERNAHME, UMWANDLUNG UND GEMEINSAME NUTZUNG VON HEILIGEN RÄUMEN

© alamy

Dazu schreibt Mitte des 5. Jh. der Kirchenhistoriker Sozomenos: „Dort begehen noch heute die einheimischen und die weiter entfernt wohnenden Palästiner, Phöniker und Araber alljährlich zur Sommerzeit ein prächtiges Fest. Dabei kommen auch sehr viele des Handels wegen zusammen, um zu verkaufen und einzukaufen. Allen ist das Fest sehr wichtig, den Juden, weil sie sich Abrahams als ihres Stammvaters rühmen, den Hellenen wegen der Ankunft der Engel, den Christen, weil schon da- mals dem gottesfürchtigen Mann derselbe erschien, der viel später zur Erlösung des Menschengeschlechtes sich selbst durch die Jungfrau offenbar werden ließ.

Je nach den Religionen ehren sie diesen Platz, die einen, indem sie zum Gott des Alls beten, die anderen mit Anrufung der Engel, mit Weinspenden und Opfern von Weihrauch oder einem Rind, einem Bock, einem Schaf oder einem Hahn ...“

Sozomenos, Kirchengeschichte 2,4; Übersetzung von G. C. Hansen (Fontes Christiani Bd. 73/1, Freiburg 2004, 213–215).

Das Heiligtum von Mamre

QUELLEN TEXT

Palmenmosaik am Ort der Kathisma-Kirche bei Betlehem. Die im 8. Jh. von Muslimen in die Kirche eingebrachte Abbildung illustriert eine Legende in Sure 19: Maria bekommt am Stamm einer Palme Wehen und gebiert Jesus.

Weil Christen und Muslime hier Maria verehr- ten, nutzten sie das Gebäude gemeinsam.

Synkretismus

Unzulässige Vermischung von Elementen verschie- dener Religionen. Der Begriff zeugt allerdings von der irrigen Meinung, es gäbe „reine“ Religio- nen. Dagegen fi nden sich in allen Religionen adaptierte Elemente von anderen, z. B. das Fest des Sol invictus der Römer im christlichen Weihnachtsfest.

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